Don Winslow : City of Dreams

City of Dreams
City of Dreams William Morrow, New York 2023 City of Dreams Übersetzung: Conny Lösch HarperCollins, Hamburg 2023 ISBN 978-3-365-00169-1, 367 Seiten ISBN 978-3-7499-0541-6 (eBook) Taschenbuch HarperCollings, Hamburg 2024 ISBN 978-3-365-00626-9
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Nach der Niederlage der Iren im Bandenkrieg gegen die Italiener flieht Danny Ryan aus Providence/Rhode Island. Der Witwer bringt seinen greisen Vater in einem Heim unter und vertraut seinen kleinen Sohn seiner Mutter an. Er will ein neues Leben in der Legalität führen, aber nicht nur in der Familie Moretti, sondern auch beim FBI hat er Todfeinde ...
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Kritik

Farbige Charaktere und vor allem die rhythmisch pulsierende Sprache zeichnen "City of Dreams" ebenso wie die anderen Teile der Romantrilogie aus. Wie immer schreibt Don Winslow im Präsens und beweist sein schriftstellerisches Können nicht zuletzt in pointierten Dialogen und bildhaften Szenen.
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Der Krieg

Im Dezember 1988 flieht Danny Ryan mit seinem alten Vater Marty und seinem zweijährigen Sohn Ian aus Rhode Island. Seine Ehefrau Teresa („Terri“) – die Tochter von John Murphy, des soeben festgenommenen Paten der irischen Mafia in Providence ‒ starb gerade an Brustkrebs, und Danny erschoss, nachdem er in eine Falle getappt war, den korrupten FBI-Agenten Phillip („Phil“) Jardine in Notwehr. Das erbeutete Heroin, 10 Kilogramm im Wert von zwei Millionen Dollar, hatte Danny ins Meer gekippt.

Lange Zeit hatten sich die Iren und die Italiener Gebiete und Geschäftsfelder in Providence, der Hauptstadt von Rhode Island, aufgeteilt. Diese gegenseitige Duldung hielt bis 1986. Dann kam es wegen der schönen Pamela („Pam“) Davies zwischen Paulie Moretti und Liam Murphy zum Streit ‒ und zwischen den Italienern und Iren zum Krieg. Den haben jetzt die Iren verloren.

Peter Moretti, der Boss der Italiener, und seine Ehefrau Celia haben drei Kinder: Heather ist 20 Jahre alt, Peter Jr. 18 und Gina noch einmal zwei Jahre jünger. Gina Moretti nimmt sich das Leben, und Peter Moretti Jr. meldet sich zum Militär.

Chris Palumbo, Peter Morettis Consigliere, hatte sich mit Phil Jardine verschworen, um die Iren auszuschalten und zugleich seinen Boss aus dem Weg zu räumen. Er hatte für die Italiener in Providence 40 Kilogramm Heroin gekauft, und zwar von Domingo („Popeye“) Abbarca in Tijuana, dem Boss des Baja-Kartells. Parallel dazu hatte Frankie Vecchio die Iren in die Falle gelockt. Aber nun ist sein Komplize Phil Jardine tot, der größte Teil des Heroins verschwunden, und Chris Palumbo muss sich vor den Investoren in das schief gelaufene Geschäft in Sicherheit bringen. Er lässt seine Frau Cathy in Providence zurück und setzt sich mit Frankie Vecchio nach Scottsdale/Arizona ab.

Um wieder zu Geld zu kommen, wenden sich Chris Palumbo und Frankie Vecchio erneut ans Baja-Kartell. Neto Valdez, der Gesprächspartner in New Mexico, ist zwar nicht bereit, den Bittstellern die gewünschte Menge Heroin vorzustrecken, schlägt aber vor, das Geschäft in mehreren Tranchen abzuwickeln, und um sich abzusichern, besteht er darauf, dass Frankie Vecchio bis zur vollständigen Bezahlung als Geisel bleibt.

Der Deal

Danny Ryan vertraut seinen kleinen Sohn seiner Mutter Madeleine McKay in Las Vegas an. Dort ist er sicherer als bei ihm auf einem Trailerpark. Und seinen greisen Vater Marty Ryan bringt er in einem Seniorenheim in San Diego unter.

Der Rechtsanwalt David Dennehy in Rhode Island ruft seinen Mandanten Danny Ryan an und teilt ihm mit, dass das FBI seinen Vater im Heim aufgespürt habe und darauf setze, ihn bei einem Besuch Marty Ryans zu stellen.

Madeleine McKay, die in Politik und Wirtschaft gut vernetzt ist, erfährt, dass Reggie Moneta, die stellvertretende Abteilungsleiterin für Organisierte Kriminalität beim FBI, dem Agenten Brent Harris geraten hat, Danny Ryan besser zu erschießen als festzunehmen. Reggie Moneta war Phil Jardines Geliebte und sinnt nicht nur auf Rache, sondern will vor allem auch verhindern, dass bei einem Gerichtsverfahren gegen den irischen Mafioso die Kooperation des FBI-Agenten mit der italienischen Mafia in Providence publik wird.

Evan Penner in Washington schickt Brent Harris zu Madeleine McKay in Las Vegas. Um Danny Ryan zumindest vor dem FBI zu retten, bietet er einen Deal an: Der Mafiso raubt eines der Geldverstecke aus, die Popeye Abbarca angelegt hat. Durch den Verlust von einigen Millionen Dollar soll der Drogenboss, dem juristisch nicht beizukommen ist, geschwächt werden. Im Gegenzug wird Danny Ryan vor Strafverfolgung geschützt und kann sich mit seinem Anteil am erbeuteten Geld eine neue Existenz aufbauen.

Danny Ryan überfällt mit seinen Männern ein Geldversteck der Drogenhändler und raubt 43 Millionen Dollar. Obwohl er weiß, dass er nun nicht nur beim FBI und den Italienern Todfeinde hat, sondern auch bei den Mexikanern, lässt er Neto Valdez und die anderen Überfallenen am Leben. Und den dort als Geisel gehaltenen Italiener Frankie Vecchio befreit er.

Reggie Moneta ist wütend über die Anweisung von oben, Danny Ryan nicht länger zu verfolgen. Heimlich ruft sie Peter Moretti an und verrät ihm, in welchem Seniorenheim Marty Ryan lebt. Der Mafiaboss beauftragt daraufhin einen Mann namens Benetto in San Diego, sich auf die Lauer zu legen.

Danny Ryan teilt das Geld mit seinen Männern und beschwört sie, sich damit eine neue ebenso legale wie unauffällige Existenz aufzubauen.

Als Marty Ryan im Sterben liegt, lässt Danny es sich nicht nehmen, den Vater ein letztes Mal zu besuchen. Benetto nähert sich mit einem SUV. Aber Danny Ryan ist auf der Hut. Er und Ned Egan, der langjährige Leibwächter seines Vaters, erschießen Benetto.

Vincent („Vinnie“) Calfo, der neue Consigliere der Italiener in Providence, der heimlich eine Affäre mit Celia Moretti hat, erschießt deren Ehemann Peter Moretti und dessen Geliebte Cassandra Murphy, die Tochter von John und Catherine Murphy. Dadurch steigt er selbst zum Mafiaboss auf.

Der Film

Sean South und Kevin Coombs, die zu Danny Ryans Männern gehörten, hören im November 1989 von einem Hollywod-Film, der über den Bandenkrieg der irischen und der italienischen Mafia in Providence gedreht wird. Das Treatment stammt von Bobby („Bangs“) Moran, einem unbeteiligten Barmann im „Glocca Morra“, der damit seine Beobachtungen zu Geld gemacht hat. Nun wollen auch Sean South und Kevin Coombs etwas davon haben. Deshalb verabreden sie sich mit Bobby Moran und machen ihn zu ihrer „lebenden Kreditkarte“. Bald genügt ihnen das nicht mehr und sie verlangen, als technische Berater unter Vertrag genommen zu werden. Der Regisseur Mitchell („Mitch“) Apsberger geht darauf ein, weil er sich so nah wie möglich an die Realität halten möchte und sich von den Mafiosi entscheidende Hinweise erhofft. Widerstrebend arrangieren sich der leitende Produzent Larry Field und die Studioleiterin Susan („Sue“) Holdt zunächst mit der neuen Situation.

Aber als die Mafiosi für Wirbel sorgen, macht Bill Callahan, ein ehemaliger hochrangiger FBI-Agent, Madeleine McKay darauf aufmerksam. Zu viel Aufsehen ist nicht gut für die Überlebenden der irischen Mafia. Schließlich fährt er mit Danny Ryan nach Hollywood. Der soll seine Männer zurückpfeifen. Das tut er, und weil er inzwischen von den finanziellen Schwierigkeiten bei dem Filmprojekt weiß, bietet er Sue Holdt eine beträchtliche Beteiligung als Co-Produzent an.

Bei den Dreharbeiten verlieben sich Danny Ryan und die eben erst aus einer Entzugsklinik entlassene Hauptdarstellerin Diane Carson auf den ersten Blick. Es gelingt den beiden nicht, ihre Beziehung lang geheim zu halten. Paparazzi lauern ihnen auf.

Evan Penner und Brent Harris befürchten, dass große Zeitungen in das Thema einsteigen könnten. Sie würden dann auch nachforschen, woher das von Danny Ryan in den Film investierte Geld stammt. Brent Harris drängt deshalb Danny Ryan, Diane Carson und das Rampenlicht zu verlassen.

Mit der gleichen Forderung schickt Pasco Ferri, der alte New-England-Boss, der sich zwar zurückgezogen hat aber noch immer Fäden zieht, einen Mann namens Johnny Marks zu Danny Ryan. Die Mafiabosse wollen Schnüffeleien verhindern.

Zu allem Überfluss legt Danny Ryan sich mit der vom Studio beauftragten betrügerischen Cateringfirma an. Deren Boss, Ronald Faella, steht jedoch unter dem Schutz von Angelo Petrelli, dem Mafiaboss von Los Angeles. Mit dessen Einverständnis beauftragt Ronald Faella den militärisch ausgebildeten Profikiller Ken Clark aus Phoenix, Danny Ryan zu töten. Der kommt dem Schützen allerdings zuvor. Er lässt ihn zwar am Leben, zertrümmert ihm jedoch die Knochen beider Hände.

Als Frankie Vecchio es für eine gute Idee hält, ein neues Geschäft mit dem Baja-Kartell anzubahnen, wird er von Neto Valdez ermordet, nachdem er vorher noch unter der Folter verriet, dass Danny Ryan das Geldversteck des Drogenkartells ausraubte.

Danny Ryan ist damit ins Visier gleich mehrerer Gruppen und Institutionen geraten.

Diane Carson vertraut ihrem Geliebten an, dass sie von ihrem zwölften Lebensjahr an eine inzestuöse Beziehung mit ihrem Bruder Jarrod Groskopf hatte. Der ermordete aus Eifersucht ihren ersten Ehemann. Kürzlich rief er aus dem Gefängnis an und drohte aus Neid auf ihren Erfolg, den Medien alles über den Inzest zu verraten, um ihre Karriere zu zerstören.


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Danny Ryan sieht keinen anderen Ausweg mehr, als Diane Carson und Los Angeles zu verlassen. Bevor er das tut, sorgt er allerdings noch dafür, dass Jarrod Groskopf im Gefängnis von Mithäftlingen erstochen wird.

Kurz nachdem Danny Ryan sich von Diane Carson getrennt hat, nimmt sie sich mit Alkohol und einer Überdosis Valium das Leben.

In der Wüste

Während eines Heimaturlaubs vom Irak-Krieg erfährt Peter Moretti Jr. von seiner Schwester Heather, dass der Vater von Vinnie Calfo im Einverständnis mit der Mutter ermordet wurde. Weil es der Sohn für seine Pflicht hält, den Vater zu rächen, erschießt er Vinnie Calfo und Celia Moretti.

Ungefähr zur gleichen Zeit nimmt Danny Ryan in der Anza-Borrego-Wüste in Kalifornien eine Anhalterin mit. Sie heißt Cybil und lotst ihn zu ihrer Kommune. Dort wird Danny Ryan anhand von Zeitungsfotos erkannt, und ein Mann namens Harley ruft heimlich eine Kontaktperson des Baja-Kartells an, während Cybil ihren Gast dazu bringt, Magic Mushrooms zu zerkauen.

Als Danny Ryan aus den Halluzinationen auftaucht, hat die von Popeye Abbarca angeführte Bande alle gefesselt. Die Mexikaner halten die Mitglieder der Kommune für Danny Ryans Hippie-Familie, und der Boss will sie alle tot sehen.

Danny hätte sie alle töten sollen.
Jetzt weiß er das.
Und vorher hätte er es auch wissen müssen – wenn man jemandem vierzig Millionen bei einem bewaffneten Überfall abnimmt und ihn am Leben lässt, wird er sich rächen. Man nimmt ihm also besser sein Geld und das Leben.
Aber so ist Danny Ryan nicht.

Bevor sich die Männer ans Abschlachten der wehrlosen Opfer machen, tötet Neto Valdez den Boss und übernimmt das Kommando. Danny Ryan erklärt ihm, dass er durch Zufall in die Kommune geraten sei und die Mitglieder nichts mit ihm zu tun hätten.

„Lass sie“, sagt Danny. „Die hatten nichts damit zu tun.“
„Auch der, der dich verraten hat?“, fragt Neto. „Du willst dich nicht an ihm rächen?“
Danny schüttelt den Kopf.
„Du hättest mich töten können, aber du hast es nicht getan“, sagt Neto. „Wir sind quitt.“
Er steckt die Pistole ein, bellt Befehle auf Spanisch.

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„City of Dreams“ ist der mittlere Band einer mit „City on Fire“ begonnenen und mit „City in Ruins“ beendeten Romantrilogie von Don Winslow.

Wenn eine schöne Frau einen Krieg auslöst, ein Mann mit seinem greisen Vater flieht oder ein anderer den Tod seines Vaters rächt, indem er nicht nur dessen Mörder tötet sondern auch seine mitschuldige Mutter, denkt man unwillkürlich an griechische Sagen: Helena, Trojanischer Krieg, Äneas und Anchises, Orest, Klytaimnestra und Aigisthos. Don Winslow hat diese Parallelen wie selbstverständlich in die Trilogie eingebaut.

Ob es beispielsweise realistisch ist, dass Danny Ryan aus Liebe zu einer Frau in eine Situation gerät, in der er nicht nur sein Leben, sondern auch ihres und das seiner Männer gefährdet? Auch einige andere Passagen überzeugen nicht völlig. Deshalb halte ich „City of Dreams“ für den schwächsten Teil der Trilogie von Don Winslow.

Aber farbige Charaktere und vor allem die knappen Sätze in einer rhythmisch pulsierenden Sprache zeichnen alle drei Romane aus. Wie immer schreibt Don Winslow im Präsens und beweist sein schriftstellerisches Können nicht zuletzt in pointierten Dialogen. Er inszeniert so bildhaft, dass man das Geschehen schon beinahe wie in einem Kinofilm erlebt.

Den Roman „City of Dreams“ von Don Winslow gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Dietmar Wunder.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2024
Textauszüge: © HarperCollins

Don Winslow (kurze Biografie / Bibliografie)

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.