Don Winslow : Corruption

Corruption
Originalausgabe: The Force William Morrow, New York 2017 Corruption Übersetzung: Chris Hirte Droemer Verlag, München 2017 ISBN: 978-3-426-28168-0, 541 Seiten ISBN: 978-3-426-43814-5 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Vor 18 Jahren fing Denny Malone aus Idealismus beim NYPD an. Als er merkte, wie viele Möglichkeiten es für smarte Rechts­anwälte gibt, Kriminelle vor einer Ver­ur­teilung zu bewahren, ging er dazu über, Gangstern Belastungsmaterial unter­zu­schieben. Dann begann er, bei Fest­nahmen Geldbeträge abzuzweigen. Als er schließlich einen Mafiaboss ohne Not er­schießt und Drogen unterschlägt, weiß er, dass er nicht mehr besser ist als die Verbrecher, die er jagt ...
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Kritik

Don Winslow ergänzt in "Corruption" packende Action-Szenen mit kennt­nis­reichen Ausführungen über Be­ziehun­gen zwischen Stadt­ver­wal­tung, Polizei, Wirtschaft und Mafia in New York. Erzählt wird aus der Sicht eines korrupten Elite­polizisten.
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Denny Malone und seine Freunde bei der Force

New York, 2015. Der 38-jährige Sergeant Dennis John Malone arbeitet seit 18 Jahren bei der Manhattan North Special Taskforce (kurz: The Force), einer Eliteeinheit des New York Police Department (NYPD).

Bei der Force gibt es nur zwei Frauen, Janice Tenelli und Emma Flynn, und die sind ebenso hart wie die Männer.

Die Cops fühlen mit den Opfern und hassen die Täter, aber sie dürfen nicht zu viel Mitgefühl entwickeln, sonst werden sie arbeitsunfähig, und sie dürfen nicht zu viel Hass entwickeln, sonst werden sie selber zu Tätern.

Denny Malone wuchs als Sohn eines Cops auf Staten Island auf, aber der Vater starb, als Denny erst acht Jahre alt war. Sein Bruder Liam kam beim Terroranschlag am 11. September 2001 als Feuerwehrmann im World Trade Center ums Leben. Malones Ehefrau Sheila wohnt mit den Kindern John und Caitlin auf Staten Island. Er sieht sie hin und wieder. In Manhattan hat er eine heroinsüchtigte afroamerikanische Krankenschwester als Geliebte. Sie heißt Claudette. Denny Malone ist eng mit seinen Kollegen Philip Russo und Bill Montague („Big Monty“) befreundet. Sollte Malone etwas passieren, würden sie und ihre Ehefrauen Donna Russo und Yolanda Montague die gesetzlichen Vormundschaft für John und Caitlin übernehmen. Dieselbe Verpflichtung haben Denny und Sheila Malone für die Kinder der Freunde übernommen.

Wenn die beiden Ehepaare [Russo und Montague] abends mal zusammen weggehen, was gelegentlich vorkommt, gibt ihnen Malone den scherzhaften Rat, nicht zusammen in einem Auto zu fahren, damit er nicht mit einem Schlag sechs weitere Kinder erbt.

Korruption in New York

Als Denny Malone beim NYPD anfing, hatte der Bürgermeister Rudolph Giuliani mit seiner Law-and-Order- bzw. Null-Toleranz-Politik die Stadt verändert: Sie war nicht nur sauberer, sondern auch sicherer geworden. Aber dann rammten die entführten Flugzeuge die Türme des WTC. Die Mafia in New York, die schon fast am Ende war, stieg bei der Schuttentsorgung auf Ground Zero ein, und auch ihre anderen Geschäfte blühten wieder auf, weil das FBI nun mit dem „Krieg gegen den Terror“ beschäftigt war. Die Cimino-Familie arbeitet beispielsweise mit korrupten städtischen Beamten zusammen, die Bauaufträge vergeben.

Damit verdient die Cimino-Familie ihr Geld. Sie kassiert bei der Baufirma, die ihr den Auftrag verdankt, dann bei den Baustofflieferanten und bei den Installateuren. Wenn das nicht läuft, wie es soll, finden die Gewerkschaften ein Haar in der Suppe und machen die Baustelle dicht.

Geldumschläge der Cimino-Familie werden auch von Denny Malone weitergegeben.

Er verteilt Umschläge für die Mafia an Staatsanwälte und Beamte, wenn es ein Gerichtsverfahren zu optimieren oder Bauaufträge zu vergeben gilt; und er steckt dafür selbst auch solche Umschläge ein.

Kein Club, kein Restaurant, in dem Malone, Russo oder Monty bezahlen müssten. Und sie legen noch Geld zurück, damit ihre Kinder später mal aufs College gehen können. Zunächst schoben sie nur Verbrechern Belastungsmaterial unter, wenn sie diese nicht auf andere Weise dauerhaft von der Straße bekamen. Dabei fühlten sie sich wie Landschaftsgärtner, die dafür sorgen, dass der Dschungel nicht alles zuwuchert. Dann begannen sie, auch angebotene finanzielle Zuwendungen anzunehmen und bei Festnahmen das eine oder andere in die eigene Tasche zu stecken.

Anfangs hattest du bei den Durchsuchungsbefehlen gemogelt, um Festnahmen zu machen, Verbrecher und Drogen aus dem Verkehr zu ziehen. Später hast du gemogelt, um Festnahmen zu machen und die Beute zu kassieren.
Du bist zum Räuber geworden.
Ein Krimineller ohne Wenn und Aber.
Hast dir eingeredet, es sei ein Unterschied, ob man eine Bank oder einen Drogendealer ausraubt.

Malone und seine Freunde sind Dirty Cops, aber das Establishment ist noch viel korrupter als sie.

Es gibt zwei Sorten Cops: die Pflanzenfresser und die Fleischfresser. Die Pflanzenfresser sind genügsam und friedlich. Sie kriegen Geld von den Abschleppfirmen, sind dankbar für Gratiskaffee und Gratisburger und nehmen, was sie kriegen können. Die Fleischfresser dagegen sind die Raubtiere unter den Cops. Sie nehmen sich, was sie wollen.

Malone hat Bargeld gebunkert, Wertpapiere, und er hat Konten, an die das FBI niemals rankommt. Außerdem eins bei den Italienern in der Pleasant Avenue. Bei der Cimino-Familie ist das Geld besser aufgehoben als bei jeder Bank.

Malones Feldzug gegen Diego Peña

Auf dem New Yorker Drogenmarkt konkurrierten die Drogenlords DeVon Carter und Diego Peña. Der Dominikaner Diego Peña beauftragte die beiden Brüder Tony und Braylon Williams, einen von Carters Dealern zu töten. Mit DeMarcus Cleveland starben seine Frau Janelle und die Kinder.

Vater, Mutter, drei Kinder zwischen drei und sieben Jahren. Zwei Jungs, ein Mädchen. Die Kinder waren in den Hinterkopf geschossen worden, genau wie die Eltern, doch die wurden zuvor mit Macheten zerhackt – überall an den Wänden klebte Blut.

Malone begann daraufhin einen Feldzug gegen Diego Peña und erreichte schließlich dessen Verhaftung, aber der Staranwalt Gerard Berger – der jeden Mandanten annimmt, sofern dieser entweder reich genug ist oder eine filmreife Geschichte vorzuweisen hat – handelte für seinen Mandanten einen vorteilhaften Deal aus.

Damit fand Malone sich nicht ab. Damals gehörte auch Billy O’Neill seinem Team an. Denny Malone, Billy O’Neill, Phil Russo und Big Monty stürmten ein Heroinlabor der Dominikaner. Sie überraschten Diego Peña persönlich. Der blieb ruhig.

„Sparen Sie sich das Zählen“, sagt Peña. „Das ist ‚Dark Horse‘, mexikanisches Black Tar Heroin. Siebzig Kilo, fünfzig Millionen Dollar Verkaufswert. Dazu etwas über vier Millionen Dollar Bargeld. Sie nehmen das Geld und die Drogen, ich nehme den nächsten Flug nach Santo Domingo. Sie sehen mich nie wieder.“

Malone erschoss ihn ohne Vorwarnung. Billy O’Neill kam bei dem Einsatz ebenfalls ums Leben. Obwohl Malone, Russo oder Monty zwei Millionen Dollar und 20 Kilogramm Heroin unterschlugen, wurden sie für den Erfolg gefeiert, denn 50 Kilogramm Heroin auf einen Schlag hatte das NYPD bis dahin noch nie beschlagnahmt. Billy O’Neills Lebensgefährtin Debbie Phillips war im dritten Monat schwanger. Weil sie jedoch noch nicht mit ihm verheiratet war, kümmerte sich das NYPD nicht weiter um sie. (Sie bekommt später Geld von Denny Malone.)

Als Ersatz für Billy O’Neill teilte Captain Sykes einen jüngeren Polizisten ein: Dave Levin.

Für Diego Peña rückte Carlos Castillo nach, ein Dominikaner mit doppelter Staatsbürgerschaft. Seine Aufgabe ist es nun, den New Yorker Heroinmarkt neu zu ordnen und die Konkurrenz auszuschalten.

Mookie Gillette, einer von Carters Männern, wird erschossen, drückt im Fallen noch einmal reflexartig ab und trifft zufällig eine 91-jährige Frau am Fenster: Leonora Williams.

Ein Toter erschießt eine alte Dame.

Der erste Deal

Einige Zeit später wird Sergeant Denny Malone festgenommen und durch einen Nebeneingang ins Hotel Waldorf-Astoria gebracht. Er befürchtet zunächst, dass die Sache mit Diego Peña aufgeflogen ist. In einer Suite des Hotels spielen ihm der FBI-Agent O’Dell und Stan Weintraub, ein Ermittler der Bundesanwaltschaft, eine kürzlich gemachte Videoaufnahme vor. Es ist zu sehen, wie ihm der Rechtsanwalt Mark Piccone einen Umschlag zuschiebt, und aus dem Gespräch geht hervor, dass Malone mit dem Inhalt – abzüglich seiner Provision – den Staatsanwalt Justin Michaels bestechen soll, der gegen Piccones Mandanten Fat Teddy Anklage erhoben hat.

O’Dell gibt Malone eine Telefonnummer. Die soll er innerhalb von 24 Stunden anrufen und sich bereit erklären, gegen korrupte Staatsbeamte auszusagen. Andernfalls droht ihm selbst eine Anklage. Malone will niemand verraten, aber er weiß, dass Claudette nicht ohne ihn vom Heroin loskommen würde. Und was würde es für John und Caitlin bedeuten, wenn der Vater im Gefängnis säße? Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als anzurufen. Allerdings stellt er klar, dass er keine Kollegen anschwärzen werde.

Die Bundesanwältin Isobel Paz leitet die Verhandlung mit ihm.

„Wir erwarten von Ihnen eine Aussage, in der Sie alle bisher begangenen Straftaten einräumen. Wenn Sie Taten verschweigen oder vorsätzlich falsch darstellen, wird jede getroffene Vereinbarung ungültig. Sollten Sie weitere Straftaten außerhalb unserer Ermittlungen begehen, die nicht unsere ausdrückliche Billigung finden, wird jede getroffene Vereinbarung ungültig.“

Malone stimmt dem Deal zu:

„Ich nenne keine Cops. Aber ich nenne Ihnen Michaels. Ich nenne Ihnen ein paar Verteidiger und den einen oder anderen Staatsanwalt. Wenn Sie Mumm haben, auch noch ein paar Richter als Zugabe. Und damit sind wir quitt. Keine Haft, ich behalte das Abzeichen und die Waffe.“

Am nächsten Tag überbringt er dem Staatsanwalt Justin Michaels weiteres Schmiergeld von Mark Piccone und provoziert vor Gericht verwertbare Äußerungen, denn er ist verkabelt. Innerhalb von kurzer Zeit liefert Malone drei Staatsanwälte und vier Strafverteidiger ans Messer.

Folgen eines Meineids

In einem zwischen Malone und der Staatsanwältin Mary Hinman abgesprochen Fall sagt der Polizist unter Eid im Zeugenstand aus, er habe die Angeklagten mit den Waffen ertappt, die dem Gericht vorliegen. Der Verteidiger Gerard Berger weist jedoch nach, dass die Waffen aus der Asservatenkammer der Polizei stammen. Offenbar habe man sie seinen Mandanten untergeschoben. Mary Hinman bleibt nichts anderes übrig, als Gerard Berger einen Deal vorzuschlagen.

Malone bleibt zwar eine Anklage wegen Meineids erspart, aber Isobel Paz nutzt die Gelegenheit, um ihn weiter unter Druck zu setzen.

Als Zielperson wählt er seinen Rivalen Detective Rafael Torres, der ein anderes Team der Manhattan North Special Taskforce führt und auf DeVon Carters Gehaltsliste steht. Malone, Russo, Monty und Dave Levin fangen eine von Fat Teddy organisierte Lieferung des Waffenhändlers Mantell an Carter ab, und als Torres sich bei Malone darüber beschwert, ist dieser verkabelt. Aber dann geschieht etwas, mit dem Malone nicht gerechnet hat: Torres erschießt sich, nachdem er erfahren hat, dass gegen ihn ermittelt wird.

Als Malone der Witwe Gloria Torres bei der Beerdigung kondolieren will, zischt sie ihn an: „Du warst es, du Dreckskerl.“ Und das Gerücht, Malone habe Torres verraten, verbreitet sich.

Malone findet es an der Zeit, das von Diego Peña erbeutete Heroin zu Geld zu machen. Ohne sich mit seinen befreundeten Kollegen abzusprechen, trifft er sich zur Übergabe auf dem Friedhof St. John in Queens mit Lou Savino, einem Capo der Cimino-Familie. Aber der hat die Verabredung Carlos Castillo verraten. Der taucht mit zwei Kumpanen auf – und kauft die 20 Kilogramm Heroin zurück, die seinem Vorgänger abgenommen wurden. Erst als Malone das Geld mit Russo und Monty teilt, erfahren diese von der Aktion.

Stich ins Wespennest

Isobel Paz spielt das Vernehmungs­protokoll Malones dem Paten der Cimino-Familie zu. Malone beschwert sich darüber, aber sie bleibt ungerührt und weist ihn darauf hin, dass er Steven („Stevie“) Bruno hinter Gitter bringen müsse, um sich und seine Angehörigen zu schützen. Daraufhin gibt Malone zu Protokoll, wie er als junger Streifenpolizist in Harlem von Lou Savino kontaktiert wurde und anfing, städtischen Beamten Schmiergelder der Ciminos zu überbringen. Die Staatsanwältin, die den Bürgermeister und die einfluss­reichen Geschäftsleute nicht gegen sich aufbringen will, indem sie gegen Beamte der Stadtverwaltung ermittelt, möchte nichts weiter darüber hören, aber O’Dell und Weintraub bestehen darauf, dass Malone seine Aussage fortsetzt.

Als dieser sich kurz darauf ins Auto setzt, legt ihm jemand von hinten eine Drahtschlinge um den Hals. Monty rettet seinem Freund das Leben. Als der Täter nicht verraten will, wer ihm den Mordauftrag erteilte, zerschmettert ihm Monty eine Hand. Erst als der Mann befürchten muss, auch die zweite Hand zu verlieren, nennt er den Namen Carlos Castillo.

Es stellt sich heraus, dass Isobel Paz für den Bürgermeister Material gegen das NYPD sammelt. Als Malone die Verbindungen zwischen der Mafia und der Stadtverwaltung aufdeckte, wandte sich die Staatsanwältin an Carlos Castillo, und der wollte mit dem Mordauftrag verhindern, dass Malone seine Aussage vor Gericht wiederholt.

Die Vergangenheit holt Malone ein

Im Morgengrauen wird Malone erneut von dem FBI-Agenten O’Dell verhaftet und erfährt, dass Isobel Paz abgesetzt wurde und mit einer Anklage rechnen muss. Lou Savino hat sich nämlich gestellt und umfassend ausgesagt, auch über die Ermordung Diego Peñas und das unterschlagene Heroin.

Als Rechtsbeistand engagiert Malone den verabscheuten Anwalt Gerard Berger, denn nur der beste Verteidiger kann das Schlimmste verhindern.

„Sie haben Strafverteidiger immer gehasst“, sagt Berger. „Wir waren für Sie der Abschaum. Wir waren Leute, die überführten Straftätern helfen, der Justiz zu entgehen. Jetzt wissen Sie, warum es uns gibt. Wenn der kleine Mann in diesem Justizsystem unter die Räder kommt, wird er gnadenlos zermalmt.“

O’Dell und Weintraub, die Isobel Paz überrollten, als sie die unerwünschten Ermittlungen verhindern wollte, vernehmen Malone im Beisein seines Anwalts. Berger glaubt zunächst, Lou Savino als unzuverlässigen Belastungszeugen nicht ernst nehmen zu müssen, aber der Mafioso war bei den Unterredungen mit Malone verkabelt. Nachdem das Band abgespielt wurde, sieht Berger nur noch eine Chance: einen neuen Deal, Belastungsmaterial nicht nur über Malones Vorgesetzte, sondern auch über Kollegen wie Phil Russo und Bill Montague gegen die Zusicherung einer Höchststrafe von 12 Jahren.

„Denken Sie an Ihre Kinder“, sagt O’Dell. „Beide Eltern im Gefängnis. Und kein Zuhause mehr, Malone, weil wir Ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmen, wenn Sie auch nur eine Dachrinne besitzen, deren Kauf Sie nicht mit Ihrem Gehalt begründen können. Das Haus, die Autos, Ihr Sparkonto und – sehen Sie mir in die Augen! – ich beschlagnahme auch die Spielsachen Ihrer Kinder.“

Nachdem Malone umfassend ausgesagt hat, darf er zwar das Gebäude mit seinem Anwalt verlassen, aber als Nächstes muss er bei einer Party am Unabhängig­keitstag, zu der Russo seine Freunde eingeladen hat, Beweismaterial sammeln.

Mit einem Aufnahmegerät unter dem Hemd betritt Malone das Haus seines Freundes. Weil er sich zu vorgerückter Stunde weigert, mit ihnen in den Pool zu springen, kommt es zum Streit, und er geht. Russo und Monty ahnen, warum er sich nicht ausziehen wollte und halten es deshalb für möglich, dass die Gerüchte über Malone als Verräter stimmen. In einem Park stellen sie ihn zur Rede. Monty richtet seine Pistole auf Malones Gesicht. In diesem Augenblick klingelt dessen Handy.

Monty sagt: „Nimm es raus. Aber langsam.“
Malone zieht sein Handy aus der Hosentasche.
„Stell auf laut“, sagt Monty.
Malone gehorcht.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Spoiler

Bei dem Anrufer handelt es sich um Lieutenant Larry Henderson von der Dienstaufsicht des NYPD. Er teilt Malone mit, dass O’Dell ihn gebeten habe, nicht weiter gegen die Manhattan North Special Taskforce zu ermitteln, weil das FBI dort einen V-Mann eingeschleust habe: Dave Levin.

Monty steckt die Pistole ein und meint, dass es bei der geplanten Drogenrazzia in Carlos Castillos Haus zwei Tote geben müsse: den Mafiaboss und den Verräter.

Levin wundert sich, dass seine Kollegen das Gebäude ohne Durchsuchungsbefehl stürmen wollen und keine Verstärkung rufen, aber Malone erklärt ihm, es werde später heißen, es seien Bandenmitglieder herumgeschlichen und man habe Schüsse gehört. Da sei ein sofortiger Zugriff erforderlich gewesen. Monty schlägt vor, dass Levin statt Malone als Erster durch die aufgebrochene Tür stürmen soll. Dabei wird er von Kugeln durchsiebt. Schwerbewaffnete Verbrecher in Kampf­anzügen haben die Cops erwartet. Man hat Malone und seine Kollegen in eine Falle gelockt. In den Räumen gibt es weder Drogen noch Geld. Monty überlebt den Einsatz zwar schwerverletzt, erwacht jedoch im Krankenhaus nicht mehr aus dem Koma.

Malone beichtet schließlich Phil Russo, was er getan hat und kündigt ihm die Verhaftung an.

Beim FBI sieht er ihn wieder. Russo gab zu Protokoll, dass Diego Peña nicht im Kampf erschossen, sondern von Malone kaltblütig ermordet worden sei. Er will im Prozess gegen Malone als Kronzeuge aussagen und deshalb straffrei ausgehen.

Damit ist Malones Deal mit dem FBI geplatzt.

Aber es gibt einen neuen. Gerard Berger bringt ihn zum Penthouse des im Bauausschuss sitzenden Immobilienmilliardärs Bryce Anderson, wo außer dem Hausherrn der Bürgermeister, dessen Adlatus Ned Chandler, der Polizeipräsident, Neely, der Chef der Ermittlungsabteilung, Stan Weintraub, der Ermittler der Bundesanwaltschaft und die augenscheinlich reaktivierte Staatsanwältin Isobel Paz auf ihn warten. Sie machen sich Sorgen. Vor einigen Monaten wurde Michael Bennett, ein unbewaffneter afroamerikanischer Jugendlicher von Officer Hayes in Brownsville erschossen. Der Cop ging straffrei aus. Immer wieder protestieren Schwarze, und es kommt zu Straßenkämpfen. Es heißt, jemand habe die letzten Minuten im Leben Michael Bennetts mit einem Handy gefilmt und DeVon Carter verfüge über die Aufnahme. Falls dieses Video in der Öffentlichkeit auftaucht, ist eine Eskalation der Rassenkrawalle zu befürchten. Malone soll das verhindern. Als Gegenleistung versprechen ihm die Anwesenden Straffreiheit.

Malone sucht nach seinem drogensüchtigen und obdachlosen Informanten Nasty Ass. Er findet ihn an einem Baum. Man hat ihn dort mit Händen und Füßen angenagelt. Malone zerrt die Nägel heraus und trägt den Schwerverletzten ins Harlem Hospital. Dort stirbt Nasty Ass, und erst jetzt erfährt Malone dessen richtigen Namen. Er hieß Benjamin Coombs. Der Cop erklärt sich bereit, das Begräbnis zu bezahlen.

DeVon Carter begreift schnell, was der unerwartete Besucher von ihm will:

„Also, Ihre Bosse lassen ihren Nigger aus dem Käfig, damit er ihnen das Video bringt.“

Malone möchte das Video zunächst sehen, und Carter spielt es ihm vor.

Die Bilder sind von brutaler Eindeutigkeit.
Michael Bennett, der typische Streetboy. Grauer Hoodie, Baggy Jeans und Basketballschuhe. Er steht mitten auf der Straße und streitet sich mit einem Uniformierten – Hayes.
Hayes will ihm Handschellen anlegen.
Bennett dreht sich um und läuft weg.
Es ist schnell mit seinen siebzehn Jahren, aber nicht so schnell wie eine Kugel.
Hayes zieht seine Dienstwaffe und schießt das Magazin leer.

Carter lässt Malones Auftraggebern ausrichten, sie bräuchten sich wegen des Videos keine Sorgen zu machen, solange sie ihm Luft zum Atmen ließen. Sollte ihm jedoch etwas passieren, würden die großen Fernsehsender Kopien des Videos bekommen und es würde sich im Internet verbreiten. Dann stünde New York in Flammen.

„Das Beste an diesen Unruhen ist, dass die Leute den alten Plunder abfackeln, der sowieso weg sollte. Die Slums mit ihrem ganzen Dreck. Dann kaufst du billig Grundstücke, baust nette Häuser und verkaufst sie teuer. Ich geb Ihnen einen Tipp, Malone. Nehmen Sie Ihr dreckiges Drogengeld, stecken Sie es in Immobilien, und Sie werden zur Stütze der Gesellschaft.“

Zum Abschluss fragt Malone, ob Carter wisse, wer Benjamin Coombs war. Er gibt selbst die Antwort – Nasty Ass –, zieht die Pistole und erschießt Carter.

In Bryce Andersons Penthouse erklärt er den erneut Versammelten, die noch nichts von Carters Tod wissen, er habe das Video gesehen; die Schüsse auf Michael Bennett seien blanker Mord gewesen. Das steigere den Wert der Aufnahme und damit den Preis. Malone verlangt nicht nur Straffreiheit, sondern auch seinen Job in Manhattan North zurück. Dann nennt er Carters angebliche Forderungen:

„Er kriegt freie Hand für sein Drogengeschäft. Wir jagen die Dominikaner und lassen ihn in Ruhe.“

Sobald die Entscheidungsträger der Stadt dem Deal zugestimmt haben, klärt Malone sie darüber auf, dass Carter tot ist und das Video wahrscheinlich bereits im Fernsehen gezeigt wird. New York wird brennen.

„Ich habe meinen Job geliebt. Ich habe dieses beschissene New York geliebt. Aber es ist kaputt. Ihr habt es ruiniert. Fahrt zur Hölle! Jeder einzeln und alle zusammen. Achtzehn Jahre bin ich durch diese Straßen gelaufen, diese Flure, diese Türen, habe ich gemacht, was ihr von mir wolltet. Das Wie hat euch nicht interessiert. Ich habe es für euch getan, und jetzt bin ich mit euch fertig. Jetzt seht ihr, was passiert, wenn Leute wie ich nicht mehr da sind. Leute, die verhindern, dass die Bestien aus den Käfigen ausbrechen. […]
Für euch bin ich nur ein dirty Cop. Ich und meine Kollegen. Ihr nennt uns korrupt. Aber ich nenne euch korrupt. Ihr seid die faule Stelle in der Seele dieser Stadt, dieses Landes. Ihr steckt Millionensummen an Schmiergeldern ein, und ihr wollt mich laufenlassen, damit eure krummen Geschäfte nicht auffliegen. […]
Ich schäme mich, jemals für Leute wie Sie gearbeitet zu haben, dass ich geholfen habe, Sie zu schützen.“

Malone geht, und niemand hält ihn auf.

Auf der Straße fragt er den FBI-Agenten O’Dell, ob dieser alles aufgenommen habe. Dann öffnet er sein Hemd und reißt die Kabel ab.

Malone beobachtet, wie Janice Tenelli, Ortiz und Jorge Gallina, ein bis zu seinem Tod von Rafael Torres geführtes Team der Manhattan North Special Taskforce, das Haus von Carlos Castillo betreten. Sie haben sich von dem Drogenboss kaufen lassen. Malone dringt übers Dach ins Gebäude ein. Seine drei früheren Kollegen von der Force werden beim Schusswechsel getötet; Malone überlebt schwer verletzt. Aber als er Castillo erschießen will, ist das Magazin leer. Er tötet Castillo mit einem Messer.

Dann verpackt er 20 Kilogramm Heroin in zwei Seesäcke und schleppt sie unter starken Schmerzen und mit letzter Kraft zum Fluss. Am Ufer nimmt er einen Heroinziegel nach dem anderen heraus, schlitzt die Plastikhülle auf, streift sie ab und wirft den Brocken ins Wasser. Nach dem letzten Wurf bricht er zusammen.

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„Corruption“ ist ein ungewöhnlicher Kriminalroman, denn Don Winslow geht das Wagnis ein, packende Action-Szenen und aufschlussreiche Rückblenden durch lange Passagen zu ergänzen, in denen er sich kenntnisreich über Beziehungen zwischen der Stadtverwaltung, der Polizei, einflussreichen Unternehmern und dem organisierten Verbrechen in New York auslässt. Das wirkt authentisch und mitunter wie eine Dokumentation. Dabei gibt sich Don Winslow jedoch nicht als auktorialer Erzähler, sondern nimmt die Perspektive des Protagonisten ein, eines korrupten Elitepolizisten des NYPD, der die Verhältnisse nach 18 Dienstjahren genau kennt. Dieser widersprüchliche Charakter, der sich selbst zum Verbrecher entwickelt, funktioniert nur deshalb als Identifikationsfigur, weil das System – so wie Don Winslow es darstellt – noch viel übler ist. Man kann „Corruption“ auch als Geschichte einer Selbstzerstörung inmitten einer skrupellosen Gesellschaft lesen. Ein düsteres Bild.

Auszug aus einem Interview von Rainer Schmidt mit Don Winslow:

Sie beschreiben haarsträubende Gesetzesbrüche: Laufend werden nachträglich Gründe für die brutale Erstürmung oder Durchsuchung von Wohnungen ohne Gerichtsbescheide erfunden, mit Lügen teils tödliche Schüsse auf Verdächtige gerechtfertigt und verwundete Kriminelle extra langsam und über Umwege auf besonders schlechten Straßen ins Krankenhaus gefahren, damit sie mehr Blut oder gar ihr Leben verlieren …?
DON WINSLOW: All diese Sachen sind passiert und passieren. Es geht nicht immer nur um Geld. Die meisten werden Cops aus sehr ehrenwerten Gründen, sie wollen die Verbrecher aus dem Verkehr ziehen. Dann merken sie, der Job ist viel schwerer als erwartet, laufend fühlen sie sich durch Regeln und Vorschriften in ihrer eigentlichen Arbeit behindert. Sie wissen, dass dieser Kerl ein Vergewaltiger oder Mörder ist, aber das Regelwerk stoppt sie. Dann sagen sich einige: Ich breche jetzt zwar das Gesetz, aber doch nur, um dem Guten zu dienen. Und damit geht es los.
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. Juni 2017)

Die Sprache in „Corruption“ ist passenderweise zynisch und mit Slang-Elementen durchsetzt. In den kurzen Sätzen blitzen immer wieder pointierte Formulierungen auf, die für Don Winslows Stil charakteristisch sind. Zum Beispiel:

Dieses Leben, denkt Malone, bringt jeden um.
Manchmal schon vor dem Tod.

Die Originalausgabe trägt den Titel „The Force“. Das ist auch die Kurzbezeichnung für die (fiktive) Manhattan North Special Taskforce, die in dem Roman eine entscheidende Rolle spielt. Für die deutsche Übersetzung von Chris Hirte wählte der Verlag jedoch den Titel „Corruption“.

Den Roman „Corruption“ von Don Winslow gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Dietmar Wunder (ISBN 978-3-7857-5447-4).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017
Textauszüge: © Droemer Verlag

Don Winslow (Kurzbiografie / Bibliografie)

Don Winslow: London Undercover
Don Winslow: Das Licht in Buddhas Spiegel / China Girl
Don Winslow: Manhattan
Don Winslow: Bobby Z
Don Winslow: Die Sprache des Feuers
Don Winslow: Tage der Toten
Don Winslow: Frankie Machine
Don Winslow: Pacific Private
Don Winslow: Zeit des Zorns (Verfilmung)
Don Winslow: Satori
Don Winslow: Kings of Cool
Don Winslow: Vergeltung
Don Winslow: Missing. New York
Don Winslow: Das Kartell
Don Winslow: Germany
Don Winslow: Jahre des Jägers
Don Winslow: City on Fire
Don Winslow: City of Dreams
Don Winslow: City in Ruins

Jurek Becker - Amanda herzlos
Die Titelfigur lernen wir in dem kunstvoll aufgebauten Roman "Amanda herzlos" nur durch Äußerungen ihrer drei Lebenspartner kennen. Jurek Becker erzählt feinfühlig und nuanciert, mit einem ironischen Unterton, unspektakulär und ohne emotionale Ausbrüche.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.