Butcher Boy

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Butcher Boy. Der Schlächterbursche – Originaltitel: The Butcher Boy – Regie: Neil Jordan – Drehbuch: Neil Jordan und Patrick McCabe, nach dem Roman "Der Schlächterbursche" von Patrick McCabe – Kamera: Adrian Biddle – Schnitt: Tony Lawson – Musik. Elliot Goldenthal – Darsteller: Eamonn Owens, Aisling O'Sullivan, Stephen Rea, Alan Boyle, Andrew Fullerton, Fiona Shaw, Sean McGinley, Peter Gowen, John Kavanagh, Rosaleen Linehan, Andrew Fullerton, Ian Hart, Brendan Gleeson, Sinéad O'Connor, Sean McGinley u. a. – 1997; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Dies ist die Geschichte eines Heranwachsenden namens Francie Brady. Die Mutter ertränkt sich, der Vater säuft sich zu Tode, und die selbstgerechten katholischen Bürger der irischen Kleinstadt sorgen dafür, dass ihre Kinder nicht mit dem verwahrlosten Jungen spielen. Nur der Schlachter gibt ihm Arbeit. Zug um Zug büßt Francie seine Illusionen ein und wird dadurch in den zornigen Wahnsinn getrieben ...
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Kritik

"Butcher Boy", die Verfilmung des Romans "Der Schlächterbursche" von Patrick McCabe durch Neil Jordan, beginnt als schwarze Komödie und endet als groteske Tragödie. Eamonn Owens verkörpert den Protagonsten überzeugend und eindrucksvoll.
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Francie Brady (Eamonn Owens) wächst Anfang der Sechzigerjahre in einer irischen Kleinstadt auf. Sein Vater Benny (Stephen Rea) ist arbeitslos und alkoholkrank. Seine Mutter Jane (Aisling O’Sullivan) ist suizidgefährdet, und Francie hält sie eines Tages gerade noch davon ab, sich zu erhängen. Kurz darauf wird sie zum wiederholten Mal in eine psychiatrische Klinik gebracht. Francie bleibt die meiste Zeit sich selbst überlassen. Seine Vorstellungen sind von Comics und Fernsehen geprägt.

Als er Joe Purcell (Alan Boyle), seinen besten Freund, dazu angestiftet hat, Äpfel zu stehlen, werden sie von dem Musterschüler Philip Nugent (Andrew Fullerton) dabei ertappt. Um ihn einzuschüchtern, berauben sie ihn des Comicheftes, das er bei sich hat. Daraufhin beschwert seine Mutter (Fiona Shaw) sich bei Francies Vater und beschimpft ihn und den Jungen als Schweine.

Nach ihrer Entlassung aus der Klinik backt Jane Brady Unmengen von Plätzchen für Onkel Alo (Ian Hart), der in London lebt und für Weihnachten seinen Besuch angekündigt hat.

Dann ertränkt sie sich.

Francie lockt Philip in einen Hühnerstall und verprügelt ihn dort. Joe kommt dazu und hält seinen Freund davon ab, weiter auf den wehrlosen Jungen einzuschlagen. Nachdem Philip davongelaufen ist, schneidet Joe zuerst Francie und dann sich selbst in die Hand, um Blutsbrüderschaft mit ihm zu schließen.

Mrs Nugent schickt zwei Torfstecher hinter den Jungen her, aber sie entkommen.

Aus Rache bricht Francie bei Familie Nugent ein und defäkiert auf den Küchenboden. Daraufhin wird er von der Polizei abgeholt und in ein kirchliches Erziehungsheim gesperrt. Hier lernt der Junge von den Geistlichen, zu heucheln und sich zu verstellen. Auf seinen Wunsch hin wird er Ministrant. Hochwürden Bubbles (Brendan Gleeson) freut sich über die Bekehrung des Missetäters. Aber Hochwürden Sullivan (Milo O’Shea) drängt Francie, von schlimmen Dingen zu erzählen, die er angestellt hat, und dann masturbiert der Priester. Francie simuliert Marienerscheinungen, um die Geistlichen zu beeindrucken, aber im Lauf der Zeit glaubt er selbst, die Mutter Gottes (Sinéad O’Connor) zu sehen und zu hören.

Wieder zurück in seiner Kleinstadt, beginnt Francie bei dem Fleischer Leddy (Peter Gowen) zu arbeiten. Er lernt, wie Schweine durch einen Bolzenschuss getötet und dann zerteilt werden.

Während Francie und Joe am Fluss spielen, fallen wieder zwei Torfstecher über sie her, dieses Mal zwar ohne aktuellen Anlass, aber Francie ist überzeugt, dass sie von Mrs Nugent beauftragt wurden. Während einer der Torfstecher Joe festhält, verprügelt der andere Francie. Der wehrt sich und schlägt den Angreifer schließlich in die Flucht. Da merkt Joe, wie gefährlich Francie geworden ist, und er geht zu ihm auf Distanz.

Benny Brady sitzt in einem Sessel und ist kaum noch bei Bewusstsein. Francie versucht vergeblich, die Fliegen vom Gesicht seines Vaters zu vertreiben. Er putzt und kauft ein, ist jedoch mit der Haushaltsführung völlig überfordert.

Der Arzt Dr. Boyd (John Kavanagh) macht sich Sorgen um Benny Brady, weil dieser nicht wie vereinbart zu ihm in die Sprechstunde gekommen ist. Als er einen Hausbesuch machen will und nach dem Patienten fragt, lügt Francie, sein Vater sei zu Onkel Alo nach London gefahren. Dr. Boyd wundert sich darüber, denn als er Benny Brady zum letzten Mal sah, war dieser schwer krank.

Tatsächlich stirbt Benny Brady in seinem Sessel. Er hat sich totgesoffen.

Francie lässt ihn sitzen, bis eines Tages die Polizei kommt und die Leiche abgeholt wird. Der verwaiste Francie findet sich in der Psychiatrie wieder, wo man ihn mit Elektroschocks behandelt. Er glaubt einen Atompilz über dem nahen See aufsteigen zu sehen. Danach ist vom Dorf kaum noch etwas übrig. Francie und Joe sind die einzigen Überlebenden.

Nach einer Weile klettert Francie aus einem Fenster des Irrenhauses und läuft weg.

Als er nach seinem Freund fragt, erfährt er von Mr Purcell (Ardal O’Hanlon), dass Joe und Philip seit drei Monaten zusammen im Internat sind.

Mit dem Rad fährt Francie nach Bundoran. Seine Eltern erzählten einmal, sie hätten dort die Flitterwochen in der Pension „Over the Waves“ verbracht. Die Besitzerin erinnert sich an das junge Ehepaar und erzählt, der Mann sei niemals nüchtern gewesen. Entrüstet raubt Francie ihr eine Flasche Schnaps.

Er fährt weiter zu Vincent’s College, bricht dort nachts ein und ruft in den Schlafsälen des Internats nach Joe. Fast gleichzeitig mit Joe taucht ein Priester (Stuart Graham) auf. Als dieser Joe fragt, ob der Eindringling sein Freund sei, wie er behauptet, schüttelt Joe den Kopf.

Francie wird hinausgeworfen. Er ist überzeugt, dass der Junge, der ihn soeben verleugnete, nicht Joe war. Vielleicht handelte es sich um einen Außerirdischen, der so aussah, wie sein Freund.

Auf das Gerücht einer bevorstehenden Marienerscheinung hin versammeln sich die Bewohner der katholischen Kleinstadt aufgeregt vor der Kirche. Der Fleischer Leddy will sich das nicht entgehen lassen und ist deshalb froh, dass Francie sich bereit erklärt, die anstehende Arbeit zu Ende zu bringen.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
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Francie packt ein paar Gegenstände auf einen Handkarren und schiebt diesen zum Haus der Familie der Familie Nugent. Als Mrs Nugent nach Hause kommt, setzt Francie ihr das Bolzenschussgerät an den Hals und tötet sie. Dann zerstückelt er sie mit einem Hackebeil, lädt die Leichenteile auf den Karren und versteckt sie in einem Komposthaufen.

Es dauert nicht lang, bis eine Dorfbewohnerin schreiend aus dem Haus der Nugents gerannt kommt. Im Inneren ist alles voller Blut. Francie wird von der Polizei festgenommen. Er rechnet damit, gehängt zu werden, aber der Sergeant erklärt ihm beruhigend, die Todesstrafe sei abgeschafft. Da stöhnt Francie und sagt: „Wie, keine Todesstrafe mehr? Herrgottsack! Was soll aus dem Land noch werden?“

Schließlich tut er so, als wolle er die Polizei zur Leiche führen, nutzt die Gelegenheit jedoch, um davonzulaufen.

Er kehrt in sein Elternhaus zurück, verwüstet die Einrichtung, überschüttet alles mit Benzin und wirft ein brennendes Streichholz auf die Sachen. Ein Feuerwehrmann rettet ihn aus den Flammen.

Nachdem Francie sich von den Brandverletzungen erholt hat, wird er erneut in eine psychiatrische Klinik gebracht. Erst als Erwachsener (jetzt: Stephen Rea) darf er die geschlossene Anstalt wieder verlassen und kommt in den offenen Vollzug. Er wird nichts mehr anstellen, denn er ist jetzt ein gebrochener Mann.

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Bei der Kinoadaption seines Romans „The Butcher Boy“ – deutsch: „Der Schlächterbursche“ – durch Neil Jordan arbeitete Patrick McCabe am Drehbuch mit. Die Verfilmung hält sich denn auch weitgehend an die literarische Vorlage.

In „The Butcher Boy. Der Schlächterbursche“ geht es um einen irischen Jungen, der von seiner psychisch kranken, suizidgefährdeten Mutter ebenso wie von seinem alkoholabhängigen Vater schon früh allein gelassen und damit völlig überfordert wird. Das „Problemkind“ verrennt sich in Einbildungen, die sich immer weiter von der Realität entfernen. Die schreckliche Geschichte beginnt als schwarze Komödie und endet als groteske Tragödie.

Wie im Roman erleben wir alles aus dem Blickwinkel des jungen Protagonisten, also aus einer recht subjektiven Perspektive. Im Film hören wir ihn auch immer wieder aus dem Off. Er beginnt wie im Roman:

Wie ich ein junger Bursche war, vor zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren, da hab ich in einer kleinen Stadt gewohnt, da waren sie alle hinter mir her von wegen, was ich mit Mrs Nugent angestellt hatte.

Grundzüge des Plots erinnern an „Uhrwerk Orange“. Auch Motive aus „Einer flog über das Kuckucksnest“ lassen sich erkennen.

Eamonn Owens und Alan Boyle wurden in einer Schule in Killeshandra bei Cavan im Norden der Republik Irland entdeckt. Beide erwiesen sich als Glücksgriffe. Vor allem der bei den Dreharbeiten zwölf Jahre alte Hauptdarsteller Eamonn Owens trägt den Film: Er sieht nicht nur überzeugend aus, sondern stellt den verstörten Jungen auch außerordentlich eindrucksvoll und facettenreich dar. Es ist kaum zu glauben, dass er in „The Butcher Boy. Der Schlächterbursche“ zum ersten Mal vor der Kamera stand.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

Patrick McCabe: Der Schlächterbursche

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Samuel Benchetrit versucht, in "Rimbaud und die Dinge des Herzens" alles aus der Sicht des zehnjährigen Jungen und mit dessen Worten zu schildern. Dabei ist es ihm gelungen, sich in das unkonzentrierte Plappern eines Kindes einzufühlen.
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