Die letzte Versuchung Christi

Die letzte Versuchung Christi

Die letzte Versuchung Christi

Die letzte Versuchung Christi - Originaltitel: The Last Temptation of Christ - Regie: Martin Scorsese - Drehbuch: Paul Schrader, nach dem Roman "Die letzte Versuchung" von Nikos Kazantzakis - Kamera: Michael Ballhaus - Schnitt: Thelma Schoonmaker - Musik: Peter Gabriel - Darsteller: Willem Dafoe, Harvey Keitel, Barbara Hershey, David Bowie, John Lurie, Harry Dean Stanton, David Bowie, Verna Bloom, Andre Gregory, Irvin Kershner, Victor Argo, Gray Basaraba, Illeana Douglas u.a. - 1988; 160 Minuten

Inhaltsangabe

Jesus lebt in Nazareth. Er zimmert schwere Kreuzbalken, trägt sie selbst zur Hinrichtungsstätte und sieht zu, wie die Römer jüdische Prediger an seine Kreuze nageln. Judas wirft ihm deshalb vor, ein Verräter zu sein. Jesus Christus aber versucht auf diese Weise, der Liebe Gottes zu entkommen ...

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Kritik

Das überwältigende Drama zeigt einen verunsicherten Jesus von Nazareth, der seinem Opfertod keineswegs ruhig entgegensieht, sondern von Angst und Zweifeln gepeinigt wird. Noch am Kreuz erliegt er der Versuchung, sich im Traum seiner Bestimmung zu entziehen.
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Jesus (Willem Dafoe) lebt in Nazareth. Er zimmert schwere Kreuzbalken, trägt sie selbst zur Hinrichtungsstätte und sieht zu, wie die Römer jüdische Prediger an seine Kreuze nageln (Kreuzigung). Judas (Harvey Keitel) wirft ihm deshalb vor, ein Verräter zu sein. Jesus aber versucht auf diese Weise der Liebe Gottes zu entkommen. Er wird immer wieder von heftigen Kopfschmerzen gemartert. Dann hört er Stimmen, fühlt sich gerufen, weiß aber nicht, ob Gott oder der Teufel nach ihm verlangen und was von ihm gewollt wird.

Er sucht seine Jugendliebe Maria Magdalena (Barbara Hershey) auf, muss jedoch den ganzen Tag warten, bis die Männer, die vor dem Bett der Hure anstehen, einer nach dem anderen bedient worden sind. Jesus fleht Maria Magdalena an, ihm zu vergeben, weil er ihre Liebe zurückgewiesen hat, obwohl er sich nach ihr verzehrt. Vergeblich versucht Maria Magdalena, ihn zurückzuhalten.

Luzifer flüstert ihm zu, er sei Gottes Sohn und selbst Gott.

Judas soll Jesus im Auftrag der Zeloten töten. Der zeigt keine Angst vor dem Messer und ist bereit, zu sterben. Judas überlegt es sich jedoch anders: Er will erst einmal abwarten, denn Jesus könnte der Messias sein, von dem es heißt, er werde das jüdische Volk einigen. Johannes der Täufer (André Gregory) kann vielleicht erkennen, ob es sich bei Jesus um den Messias handelt oder nicht. Die beiden Männer suchen ihn auf. Johannes glaubt Jesus, der von sich behauptet, Gottes Sohn zu sein und wagt es kaum, ihn zu taufen. Als Johannes Zorn gegen die Ungerechtigkeit predigt, entgegnet Jesus: „Das ist nicht die Antwort.“ Aber die richtige Antwort kenne er auch nicht. Johannes rät ihm, sich in die Wüste zurückzuziehen und dort mit Gott zu sprechen.

Als Jesus nach Tagen aus der Wüste zurückkehrt, nehmen die Schwestern Maria (Randy Danson) und Martha (Peggy Gormley) den halb Verdursteten und Verhungerten auf und geben ihm zu essen und zu trinken. Von ihnen erfährt Jesus, dass Herodes aus einer Laune heraus und um den Wunsch eines Mädchens zu erfüllen, Johannes den Täufer inzwischen enthaupten ließ. Da ändert Jesus seine Meinung und verkündet, nicht die Liebe, sondern der Krieg gegen das Böse sei das Entscheidende.

Judas meint, man müsse zuerst für das körperliche Wohl der Menschen sorgen und ihnen Brot verschaffen, erst dann könne man sich auch um ihre Seele kümmern. Jesus zeigt sich überzeugt davon, dass es genau anders herum sein muss: Zuerst komme das Seelenheil, dann der Körper.

Weitere Jünger folgen Jesus, der als Prediger durchs Land zieht. Unterwegs heilt er einen Blinden. Bei der Hochzeit von Kanaa verwandelt er Wasser in Wein. Dann erweckt er Lazarus, den verstorbenen Bruder von Maria und Martha, wieder zum Leben. Gerüchte über die Wunder, die Jesus vollbringt, verbreiten sich rasch im Land. Das macht die Menschen neugierig auf den Prediger und sie strömen in Scharen herbei. Um den lebenden Beweis für das bedeutendste der von Jesus erbrachten Wunder zu vernichten, erstechen drei Zeloten Lazarus.

Allmählich ringt Jesus sich zu der Erkenntnis durch, Gott, sein Vater, erwarte von ihm den Opfertod. „Ich werde am Kreuz sterben“, vertraut er Judas an. Der ist verwirrt: Zuerst predigt Jesus Liebe, dann Krieg, und nun sagt er seinen Tod voraus!

Auf einem Esel reitet Jesus in Jerusalem ein. Er fordert Judas auf, ihn an die Römer zu verraten, damit sich seine Bestimmung erfülle. Der Verrat sei schwerer auf sich zu nehmen, meint Jesus, als der Opfertod. Doch all das sei erforderlich, um Gott und die Menschen wieder zusammenzuführen.

Beim Abendmahl wundern sich die Jünger, dass Judas vorzeitig aufbricht, doch Jesus beschwichtigt sie.

Dann kniet er allein am Ölberg und fleht Gott verzweifelt an, ihn vor dem schmerzvollen Tod am Kreuz zu bewahren.

Als er zu seinen Jüngern zurückkehrt, sind sie eingeschlafen. Judas kommt mit einer Abteilung römischer Soldaten. Er küsst und umarmt Jesus, bevor dieser festgenommen und zu dem römischen Statthalter Pontius Pilatus (David Bowie) geführt wird. Der hält Jesus für besonders gefährlich, weil er nicht nur das Leben der Menschen verändern wolle, sondern auch ihre Gefühle und Gedanken. Der Gefangene wird nackt ausgezogen, getreten, geschlagen, ausgepeitscht. Blutüberströmt und mit einer Dornenkrone auf dem Haupt wird er durch die Straßen zur Hinrichtungsstätte gezerrt. Petrus (Victor Argo) wird in der Menge erkannt, leugnet aber, ein Jünger Jesu gewesen zu sein und flieht.

Vom Kreuz herab sieht Jesus ein blondes Kind (Juliette Caton). Es gibt vor, sein Schutzengel zu sein und zieht vorsichtig die Nägel aus seinen Füßen und Händen. Das Kind führt ihn fort, in eine Landschaft, die Jesus wie das Paradies vorkommt. Maria Magdalena kommt ihm als seine Braut entgegen. Sie wäscht seine Wunden aus. Endlich geben sie ihrer Liebe nach und vereinigen sich. Doch kurze Zeit später stirbt Maria Magdalena. Da packt Jesus wieder in blinder Wut eine Axt. Das Kind beruhigt ihn und führt ihn mit Lazarus‘ Schwester Maria zusammen. Die beiden heiraten. Glücklich und zufrieden arbeitet Jesus als Zimmermann und sorgt für seine Frau und seine beiden Kinder.

Eines Tages erlebt er, wie Paulus (Harry Dean Stanton) von seiner Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus berichtet und von der Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt des Jesus von Nazareth predigt. Jesus beschimpft Paulus als Lügner und gibt sich zu erkennen. Aber der Apostel lässt sich nicht beirren: Die unglücklichen Menschen sehnen sich nach dem Glauben an den Gottessohn, der sie durch seinen Opfertod erlöst hat. „Mein Jesus Christus ist stärker als du“, schleudert er Jesus ins Gesicht.

Jerusalem steht in Flammen. Jesus liegt auf dem Sterbebett. Petrus, Judas und zwei weitere Jünger finden ihn. Judas beschimpft Jesus als Verräter: „Dein Platz war am Kreuz!“ Da verwandelt sich das blonde Mädchen in eine Flamme. Es ist niemand anderes als Luzifer. „Du kannst nichts mehr tun“, verhöhnt er Jesus. „Du hast dein Leben gelebt. Stirb wie ein Mensch!“ Jesus schleppt sich aus dem Bett hinaus ins Freie und fleht seinen göttlichen Vater an, ihn wieder aufzunehmen. Er sei bereit, sich für die Menschen zu opfern.

Am Kreuz erwacht Jesus aus seinem Traum. „Es ist vollbracht“, jubelt er.

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Nikos Kazantzakis hält sich in seinem 1954 veröffentlichten Roman „Die letzte Versuchung“ nicht an das Neue Testament, sondern er zeigt einen verunsicherten Jesus von Nazareth, der um seinen Glauben ringen und mühsam nach seiner Rolle suchen muss. In dieser Passionsgeschichte geht es um den Konflikt zwischen Leib und Seele, zwischen der menschlichen und der göttlichen Natur dieses Mannes, der seinem Opfertod keineswegs ruhig entgegensieht, sondern von Angst und Zweifeln gepeinigt wird. Es fällt Jesus schwer, auf Sex zu verzichten und er sehnt sich nach einem einfachen Leben als Familienvater. Noch am Kreuz erliegt er der Versuchung, sich im Traum seiner Bestimmung zu entziehen. Erst kurz vor dem Tod fügt er sich freudig in sein Leiden.

Martin Scorsese verfilmte den ernsten Roman von Nikos Kazantzakis. Auch wenn „Die letzte Versuchung Christi“ ein wenig lang geriet, schuf Scorsese ein überwältigendes Filmdrama und wurde dafür mit einer „Oscar“-Nominierung belohnt. Zum Gelingen der Inszenierung trugen maßgeblich auch Paul Schrader (Drehbuch), Michael Ballhaus (Kamera) und Peter Gabriel (Musik) bei.

[…] Scorsese […], der Jesus als den Wüstenbewohner erkennt und den Gott Israels als Wüstengott und der in der Wüsteneinsamkeit und der Wüstenstille die Stimmen erklingen lässt, von denen Jesus lange nicht weiß, zu wem sie gehören und was sie ihm sagen wollen? Ist es Gott, der da spricht, ist es der Satan, oder ist es bloß der Wüstenwahnsinn, der den erfasst, der zu lange in die Sonne geguckt hat und in die leere Nacht und der dabei zu viel in sich hineingehört und zu wenig mit seinen Freunden und Verwandten gesprochen hat?
Man muss sich die Rolle des Messias als eine Zumutung vorstellen für den einfachen Menschen Jesus, eine Zumutung, die lange vor der Passionsgeschichte beginnt. Und wenn dieser Jesus vor seinem Tod davon träumt, dass er mit Maria Magdalena hätte glücklich werden können, dann ist das keine Blasphemie, sondern nur das Ergebnis einer sehr ernsthaften Lektüre des Johannesevangeliums, wonach das Wort Fleisch geworden sei.
(Christus kam nur bis Hollywood, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. März 2004)

Obwohl der Film in keiner Weise blasphemisch ist, protestierten fanatische Christen gegen die vom Neuen Testament abweichende Darstellung der Passionsgeschichte und riefen zum Boykott der Kinovorführungen auf.

Ein „dämonisches Machwerk“ aus „satanischem Geist“, angerührt von dem „jüdischen Produzenten Lew Wasserman“, komme auf die deutsche Christenheit zu; es rufe „Entsetzen“ hervor, darum müsse ein „Gebetssturm entfacht werden“, auch Fasten helfe.
So und so weiter hatten Christen-Fundis schon Monate vor dem Start des „frevelhaften Films“ die Feurio-Glocken gezogen. Als am Donnerstag letzter Woche Scorseses „Die letzte Versuchung Christi“ mit 50 Kopien zur deutschen Premiere rollte, langte es nur zu einem Sturm im Weihwasserglas.
Anders als in den USA (wochenlange Anti-Scorsese-Kampagnen), in Frankreich (Brandstiftung und Schlägereien) und Griechenland (Verwüstungen) verlief der Kampf wider den Antichrist auf deutschem Boden bislang in friedlichen Bahnen und kleinen Kreisen.
(Sturm im Weihwasserglas, Der Spiegel, 46/1988, 14. November 1988)

Mel Gibson inszenierte ebenfalls einen kontrovers diskutierten Film über das Leiden Christi: „Die Passion Christi“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003

Kreuzigung

Martin Scorsese (Kurzbiografie)

Martin Scorsese: Boxcar Bertha. Die Faust der Rebellen
Martin Scorsese: Hexenkessel
Martin Scorsese: Taxi Driver
Martin Scorsese: Wie ein wilder Stier
Martin Scorsese: The King of Comedy
Martin Scorsese: Die Farbe des Geldes
Martin Scorsese, Francis Ford Coppola und Woody Allen: New Yorker Geschichten
Martin Scorsese: Goodfellas
Martin Scorsese: Kap der Angst
Martin Scorsese: Zeit der Unschuld
Martin Scorsese: Casino
Martin Scorsese: Kundun
Martin Scorsese: Bringing Out the Dead
Martin Scorsese: Gangs of New York
Martin Scorsese: Aviator
Martin Scorsese: Departed. Unter Feinden
Martin Scorsese: Shutter Island
Martin Scorsese: Hugo Cabret
Martin Scorsese: The Wolf of Wall Street
Martin Scorsese: Silence

Eric Berg - Die Mörderinsel
Der auf Usedom spielende Kriminalroman "Die Mörderinsel" von Eric Berg dreht sich trotz des reißerischen Titels weniger um die Aufklärung von Verbrechen als um die gesellschaftskritische Veranschaulichung hasserfüllter Aktionen einer Dorfbevölkerung gegen einen Bewohner, den fast alle für einen Mörder halten, obwohl er vom Gericht freigesprochen wurde.
Die Mörderinsel