Uhrwerk Orange

Uhrwerk Orange
Uhrwerk Orange - Originaltitel: A Clockwork Orange - Regie: Stanley Kubrick - Drehbuch: Stanley Kubrick, nach dem Roman "Die Uhrwerk-Orange" von Anthony Burgess - Kamera: John Alcott - Schnitt: Bill Butler - Musik: Wendy Carlos - Darsteller: Malcolm McDowell, Patrick Magee, Michael Bates, Warren Clarke, John Clive, Adrienne Corri, Carl Duering u.a. - 1971; 130 Minuten

Inhaltsangabe

Der 15-jährige Alex zieht mit drei anderen Rowdys durch die Straßen. Zum Spaß verprügeln sie Greise und Obdachlose, berauben Villenbesitzer und vergewaltigen Frauen. Nach der Ermordung einer einsamen Witwe wird Alex von seinen Kumpanen verraten, verhaftet und zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Um vorzeitig freizukommen, willigt er in eine neuartige Behandlung zur Resozialisierung von Häftlingen ein ...
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Kritik

Mit der zynischen Farce "Uhrwerk Orange" protestiert Stanley Kubrick gegen den Staatsapparat, der Außenseiter gleichzuschalten versucht und ihnen die individuelle Persönlichkeit raubt.
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Der 1971 gedrehte Film spielt 1983 – also in der Zukunft. Alex DeLarge (Malcolm McDowell) ist fünfzehn Jahre alt und schwänzt notorisch die Schule. In seinem Zimmer hört er bei voll aufgedrehten Lautsprechern Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 9 in d-Moll op. 125. Seine Eltern (Sheila Raynor, Philip Stone) wagen es nicht, sich darüber zu beschweren.

Jeden Abend trifft Alex sich mit den gleichaltrigen „Droogs“ Pete (Michael Tarn), Georgie (James Marcus) und Dim (Warren Clarke) in einer Milchbar. Dort gibt es zwar keinen Alkohol, aber Molocke plus, das heißt Milch mit Drogen. Damit putschen sich die Jugendlichen auf, bis sie Lust auf „ein bisschen Zwanzig-gegen-einen“ bekommen. Dann ziehen sie durch die Vororte einer englischen Großstadt, um irgendwelche Menschen zu überfallen, zu berauben, zu quälen, zu vergewaltigen, zu töten. Nur so zum Spaß!

Einen betrunkenen Obdachlosen (Paul Farrell) schlagen sie halb tot.

Dann fordern sie Billy Boy (Richard Connaught) und dessen Gang, die gerade auf der Bühne eines leerstehenden Theaters eine junge Frau (Shirley Jaffe) vergewaltigen, zum Messerkampf heraus.

Mit einem gestohlenen Cabrio verlassen sie die Stadt. Alex, der am Steuer sitzt, rast auf entgegenkommende Fahrzeuge zu, bis diese in den Straßengraben ausweichen. Vor der abgelegenen Villa des Schriftstellers Frank Alexander (Patrick Magee) und dessen Ehefrau (Adrienne Corri) halten sie und setzen Masken auf. Alex klingelt. Der Gong ahmt die ersten vier Noten von Beethovens 5. Sinfonie nach. Unter dem Vorwand, er müsse die Rettungskräfte anrufen, weil ein Schwerverletzter auf der Straße liege, verschafft Alex sich Zugang, und seine drei Kumpane dringen hinter ihm ins Haus ein. Sie schlagen den Schriftsteller nieder, fesseln und knebeln ihn. Alex tanzt zu dem durch Gene Kelly berühmt gewordenen Song „Singin‘ in the Rain“ von Nacio Herb Brown, tritt dabei immer wieder im Rhythmus der Musik auf den wehrlos am Boden Liegenden ein und zwingt ihn dabei zuzusehen, wie er dessen Frau vergewaltigt.

Der schmierige Sozialarbeiter P. R. Deltoid (Aubrey Morris) vermutet, dass Alex mit dem brutalen Überfall auf den Schriftsteller und dessen Frau zu tun hat. Er warnt ihn vor weiteren Straftaten, verheimlicht aber auch nicht, dass er ihn über kurz oder lang im Gefängnis sieht.

Bei all seinen Verbrechen kommt es Alex auf das „stilvolle“ Zelebrieren von Gewalt an. Die Beute aus den Raubüberfällen spielt für ihn nur eine untergeordnete Rolle. Dadurch bringt er seine „Droogs“ gegen sich auf. Georgie macht ihm die Rolle des Anführers streitig. Alex reagiert darauf, indem er Dim die rechte Hand mit einem Messer zerschneidet. Damit habe er die Machtverhältnisse geklärt, glaubt Alex.

Am nächsten Abend wollen sie zusammen eine reiche Frau (Miriam Karlin) ausrauben, die mit vielen Katzen allein in einem Haus lebt. Alex versucht es wieder mit seiner Lüge vom Schwerverletzten auf der Straße, aber die Katzenliebhaberin hat in der Zeitung von dem Überfall auf Frank Alexander und dessen Frau gelesen. Statt die Türe zu öffnen, ruft sie die Polizei. Alex klettert durch ein Fenster hinein, und als ihn die Bewohnerin angreift, erschlägt er sie mit der riesigen Phallus-Skulptur. Da hört er die Sirene eines Streifenwagens. Er verlässt das Haus und will mit seinen vor der Türe wartenden Kumpanen weglaufen, aber die schlagen ihm eine gefüllte Milchflasche auf die Nase und fliehen ohne ihn.

Alex wird verhaftet und wegen Mordes zu vierzehn Jahren Haft verurteilt.

Er verhält sich nach außen hin gehorsam und assistiert dem Gefängnisgeistlichen (Godfrey Quigley). Doch wenn er über der aufgeschlagenen Bibel sitzt und die Augen schließt, ergötzt er sich an der Vorstellung, einer der römischen Soldaten zu sein, die Jesus (Jeremy Curry) auf dem Weg zur Kreuzigung geißeln, oder er träumt von einem Gelage mit drei halbnackten Mädchen (Jan Adair, Vivienne Chandler, Prudence Drage).

Als der Innenminister (Anthony Sharp) zwei Jahre nach Alex‘ Verurteilung die Haftanstalt besichtigt, nutzt dieser die Gelegenheit, auf sich aufmerksam zu machen und sich als Versuchsobjekt für eine neuartige, vom Gefängnisdirektor (Michael Gover) allerdings abgelehnte Therapie zu empfehlen, mit der Gewalttäter „geheilt“ und resozialisiert werden sollen. Alex verspricht sich davon, vorzeitig freizukommen.

Der Oberaufseher Barnes (Michael Bates) bringt Alex in die Ludovico-Klinik, in der Dr. Brodsky (Carl Duering) und Dr. Branom (Madge Ryan) das Experiment mit dem Freiwilligen durchführen wollen. Die Ärzte injizieren Alex ein Serum, das dafür sorgt, dass ihm bei der Konfrontation mit Sex oder Gewalt übel wird. Gefesselt und mit durch Klammern weit geöffneten Augen muss Alex sich brutale Filme zum Beispiel über eine blutige Schlägerei und die Vergewaltigung einer jungen Frau (Cheryl Grunwald) ansehen. Einer davon ist mit ein paar Takten aus der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven untermalt. Vergeblich protestiert Alex gegen diese Entweihung der Musik.

Nach zwei Wochen Behandlung gilt er als geheilt. Dr. Brodsky und Dr. Branom führen ihn dem Innenminister und anderen geladenen Gästen auf einer Bühne vor. Zuerst provoziert ihn ein Schauspieler (John Clive) durch Beleidigungen und Ohrfeigen, aber Alex wehrt sich nicht und leckt dem Mann schließlich sogar die Schuhsohlen. Als eine schöne, nur mit einem Slip bekleidete Schauspielerin (Virginia Wetherell) die Bühne betritt, denkt Alex an das alte „Rein-Raus-Spiel“, aber dabei wird ihm sofort übel, und er kämpft mit dem Brechreiz, während er vor der Frau auf die Knie sinkt.

Die Ärzte haben Alex gegen Sex und Gewalt konditioniert – ihm aber auch seine Persönlichkeit genommen. Alex funktioniert von nun an wie ein Uhrwerk. Man ist zufrieden mit ihm und feiert den Erfolg der Ludovico-Therapie. Alex wird aus dem Gefängnis entlassen.

In der Wohnung seiner Eltern stößt Alex auf einen Fremden. Joe (Clive Francis), so heißt er, wohnt jetzt in Alex‘ Zimmer. Die Eltern nahmen den Untermieter auf, als ihr Sohn zu der langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Obdachlos irrt Alex durch die Straßen. Zufällig stößt er auf den Penner, den er mit seinen Kumpanen kurz vor seiner Verhaftung halb tot schlug. Der Alte erkennt ihn, ruft andere Penner zusammen, und sie fallen über Alex her, der sich aufgrund seiner Konditionierung nicht wehrt. Zwei Polizisten beenden schließlich die Prügelei. Alex staunt, als er trotz der Uniformen Dim und Georgie erkennt. Sie sind inzwischen zur Polizei gegangen, um die Gewalttaten und Raubüberfälle unter dem Schutz ihrer Autorität fortsetzen zu können. Sie fahren mit Alex in den Wald, drücken ihm dort den Kopf ins Wasser einer Viehtränke und schlagen ihm mit einem Gummiknüppel in die Nieren. Dann lassen sie ihn liegen.

Mit letzter Kraft schleppt Alex sich zu einer Villa, ohne zu erkennen, dass es sich um die des Schriftstellers Frank Alexander handelt.

Der sitzt seit dem Überfall im Rollstuhl und hat einen Leibwächter engagiert. Seine Frau nahm sich nach der Vergewaltigung das Leben [Suizid]. Als der Bodyguard Julian (David Prowse) die Türe öffnet, kippt ihm Alex ohnmächtig entgegen.

Weil Frank Alexander Zeitungsfotos des mit der Ludovico-Methode resozialisierten Gewalttäters gesehen hat, erkennt er Alex, weiß allerdings nicht, dass es sich auch um den Kerl handelt, der seine Frau vergewaltigte und ihn zum Krüppel schlug, denn bei dem Überfall war Alex maskiert und die Tat blieb unaufgeklärt. Der Schriftsteller ruft zwei politische Freunde (John Savident, Margaret Tyzack) an, die wie er Gegner der Regierung sind und Alex‘ Schicksal für ihre Absichten instrumentalisieren wollen.

Alex kommt wieder zu sich und nimmt die Einladung an, ein Bad zu nehmen. Als er in der Wanne „Singin‘ in the Rain“ singt, erkennt Frank Alexander am Song und an der Stimme den Anführer der Bande, die ihn damals überfiel.

Er sinnt auf Rache. Dabei macht er sich zunutze, dass Alex ihm erzählte, die Konditionierung beziehe sich nicht nur auf Sex und Gewalt, sondern durch einen Zufall auch auf Beethovens 9. Sinfonie. Also mischt er Alex ein Schlafmittel in den Wein, und nachdem dieser eine Weile geschlafen hat, weckt ihn Musik aus der Beethoven-Sinfonie. Alex ist in einem Zimmer im Obergeschoss eingesperrt. Die Musik erträgt er nicht. Er reißt das Fenster auf und stürzt sich in die Tiefe.

Als er die Augen aufschlägt, liegt er fast völlig eingegipst im Krankenhaus. Er glaubt, sich an eine Hirn-Operation zu erinnern, aber die Psychiaterin (Pauline Taylor) versichert ihm, das sei Einbildung.

Die Regierung, die sich im Wahlkampf befindet, muss wegen der unerwünschten Nebenwirkungen der Ludovico-Methode eine Niederlage befürchten. Da erfährt der Innenminister, dass Alex seit dem Sprung auf dem Fenster Beethovens Neunte wieder ohne Brechreiz hören kann. Er besucht ihn und lässt sich von den eingeladenen Medienleuten am Krankenbett fotografieren, während aus überdimensionalen Lautsprecherboxen Musik aus der Beethoven-Sinfonie erklingt.

Die Musik berauscht Alex. Er träumt, wie er sich mit einer Nackten (Katya Wyeth) im Schnee wälzt, ohne dass ihm dabei übel wird. Schaulustige, die gekleidet sind, als wollten sie zum Pferderennen in Ascot, umringen das Paar.

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In zwei Jahre langer Arbeit verfilmte Stanley Kubrick die ersten beiden der drei Teile des Romans „A Clockwork Orange“ (1962; Uhrwerk Orange, Die Uhrwerk-Orange) von Anthony Burgess. So entstand eine zynische Farce über die Auflehnung gegen die bürgerliche Ordnung, eine Anklage gegen den Staatsapparat, der Außenseiter durch medizinische Manipulationen gleichschaltet und ein Plädoyer für die bedingungslose individuelle Freiheit. Dabei werden skrupellose Politiker ebenso angeprangert wie Wissenschaftler, die inhumane Experimente durchführen. (Thematisch ähnelt „A Clockwork Orange“ einer anderen exzellenten Romanverfilmung: „Einer flog über das Kuckucksnest“.)

Alex ist stets der Verlierer: Er wird von seinen Kumpanen verraten, von den Eltern verstoßen, von Ärzten als Versuchsobjekt missbraucht, von politischen Gegnern der Regierung einerseits und vom Innenminister andererseits instrumentalisiert.

Wegen der pervers-ästhetisch choreografierten, mit kontrastierender Musik untermalten Gewaltszenen hielten einige Kritiker „Uhrwerk Orange“ für Gewalt verherrlichend. Aber das trifft nicht zu, auch wenn Anthony Burgess und Stanley Kubrick dafür eintreten, dass jeder die Freiheit haben müsse, sich zwischen Gut und Böse zu entscheiden.

Dim und Georgie tragen als Polizisten die Nummern 665 und 667. Da bliebe für Alex die Teufelszahl 666.

Bei dem Darsteller des Arztes, der während der „Ludovico“-Behandlung neben Alex steht und ihm laufend Augentropfen verabreicht, handelte es sich tatsächlich um einen Mediziner. Malcolm McDowells aufgerissene Augen mussten nämlich vor dem Austrocknen geschützt werden. Durch eine unachtsame Handbewegung verkratzte sich Malcolm McDowell mit einer der Augenklammern die Hornhaut. Später klagte er über heftige Schmerzen während der Dreharbeiten und danach.

Die Dreharbeiten zu „A Clockwork Orange“ dauerten von September 1970 bis April 1971.

In den Kategorien Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch und Bester Schnitt wurde „Uhrwerk Orange“ für einen „Oscar“ nominiert.

Die weiblichen Skulpturen in der „Korowa“-Milchbar gehen auf Arbeiten des Bildhauers Allen Jones zurück.

Außer der Filmmusik von Wendy Carlos alias Walter Carlos und Rachel Elkind sind folgende Musikstücke in „Uhrwerk Orange“ zu hören:

  • Ludwig van Beethoven: aus der Sinfonie Nr. 9 in d-Moll op. 125
    (auch in einer Synthesizer-Version von Walter Carlos)
  • Nacio Herb Brown: „Singin‘ in the Rain“
  • Edward Elgar: aus „Pomp and Circumstances“ (Nr. 1 und 4)
  • Henry Purcell: aus „Musik zum Tod von Königin Mary“
  • Nikolai Rimsky-Korsakow: aus „Scheherazade“
  • Gioacchino Rossini: aus der Ouvertüre zu „Die diebische Elster“
  • Gioacchino Rossini: aus der Ouvertüre zu „Der Barbier von Sevilla“
  • Gioacchino Rossini: aus der Ouvertüre zu „Wilhelm Tell“

Die deutsche Synchronisation von „Uhrwerk Orange“entstand unter Leitung von Wolfgang Staudte.

Rollen / Schauspieler / Synchronsprecher

  • Alexander DeLarge / Malcolm McDowell / Jörg Pleva
  • F. Alexander / Patrick Magee / Klaus Miedel
  • Die Frau des Schriftstellers / Adrienne Corri / Ursula Heyer
  • Alex’ Mutter / Sheila Raynor / Brigitte Mira
  • Alex’ Vater / Philip Stone / Edgar Ott
  • P. R. Deltoid / Aubrey Morris / Peer Schmidt
  • Mrs Weathers / Miriam Karlin / Gisela Trowe
  • Constable / Steven Berkoff / Heinz Petruo
  • Gefängnispfarrer / Godfrey Quigley / Martin Hirthe
  • Innenminister / Anthony Sharp / Horst Tappert
  • Gefängnisdirektor / Michael Gover / Rolf Schult
  • Dr. Branom / Madge Ryan / Inge Wolffberg
  • Dr. Brodsky / Carl Duering / Friedrich G. Beckhaus
  • Untermieter / Clive Francis / Joachim Kerzel
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002 / 2011

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