Profumo-AffäreChristine Keeler und John Profumo


22. Februar 1942: Christine Keeler wird in Uxbridge, Middlesex, geboren. Den Familiennamen übernahm ihr Vater von seinen Adoptiveltern. Die Eltern sind seit 1939 verheiratet.

1945: Als Christine drei Jahre alt ist, verlässt der Vater die Familie.

1946: Ihre Mutter Julie und deren Lebensgefährte Ted Huish ziehen mit Christine in einen ausrangierten Eisenbahnwaggon in Wraysbury, einer Siedlung in Berkshire. Anfangs gibt es weder Strom noch Heizung.

1948: Die Scheidung der Eltern wird rechtskräftig.

1951: Nachdem in der Schule festgestellt wurde, dass Christine Keeler unterernährt ist, schickt man sie für einen Monat zur Erholung in ein Ferienlager in Littlehampton.

1954: Sie beginnt, vor dem Beginn des Schulunterrichts Zeitungen auszutragen.

10. Januar 1957: Der konservative Politiker Harold Macmillan (1894 – 1986) wird britischer Premierminister.

22. Februar 1957: An ihrem 15. Geburtstag wird Christine Keeler von ihrer Mutter zur Arbeitsvermittlung gebracht, und sie erhält eine Stelle als Schreibkraft in einem Büro.

Sie wechselt nach kurzer Zeit den Arbeitsplatz und bleibt auch in den nächsten Firmen nicht lang. Schließlich konsultiert ihre Mutter mit ihr einen Arzt, der Christine zu einer Psychiaterin überweist, die dazu rät, das Kind für einige Zeit aus dem Umfeld des ungeliebten Stiefvaters zu entfernen. Julie Keeler fährt deshalb mit ihrer Tochter zu frisch verheirateten Verwandten in Redhill, Surrey, die sie widerwillig aufnehmen. Nach vier Tagen kehrt sie zu Ted Huish zurück. Christine fängt in einer Krawattenfabrik in Redhill an, aber auch diese Tätigkeit ist nur von kurzer Dauer. Danach fährt sie wieder nach Wraysbury.

1957: Christine Keeler erhält einen Job als Mannequin in London. Sie pendelt jeden Tag zwischen Wraysbury und London.

Dennis, ein Student aus Ghana, lädt sie übers Wochenende nach London ein. Sie wird von ihm defloriert.

Christine Keeler nimmt einen Job als Rezeptionistin in Wraysbury an.

Sie hat eine Affäre mit einem jungen Mann namens Peter Lewin, dann mit deutlich älteren Männern.

1958: Einer der Liebhaber, Jeff Perry, schwängert sie.

17. April 1959: Beim Versuch, den Embryo mit Stricknadeln abzutreiben, wird das Kind vorzeitig geboren. Es stirbt nach sechs Tagen in der Klinik.

1959: Christine Keeler zieht nach London.

Dort fängt sie als Garderobiere in einem griechischen Restaurant zu arbeiten an. Durch den Stammgast Harry Avoletis lernt sie Maureen O’Connor kennen, die in einem Nachtklub in Soho beschäftigt ist: Murray’s Cabaret Club. Maureen stellt Christine dem schottischen Besitzer Percy („Pops“) Murray vor, und der engagiert das hübsche Mädchen als Showgirl. Ihre Aufgabe ist es, während der erotischen Tanzdarbietungen mit entblößten Brüsten auf der Bühne zu stehen.

Christine Keeler mietet ein eigenes Apartment in einem Haus, in dem auch Andreas Diamond wohnt, einer ihrer Freunde, der seinen Beruf als Konzertpianist wegen einer Handverletzung nicht mehr ausüben kann und von seiner Ehefrau verlassen wurde.

Als Showgirl in Murray’s Cabaret Club fällt sie dem Londoner Modearzt Dr. Stephen Ward (1912 – 1963) auf.

Sein Vater Arthur Evelyn Ward wurde 1934 Domherr der Kathedrale in Exeter. Seine Mutter Eileen stammt aus einer irischen Familie. Obwohl es Stephen Ward langweilte, studierte er am Kirksville College of Osteopathy and Surgery in Missouri und spezialisierte sich auf Osteopathie, denn er betrachtete die Ausbildung als Schlüssel für den gesellschaftlichen Aufstieg. In Indien linderte er 1944 Mahatma Gandhis Rückenschmerzen. Inzwischen zählen Prominente wie Winston Churchill, Paul Getty, Frank Sinatra, Elizabeth Taylor und Ava Gardner zu seinen Patienten. In seiner Freizeit malt er Porträts, beispielsweise von Mitgliedern der königlichen Familie. Am 27. Juli 1949 heiratete er ein vierzehn Jahre jüngeres Model. Patricia Mary Baines verließ ihn jedoch nach sechs Wochen. Bei Partys ist er ein gern gesehener Gast, nicht nur weil er mitunter jemandem spontan den Rücken einrenkt, sondern auch wegen der attraktiven Mädchen, mit denen er sich schmückt und die er seinen Freunden aus der High Society zur Verfügung stellt.

Juni 1959: Stephen Ward holt Christine Keeler bei ihrer Mutter und ihrem Stiefvater ab und fährt mit ihr nach Cliveden. Obwohl er dreißig Jahre älter ist, als Christine, gefällt der distinguierte Jaguar-Fahrer Julie Keeler, denn sie hält ihn für eine gute Partie.

Das schlossartige Anwesen Cliveden bei Maidenhead war 1893 von dem amerikanischen Milliardär William Waldorf Astor erworben worden. 1942 übergab es die Familie Astor einer nationalen Stiftung, behielt sich jedoch das Recht vor, dort zu wohnen. William („Bill“) Astor (1907 – 1966), seit dem Tod seines Vaters am 30. September 1952 der 3. Lord Astor, gehört zu Stephen Wards Freunden, seit dieser ihn nach einem Reitunfall bei einer Fuchsjagd im Jahr 1950 behandelte. 1956 vermietete er ihm für einen symbolischen Jahresbetrag von 1 Pfund ein zu Clivedon gehörendes Landhaus mit einem geschnitzten Holzbalkon („Spring Cottage“).

Für die in einem umgebauten Eisenbahnwaggon aufgewachsene junge Frau ist selbst dieses Nebengebäude ungewohnt luxuriös. Zwei oder drei Stunden unterhält Ward sich dort mit ihr, dann fährt er sie wieder nach Hause.

Christine Keeler zieht zu Stephen Ward in das Apartment, das er im Londoner Stadtviertel Marylebone bewohnt.

In ihrer Autobiografie beschreibt Christine Keeler eine Party in Wards Landhaus in Cliveden. Die Teilnehmer sind festlich wie für einen Opernbesuch gekleidet, aber nach dem Abendessen ziehen sie sich aus, und Stephen Ward fordert seine Begleiterin auf, sich ebenfalls zu entkleiden. Immer wieder nimmt Christine Keeler an solchen Sex-Orgien teil.

27. März 1960: Der russische Fregattenkapitän Jewgenij („Eugene“) Iwanow (1926 – 1994) kommt als stellvertretender Marineattaché der sowjetischen Botschaft nach London. In Wirklichkeit arbeitet er für einen Geheimdienst der sowjetischen Streitkräfte (GRU).

Juni 1960: Durch ihre neue Freundin Sherry Danton lernt Christine Keeler den Immobilienhai Peter Rachman (1919 – 1962) kennen. (Auf ihn geht der Begriff „Rachmanism“ zurück, mit dem die skrupellose Ausbeutung von Mietern gemeint ist.) Rachman rät ihr, sich lieber mit Sherry Danton als mit Stephen Ward eine von ihm zur Verfügung gestellte Wohnung in Marylebone zu teilen, ihren Job als Showgirl in Murray’s Cabaret Club aufzugeben und sich als Model zu versuchen. Rachman bietet ihr sogar an, sie in der Übergangszeit finanziell zu unterstützen. Christine Keeler lässt sich überzeugen, und weil sie Konflikte scheut, holt sie ihre Sachen aus Stephen Wards Wohnung, während dieser sich in Cliveden aufhält.

Rachman gibt ihr Geld, damit sie sich von Edgar Brind fotografieren und eine Modelkarte anfertigen lassen kann.

Anders als Ward verlangt Rachman von ihr, dass sie nicht anderen Männern sondern ihm selbst jederzeit zur Verfügung steht. Sex will er – so Christine Keeler – immer nur nachmittags. Und sie darf ihm dabei nicht ins Gesicht sehen, sondern muss sich beispielsweise mit dem Rücken zu ihm auf ihn setzen.

Als Rachman herausfindet, dass Christine auch mit seinem Bodyguard Serge Paplinski schläft, lässt er sie mitten in der Nacht von einem seiner Fahrer in London anhalten und auffordern, sofort nach Hause zu kommen. Sie versteht die deutliche Warnung und beschließt, den Control Freak zu verlassen.

Juli 1960: Der konservative Politiker John („Jack“) Dennis Profumo (1915 – 2006) wird Heeresminister (Secretary of State for War).

Juli 1960: Für den „Daily Telegraph“ hält Stephen Ward mit dem Zeichenstift Szenen aus dem Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem fest.

September 1960: Christine Keeler zieht vorübergehend zu ihrer Freundin Jenny Harvey, und Percy Murray stellt sie wieder als Oben-ohne-Showgirl ein. In Murray’s Cabaret Club ist inzwischen auch die Polizistentochter Marilyn („Mandy“) Rice-Davis (* 1944) aus Solihull, Birmingham, beschäftigt. Die beiden Frauen werden Freundinnen, und Christine macht Mandy mit Stephen Ward bekannt.

Christine Keeler bleibt nur wenige Wochen in Murray’s Cabaret Club. Dann kündigt sie erneut, und Mandy Rice-Davies folgt ihrem Beispiel.

Christine Keeler mietet eine Wohnung im Westen Londons und erbittet sich das Geld für die Kaution von Michael Lambton, einem Mann, der sie gern ganz für sich gewinnen würde. Als sich Mandy Rice-Davies mitten in einer Nacht aus ihrem Apartment fortzuschleichen versucht, um zu ihrer Freundin Christine zu ziehen, wird sie von ihrer Vermieterin festgehalten, da sie mit den Mietzahlungen im Rückstand ist. Michael Lambton lässt sich von Christine Keeler überreden, den ausstehenden Betrag zu bezahlen. Dabei hat sie nicht vor, sich auf ein ernsthaftes Verhältnis mit ihm einzulassen; sie nützt ihn nur aus. Kurz darauf täuscht sie eine Krankheit vor und bringt ihn dazu, ihr auch noch Geld für eine angeblich erforderliche Operation zu geben.

2. November 1960: Der Penguin-Verlag erstreitet vor Gericht das Recht, den Roman „Lady Chatterley’s Lover“ von D. H. Lawrence ungekürzt zu veröffentlichen.

November 1960: Christine Keeler kehrt zu Stephen Ward zurück.

Der fährt mit ihr, ihrer Freundin und einem Piloten nach Clivedon. Dort schläft er mit Mandy. Während er am nächsten Morgen ins Haupthaus geht, um Lord Astor zu behandeln, verlassen die beiden Frauen das Landhaus und kehren per Anhalter nach London zurück. Eine Woche später besucht Ward sie und wird dabei von Bill Astor begleitet.

Kurz darauf bringt Stephen Ward die beiden Mädchen mit Douglas Fairbanks jr. (1909 – 2000) zusammen. In ihrer Autobiografie schildert Christine Keeler einen flotten Dreier mit dem einundfünfzig Jahre alten amerikanischen Filmschauspieler.

Christine Keeler beginnt eine Affäre mit Major Jim Eynan, die zwei Jahre währt.

Weder Mandy noch Christine bemühen sich ernsthaft um die angestrebte Model-Karriere. Stattdessen lassen sie sich von einer Bekannten namens Nina Gadd zu „Dinner Partys“ einladen („purely on a sex-for-money arrangement“).

Ende 1960: Christine Keeler bringt Mandy Rice-Davies und Peter Rachman zusammen. Ihre Freundin zieht zu dem Grundbesitzer und wird dessen Geliebte.

Winter 1960/61: Christine Keeler und Mandy Rice-Davies reisen nach Paris und von dort in einem gestohlenen Auto weiter nach Südfrankreich. Aber Christine gefällt es nicht an der Côte d’Azur. Von dem französischen Filmproduzenten Leo Lux bekommt sie Geld für ein Flugticket nach London, und weil sie ihre Wohnung vor der Abreise aufgab, zieht sie wieder bei Stephen Ward in Marylebone ein.

21. Januar 1961: Colin Coote lädt Jewgenij Iwanow und Stephen Ward zum Essen ein und macht sie miteinander bekannt.

Colin Coote (1893 – 1979), der stellvertretende Herausgeber des „Daily Telegraph“, lässt sich wegen seiner Rückenschmerzen von Ward behandeln. Er kennt Premierministers Harold Macmillan persönlich, denn sie studierten zusammen, und mit Roger Hollis (1905 – 1973), dem Generaldirektor des MI5, spielt er regelmäßig Golf.

Möglicherweise will der MI5 Stephen Ward dafür gewinnen, Jewgenij Iwanow auszuforschen. Christine Keeler vermutet allerdings, dass der Arzt dem sowjetischen Attaché zugleich Informationen zuträgt, die dieser nach Moskau weiterleitet, beispielsweise über die Stationierung amerikanischer Kernwaffen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hält Stephen Ward für einen antiamerikanischen Salonkommunisten.

Christine Keeler behauptet später in ihrer Autobiografie, sie habe Roger Hollis fünf Mal und Anthony Blunt dreimal bei Stephen Ward in Marylebone gesehen. Der Kunsthistoriker Anthony Blunt (1907 – 1983) gesteht in den Sechzigerjahren, ein Doppelagent gewesen zu sein. Christine Keeler geht davon aus, dass auch Roger Hollis für die Sowjets spionierte. 1961 beobachtet sie, wie Hod Chapman-Dibben, der Betreiber eines von Prominenten frequentierten Nachtklubs in Mayfair, Stephen Ward Dokumente übergibt und dafür Geld bekommt. Einmal bringt sie für Ward auch selbst ein an Jewgenij Iwanow adressiertes großes, gefülltes Kuvert zur sowjetischen Botschaft.

Wenn Stephen Ward, der sich an sein Versprechen hält, keinen Sex mit ihr haben zu wollen, nicht zu Hause ist, empfängt Christine Keeler Freunde und Freier.

Februar 1961: Konservative Abgeordnete, die nicht zuletzt aufgrund des reißenden Absatzes des Romans „Lady Chatterly’s Lover“ (2 Millionen Exemplare in acht Monaten) um die Moral der britischen Gesellschaft fürchten, gründen eine Aktionsgruppe zur Verteidigung moralischer Prinzipien im öffentlichen Leben. Die Schriftstellerin Barbara Cartland (1901 – 2000) verbrennt demonstrativ ein Männermagazin.

6. Juni 1961: Stephen Ward bringt Keith Wagstaffe vom MI5 mit nach Hause, und Christine Keeler kocht ihnen Kaffee. Wagstaffe erkundigt sich über die Beziehung des Gastgebers zu Jewgenij Iwanow, denn er hält den sowjetischen Attaché für einen Geheimagenten. Ward behauptet, er habe nichts Verdächtiges bemerkt. Der Agent rät ihm daraufhin, den Umgang mit Iwanow fortzusetzen und ihn unauffällig zu beobachten.

Bei einem Ausflug mit dem Motorboot eines Freundes auf der Themse springt Christine Keeler ins Wasser. Ward wirft ihr schließlich ein Tau zu, das sich um ihren Arm wickelt, und sie wird von dem Motorboot mitgerissen. Dabei ertrinkt sie beinahe. Wollte Stephen Ward sie ermorden? Weiß sie zu viel?

Einmal fährt Ward mit ihr zu einem Straßenstrich und drängt sie, auf und ab zu gehen, einfach nur, weil er sehen möchte, wie viele Männer ihretwegen anhalten.

Als Christine Keeler den 1948 aus Jamaika eingewanderten Blues-Sänger Aloysius („Lucky“) Gordon kennenlernt und mit ihm einen Joint raucht, fragt sie den Einunddreißigjährigen, ob er ihrem „Bruder“ ein dunkelhäutiges Mädchen vermitteln könne, denn sie weiß, dass Stephen Ward nach einer Schwarzen sucht. Sie gibt ihm die Telefonnummer des Apartments, in dem sie mit dem Arzt wohnt, und zwei Tage später ruft er tatsächlich an. Seine Schwester sei bereit, sich mit Christines „Bruder“ zu treffen, sagt er. Mit Lucky Gordon gewinnt Christine Keeler einen ebenso lästigen wie gefährlichen Verehrer. Wenn sie versucht, auf Distanz zu gehen, wirft er ihr vor, rassistisch zu sein. Einmal lockt er sie unter einem Vorwand in seine Wohnung, bedroht sie mit einem Messer und vergewaltigt sie.

7. Juli 1961: Christine Keeler fährt mit ihrem persischen Freund Leo Norell nach Cliveden. Unterwegs nehmen sie eine junge Frau mit, die an einer Haltestelle auf den Bus gewartet hat. Später trifft auch Stephen Ward in seinem Landhaus ein. An diesem Abend sind bei Lord und Lady Astor im Herrenhaus von Cliveden etwa vierzig Gäste eingeladen, darunter der pakistanische Staatspräsident Muhammed Ayub Khan (1907 – 1974) und der britische Heeresminister John Profumo mit seiner zwei Jahre jüngeren Ehefrau, der Filmschauspielerin Valerie Hobson (1917 – 1998).

Nacht vom 7./8. Juli 1961: Während Christine Keeler nackt im Pool schwimmt, nähern sich unerwartet Bill Astor und John Profumo und unterhalten sich mit Stephen Ward, der am Beckenrand steht. Die offenbar beschwipsten Männer beobachten, wie Christine aus dem Wasser steigt und sich mit einem Handtuch notdürftig bedeckt. Wie ausgelassene Schuljungen versuchen sie, ihr das Handtuch wegzuziehen und jagen sie um den Pool herum. Plötzlich schaltet Lord Astor die Beleuchtung ein. Dadurch werden andere Gäste aus dem Haupthaus angelockt, darunter Valerie Hobson und Lady Astor, die dritte Ehefrau des Hausherrn, das frühere Supermodel Janet Bronwen Alun Pugh (* 1930). Der Gegensatz zwischen der Nackten und den Damen in Abendkleidern könnte nicht größer sein. Bill Astor lädt schließlich Stephen Ward und dessen Gäste zu einem Drink ins Haupthaus ein.

8. Juli 1961: Nachdem Stephen Ward gemerkt hat, dass Christine Keeler dem Heeresminister gefällt, beauftragt er sie, ihn bei einem Tête-à-tête über die Stationierung von Atomsprengköpfen in Europa auszuhorchen – so erzählt sie es. Für Sonntagabend lädt er Jewgenij Iwanow und Christines Freund Noel Howard-Jones nach Cliveden ein.

9. Juli 1961: Ward nimmt außer Christine zwei seiner Gespielinnen mit nach Cliveden. Eine Seite des Pools haben die Gäste der Astors belegt. Auch John Profumo ist wieder dabei und lässt sich auf ein lustiges Wettschwimmen mit Jewgenij Iwanow ein, bei dem die Beine nicht bewegt werden dürfen. Danach hebt er sich Christine Keeler auf die Schultern, und ein anderes Mädchen reitet Iwanow, während sich die beiden Paare gegenseitig umzustoßen versuchen.

Jewgenij Iwanow bringt Christine Keeler auf Stephen Wards Wunsch zurück nach London und nimmt sie mit in seine Wohnung. Dort treibt er es mit ihr auf dem Fußboden.

Mandy Rice-Davies behauptet später, Christine Keeler habe sich auch weiterhin mit Iwanow getroffen:

Phillip Knightley und Caroline Kennedy bezweifeln dagegen in ihrem Buch „An Affair of State“, dass Christine Keeler und Jewjenij Iwanow miteinander intim waren.

10. Juli 1961: Stephen Ward eröffnet seiner Mitbewohnerin gut gelaunt, er habe John Profumo die Telefonnummer gegeben, unter der er sie erreichen kann.

11. Juli 1961: Bei seiner Ankunft in London wird Juri Alexejewitsch Gagarin (1934 – 1968) bejubelt, der sowjetische Kosmonaut, der am 12. April als erster Mensch im All war.

12. Juli 1961: John Profumo ruft an und verabredet sich mit Christine Keeler. Er holt sie ab – und beginnt eine Affäre mit der Neunzehnjährigen, ohne zu ahnen, dass sie drei Tage zuvor mit einem sowjetischen Geheimagenten schlief. Stephen Ward unterrichtet noch am selben Tag Keith Wagstaffe über die Beziehung Christine Keelers zu Jewgenij Iwanow und John Profumo.

Vom MI5 beobachtet, holt John Profumo seine Geliebte mehrmals mit Chauffeur und Dienstlimousine von Stephen Wards Wohnung in Marylebone ab. Einmal nimmt er sie in seine Privatwohnung mit und treibt es mit ihr im Ehebett. Als Jim Eynan seine Geliebte wieder einmal während Stephen Wards Abwesenheit besucht, trifft er sie zu seiner Verblüffung mit dem Heeresminister zusammen an.

14. Juli 1961: Zu einem Empfang im Buckingham Palast anlässlich des Besuchs von Juri Gagarin nimmt Stephen Ward statt Christine Keeler seine Freundin Sally Nowells mit. Auch John Profumo, dessen Ehefrau Valerie Hobson und Jewgenij Iwanow sind unter den geladenen Gästen.

8. August 1961: Nachdem John Profumo von einem Kabinettsmitglied im Auftrag von Roger Hollis vor Stephen Ward und Christine Keeler gewarnt wurde, schreibt er ihr, er könne sich vor September nicht mehr mit ihr treffen.

Oktober 1961: Christine Keeler besucht mit John Profumo Murray’s Cabaret Club. Danach treiben sie es im Auto. Dabei wird Christine schwanger (behauptet sie in ihrer Autobiografie).

Christine Keeler und Mandy Rice-Davies mieten sich eine Wohnung an der Küste, aber nach kurzer Zeit kehrt Mandy zu Peter Rachman zurück, und Christine bleibt nichts anderes übrig, als erneut bei Stephen Ward Zuflucht zu suchen. Er vermittelt sie an einen Kollegen, der Sex-Parties veranstaltet und Abtreibungen vornimmt. Aber der weigert sich, ihr zu helfen.

Dezember 1961: Kurz vor Weihnachten holen Christine Keeler und Mandy Rice-Davies wunschgemäß Stephen Ward in Bayswater von einer Sexorgie bei Mariella Novotny (eigentlich: Stella Marie Capes, * 1941) ab, die seit Januar 1960 mit dem sechsunddreißig Jahre älteren Nachtklub-Besitzer Horace Dibben verheiratet ist. Dabei sehen Christine und Mandy, wie sich die Gastgeberin, die nur ein brustfreies Korsett trägt, mit fünf nackten Männern im Bett wälzt. Ein Mann, der nichts außer einer Gesichtsmaske trägt, bedient die Gäste, fordert sie dazu auf, ihn mit der Peitsche zu bestrafen, wenn sie mit seinem Service nicht zufrieden sind und isst selbst auf allen Vieren aus einem Hundenapf.

Noch einmal mieten Christine Keeler und Mandy Rice-Davies zusammen eine Wohnung, diesmal in London. Wieder überlegt Mandy es sich bald darauf anders und lässt Christine allein zurück.

20. Januar 1962: Christine Keeler bestellt eine Engelmacherin zu sich. Glücklicherweise besucht ihr alter Freund Peter Lewin sie unmittelbar nach dem Eingriff und bringt sie ins Chelsea Hospital for Women.

Im All Nighters Club in Soho treffen Christine Keeler und ihr Begleiter Paul Mann auf Lucky Gordon. Der Jamaikaner gibt sich so friedlich, dass sie ihn mitnehmen, als sie mit einigen Freunden in Paul Manns Wohnung weiterfeiern. Plötzlich hat Gordon eine Axt in der Hand. Er packt Christine Keeler und zwingt alle anderen Gäste, das Apartment zu verlassen. Dann vergewaltigt er sie und hält sie und Paul Mann gefangen. Als er nach zwei Tagen Zigaretten holen will, alarmieren die Opfer die Polizei, die Gordon daraufhin verhaftet – aber wieder freilässt, als Christine Keeler die Anzeige zurückzieht.

Freiwillig verbringt sie drei Tage mit Lucky Gordon in dessen Wohnung. Er behandelt sie wie eine Prinzessin. Doch als sie sich verabschiedet, weiß sie, dass sie in Gefahr ist, solange sie nicht zu ihm zurückkehrt.

Sie wohnt abwechselnd bei Stephen Ward und ihrem alten Verehrer Michael Lambton.

Frühjahr 1962: Um Lucky Gordon zu entkommen, plant sie, mit Mandy Rice-Davies (die sich wieder einmal von Peter Rachman trennen will) und Nina Gadd nach New York zu reisen. Das dafür erforderliche Geld lässt sie sich von Michael Lambton geben.

11. Juli 1962: An Bord der SS Niew Amsterdam treffen Christine Keeler und Mandy Rice-Davies in New York ein. Nina Gadd änderte ihre Pläne und kam nicht mit.

18. Juli 1962: Sobald sie ihr Geld ausgegeben haben, fliegen sie mit einer Maschine der British Overseas Airways Corporation nach London zurück.


Dieter Wunderlich: Verführerische Frauen. © Piper Verlag 2012

Ein litarisches Porträt von Christine Keeler finden Sie in dem Buch
„Verführerische Frauen. Elf Porträts“ von Dieter Wunderlich.
Piper Verlag, München 2012 – Leseprobe


September 1962: Stephen Ward macht Christine Keeler mit seiner von einem afroamerikanischen Luftwaffen-Offizier schwangeren Gespielin Paula Hamilton-Marshall bekannt. Sie wohnt bei der Fotografin Kim Proctor. Als Stephen Ward und Christine Keeler sie besuchen, treffen sie auf John („Johnnie“) Edgecombe (1932 – 2010), einen vorbestraften Jazz Promoter von der Karibikinsel Antigua, der Christine anbietet, sie vor Lucky Gordon zu beschützen, und ihr Liebhaber wird.

Anfang Oktober 1962: Als Christine Keeler vom Friseur kommt, schlägt Lucky Gordon sie auf der Straße nieder. Ausgerechnet an diesem Tag hat sie die Luger nicht bei sich, die sie sich kürzlich aus Furcht vor ihm besorgte.

22. Oktober 1962: Oberst Oleg Wladimirowitsch Penkowski (1919 – 1963), der nicht nur für den militärischen Geheimdienst der UdSSR (GRU), sondern auch für den MI6 arbeitete und die Westmächte auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges mit wertvollen Informationen versorgte, wird in Moskau verhaftet.

22. Oktober 1962: US-Präsident John F. Kennedy informiert die Öffentlichkeit über die Kubakrise. Der Kalte Krieg droht in einem dritten Weltkrieg zu eskalieren.

25. Oktober 1962: Christine Keeler fragt Stephen Ward, ob sie wieder in das Apartment ziehen könne, das er vor längerer Zeit für sie mietete. Aber dort wohnt inzwischen der indische Arzt Emil Savundra.

27. Oktober 1962: Im All Nighters Club treffen Christine Keeler und Johnnie Edgecombe auf Lucky Gordon. Edgecombe zieht ein Messer und zerschneidet Gordon damit das Gesicht. Bevor die Polizei eintrifft, zerrt er seine Begleiterin aus dem Lokal und flüchtet mit ihr. Gordons Wunde wird mit siebzehn Stichen genäht.

28. Oktober 1962: Hilfe suchend wendet Christine Keeler sich an Stephen Ward. Er bringt sie bei einem Abendessen mit Michael Eddowes (1903 – 1992) zusammen. Der Rechtsanwalt, dem die Restaurantkette Bistro Vino gehört, ist bereit, ihr ein Apartment zur Verfügung zu stellen, aber sie findet ihn zu alt und zieht es vor, mit Rosemary Wells, der Tochter eines Freundes von Stephen Ward, eine gemeinsame Wohnung am Great Cumberland Place zu mieten.

14. Dezember 1962: Christine Keeler ist mit Mandy Rice-Davies verabredet. Sie wollen Weihnachtseinkäufe machen. Als Christine ihre Freundin in Stephen Wards Wohnung in Marylebone abholen will, ist diese noch im Bad. Während sie wartet, taucht Johnny Edgecombe vor dem Haus auf. Mandy weigert sich, ihm zu öffnen. Als sich Christine am Fenster zeigt, zielt er mit der Luger, die sie bei ihm liegen ließ, auf sie. Dann versucht er, das Schloss der Haustüre aufzuschießen. Mandy ruft die Polizei an, die nach wenigen Minuten eintrifft. Und Edgecombe wird festgenommen.

Nach der Schießerei vor Stephen Wards Wohnung ziehen Journalisten Erkundigungen über die Beteiligten ein – und stoßen dabei auch auf die Beziehung von John Profumo und Christine Keeler. Weil die Medien das Privatleben der Politiker noch respektieren, schlachten sie ihre Erkenntnisse zunächst nicht vollständig aus. Allerdings kursieren Gerüchte.

16. Dezember 1962: Christine Keeler macht sich Sorgen darüber, dass sich ihr Verhältnis mit einem dunkelhäutigen Mann herumspricht, denn Anfang der Sechzigerjahre wird das gewöhnlich mit gesellschaftlicher Ächtung sanktioniert. Sie wendet sich Rat suchend an Michael Eddowes. Dabei erwähnt sie auch, dass sie John Profumo aushorchen sollte.

Eddowes stellt Ward zur Rede. Der behauptet, nicht er, sondern Jewgenij Iwanow habe sie dazu angestiftet.

24. Dezember 1962: Auf einer Weihnachtsparty ihrer Freundin Jenny Harvey lernt Christine Keeler den früheren Labour-Abgeordneten John Lewis kennen, der verspricht, ihr juristischen Beistand zu vermitteln.

25. Dezember 1962: John Lewis ruft Christine Keeler an und lädt sie ein, zu ihm zu kommen. Rasch findet sie heraus, dass er nur daran interessiert ist, Stephen Ward zu schaden.

21. Januar 1963: Harold Adrian Russell („Kim“) Philby (1912 – 1988), der seit 1956 in Beirut für den MI6 tätig ist, taucht nach seiner Enttarnung als Doppelagent unter und setzt sich nach Moskau ab.

22. Januar 1963: Nina Gadd besucht Christine Keeler mit einem Begleiter, den sie als ihren Verlobten ausgibt. Die beiden versuchen sie über ihre Beziehungen mit Stephen Ward und John Profumo auszuhorchen. Schließlich gibt Ninas Begleiter sich als Reporter des Revolverblatts „Sunday Pictorial“ zu erkennen und bietet ihr 1000 Pfund für ihre Geschichte.

23. Januar 1963: Christine Keeler geht mit Mandy Rice-Davies zur Redaktion des „Sunday Pictorial“, erzählt ihre Geschichte und übergibt als Beweisstück John Profumos Brief vom 8. August 1961. Die Zeitung wagt es jedoch nicht, den geplanten Artikel zu veröffentlichten.

26. Januar 1963: Detective Sergeant John Burrows von Scotland Yard vernimmt Christine Keeler. Sie sagt aus, dass sie zur gleichen Zeit Sex mit John Profumo und Jewgenij Iwanow gehabt habe und behauptet, Stephen Ward spioniere in Zusammenarbeit mit dem stellvertretenden Marineattaché der sowjetischen Botschaft in London.

28. Januar oder 1. Februar 1963: Premierminister Harold Macmillan wird über die Gerüchte über eine Affäre von John Profumo und Christine Keeler unterrichtet.

29. Januar 1963: Der mit Stephen Ward befreundete amerikanische Geschäftsmann Thomas Corbally informiert in der US-Botschaft in London Alfred Wells, den Sekretär des Botschafters David Bruce, über die Affäre von Christine Keeler mit John Profumo und Jewgenij Iwanow.

29. Januar 1963: Jewgenij Iwanow kehrt fluchtartig in die UdSSR zurück.

1. Februar 1963: Unter dem Codenamen „Kolania“ wird eine Geheimakte über Christine Keeler angelegt.

Der Generalstaatsanwalt lässt sich von John Profumo überzeugen, dass dessen Beziehung mit Christine Keeler nur freundschaftlich gewesen sei.

8. März 1963: Christine Keeler fährt mit Kim Proctor und Paul Mann im Auto nach Paris.

Nach einem mehrtägigen Aufenthalt in Paris reisen sie weiter nach Marbella und mieten ein Ferienhaus in Altea.

14. März 1963: Obwohl Christine Keeler beim Prozess gegen Johnnie Edgecombe als Zeugin geladen ist, erscheint sie nicht vor Gericht. Deshalb entsteht das Gerücht, John Profumo habe sie „verschwinden lassen“. Edgecombe muss sich wegen der Verletzung Lucky Gordons und den Schüssen vor Stephen Wards Haus verantworten. Das Gericht verurteilt ihn zu sieben Jahren Haft.

21. März 1963, 23 Uhr: Der Labour-Abgeordnete George Wigg (1900 – 1983) kolportiert im Unterhaus, ein Minister habe eine Affäre mit „a Miss Christine Keeler“ gehabt.

Es ist bemerkenswert, dass die Affäre nicht durch die Medien, sondern durch einen Politiker der Opposition publik gemacht wird.

Der Premierminister lässt John Profumo daraufhin aus dem Bett holen. Er versichert fünf führenden Mitgliedern seiner Partei, kein Verhältnis mit Christine Keeler gehabt zu haben.

22. März 1963: Der Minister gibt in einer Erklärung vor dem Unterhaus am 22. März zwar zu, Christine Keeler zu kennen, beteuert aber zugleich, die Beziehung sei nicht unanständig gewesen.

Obwohl John Profumo mit Verleumdungsklagen droht, berichten die Medien nun groß aufgemacht über ihn und Christine Keeler. Sie spekulieren darüber, ob die junge Frau den Minister für einen Liebhaber aus der UdSSR ausspioniert haben könnte. Das ist im Kalten Krieg ein heißes Thema.

25. März 1963: Christine Keeler und Paul Mann machen mit zwei Stierkämpfern einen Ausflug von Altea nach Madrid.

18. April 1963: Christine Keeler zeigt Lucky Gordon an und behauptet, er habe sie Anfang Oktober 1962 beim Verlassen ihrer Wohnung zusammengeschlagen. Am nächsten Tag wird der Jamaikaner verhaftet.

Ende April 1963: Mandy Rice-Davies wird wegen eines Verkehrsunfalls festgenommen und ins Frauengefängnis in London-Holloway gebracht.

John Burrows und Chief Inspector Samuel Herbert vernehmen Mandy Rice-Davies im Gefängnis und Christine Keeler in der Wohnung, die sie sich inzwischen mit Paula Hamilton-Marshall teilt.

7. Mai 1963: In Moskau beginnt der Schauprozess gegen Oleg Penkowski.

9. Mai 1963: Penkowski wird wegen Hochverrats zum Tode verurteilt.

16. Mai 1963: Oleg Penkowski wird hingerichtet.

Mai 1963: Der 1925 in Hongkong als Sohn eines Engländers und einer Chinesin geborene Fotograf Lewis Morley (* 1925) erhält den Auftrag, Christine Keeler für ein Plakat aufzunehmen, mit dem ein geplanter Film über sie beworben werden soll. Christine Keeler verpflichtete sich zwar vertraglich, nackt zu posieren, aber sie sträubt sich dann doch, bis Morley sie überredet, sich verkehrt herum mit gespreizten Beinen auf ein Imitat eines von dem dänischen Designer Arne Jacobsen entworfenen Stuhls (Modell 3107) zu setzen, sodass die Lehne ihre Scham verdeckt und sie mit ihren aufgestützten Unterarmen ihre Brüste verbergen kann. (In ihrer Autobiografie behauptet sie, einen Slip getragen zu haben.) Eine aus der Fotoserie gestohlene und vom „Sunday Mirror“ ohne Genehmigung Morleys veröffentlichte Aufnahme wird zu einer Ikone der Sechzigerjahre.

29. Mai 1963: Premierminister Harold Macmillan bespricht mit dem Oppositionsführer Harold Wilson das weitere Vorgehen.

30. Mai 1963: Eine Untersuchung der Vorwürfe gegen John Profumo durch den Lordkanzler wird angekündigt.

3. Juni 1963: John Profumo kehrt mit seiner Ehefrau Valerie Hobson von einem Italien-Urlaub zurück.

4. Juni 1963: Er gesteht in einem Brief an den Premierminister, der sich in Schottland aufhält, gelogen zu haben und bietet seinen Rücktritt an.

Die kurze Affäre mit Christine Keeler hätte John Profumo vermutlich nicht das Amt gekostet, aber seine Lüge vom 22. März ruiniert seine politische Karriere.

5. Juni 1963: John Profumo tritt vom Amt des Heeresministers zurück.

Nach Profumos Rücktritt überschlagen sich die Medien mit Sensationsmeldungen über den Skandal.

John Profumo zieht sich mit Valerie Hobson zur gemeinsamen Freundin Lady Baillie in das Wasserschloss Leeds Castle südöstlich von Maidstone in Kent zurück.

Später engagiert John Profumo sich im Londoner East End für Obdachlose, Alkoholkranke und Drogensüchtige. Angeblich putzt er sogar Toiletten. Dieses reumütige Verhalten beeindruckt die Bevölkerung, und die High Society nimmt ihn wieder auf.

6. Juni 1963: „What the hell is going on in this country?“, lautet die Schlagzeile des Daily Mirror.

6. Juni 1963: Christine Keelers Rechtsanwalt Walter Lyons füttert die Medien in ihrem Namen mit Informationen. Für 23.000 Pfund verkauft er ihre Geschichte dem Skandalblatt „News of the World“.

7. Juni 1963: Nachdem Mandy Rice-Davies dem „Daily Sketch“ von Affären ihrer Freundin mit John Profumo und Jewgenij Iwanow berichtete, gibt Christine Keeler dies gegenüber dem „Daily Express“ zu.

8. Juni 1963: Stephen Ward wird festgenommen und in den Central Criminal Court („Old Bailey“) in London gebracht. Ungeachtet der Aussagen Christine Keelers über seine Geheimdiensttätigkeit wird er lediglich beschuldigt, in der Zeit vom 1. Juni 1961 bis 8. Juni 1963 ganz oder teilweise auf Kosten von Prostituierten gelebt und minderjährige Mädchen zum Geschlechtsverkehr angehalten zu haben.

Am selben Tag legt das FBI eine Akte über John Profumo und Christine Keeler mit dem Codenamen „Bowtie“ an und leitet eigene Untersuchungen vor Ort ein.

Juni 1963: Christine Keeler sagt vor Gericht gegen Lucky Gordon aus. Unter Eid wiederholt sie ihre Anschuldigung, er habe sie Anfang Oktober 1962 beim Verlassen ihrer Wohnung tätlich angegriffen. Er wird zu drei Jahren Haft verurteilt. – Ein Nichtweißer, der eine Weiße vergewaltigte, ist Wasser auf die Mühlen der Xenophoben.

20. Juni 1963: Verteidigungsminister Duncan Sandis (1908 – 1987), Winston Churchills Schwiegersohn, gibt in einer Kabinettssitzung zu, dass Gerüchte zirkulieren, denen zufolge er der Mann auf einer Serie von Polaroids sei, die Ian Douglas Campbell, Herzog von Argyll (1903 – 1973), bei seiner Frau fand. Margaret, Herzogin von Argyll (1912 – 1993), ist darauf gut zu erkennen. Sie trägt nichts außer einer Perlenkette und stimuliert mit dem Mund den Penis eines ebenfalls nackten Mannes, dessen Kopf nicht im Bild ist. Beschriftet sind die Fotos folgendermaßen: „before“, „thinking of you“, „during – oh“, „finished“. Mit diesen und anderen Polaroids und einer Liste von achtundachtzig Männern, mit denen seine Frau ihn betrogen haben soll, beantragte der Herzog von Argyll im März die Scheidung. – Duncan Sandis bietet seinen Rücktritt an, aber der Premierminister hält ihn davon ab und schlägt ihm vor, sich von einem Arzt bestätigen zu lassen, dass er nicht der Mann ist, dessen Gemächt und Schamhaar auf dem Foto zu sehen sind. (Inzwischen wird vermutet, dass die Aufnahmen aus dem Jahr 1957 stammen und der Mann auf der Fotoserie Douglas Fairbanks jr. war.)

21. Juni 1963: Harold Macmillan beauftragt Lord Denning (Alfred Thompson Denning, Baron Denning, 1899 – 1999) mit der Untersuchung der Vorwürfe gegen John Profumo sowie der Identifizierung des „headless man“ auf Lady Argylls Fotos und des „man in the mask“ auf Mariella Novotnys Party.

24. Juni 1963: Der Sonderermittler Lord Denning beginnt mit der Befragung von einhundertsechzig Zeugen.

In zwei Vernehmungen äußert Christine Keeler auch den Verdacht, Stephen Ward sei mit Roger Hollis und Anthony Blunt auf der einen und Jewgenij Iwanow auf der anderen Seite geheimdienstlich tätig gewesen. Aber davon wird Denning in seinem Bericht nichts erwähnen.

29. Juni 1963: Mariella Novotnys Geschichte wird veröffentlicht. Sie behauptet, Stephen Ward habe John F. Kennedy kurz vor seiner Wahl zum US-Präsidenten eine chinesisch-stämmige Frau namens Esther Sue („Suzy“) Yan Chang zugeführt.

22. Juli 1963: In Old Bailey wird das Gerichtsverfahren gegen Stephen Ward unter dem Vorsitz von Sir Archibald Pellow Marshall eröffnet. Mervyn Griffith-Jones, der Staatsanwalt, der im Prozess gegen den Penguin Verlag im Oktober/November 1960 unterlag, vertritt die Anklage.

27. Juli 1963: In der am 22. Juli in der Museum Gallery in Holborn eröffneten Ausstellung von Porträts, die Stephen Ward malte, kauft jemand alle Bilder von Mitgliedern der königlichen Familie und lässt sie verschwinden.

30./31. Juli 1963: In der Nacht vor dem zu erwartenden Schuldspruch schluckt Stephen Ward eine Überdosis Schlaftabletten.

3. August 1963: Stephen Ward stirbt im St. Stephen’s Hospital.

Anfang August 1963: Lucky Gordon wird in der Berufungsverhandlung freigesprochen.

25. September 1963: Lord Denning kommt in seinem offiziellen Bericht zu dem Schluss, dass Christine Keeler nicht versuchte, den Minister auszuhorchen und von diesem keine Staatsgeheimnisse verraten wurden. An Profumos Loyalität gegenüber dem Staat sei nicht zu zweifeln, heißt es.

27. September 1963: Der Denning-Report wird veröffentlicht – und erweist sich als Bestseller.

18. Oktober 1963: Harold Macmillan fühlt sich aufgrund der Profumo-Affäre so angeschlagen, dass er vom Amt des Premierministers zurücktritt. Alexander („Alec“) Frederick Douglas-Home, Baron Home of the Hirsel (1903 – 1995), der sein Nachfolger wird, verzichtet auf seine Peerage, um vom Ober- ins Unterhaus wechseln zu können.

Lady Astor ruft den Exorzisten Dom Robert Petitpierre nach Cliveden. Der erklärt anschließend, er sei in Spring Cottage mit außergewöhnlich starken Kräften des Bösen konfrontiert gewesen.

Dezember 1963: Christine Keeler wird wegen Meineids im Verfahren gegen Lucky Gordon festgenommen und zu neun Monaten Haft verurteilt.

13. Dezember 1963: Der Film „The Keeler Affair“ hat in Kopenhagen Premiere.

Originaltitel: The Keeler Affair – Regie: Robert Spafford – Drehbuch: Robert Spafford, Matt White – Kamera: Michel Rocca – Schnitt: Jim Connock – Musik: Roger Bourdin, Roger Connock – Darsteller: Yvonne Buckingham (als Christine Keeler), John Drew Barrymore (als Stephen Ward), Alicia Brandet (als Mandy Rice-Davies), Mel Welles (als Jewgenij Iwanow), Peter Prowse, Mimi Heinrich, Christine Keeler, Mandy Rice-Davies u.a. – 1963; 90 Minuten

Juni 1964: Christine Keeler wird aus dem Holloway Prison freigelassen.

Nach dem Profumo-Skandal betrachten auch prominente Männer Christine Keeler als Sexobjekt und versuchen, sie als Trophäe ins Bett zu bekommen.

Anfang 1965: Kurz bevor Ringo Starr im Februar Maureen Cox heiratet, schläft er mit Christine Keeler. (Das behauptet zumindest Christine Keeler.)

Februar 1965: Auf Anraten ihres Anwalts Walter Lyons mietet Christine Keeler eine billigere Wohnung in der Londoner Vorstadt Barnes.

Oktober 1965: Sie heiratet den vierundzwanzigjährigen Mechaniker James Levermore in Reading.

Bereits zwei Wochen nach der Hochzeit trennen sie sich zum ersten Mal im Streit. Weitere Trennungen und Versöhnungen folgen. Dennoch hofft Christine, unter dem neuen Namen ein normales Leben führen zu können. Aber eines Tages, als sie in dem Bungalow, den sie mit ihrem Mann bewohnt, aus dem Bad kommt, bemerkt sie das Gesicht eines Mannes am Fenster. Die Polizei stellt an der Hauswand Spermaspuren sicher. Ein paar Tage später findet Christine Keeler Sperma im Bad. Daraufhin schafft sie sich einen Hund an.

Juli 1966: Kurz vor der Geburt ihres Sohnes Jimmy trennen Christine und James Levermore sich endgültig.

Jimmy wächst vorwiegend bei Christines Mutter Julie auf.

1967: Christine Keeler lässt sich Silikonkissen in die Brüste implantieren.

Juni 1970: Die Ehe von Christine Keeler und James Levermore wird geschieden.

18. Februar 1971: Christine Keeler heiratet Anthony Platt, den einunddreißigjährigen Direktor einer Metallfabrik im Norden Londons, der ebenfalls geschieden ist. Sie wohnen im Stadtteil Fulham.

Auch diese Ehe wird nicht glücklich: Immer wieder flüchtet Christine Keeler vor ihrem gewalttätigen Mann.

Dezember 1971: Christine Keeler bringt ihren zweiten Sohn zur Welt: Seymour.

März 1972: Christine Keeler verlässt ihren zweiten Ehemann endgültig.

Zwei Jahre lang streiten sie vor Gericht über das Sorgerecht für Seymour.

Herbst 1979: Murray’s Cabaret Club wird geschlossen.

Februar 1983: Mariella Novotny wird tot in ihrem Bett aufgefunden. Es heißt, sie sei an einer Überdosis Drogen gestorben, aber Christine Keeler glaubt, dass sie vom MI5 oder der CIA ermordet wurde, zumal kurz darauf ins Haus eingebrochen wurde und Mariellas Tagebücher verschwanden.

1986: Christine Keeler überwirft sich endgültig mit ihrer Mutter. Seither hört sie weder etwas von ihr noch von ihrem Sohn Jimmy. Nicht einmal Weihnachtskarten bekommt sie.

1987: Premierministerin Margaret Thatcher kann nicht verhindern, dass die Autobiografie des im Januar 1976 deaktivierten MI5-Agenten Peter Wright unter dem Titel „Spycatcher. The Autobiography of a Senior Intelligence Officer“ erscheint. Wright behauptet in dem Buch, Roger Hollis, der von 1956 bis 1965 Generaldirektor des MI5 war, habe in Wirklichkeit als „Maulwurf“ für die UdSSR gearbeitet. Damit bestätigt er Christine Keelers Verdacht.

3. März 1989: Der Film „Scandal“ über die Profumo-Keeler-Affäre hat Premiere.

Originaltitel: Scandal – Regie: Michael Caton-Jones – Drehbuch: Michael Thomas – Kamera: Mike Molloy – Schnitt: Angus Newton – Musik: Carl Davis – Darsteller: John Hurt (als Stephen Ward), Joanne Whalley-Kilmer (als Christine Keeler), Bridget Fonda (als Mandy Rice-Davies), Ian McKellen (als John Profumo), Leslie Phillips, Britt Ekland, Daniel Massey, Roland Gift, Jean Alexander, Alex Norton, Ronald Fraser, Paul Brooke, Jeroen Krabbé, Keith Allen, Ralph Brown u.a. – 1989; 115 Minuten

1. Mai 1989: Seit im Sommer 1963 durch Mandy Rice-Davies Gerüchte über die Sexorgie im Dezember 1961 bei Mariella Novotny aufkamen, wird darüber gerätselt, ob „the man in the mask“ ein Regierungsmitglied war. „Time“ spekuliert nun, dass es sich um den Filmregisseur Anthony Asquith (1902 – 1968), den Sohn des früheren Premierministers Herbert Asquith, gehandelt haben könnte.

1993: Der „Daily Express“ bezahlt Christine Keeler eine Reise nach Moskau. Dort trifft sie sich mit Jewgenij Iwanow, der mit dem Lenin-Orden ausgezeichnet worden war und lässt sich bei einem Kuss mit ihm auf dem Roten Platz fotografieren. Er erzählt ihr, seine Ehefrau habe ihn wegen des Seitensprungs im Juli 1961 verlassen.

21. Februar 2001: Der britische Fernsehsender ITV (Independent Television) strahlt eine Dokumentation unter dem Titel „Christine Keeler: Sex Bomb“ aus.

2001: Christine Keelers Autobiografie (Ko-Autor Douglas Thompson) erscheint unter dem Titel „The Truth at Last. My Story“. Christine Keeler klagt darüber, dass man sie auf die Profumo-Affäre reduziere.

30. Januar 2007: Im Greenwich Theatre in London wird das Musical „A Model Girl“ über Christine Keeler und die Profumo-Affäre uraufgeführt.

4. Dezember 2017: Christine Keeler stirbt in Locksbottom.

Literatur über die Profumo-Affäre, Christine Keeler und John Profumo

  • Tim Coates: The Scandal of Christine Keeler and John Profumo. Lord Denning’s Report, 1963 (1999)
  • Alfred Thompson Denning: Lord Dennings Report zum Fall Profumo oder Die funktionierende Demokratie. Der offizielle Bericht der britischen Regierung, im Auftrag Ihrer Majestät dem Parlament vorgelegt durch den Premierminister im September 1963. Kommentiert von Ulrich Sonnemann und Martin Löffler (1964)
  • Alfred Thompson Denning: The Closing Chapter (1983)
  • Iris Freeman: Lord Denning. A Life (1993)
  • Tara Hanks: Wicked Baby (Roman, 2004)
  • Edmund Heward: Lord Denning. A Biography (1990)
  • Clive Irving, Ron Hall, Jeremy Wallington: Scandal 63. A Study of the Profumo Affair (1963)
  • Christine Keeler und Robert Meadley. Sex Scandals (1985)
  • Christine Keeler mit Douglas Thompson: The Truth At Last. My Story (2001)
  • Phillip Knightley: An Affair of State (1987)
  • Frank Mort: Capital Affairs. The Making of the Permissive Society (2010)
  • Ed Wright: History’s Greatest Scandals. The Salacious Stories of Powerful People (2006)
  • Dieter Wunderlich: Verführerische Frauen. Elf Porträts (2012)
  • Ivanov Yevgeny, Sokolov Gennady, Christine Keeler: The Naked Spy (1992)

© Dieter Wunderlich 2007 / 2010

Ein litarisches Porträt von Christine Keeler finden Sie in dem Buch
„Verführerische Frauen. Elf Porträts“ von Dieter Wunderlich

Maxim Biller - Mama Odessa
Ein Mischa Grinbaum genanntes Ich erzählt von sich und seiner Mutter Aljona, die ebenso wie Maxim Billers Mutter Rada Biller in Moskau Geografie studiert und im Rentneralter als Schriftstellerin debütiert. "Mama Odessa" lässt sich als Versuch des Sohns verstehen, seiner Mutter nach dem Tod nahezukommen. Und es ist eine Geschichte von Versäumnissen.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.