Hugo Cabret

Hugo Cabret

Hugo Cabret

Hugo Cabret – Originaltitel: Hugo – Regie: Martin Scorsese – Drehbuch: John Logan nach dem Roman "Die Entdeckung des Hugo Cabret" von Brian Selznick – Kamera: Robert Richardson – Schnitt: Thelma Schoonmaker – Musik: Howard Shore – Darsteller: Asa Butterfield, Chloë Grace Moretz, Ben Kingsley, Sacha Baron Cohen, Jude Law, Ray Winstone, Emily Mortimer, Christopher Lee, Helen McCrory, Michael Stuhlbarg, Frances de la Tour u.a. – 2011; 125 Minuten

Inhaltsangabe

Der zwölfjährige Waise Hugo Cabret haust 1931 heimlich in einem Pariser Bahnhof und hält dort die Uhren am Laufen. Weil er kein Geld hat, stiehlt er, was er zum Leben braucht. Dabei muss er sich vor dem Stationsvorsteher in Acht nehmen, der elternlose Kinder aufgreift und ins Waisenhaus schickt. Als er einem Greis, der im Bahnhof Kinderspielzeug verkauft, Teile raubt, die er für die Reparatur eines von seinem Vater hinterlassenen kaputten Schreibautomaten benötigt, beginnt für Hugo ein aufregendes Abenteuer ...
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Kritik

"Hugo Cabret", die Verfilmung eines Kinderbuchs von Brian Selznick, ist eine Hommage an den Filmpionier Georges Méliès. Martin Scorsese erzählt die Geschichte mit einer Fülle von Einfällen und viel Liebe zum Detail in überwältigenden Bildern: Großes Kino für Jung und Alt.
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Paris 1931. Papa Georges (Ben Kingsley) verkauft und repariert in einem Bahnhof aufziehbare Mäuse und anderes Kinderspielzeug. Eines Tages packt er den zwölfjährigen Waisen Hugo Cabret (Asa Butterfield), als dieser ihm etwas am Ladentisch wegnehmen will und zwingt ihn dazu, die Hosentaschen auszuleeren, denn er weiß, dass ihn der Junge bereits mehrmals bestohlen hat. Aus der linken Hosentasche holt Hugo Schrauben und Zahnräder hervor. In der rechten hat er ein Notizbuch mit technischen Zeichnungen. Wo er das gestohlen habe, fragt der greise Spielwarenhändler. Hugo Cabret beteuert, er besitze es rechtmäßig, will aber auch nicht sagen, woher es stammt. Georges entreißt ihm das Notizbuch und droht, es zu verbrennen.

Nachdem er den Laden am Abend geschlossen hat, folgt Hugo ihm, bis der alte Mann in seinem Haus verschwindet und die Tür hinter sich schließt. Hugo wendet sich an ein Mädchen, das er an einem der Fenster sieht und für die Enkelin des Spielzeugverkäufers hält. Sie heißt Isabelle (Chloë Grace Moretz). Ihre Eltern starben, als sie noch klein war; Georges und seine Ehefrau Jeanne (Helen McCrory) haben sie danach aufgenommen. Isabelle verspricht Hugo, dafür zu sorgen, dass das Notizbuch nicht verbrannt wird.

Als Hugo Cabret am nächsten Morgen den Spielzeughändler im Bahnhof nach dem Notizbuch fragt, gibt dieser ihm die in ein Tuch eingeschlagenen verkohlten Überreste eines Buches. Hugo ist verzweifelt. Aber da taucht Isabelle auf und versichert ihm, Papa Georges habe das Notizbuch nicht verbrannt. Sie nimmt Hugo mit in die Buchhandlung von Monsieur Labisse (Christopher Lee) und schwärmt ihm von Abenteuerbüchern vor. Aus Abenteuerlust werde sie ihm helfen, sein Notizbuch zurückzubekommen, sagt sie. Ob sie schon einmal im Kino gewesen sei, fragt Hugo. Das hat Papa Georges ihr streng verboten. Weil Hugo kein Geld hat, öffnet er die Hintertür eines Kinos und nimmt seine neue Freundin mit hinein. Es läuft der Film „Safety Last“. Gerade als die berühmte Szene zu sehen ist, bei der Harald Lloyd am Zeiger einer großen Uhr hängt, werden Hugo und Isabelle vom Kinobesitzer entdeckt und hinausgeworfen.

Mit seinem Vater (Jude Law) war Hugo häufig im Kino. Auf diese Weise trösteten sie sich über den frühen Tod von Hugos Mutter hinweg. Monsieur Cabret arbeitete als Uhrmacher in einem Museum. Dort entdeckte er auf dem Dachboden einen Schreibautomaten, der wie ein Mensch geformt war und von einem Uhrwerk in Bewegung gesetzt werden konnte. Allerdings war er kaputt. Um das Gerät zu reparieren, nahm Cabret es mit nach Hause, und Hugo half ihm bei den Bemühungen, den Automaten wieder in Gang zu bringen. Bevor die Arbeit abgeschlossen war, kam Monsieur Cabret jedoch bei einem Brand im Museum ums Leben.

Hugo wurde von seinem alkoholkranken Onkel Claude Cabret (Ray Winstone) mitgenommen, der unter dem Dach des Bahnhofs hauste und die Aufgabe hatte, die zahlreichen Uhren in dem Gebäude zu warten. Als Onkel Claude dann spurlos verschwand, blieb Hugo allein zurück. Seither zieht er die Uhren auf, ölt die Getriebe und repariert sie, falls erforderlich. Deshalb ist dem Stationsvorsteher (Sacha Baron Cohen) das Fehlen des Uhrenwarts noch gar nicht aufgefallen.

Um zu überleben, stiehlt Hugo Cabret Getränke und Nahrungsmittel in den Bahnhofsläden. Im Spielzeuggeschäft beschaffte er sich Teile, die er für die Reparatur des Schreibautomaten benötigte, den er zusammen mit dem von seinem Vater angelegten Notizbuch über Einzelheiten der Maschine mit in den Bahnhof gebracht hatte. Hugo hofft, dass der Roboter ihm eine Botschaft seines Vaters aufschreibt, sobald er wieder funktioniert. Und dann wäre er auch nicht mehr so allein.

Bei seinen Streifzügen durch den Bahnhof darf Hugo sich nicht von dem Stationsvorsteher erwischen lassen, einem Mann, der nur mit einer Prothese aus Metall gehen kann, weil er im Krieg ein Bein verlor. Er hetzt seinen bissigen Dobermann gern auf elternlose Kinder, die er dann in seinem Büro einsperrt und ins Waisenhaus bringen lässt.

An Isabelles Halskette entdeckt Hugo einen herzförmigen Schlüssel, der in eine entsprechende Öffnung des Schreibautomaten zu passen scheint. Er nimmt sie mit in sein Refugium unter dem Dach des Bahnhofs und setzt die Maschine vor ihren Augen mit dem Schlüssel in Gang. Der Automat zeichnet einen Vollmond mit Gesicht, der im rechten Auge von einer Rakete getroffen wird und schreibt „Georges Méliès“ darunter. Das ist der Name von Isabelles Ziehvater! Was hat der alte Mann mit dem Roboter zu tun, den Hugos Vater im Museum fand?


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Hugo ist zunächst enttäuscht, dass ihm die Maschine keine Botschaft seines Vaters übermittelt, aber Isabelle nimmt ihn aufgeregt mit nach Hause. Als sie Mama Jeanne die Zeichnung zeigen, reagiert die alte Frau bestürzt. Offenbar kennt sie das Motiv. Georges dürfe nichts davon erfahren, schärft sie den Kindern ein und will sie wegschicken, aber in diesem Augenblick hören sie, wie Georges die Tür aufsperrt. Hugo und Isabelle verstecken sich im Schlafzimmer. Dort entdecken sie ein Geheimfach an einem Schrank. Vielleicht liegt das Notizbuch darin. Isabelle steigt auf einen Stuhl, um eine Holzkiste herauszuziehen, aber der Stuhl bricht zusammen, und aus der Kiste wirbeln zahlreiche Filmplakate, darunter auch das Bild mit dem Mond. Um nachzusehen, was da gepoltert hat, reißt Georges Méliès die Tür auf. Er knüllt einige der Filmplakate zusammen und setzt sich verärgert aufs Bett: Die durch die Filmplakate aufgewühlten Erinnerungen quälen ihn.

Hugo und Isabelle suchen in der Bibliothek der Filmakademie ein Buch über die Anfänge des Kinos heraus. Dem entnehmen sie, dass Georges Méliès zu den Filmpionieren gehörte. Er sei tot, heißt es in dem Buch. Zufällig kommt der Autor René Tabard (Michael Stuhlbarg) dazu und ist überrascht, als er hört, dass Georges Méliès noch lebt. Tabard war noch sehr jung (Gulliver McGrath), als ihn sein älterer Bruder, der für Georges Méliès Kulissen baute, immer wieder mit zum Set nahm. Inzwischen hat er alles gesammelt, was er aus dem Nachlass der von Georges Méliès aufgegebenen Filmgesellschaft bekommen konnte.

In Absprache mit Isabelle bringt Hugo den Cineasten zu Georges Méliès‘ Haus. Der Greis ist bereits zu Bett gegangen, weil er sich nicht wohl fühlt. Jeanne will auf keinen Fall, dass er gestört oder gar an alte Zeiten erinnert wird. Aber als René Tabard nicht nur von den Filmen ihres Manns schwärmt, sondern auch von ihr als Schauspielerin, ist sie gerührt und lässt es zu, dass er den mitgebrachten Projektor aufstellt und „Die Reise zum Mond“ vorführt. Ergriffen schaut Jeanne sich den Film ihres Mannes an, in dem sie auch zu sehen ist. Erst am Ende bemerkt sie, dass Georges aus dem Schlafzimmer gekommen ist und hinter ihr steht.

Georges Méliès berichtet von seiner Zeit als Zauberkünstler und Filmemacher. Wegen des Weltkrieges habe er alles aufgegeben müssen, sagt er. Den Schreibautomaten, mit dem er vor seiner Zeit als Filmemacher aufgetreten war, überließ er einem Museum, und die noch vorhandenen Filme verkaufte er Schuhmachern, die das Zelluloid einschmolzen und daraus Absätze machten. Von dem Erlös kauft er den Kiosk im Bahnhof. Ein Happy End gebe es eben nur im Kino, meint Georges Méliès traurig.

Hugo läuft los, um den Schreibautomaten zu holen. Aber im Bahnhof wird er vom Stationsvorsteher erwischt und eingesperrt. Während der Stationsvorsteher mit dem Waisenhaus telefoniert, gelingt es Hugo, das Schloss des Käfigs zu öffnen und zu fliehen. Der Stationsvorsteher und dessen Dobermann jagen Hugo nach. Der klettert durch ein Loch im Zifferblatt einer Uhr ins Freie und hängt vorübergehend am Uhrzeiger wie Harald Lloyd in „Safety Last“. Als er dann mit dem Schreibautomaten noch einmal durch den Bahnhofshalle schleicht, ergreift ihn der Stationsvorsteher erneut, und die Maschine wird dabei auf die Schienen geschleudert. Um den Automaten nicht zu verlieren, springt Hugo ins Gleisbett, obwohl gerade ein Zug einfährt. Der Stationsvorsteher reißt ihn gerade noch rechtzeitig zurück auf den Bahnsteig und rettet ihm das Leben. Allerdings gibt er ihn erst frei, als Georges Méliès und Isabelle dazukommen und versichern, der Junge gehöre zu ihnen und arbeite im Laden mit.

Zu Ehren von Georges Méliès organisiert René Tabard eine große Galavorführung des Films „Die Reise zum Mond“. Das Publikum ist begeistert. Georges Méliès findet sich endlich mit dem Verlust der Filmgesellschaft ab, denn er weiß nun, dass es auch in den nächsten Generationen genügend Cineasten gibt, die seine Leistung würdigen und das Kino am Leben halten.

Der verklemmte Stationsvorsteher bekommt die Blumenverkäuferin Lisette (Emily Mortimer), in die er schon die ganze Zeit über verliebt war. Und Monsieur Frick (Richard Griffiths), den der bissige Dackel der Café-Besitzerin Madame Emilie (Frances de la Tour) nicht in deren Nähe ließ, hat endlich eine Lösung gefunden, wie er mit ihr zusammenkommen kann: Er bringt eine Dackel-Hündin mit. So fügt sich alles zu einem Happy End.

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Der Film „Hugo Cabret“ von Martin Scorsese basiert auf dem 2007 von Brian Selznick veröffentlichten Kinderbuch „The Invention of Hugo Cabret“ („Die Entdeckung des Hugo Cabret. Ein Roman in Worten und Bildern“, Übersetzung: Uwe-Michael Gutzschhahn, München 2008, 543 S., ISBN 978-3-570-13300-2).

In dem Leinwandmärchen „Hugo Cabret“ werden zwei Handlungsstränge geschickt verknüpft: Die Geschichte eines zwölfjährigen Waisen, der sich 1931 in einem Pariser Bahnhof versteckt, und die Vergangenheit des Filmpioniers Georges Méliès, der in der Zeit von 1897 bis 1912 etwa 500 Filme drehte. Aus dem Bahnhof, in dem die Handlung vorwiegend spielt, haben John Logan (Drehbuch) und Martin Scorsese (Regie) mit zwei, drei Nebenhandlungen, ein paar Slapstick-Szenen, einer Fülle von Einfällen und viel Liebe zum Detail einen Minikosmos gemacht. „Hugo Cabret“ ist nicht nur eine Hommage an Georges Méliès und eine Liebeserklärung fürs Kino, sondern auch eine für die Literatur. Nebenbei werden einige naive Vorstellungen transportiert, etwa die Überzeugung, alles sei reparierbar oder der Vergleich der Welt mit einer Maschine, in der jedes auch noch so kleine Teil seine Funktion bzw. Bestimmung habe.

„Hugo Cabret“ beginnt gleich mit einer atemberaubenden, im Computer generierten Kamerafahrt über die Dächer von Paris in einen Bahnhof hinein und zwischen den vielen Menschen hindurch quer durchs ganze Gebäude. Es heißt, die Hälfte des Films sei digital nachbearbeitet. Dadurch erhält der Fantasy-Film die nötige Distanz zur Wirklichkeit. Die Kulissen, vor allem die großen und kleinen Räderwerke, sind überwältigend und werden sehr ästhetisch ins Bild gesetzt. Optisch wäre „Hugo Cabret“ auch ohne die eingesetzte 3D-Technik ein Meisterwerk. Aber Martin Scorsese setzt die Dreidimensionalität auf überzeugende Weise ein. Sensationell ist der auf 3D hochgerechnete Ausschnitt aus dem kolorierten Stummfilm „Die Reise zum Mond“ („Le Voyage dans la Lune“) von Georges Méliès aus dem Jahr 1902.

Der Schreibautomat in „Hugo Cabret“ wurde nach dem Vorbild der Jaquet-Droz Automaten gestaltet, drei sogenannten Androiden, die der Schweizer Uhrmacher Pierre Jaquet-Droz (1721 – 1790) und sein Sohn Henri-Louis (1752 – 1791) konstruiert hatten.

In einem Albtraum erlebt Hugo Cabret ein spektakuläres Zugunglück, das sich am 22. Oktober 1895 im Pariser Kopfbahnhof Gare Montparnasse ereignete: Ein Zug durchbrach den Prellbock, und die Lokomotive stürzte aus der oberen Etage des Gebäudes auf die Straße.

Bei dem Lesesaal, in dem Hugo und Isabelle in einem Buch über die Anfänge des Kinos blättern, handelt es sich um den der Bibliothèque Sainte-Geneviève in Paris. Der Gusseisenbau wurde 1843 bis 1851 nach Plänen von Henri Labrouste errichtet.

In dieser Szene ist übrigens Brian Selznick, der Autor der literarischen Vorlage des Films, als Student zu sehen. Martin Scorsese zeigt sich an anderer Stelle in einem Cameo-Auftritt als Fotograf.

„Hugo Cabret“ erhielt in fünf Kategorien einen „Oscar“: Kamera, Szenenbild, visuelle Effekte, Tonschnitt, Tonmischung. Nominiert hatte man den Film auch in den Kategorien Film, Regie, Drehbuch, Schnitt, Musik und Kostümdesign.

Deutsche Synchronsprecher: Manuel Scheuernstuhl (Hugo Cabret), Peter Matic (Georges Méliès), Alina Freund (Isabelle), Pascal Breuer (Stationsvorstand), Philipp Brammer (Hugos Vater), Carin C. Tietze (Jeanne), Thomas Rau (Monsieur Labisse), Elisabeth von Koch (Lisette), Claus Peter Damitz (René Tabard), Engelika Bender (Madame Emilie), Michael Schwazmeier (Monsieur Frick) u.a.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012

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