Don Winslow : Tage der Toten

Tage der Toten
Originalausgabe: The Power of the Dog Alfred A. Knopf, New York 2005 Tage der Toten Übersetzung: Chris Hirte Suhrkamp Verlag, Berlin 2010 ISBN: 978-3-518-46200-3, 689 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Arthur Keller arbeitet für eine US-Behörde zur Drogenbekämpfung. Als er 1975 begreift, dass er durch die Zerschlagung eines Kartells unwissentlich einem mexikanischen Polizeichef beim Aufbau einer eigenen Federación half, beginnt er einen jahrzehntelangen Rachefeldzug gegen den Drogenbaron. Dabei stellt er fest, dass US-Organisationen unter dem Deckmantel der Drogenbekämpfung einen brutalen Krieg gegen linksgerichtete Gruppierungen in Lateinamerika führen ...
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Kritik

Don Winslow denkt sich immer neue Ereignisse aus und zeigt dabei ein stupendes (Insider-)Wissen. Wie in einem Film verfolgt man die in dem komplexen Thriller "Tage der Toten" lakonisch geschilderten Szenen.
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Operation „Condor“

Arthur Keller wuchs im Barrio Logan in San Diego auf. Sein Vater, ein Geschäftsmann aus San Diego, hatte während eines Urlaubs in Mazatlán eine Mexikanerin geschwängert und sie dann geheiratet. 1951, ein Jahr nach Arthurs Geburt, trennten sich die Eltern. Im zweiten Studienjahr wurde Arthur Keller von der CIA angeworben, und nach dem Examen holte man ihn nach Langley, Virginia. Ein paar Wochen vor seinem Einsatz im Vietnam-Krieg heiratete er seine frühere Kommilitonin Althea Patterson, die ebenfalls Politikwissenschaften studiert hatte.

Als US-Präsident Richard Nixon 1973 die Drug Enforcement Administration (DEA) ins Leben ruft, wechselt Arthur Keller von der CIA zur DEA und wird nach Culiacán versetzt, in die Hauptstadt des mexikanischen Bundesstaates Sinaloa. Sein Chef heißt Tim Taylor.

Über die Brüder Adán und Raúl Barrera lernt Keller deren Onkel Miguel Ángel („Tío“) Barrera kennen, den Polizeichef des Bundesstaates Jalisco, der zugleich als Sonderbeauftragter des Gouverneurs von Sinaloa mit der DEA zusammenarbeitet. Nach dem frühen Tod ihres Vaters waren Adán und Raúl bei ihrem Onkel aufgewachsen.

Keller unterstützt Tío Barrera im Rahmen der Operation „Condor“ dabei, eine Bresche nach der anderen in das Imperium des Drogenbarons von Sinaloa zu schlagen. Don Pedro Avilés Pérez ist inzwischen dreiundsiebzig Jahre alt. Als junger Mann hatte er sich mit Bugsy Siegel zusammengetan und angefangen, die kalifornische Mafia mit Heroin zu beliefern. Bevor die US-Amerikaner kamen und die Mohnfelder niederbrannten, hatte er den Rat des Gouverneurs Manuel Sánchez Cerro befolgt, die Ländereien zu verkaufen und war ins Ölgeschäft eingestiegen.

1975 lauern Keller und Barrera mit zwanzig Spezialagenten des mexikanischen Geheimdienstes Dirección Federal de Seguridad (DFS) dem Drogenbaron im Distrikt Badiraguato auf. Sein Chauffeur hat ihnen verraten, wo und wann sie ihn kriegen können. Als Don Pedro und seine Leibwächter im Begleitfahrzeug gestoppt werden, hält er das für eine Farce der mexikanischen Polizei, die den Yankees Aktionen gegen das organisierte Verbrechen vortäuschen soll, und befiehlt deshalb seinen Männern, keinen Widerstand zu leisten. Aber die Spezialagenten eröffnen das Feuer und mähen alle bis auf einen der beiden Fahrer nieder.

Don Pedros Leiche liegt noch im Jeep, als Keller von Padre Juan Parada zu einem Camp gerufen wird, in dem zwei Gefangene gefoltert werden.

Während die Männer von der DEA vor der Baracke auf Informationen über den Aufenthaltsort von Don Pedro warten, lässt Leutnant Navarres von den Federales, der mexikanischen Bundespolizei, Adán Barrera und den Opiumbauern Manuel Sánchez foltern, um herauszufinden, wo der Drogenbaron zu finden ist. Die Federales zertrümmern Sánchez mit einer Eisenstange das Schienbein. Adán stecken sie einen Lappen in den Mund und gießen ihm Benzin in die Nasenlöcher. Er befürchtet, an dem Erbrochenen zu ersticken, das sich in seiner Kehle staut. Danach tauchen ihn die Folterknechte mit dem Kopf nach unten in die Latrine, bis er die Luft nicht länger anhalten kann. Danach spuckt er Scheiße.

Als Keller und Padre Juan hinkommen, werden die beiden Gefolterten gerade in einen Hubschrauber verladen. Offenbar wollen die Federales zumindest einen der beiden nach dem Aufsteigen des Hubschraubers in die Tiefe stoßen und dadurch den anderen endlich zum Reden bringen. Keller verhindert es. Er zeigt Navarres die Leiche Don Pedros und sorgt dafür, dass die beiden Verletzten ins Krankenhaus von Culiacán geflogen werden.

Arthur Keller, der mit einer Verhaftung des Gangsterbosses Don Pedro rechnete und nicht mit einem Massaker, begreift, dass er dem Polizeichef dabei geholfen hat, die Nachfolge des Drogenbarons anzutreten. Die Erkenntnis, dass er missbraucht wurde, verändert sein Leben, denn er setzt nun alles daran, Miguel Ángel Barrera vor ein Gericht zu bringen.

Der neue Drogenbaron ist dagegen mit dem Verlauf der Operation „Condor“ zufrieden. Unter seiner Führung übernehmen Chalino Guzmán el Verde das Geschäft im mexikanischen Bundesstaat Sonora, García Abrego in der Golfregion südlich von Texas und Güero Méndez in der Baja California. Er selbst residiert in Guadalajara, einer Stadt im Bundesstaat Jalisco. Die neue Federación setzt auf Kokain.

Sean Callan

Szenenwechsel: Der siebzehnjährige Sean Callan und sein gleichaltriger Freund Stevie O’Leary („O-Bop“) sitzen 1977 in einer Kneipe in Hell’s Kitchen, einem Viertel im New Yorker Stadtteil Manhattan. Außer ihnen ist nur noch ein weiterer Gast anwesend: Little Mickey Haggerty, der sich noch einmal betrinken will, bevor er eine Haftstrafe antreten muss. O-Bop ereifert sich darüber, was kürzlich mit Michael Murphy geschah. Der hatte seinen besten Freund im Streit erschossen, als sie beide stoned gewesen waren. Die Polizei konnte den Fall nicht aufklären, aber in der Unterwelt wusste man bald, wer Kenny Maher getötet hatte. Einen unautorisierten Mord in seinem Machtbereich konnte Big Matt Sheehan nicht ungestraft lassen. Also schickte er zwei seiner Männer los: Eddie Friel („The Butcher“) und Larry Moretti erstachen Michael Murphy und zerstückelten die Leiche. Dann zeigte The Butcher den Penis des Toten in einer Milchtüte herum.

O-Bop kritisiert das. Der Barmann Billy Shields, der das Gespräch belauscht, ruft unbemerkt Friel an, und der Hüne steht kurz darauf in der Tür. O-Bop beeilt sich, zu beteuern, dass alles nicht so gemeint gewesen sei, aber The Butcher will ein Exempel statuieren und zwingt deshalb den Jungen mit vorgehaltener Pistole, sich hinzuknien. Da zieht Sean Callan unter seinem Hemd eine Pistole heraus und schießt dem Gangster zwei Löcher in die Stirn. Sobald O-Bop merkt, dass die Gefahr vorbei ist, packt er die Waffe des Toten, schiebt ihm den Lauf in den Mund und drückt ab. Bevor er und Callan losrennen, nehmen sie Friel das Geld und ein Notizbuch ab.

Es wäre ratsam für sie, New York zu verlassen, aber sie waren noch nie fort und wissen nicht, wohin sie sollen. Ein leer stehender Lagerraum dient ihnen als Unterschlupf. Es dauert nicht lang, bis Big Matt erfährt, wo sich ihr Versteck befindet. Während die beiden Jugendlichen unterwegs sind, warten Fat Tim Healey und Jim Boylan dort auf sie. Als Callan und O-Bop zurückkommen, hören sie einen Furz, und im nächsten Augenblick öffnet Boylan wegen des Gestanks die Tür. Die Jungen erschießen ihn. Healey ergibt sich, und Callan verhindert, dass sein Freund ihn tötet. Der Gangster taucht unter.

Nachdem Big Matt drei seiner Männer verloren hat, zieht er sich für eine Weile nach Florida zurück, aber nicht, ohne sich zuvor mit Big Paulie Calabrese in Verbindung gesetzt zu haben, dem Paten der New Yorker Mafiafamilie Cimino. Der beauftragt die Brüder Jimmy und Joe Picconne („Peaches“, „Little Peaches“), ihm Callan und O-Bop zu bringen. Demonstrativ parken sie ihre Limousine vor dem Unterschlupf der beiden Jungen und nehmen dem von Callan und O-Bop bestellten Pizza-Boten die Lieferung ab.

Wütend wirft O-Bop vom Fenster aus einen Molotow-Cocktail aufs Auto. Durch das The Butcher abgenommene Notizbuch wissen er und Callan inzwischen, dass Peaches bei Big Matty mit 100 000 Dollar in der Kreide steht. Mit vorgehaltenen Waffen erzwingen sie eine Unterredung mit den Mafiosi und überreden Peaches dazu, Big Matty zu ermorden.

Bevor Sheehan auch nur „gosh and begorra“ sagen kann, rammt ihm Jimmy das Messer rein. Versenkt die Klinge unter seinem linken Brustmuskel und dreht sie ein bisschen, um der Notaufnahme eine schwierige ethische Entscheidung zu ersparen.
Das verflixte Messer bleibt zwischen den Rippen stecken, Jimmy muss den Fuß auf Mattys breite Brust setzen und heftig zutreten, um es wieder rauszuholen. (Seite 99)

Damit man sie respektiert, erschießen Callan und O-Bop auch noch Larry Moretti. Daraufhin bestellt Big Paulie Calabrese die aufmüpfigen Jugendlichen nach Queens. Er glaubt, sie hätten auch seinen Partner Big Matty erstochen, denn Peaches erzählte ihm das, um den Verdacht von sich abzulenken. Den beiden Jungen erklärt er, dass er als Mitglied der Familie die Genehmigung des Paten für den Mord hätte einholen müssen. Bei ihnen sei das anders, meint er:

„Aber ihr braucht keine Erlaubnis“, sagt Peaches. „Ihr braucht nur einen guten Grund.“ (Seite 103)

Das Treffen findet im Hinterzimmer eines Restaurants statt. Big Paulie Calabrese lädt seine Gäste als erstes zu einem mehrgängigen Essen ein. Erst beim Café kommt er auf den Anlass der Begegnung zu sprechen:

„Jetzt erzählt mir, warum ich euch am Leben lassen soll.“ (Seite 107)

Am Ende bietet der Pate den beiden mutigen Jungen seinen Schutz an. In die Familie kann er sie nicht aufnehmen, weil sie keine Sizilianer sind.

1981 kommen Sean Callan und die Picconne-Brüder in das Edelbordell „Weißes Haus“ in La Jolla, einem Stadtteil von San Diego. Sie brauchen nichts zu bezahlen. Das hat Adán Barrera mit Haley Saxon, der Betreiberin des Etablissements, so geregelt, denn er will den bisher auf die Westküste beschränkten Kokain-Handel der Federación seines Onkels ausweiten und sucht Geschäftspartner in New York. Callans Wahl fällt auf die sechzehnjährige Nora Hayden. Er weiß nicht, dass er ihr erster Freier sein würde. Aber im letzten Augenblick fordert Peaches ihn auf, mit ihm zu tauschen. Callan muss ihm Nora überlassen, aber er selbst verzichtet darauf, mit einer anderen Prostituierten aufs Zimmer zu gehen.

Ernie Hidalgo

Arthur Keller beobachtet 1984 am Flughafen von Guadalajara Bundespolizisten beim Ausladen von Kisten, die Kokain enthalten. Offiziell gibt es in Mexiko keine Drogenkartelle mehr, denn die wurden angeblich durch die Operation „Condor“ ausgeschaltet. John Hobbs, der für Mittelamerika zuständige DEA-Beamte, will deshalb nichts von illegalen Drogengeschäften hören. Keller, der auf eigenen Wunsch als Regionalchef der DEA nach Guadalajara gezogen ist, weiß es besser: Nach außen hin ist Miguel Ángel Barrera ein erfolgreicher Geschäftsmann. Ihm gehören ein Autosalon, Restaurants und Wohnhäuser, er sitzt im Vorstand von zwei Banken und verfügt über hervorragende Beziehungen nicht nur zur Provinzregierung, sondern auch zur mexikanischen Regierung in der Hauptstadt. Aber das meiste Geld verdient Barrera als Boss der Federación, die inzwischen von der Produktion auf den Transport umgestiegen ist: Die Mexikaner schmuggeln das Kokain aus Kolumbien über die Grenze in die USA, wo es wieder von Kolumbianern übernommen und zu Crack verarbeitet wird.

Kellers Mitarbeiter Shag Wallace und Ernie Hidalgo, die nicht ahnen, dass ihr Vorgesetzter einen persönlichen Rachefeldzug gegen Barrera führt, finden heraus, dass die am Flughafen von Guadalajara beobachtete DC-4 der Luftfrachtgesellschaft Servicios Turísticos (SETCO) in Tegucigalpa gehört. Eigentümer der Firma sind der Exilkubaner David Núñez und der honduranische Chemiker Ramón Mette Ballasteros.

Ohne Wallace oder Hidalgo einzuweihen, observiert Keller den mexikanischen Drogenbaron, und als Barrera für sich und seine neue, fünfzehn Jahre alte Geliebte Pilar Talavera eine Wohnung als Liebesnest mietet, bringt er dort eine Wanze an. Auf diese Weise erfährt er von geplanten Kokain-Lieferungen und gibt zum Beispiel Russ Dantzler vom Drogendezernat in San Diego entsprechende Tipps. Seinen Mitarbeitern erzählt er etwas von einem neuen Informanten, den er „Chupar“ (Blowjob) nennt.

Die Barreras verlieren dadurch ein Vermögen, und Miguel Ángel gerät unter Druck, weil Chalino Guzmán el Verde, García Abrego und Güero Méndez von ihm erwarten, dass er das Informationsleck schließt.

Als Keller mit seiner Frau, den Kindern, der Köchin Josefina und dem Kindermädchen Guadelupe den Weihnachtsmarkt in Guadalajara besucht, taucht unerwartet Adán Barrera auf und bedeutet ihm durch ein Handzeichen, sich kurz mit ihm in einer öffentlichen Toilette zu treffen. Adán legt einen Umschlag mit 100 000 Dollar aufs Waschbecken und bietet für den Namen des Informanten noch einmal die gleiche Summe plus monatliche Zahlungen in Höhe von 20 000 Dollar. Aber Keller ist nicht käuflich, nicht zuletzt, weil es ihm darum geht, sich an Tío Barrera zu rächen. Noch am selben Tag kündigt er dem Sheriff von Pierce County, Arizona, eine Lieferung von 800 Kilogramm Kokain an, die in achthundert weihnachtlichen Geschenkkartons verpackt ist.

Weil Althea den obsessiven Einsatz ihres Ehemanns nicht länger erträgt, fliegt sie mit der fünfjährigen Tochter Cassie und dem zwei Jahre jüngeren Sohn Michael zu ihren Eltern nach San Diego. Einige Zeit später reicht sie die Scheidung ein.

Keller feiert Weihnachten mit Ernie Hidalgo und dessen Familie. Sein Mitarbeiter beichtet ihm, er habe aus Rücksicht auf Teresa und die Kinder Hugo und Ernesto das Angebot einer Versetzung nach El Paso angenommen. Das kann Keller ihm nicht verübeln.

Bald darauf beobachtet er erneut, wie Federales Kokain aus einem Transportflugzeug ausladen. Diesmal hören sie allerdings nicht auf, als das Flugzeug leer ist, sondern beladen es mit anderen Kisten, bevor es wieder startet. Was wird nach Süden gebracht?

Im Januar 1985 findet Keller heraus, dass es sich um einen Tauschhandel von Drogen aus Kolumbien gegen Waffen der New Yorker Mafia für die Contras in Nicaragua handelt. Die Operation trägt den Tarnnamen „Kerberos“, wird aber auch als „mexikanisches Trampolin“ bezeichnet.

Adán Barrera ist inzwischen mit Lucía Vivanca verheiratet, einer Frau aus einer vornehmen mexikanischen Familie, die sowohl die mexikanische als auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt. Bei der Tochter, die sie zur Welt bringt, diagnostizieren die Ärzte ein zystisches Lymphangiom, das zu Missbildungen an Hals und Gesicht führt. Eine Aussicht auf Heilung besteht nicht. Weil Lucía auf keinen Fall noch ein Kind mit dieser Krankheit haben will, aber aufgrund ihres katholischen Glaubens Verhütungsmittel ablehnt, schläft sie nicht mehr mit Adán.

Der Polizeichef von Jalisco und zwei Federales greifen Ernie Hidalgo auf und übergeben ihn Raúl Barrera. Der lässt nicht nur Güero Méndez kommen, sondern auch den Arzt Dr. Humberto Álvarez Machain, einen Verhörspezialisten, der früher für die Dirección Federal de Seguridad gearbeitet hatte und jetzt mit Lidocain-Injektionen dafür sorgt, dass Hidalgo nicht das Bewusstsein verliert, während der Folterknecht mit einem Eispickel am freigelegten Schienbeinknochen des Gefesselten schabt. Hidalgo soll verraten, wer sich hinter dem Namen Chupar verbirgt. Aber der DEA-Agent weiß es nicht, ahnt auch nicht, dass der Informant gar nicht existiert.

Adán hält die Entführung Hidalgos für einen Fehler. Als selbst Raúl das Stöhnen nicht länger erträgt, spritzt Dr. Álvarez dem Gefolterten Heroin.

Der zweiunddreißigjährige DFS-Spezialagent Antonio Ramos bekommt den Auftrag, Ernie Hidalgo aufzuspüren. Bald nach seiner Ankunft in Guadalajara findet er heraus, wer ihn entführte und bringt die drei Polizisten in seine Gewalt. Sie verraten ihm, wohin sie Hidalgo brachten. Aber es ist zu spät: Ohne sich mit seinen Komplizen abzustimmen, tötete Méndez den DEA-Agenten mit einer Überdosis.

Operation „Kerberos“

Nach der Ermordung des DEA-Agenten zieht Barrera sich vorsichtshalber für einige Zeit nach El Salvador zurück. Keller und Ramos überraschen ihn und Pilar Talavera im Februar 1985 frühmorgens im Bett. Zur Verwunderung von Ramos und der anderen beteiligten Agenten verhaftet Keller den Mann, in dessen Auftrag ein Polizist ermordet wurde, statt ihn zu erschießen. Als sie mit dem Festgenommenen ins Freie kommen, blicken sie allerdings in die Gewehrmündungen einer salvadorianischen Polizeieinheit. Keller bleibt nichts anderes übrig, als ihnen Miguel Ángel Barrera zu übergeben.

Er durchschaut nun, dass die Operation „Kerberos“ von seinen eigenen Vorgesetzten gedeckt wird. John Hobbs appelliert an seinen Patriotismus und versucht ihn davon zu überzeugen, dass die USA die Entstehung kommunistischer Regime in Mittelamerika unter allen Umständen verhindern müssten. Kuba sei schlimm genug; eine weitere sowjetische Marionettenregierung in unmittelbarer Nähe der USA wäre fatal. Hobbs erklärt Keller, dass Präsident Ronald Reagan angeordnet habe, die Sandinisten in Nicaragua (Frente Sandinista de Liberación Nacional, FSLN) mit allen Mitteln zu bekämpfen. Die Operation „Kerberos“ unterstehe unmittelbar dem US-Vizepräsidenten.

Miguel Ángel Barrera setzt sich nach seiner Befreiung durch die salvadorianische Polizei nach Honduras ab. Aber Adán Barrera verhandelt mit der mexikanischen Regierungspartei Partido Revolucionario Institucional (PRI) und erreicht, dass sein Onkel nach ein paar Monaten nach Guadalajara zurückkehren darf. Bedingung ist allerdings, dass er nur noch seinen legalen Geschäften nachgeht und die Federación García Abrego anvertraut.

Etwa zur gleichen Zeit verliebt sich Sean Callan in die aus Belfast stammende Kellnerin Siobhan. Sie ziehen in New York City zusammen. Weil Siobhan keinen Gangster zum Freund haben möchte, beabsichtigt Callan, bei der Mafia auszusteigen und beginnt eine Tischler-Ausbildung bei Patrick McGuigan. Er ist fleißig und lernt schnell. Als Neill Demonte im Dezember 1985 stirbt, ein führendes Mitglied der Cimino-Familie, will Callan ihm die letzte Ehre erweisen. Salvatore Scachi, der ebenfalls zum Cimino-Clan gehört, passt Callan nach der Beerdigung ab und verlangt von ihm die Durchführung eines angeblich letzten Jobs. Er muss Big Paulie Calabrese erschießen, um Platz für einen Nachfolger zu machen. Dafür bekommt Callan 100 000 Dollar, einen Pass auf einen anderen Namen und ein Flugticket nach Südamerika.

1992 überwältigt Keller Ramón Mette Ballasteros beim Joggen in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa. Er sorgt dafür, dass der Gangster zur US-Botschaft in Santo Domingo gebracht, dort wegen der Ermordung von Ernie Hidalgo verhaftet und in San Diego eingesperrt wird.

Quito Fuentes, der ebenfalls an der Folterung von Ernie Hidalgo beteiligt war und inzwischen als kleiner Drogenhändler in Tijuana lebt, wird unter einem Vorwand an den Zaun im Coyote Canyon gelockt, der die illegale Überquerung der Grenze zwischen Mexiko und den USA erschweren soll. Keller zerrt ihn kurzerhand durch ein Loch im Grenzzaun auf US-Territorium und verhaftet ihn.

Um Dr. Humberto Álvarez Machain in seine Gewalt zu bekommen, zahlt Keller dem früheren DFS-Agenten Antonio Ramos, der seit einiger Zeit ein kleines Restaurant in Tijuana betreibt, 100 000 Dollar. Dafür entführt Ramos den Gynäkologen aus seiner florierenden Praxis in Guadalajara und verschleppt ihn in einen Keller, wo er beim Anblick einer glühenden Eisenstange verrät, dass Miguel Ángel Barrera und dessen Neffen für die Folterung und Méndez für den Mord verantwortlich waren. Nachdem Keller den verbrecherischen Arzt zur Unterzeichnung einer vorbereiteten Aussage gezwungen hat, lässt er ihn nach El Paso bringen, wo er verhaftet wird.

Vor einem Untersuchungsausschuss des Senats in Washington, D. C., beteuert Keller 1991, nie von einer Operation „Kerberos“ gehört zu haben. Durch seine Falschaussagen hilft er der US-Regierung, die Zusammenarbeit mit Drogenkartellen bei der Bekämpfung der Sandinisten zu vertuschen. Anschließend fordert er den Lohn dafür ein: Nicht nur Fuentes, Mette und Álvarez sollen zur Rechenschaft gezogen werden, sondern auch Méndez, Adán, Raúl und Miguel Ángel Barrera. Hobbs verhandelt alsbald mit dem mexikanischen Staatspräsidenten und sichert ihm zu, dass die Festnahme des Onkels ohne großes Aufsehen erfolgen und wie ein mexikanischer Einsatz aussehen soll. Keller verhaftet den kokainsüchtigen Dreiundfünfzigjährigen aus dem Bett heraus, und bevor der Gangster abgeführt wird, flüstert er ihm zu, bei dem Informanten mit dem Decknamen Chupar habe es sich um Güero Méndez gehandelt.

Wie von Keller erwartet, sinnt Miguel Ángel Barrera im Gefängnis in Mexiko-Stadt auf Rache.

Er setzt über seinen Neffen Raúl den skrupellosen Killer Fabián Martínez („El Tiburón“), der seit 1985 für die Familie arbeitet, auf Méndez an, der inzwischen mit Pilar verheiratet ist, der Frau, die Miguel Ángel Barrera nach seiner ersten Festnahme verstoßen hatte. Die beiden haben zwei kleine Kinder: Güerito und Claudia. Martínez beginnt mit Pilar in Culiacán eine heimliche Affäre und überredet sie schließlich, ihren Mann zu verlassen. Bevor Martínez und sie mit den Kindern zum Flugplatz fahren, um sich ins Ausland abzusetzen, hebt Pilar in drei verschiedenen Banken insgesamt 7 Millionen Dollar ab und überweist weitere 2 Millionen telegrafisch auf ausländische Konten. Nach einer heißen Liebesnacht in einem Hotel in der kolumbianischen Stadt Santiago de Cali erdrosselt Martínez die ebenso schöne wie leidenschaftliche Pilar und schickt Méndez ihren abgetrennten Kopf.

Dann setzt er Güerito und Claudia ins Auto und fährt mit ihnen zur in 215 Metern Tiefe vom Río Magdalena durchströmten Santa Ysabel Schlucht, wo Adán Barrera mit den Kokainlieferanten Manuel und Gilberto Orejuela verabredet ist. Sie treffen sich in der Mitte der die Schlucht überspannenden Brücke. Die Orejuela-Brüder zögern, sich auf direkte Geschäfte mit den Barreras einzulassen, weil sie befürchten, dass sie dadurch Schwierigkeiten mit Méndez bekommen könnten. Adán versichert ihnen jedoch, Méndez sei entmachtet. Zur Bekräftigung wirft Martínez, der inzwischen mit den Kindern dazu gestoßen ist, zuerst Méndez‘ Tochter und dann seinen kleinen Sohn in den Abgrund.

Keller wird Chef der Einsatzgruppe Südwestgrenze und Leiter eines Ausschusses, der die Maßnahmen von CIA, FBI, DEA, Zoll, Grenzschutz, Einwanderungspolizei, Staats- und Bundespolizei im Drogenkrieg koordiniert. Sein Büro befindet sich in San Diego. Nach wie vor berichtet er an John Hobbs.

1994 spricht er Nora Hayden auf der Straße an. Er weiß, dass Nora seit dem Erdbeben am 19. September 1985 in Mexiko-Stadt mit Juan Parada, dem Erzbischof der Erzdiözese Guadalajara, befreundet ist. Durch ihn lernte sie Adán Barrera kennen. Die Edelprostituierte wurde die Geliebte des Gangsters, dessen Ehefrau aus Angst vor einem weiteren missgebildeten Kind nicht mehr mit ihm schläft. Zunächst trafen sie sich nur sporadisch, aber seit kurzem ist Nora nur noch für Adán da und wird von ihm fürstlich bezahlt. Mit der Drohung, Noras Entdeckerin Haley Saxon wegen Steuerhinterziehung festnehmen zu lassen, versucht Keller, sie als Spitzel zu gewinnen. Aber die ebenso selbstsichere wie intelligente Frau lässt sich nicht darauf ein.

Die Ermordung Pilars und ihrer Kinder löste einen blutigen Bandenkrieg zwischen Güero Méndez und den Barreras aus.

Ein Mädchen versucht, Miguel Ángel Barrera in seiner Gefängniszelle mit Zuckerbrötchen, die Strychnin enthalten, zu vergiften. Aber der misstrauische Gangster fordert sie auf, vor ihm davon zu kosten, und als sie sich sträubt, bringt er sie dazu, den Giftanschlag zuzugeben. Ihre Familie sei arm, und Méndez habe ihr viel Geld versprochen, stammelt sie. Mitleidlos zwingt Barrera die junge Frau, von den Zuckerbrötchen zu essen, und als es ihr nicht gelingt, den Bissen zu schlucken, schenkt er ihr ein Glas Rotwein ein. Qualvoll stirbt sie vor seinen Augen.

Operation „Red Cloud“

John Hobbs arbeitet inzwischen mit Salvadore Scachi zusammen, einem führenden Mitglied der Cimino-Familie in New York. Scachi wiederum bringt Sean Callan dazu, die Barrera-Brüder zu beschützen, die im Rahmen der Operation „Red Cloud“ mit den US-Amerikanern kooperieren. Dabei geht es um die Bekämpfung aller politisch linken Bewegungen in Lateinamerika.

Dieses Ziel verfolgten die USA auch bei dem am 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Freihandelsabkommen NAFTA (North American Free Trade Agreement): Durch die Belebung des Handels wird die Bildung eines Mittelstandes in Mexiko gefördert, und der soll ein Bollwerk gegen den Kommunismus bilden.

Als bei Manuel Sánchez Cerro, dem Gouverneur von Sinaloa, Krebs im Endstadium diagnostiziert wird, übergibt er Bischof Juan Parada einen Aktenkoffer mit Papieren und Tonbändern, die beweisen, dass führende Politiker Mexikos bei den Operationen „Kerberos“ und „Red Cloud“ gemeinsame Sache mit den Narcotraficantes machten. Parada will das brisante Material dem Papst zukommen lassen und übergibt es deshalb Kardinal Girolamo Antonucci, dem Nuntius in Mexiko. Der wendet sich statt an das Kirchenoberhaupt an den Malteserritter Salvatore Scachi, der auch dem 1928 von Josemaría Escrivá gegründeten Opus Dei angehört. Die beiden sind sich einig, dass der Papst nichts von „Kerberos“ und „Red Cloud“ erfahren darf.

Callan hat eigene Erfahrungen mit der Bekämpfung linker Bewegungen in Lateinamerika: 1987 nahm er an einem Einsatz teil, bei dem eine Gruppe angeblicher Guerilleros in einen Hinterhalt gelockt und erschossen wurde. Erst als sie tot am Boden lagen, merkte Callan, dass es sich um unbewaffnete Bauern gehandelt hatte. Die Toten wurden dann wie kommunistische Guerilla-Kämpfer angezogen und fotografiert. Ein anderes Mal beobachtete er, wie bei der Kontrolle eines Busses einige Guerilleros unter den Fahrgästen entdeckt wurden. Nachdem man diese am Straßenrand erschossen hatte, wurde der Busfahrer ans Lenkrad gekettet, mit Benzin übergossen und vor den Augen der übrigen Fahrgäste angezündet.

Die Ermordung des Bischofs Juan Parada

Bei einem groß angelegten Überfall auf die Barrera-Brüder in Raúls mit einem Riesenaquarium ausgestatteten Nachtklub „La Sirena“ gibt Callan den beiden Feuerschutz und hilft ihnen, durch das Dachfenster in der Toilette zu entkommen. Adán wird allerdings von einer Kugel in die Wade getroffen. Raúl lässt den Verletzten zu seiner Rancho las Bardas an der Straße von Tijuana nach Tecate bringen und von Manuel Sánchez bewachen.

Um den Bandenkrieg zu beenden, vermittelt Bischof Parada ein Friedenstreffen am 24. Mai 1994 in einem Hotel am Don Miguel Hidalgo y Costilla International Airport in Guadalajara. Aber Méndez und die Barrera-Brüder täuschen den Geistlichen: Sie versprechen sich von dem Treffen nur eine günstige Gelegenheit, die Gegner zu überfallen. Deshalb kommt es vor dem Hotel zu einer Schießerei. Als der zweiundsechzigjährige Bischof in einer weißen Limousine eintrifft, wird er von Fabián Martínez aus nächster Nähe erschossen. Méndez entkommt mit drei überlebenden Sicarios (Leibwächter) und setzt sich nach Guatemala ab.

Adán, der Juan Parada im Auftrag Scachis von Martínez beseitigen ließ, stellt den Aktenkoffer sicher und übergibt den brisanten Inhalt der mexikanischen Regierung.

Eine Bombe zerfetzt Chalino Guzmán el Verde in seinem Lieblingsrestaurant. García Abrego, der sich inzwischen Don Francisco Uzueta nennt, wird bei einem Festumzug in dem mexikanischen Dorf Coquimatlán erschossen. Güero Méndez will sich vorsichtshalber in einer Privatklinik das Gesicht verändern lassen. Aber die Krankenschwester, die ihn für die Operation vorbereiten soll, injiziert ihm eine tödliche Dosis des Sedativums Dormicum. Zur gleichen Zeit wird Miguel Ángel Barrera von zwei Wachmännern in einem Wagen mit Bettwäsche aus dem Gefängnis geschmuggelt.

Entsetzt über die Ermordung des engagierten und wohlmeinenden Bischofs kehrte Callan in die USA zurück und nahm sich ein Zimmer in dem schäbigen Hotel „Golden West“ in San Diego. Eineinhalb Jahre später haust er noch immer dort. Als er eines Morgens nach dem Aufwachen nur noch ausgetrunkene Flaschen findet, sucht er eine nahe Kneipe auf – und wird dort von Mickey Haggerty erkannt. Ein paar Stunden später spüren Haggerty, O-Bop und die Picconne-Brüder den Alkoholkranken in seinem Hotelzimmer auf. Sie überreden ihn, sich ihrer Gang anzuschließen, nehmen ihn mit und helfen ihm beim Entzug.

Sobald Callan dazu in der Lage ist, überfallen sie einen Geldtransport, der im Auftrag der Barreras unterwegs ist. Von der Beute erhält Keller 300 000 Dollar, denn er gab den entsprechenden Hinweis. Den Coup feiert die Gang mit fünf für Haley Saxon arbeitenden Prostituierten in einem Hotel in La Jolla. Haley Saxon benachrichtigt allerdings Raúl, und am Morgen nach der Feier wird Little Peaches‘ Leiche mit abgeschnittenen Händen aufgefunden. Das geraubte Geld ist fort. Stattdessen liegt ein Zettel da, auf dem steht: „Behaltet die Hände in der eigenen Tasche.“

Lucía ist inzwischen mit ihrer kranken Tochter Gloria nach Bonita gezogen, in einen Vorort von San Diego. Jede Woche bringt ihnen ein Kurier Geld, und einmal im Monat besuchen sie Adán auf der Rancho las Bardas im mexikanischen Bundesstaat Baja. Nora ist jetzt offen Adáns Lebensgefährtin.

Im März 1997 reist Adán zu einem Dschungelcamp im kolumbianischen Putumayo-Distrikt. Dort schlägt ihm Tirofio, der Kommandeur der FARC (Las Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia), einen Tauschhandel Kokain gegen Waffen vor. Kurz darauf fliegt Adán mit Nora nach Hongkong. Auf einem unauffälligen Hausboot verhandeln sie mit den Herren Li und Chen über ein großes Waffengeschäft.

Keller erfährt durch Nora davon. Sie arbeitet seit der Ermordung ihres Freundes Juan Parada heimlich für ihn. Wenn Keller den Barreros illegalen Waffenhandel nachweisen könnte, müssten sie mit einer langjährigen Haftstrafe rechnen. Aber Keller will keine Lieferung hochgehen lassen, solange nur die Barrero-Brüder, Fabián Martínez und Nora von dem geplanten Dreiecksgeschäft wissen. Nora wäre nach einem Zugriff so gut wie tot.

Die Chinesen verlangen, dass Nora das Geld für die Waffenlieferung überbringt. Die Banknoten-Bündel werden in Hohlräumen eines Kleinwagens versteckt. Nora überquert die Grenze bei San Ysidro. Bei der zweiten Kontrolle in San Onofre schiebt ein US-Beamter einen Positionsmelder unter die Kopfstütze des Beifahrersitzes. Von einem Hubschrauber aus verfolgt Keller, wohin Nora fährt. Übers Handy erhält sie die Adresse einer Werkstatt, in der das Geld aus dem Auto geholt und in einen Koffer gepackt wird. Damit fährt sie zu einem Lagerhaus. Dort übergibt sie einem Mr Lee den Geldkoffer – aber die Chinesen sind vorsichtig: Die Waffen befinden sich nicht hier, sondern in Long Beach. Nora gibt das durch. Keller macht sich ebenso auf den Weg wie ein von Martínez geführter Konvoi aus drei Sattelschleppern. Währenddessen wird Nora von Lee als Geisel festgehalten.

In dem genannten Lagerhaus in Long Beach kommt es zu einer Schießerei zwischen Martínez, den Chinesen und Kellers Männern. Als Lee durch einen Telefonanruf erfährt, dass die Übergabe missglückt ist, will er Nora erschießen, aber bevor er abdrücken kann, wird er von einem Scharfschützen getötet. Shag Wallace, der den Einsatz hier leitet, schießt mit Lees Waffe noch einmal in das Loch auf der Stirn des Toten, wischt dann die Waffe ab, bittet Nora, sie anzufassen und schärft ihr die Legende ein, sie habe Li in Notwehr erschossen.

Von einer Telefonzelle aus ruft Nora Adán an und verabredet sich mit ihm in San Diego.

Als er sich der Privatwohnung zu Fuß nähert, bemerkt er das Polizeiaufgebot vor dem Haus und verschwindet um die nächste Hausecke.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Cabrillo Bridge in San Diego, 1999

Nach dem Scheitern des zukunftsträchtigen Geschäfts reißt Raúl die Führung der Federación an sich. In einem Anwesen an der Ostküste der Baja-Halbinsel hält er sowohl Adán als auch Nora getrennt gefangen, Adán in einem Zimmer des Haupthauses, Nora im Strandhaus. Er wirft Adán vor, er habe sich von Nora täuschen lassen; sie sei eine Verräterin. Um das zu beweisen, lässt er Nora foltern, ohne sie zu verletzten: Zunächst wird sie durch Tabletten tagelang am Schlafen gehalten, bis ihr Körper an das Benzodiazepin gewöhnt ist. Dann lassen Raúls Männer sie wach und befragen sie pausenlos.

General Augusto Rebollo, Mexikos neuer Drogenbeauftragter, möchte wissen, wer Kellers Informant ist. Keller schweigt jedoch, obwohl sein bei der Unterredung ebenfalls anwesender Vorgesetzter, John Hobbs, ihn drängt, den Namen zu nennen. Und er tut gut daran: Rebollo wird von Rául bezahlt.

Als Adán mit Lucía und Gloria telefoniert, orten Kellers Leute den Anrufer im Umfeld einer Basisstation in San Felipe, und weil bei dem abgehörten Gespräch ein Dieselmotor zu hören ist, vermutet Keller die Gesuchten in einer Gegend ohne Stromnetz. Durch die Auswertung von Satellitenaufnahmen gerät ein Anwesen 40 Kilometer südlich von San Felipe ins Visier. Nachdem Keller sich vergewissert hat, dass Nora dort ist, trifft er sich im Yachthafen von San Diego mit Hobbs und lässt sich die Genehmigung für einen illegalen Militärschlag auf mexikanischem Hoheitsgebiet geben. Bedingung ist allerdings, dass keine Gefangenen gemacht werden, die reden könnten. Parallel dazu trifft Wallace sich mit General Augusto Rebollo und beantwortet für 300 000 Dollar Schmiergeld die Frage, wer das Waffengeschäft zum Platzen gebracht habe.

Scachi leitet das Unternehmen. Callan ist ebenso dabei wie Keller. Auf einem Fischkutter nähern sie sich dem Versteck der Barreros. Drei Schlauchboote bringen je acht Männer an den Strand.

Zum selben Zeit verwickelt Nora sich völlig übermüdet in Widersprüche, die Raúls Verdacht erhärten, dass sie das Waffengeschäft auffliegen ließ. Adán, der bis zuletzt nicht an Nora zweifelte, will sie selbst töten und geht mit ihr an den Strand. Raúl beobachtet die beiden vom Fenster aus. Als sie seinem Blickfeld entschwunden sind, erhält er die Nachricht, dass Rebollo den Namen der Person erfuhr, die Keller über die Waffenlieferung informierte. Es sei nicht Nora gewesen, heißt es, sondern Martínez. Sofort rennt Raúl seinem Bruder und Nora hinterher. Keller trifft ihn mit einem Schuss in den Bauch. Raúl brüllt vor Schmerzen. Sein Bruder läuft zu ihm. Scachi und seine Männer töten jeden Gegner, den sie vor die Mündung bekommen. Aber sie können nicht verhindern, dass Adán und Manuel Sánchez mit dem schwerverletzten Raúl in einem Landrover entkommen.

Jedes Schlagloch lässt Raúl aufstöhnen. Er fleht seinen Bruder um den Gnadenschuss an, bis dieser ihm die Bitte erfüllt.

Nora wird bewusstlos zu einem der Schlauchboote gebracht.

Martínez, der das Massaker überlebt hat, versteckt sich bei seinen Eltern in El Sauzahl in der Baja California, ohne zu ahnen, dass man ihn für einen Verräter hält. Im Morgengrauen wird die Farm von Männern der Federación gestürmt. Manuel Sánchez schneidet dem auf einen Stuhl gefesselten vermeintlichen Verräter die Gesichtshaut in Streifen und reißt sie herunter. Erst als der Gefolterte nicht mehr zuckt, schießt er ihm eine Kugel in den Mund. Dem Ältesten der Bewohner werden die Fingernägel ausgerissen und die Finger abgehackt. Als Keller hinkommt, zählt er neunzehn Tote: zehn Männer, drei Frauen und sechs Kinder.

Er weiß, dass die Morde eine Folge seines persönlichen Rachefeldzugs gegen Miguel Ángel Barrera sind und leidet unter seiner Schuld. Aber er macht weiter.

1998 reist Keller, auf den Adán 2 Millionen Dollar Kopfgeld ausgesetzt hat, in den kolumbianischen Putumayo-Distrikt. Dort stellt er fest, dass die Armee des Landes mit Unterstützung aus den USA im Kampf gegen den Drogenanbau das Entlaubungsgift Glyphosat versprüht, in einer Konzentration, die das Fünffache der maximal zugelassenen Dosis beträgt, und nicht nur auf Mohn-, sondern auch auf Maisfelder. Da begreift er, dass man nicht nur den Mohn vernichtet, sondern auch gleich noch die Menschen vergiftet, unter denen Guerilleros vermutet werden.

Nach Einbruch der Dunkelheit zeigt ihm ein Einheimischer enthauptete Leichen, die im Fluss treiben. Am Vortag überfielen Männer der Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) ein Dorf, erschossen die jungen Männer, vergewaltigten die Frauen, sperrten einige Überlebende in eine Dorfscheune, die sie dann anzündeten und enthaupteten andere mit Kettensägen. Die flussabwärts treibenden Leichen sollen andere Dörfer davor warnen, linke Gruppen zu unterstützen. Noch in der Nacht verlangt Keller Aufklärung von Hobbs und findet seinen Verdacht bestätigt, dass es sich um Auswüchse der Operation „Red Cloud“ handelt.

Adán, der seine Geschäfte von einem Haus bei Badiraguato in Sinaloa aus steuert, erhält eine E-Mail seiner Frau mit der Nachricht, dass Gloria einen Schlaganfall erlitten habe und im Sripps Mercy Hospital in San Diego liege. Lucía schreibt, sie habe sich mit einem Geistlichen beraten und sei zur Sterbehilfe für ihre unheilbar kranke Tochter bereit. Um zu verhindern, dass Gloria aufgegeben wird, lässt er sich unter der Rücksitzbank eines Autos versteckt über die Grenze bringen. Dort steht ein Wagen für ihn bereit. Vorsichtshalber lässt er den Motor von jemand anderem starten. Dann fährt er zum Krankenhaus und trifft dort auf Lucía, die unfähig ist, zu sprechen. Plötzlich steht Keller vor ihm und Adán spürt einen Stich im Rücken. Auf einer Trage bringen Keller und Wallace den Bewusstlosen in die Pathologie, legen ihn in einen Leichensack und transportieren ihn mit dem Fahrzeug eines Bestattungsunternehmens ab.

Lucía verriet ihren Mann und täuschte den Schlaganfall ihrer Tochter vor, weil Keller ihr wegen der wöchentlichen Geldlieferungen damit drohte, er werde sie andernfalls vor Gericht bringen. Im günstigsten Fall käme sie dann mit einer Anklage wegen Steuerhinterziehung davon, aber sie müsse damit rechnen, wegen Geldwäsche zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt zu werden. Gloria würde dann von der Sozialhilfe in einem Heim leben.

Nora wird zu ihrem eigenen Schutz festgehalten. Callan, O-Bop, Haggerty und Peaches bewachen sie. Sie kann sich gut an ihren allerersten brutalen Freier Peaches erinnern. Als dieser ankündigt, er werde sie erneut ficken, flieht Callan mit ihr auf einer Harley-Davidson.

Peaches, O-Bop und Haggerty bleiben zurück.

Jimmy Peaches geht auf die Veranda hinaus.
Hat eine neue Dose aufgemacht, sich einen Löffel geholt, der Mond bildet eine hübsche silberne Sichel – eine gute Gelegenheit, mal gründlich nachzudenken.
[…] Ein Stückchen Pfirsich wirbelt in die Luft.
Saft spritzt ihm auf die Brust.
Er blickt nach unten, staunt, dass der Saft rot ist wie ein Sonnenuntergang. Dass die auch solche Pfirsiche herstellen, hat er nicht gewusst. Seine Brust fühlt sich warm und klebrig an, und er fragt sich, warum die Sonne an diesem Abend zweimal untergeht.
Der nächste Schuss trifft ihn mitten in die breite Stirn. (Seite 651)

Gleich darauf töten Scachi und zwei Scharfschützen auch O-Bop und Haggerty. Aber Callan und Nora sind nicht da.

Scachi sucht nach ihnen und findet ihre Spur. Sie haben ein Häuschen im San Diego County gemietet. Callan gesteht Nora, dass er dabei war, als Juan Parada ermordet wurde und erzählt ihr alles über die Schießerei in Guadalajara vor vier Jahren. Nora kündigt an, sie werde vor Gericht gegen Adán aussagen. In dieser Nacht schlafen sie und Callan zum ersten Mal miteinander. Als er am nächsten Morgen erwacht, ist Nora fort.

Im Balboa Park in San Diego trifft Keller sich mit Hobbs und Scachi. Hobbs lässt keinen Zweifel daran, dass er ein Gerichtsverfahren gegen Adán verhindern will, weil er Enthüllungen über die Operationen „Kerberos“ und „Red Cloud“ befürchtet. Er hat Nora in seiner Gewalt und bietet Keller eine Übergabe Noras gegen Adán auf der Cabrillo Bridge an.

Keller ahnt, dass er auf der Brücke erschossen werden soll. Trotzdem bringt er Adán hin. Hobbs, Scachi und Tío Barrera kommen ihm mit Nora entgegen. Plötzlich packt Keller Hobbs so an Kopf und Hals, dass ein Ruck genügen würde, um ihn zu töten. Dann fordert er Nora auf, Scachis Pistole ins Wasser zu schubsen. Scachi fühlt sich sicher, denn in einiger Entfernung hat er Callan mit einem Präzisionsgewehr postiert und ihm für die Tötung Kellers einen finanziell abgesicherten Neuanfang in Paris versprochen. Aber Callan erschießt nicht Keller, sondern Scachi und Hobbs. Adán ergreift eine der zu Boden gefallenen Pistolen, verletzt Keller mit einem Schuss und flüchtet. An einem Brunnen holt Keller ihn ein und drückt ihm den Kopf immer wieder unter Wasser, so lange, bis die örtliche Polizei eintrifft.

Fünf Jahre später, im Mai 2004, wartet Keller in einem seiner wechselnden Verstecke darauf, ob er noch einmal aussagen muss. Nora machte im Prozess gegen Adán ihre Aussage und verschwand dann. Möglicherweise lebt sie mit Callan zusammen. Adán wurde zu einer zwölfmal lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Obwohl Keller vor einem Untersuchungsausschuss des Kongresses detailliert über „Kerberos“ und „Red Cloud“ aussagte, werden keine ernsthaften Konsequenzen daraus gezogen.

Fortsetzung: „Das Kartell“

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In dem komplexen Thriller „Tage der Toten“ zeichnet Don Winslow ein düsteres Bild zum Beispiel von der mexikanischen Gesellschaft, das allerdings weitgehend der Wirklichkeit entspricht. Im Drogenkrieg in Mexiko wurden von Ende 2006 bis Mitte 2010 schätzungsweise 28 000 Menschen ermordet (Süddeutsche Zeitung, 9. September 2010).

Nur wenige Familien bestimmen bei Mexikos Version der Mafia […]
Einem Partner von [Joaquín] Guzmán [Loera] schickten Auftragskiller den Kopf seiner Frau und stürzten zwei seiner Kinder von einer Brücke. Guzmáns Sohn Édgar wurde auf einem Parkplatz von Sinaloas Regionalhauptstadt Culiacán von Kugeln durchsiebt. Ihre Toten betten die Sippen in monumentale Gräber, unter Kuppeln wie im Petersdom, Culiacán ist auch voller Villen, Banken, Autogeschäfte und der Flughafen voller Kleinflugzeuge. Unbekannte Opfer landen dagegen im Straßengraben. Kürzlich lagen im Touristenort Acapulco wieder 14 enthauptete Leichen, daneben warnende Grüße im Namen von El Chapo. (Peter Burghardt, Süddeutsche Zeitung, 3. Februar 2011)

In Lateinamerika lassen sich Politiker ebenso wie Polizisten kaufen, so Don Winslow in seinem Roman „Tage der Toten“, und die US-Regierung will unter allen Umständen sozialistische Regime bzw. sowjetische Marionettenregierungen südlich des eigenen Territoriums verhindern bzw. die 1979 in Nicaragua an die Macht gekommenen Sandinisten stürzen. Dabei soll der Zweck die Mittel heiligen. Im Kampf gegen Guerilleros kooperieren die US-Amerikaner sogar mit Mafiosi und Drogenbaronen. Dem Vizepräsidenten verantwortliche Organisationen helfen mit, unter dem Deckmantel der Bekämpfung des Drogenanbaus nicht nur Mohnfelder mit Entlaubungsmitteln zu besprühen, sondern dabei auch gleich die Anwohner zu vergiften, wenn unter ihnen Guerilleros vermutet werden. Die USA beliefern die Contras heimlich mit Waffen. Und wenn ein Gefangener gefoltert werden soll, damit er wertvolle Informationen preisgibt, machen sich zwar die Nordamerikaner die Hände nicht schmutzig, warten jedoch vor der Baracke auf Ergebnisse. In Einzelfällen schickt die CIA auch selbst Killerkommandos los und führt militärische Einsätze im Ausland durch, bei denen es auf der Seite der Angegriffenen keine Überlebenden bzw. Zeugen geben darf, damit niemand die offizielle Version von einem Bandenkrieg widerlegen kann. Selbst bei Arthur Keller, einem der Protagonisten des Romans „Tage der Toten“, handelt es sich nicht etwa um einen Idealisten, sondern um einen hard boiled Fanatiker, der seine Möglichkeiten als leitender Mitarbeiter der Drug Enforcement Administration für einen persönlichen Rachefeldzug gegen einen Drogenbaron nutzt und dabei in Kauf nimmt, dass er sein Leben ruiniert und seine Familie zerstört.

Die Handlung des Romans „Tage der Toten“ umfasst den Zeitraum von 1973 bis 2004. Die Kapitel sind mit Orts- und Zeitangaben überschrieben und chronologisch angeordnet. Eine Ausnahme macht nur der Prolog, in dem Don Winslow auf das Jahr 1997 vorgreift und die grausame Ermordung von zehn Männern, drei Frauen und sechs Kindern schildert. Damit setzt er auch gleich einen Akzent: „Tage der Toten“ enthält ungewöhnlich brutale Szenen. Man kann Don Winslow gewiss nicht vorwerfen, er würde die komplizierten Konflikte, die er in seinem Buch thematisiert, in irgendeiner Weise verharmlosen.

Don Winslow beginnt den sarkastischen Roman an drei verschiedenen Ecken und führt die verschiedenen Handlungsstränge dann rasch zusammen. Immer neue Ereignisse und Wendungen denkt er sich aus, zeigt dabei ein stupendes (Insider-)Wissen und entwickelt eine enorme Komplexität. Das erinnert an „Der Pate“, geht aber weit über den Klassiker hinaus. Man sieht die lakonisch geschilderten, nicht nur präzise und realistisch, sondern authentisch wirkenden Szenen wie in einem Film vor sich. Die 689 Seiten liest man mit roten Ohren, denn „Tage der Toten“ ist spannend und raubt einem den Atem.

Mit „Das Kartell“ (2015) und „Jahre des Jägers“ (2019) baute Don Winslow „Tage der Toten“ zur Trilogie aus.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010/2011
Textauszüge: © Suhrkamp Verlag

Don Winslow (kurze Biografie / Bibliografie)

Don Winslow: London Undercover
Don Winslow: Das Licht in Buddhas Spiegel / China Girl
Don Winslow: Manhattan
Don Winslow: Bobby Z
Don Winslow: Die Sprache des Feuers
Don Winslow: Frankie Machine
Don Winslow: Pacific Private
Don Winslow: Zeit des Zorns
Don Winslow: Satori
Don Winslow: Kings of Cool
Don Winslow: Vergeltung
Don Winslow: Missing. New York
Don Winslow: Das Kartell
Don Winslow: Germany
Don Winslow: Corruption
Don Winslow: Jahre des Jägers
Don Winslow: City on Fire
Don Winslow: City of Dreams
Don Winslow: City in Ruins

John Updike - Rabbit in Ruhe
"Rabbit in Ruhe" ist der vierte Band einer Roman-Pentalogie über die Entwicklung der Politik und Gesellschaft der USA in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. John Updike lässt sich viel Zeit, schreibt episch breit und schildert Alltagssituationen ungewöhnlich ausführlich, schaut aber auch genau hin und hört aufmerksam zu. Für "Rabbit in Ruhe" erhielt er 1991 den Pulitzer-Preis.
Rabbit in Ruhe

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.