Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Originaltitel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum - Regie: Volker Schlöndorff - Drehbuch: Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta und Heinrich Böll, nach der Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" von Heinrich Böll - Kamera: Jost Vacano - Schnitt: Peter Przygodda, Heidi Handorf und Ursula Goetz-Dickopp - Musik: Hans Werner Henze - Darsteller: Angela Winkler, Mario Adorf, Dieter Laser, Jürgen Prochnow, Heinz Bennent, Rolf Becker, Hannelore Hoger, Harald Kuhlmann, Karl Heinz Vosgerau, Regine Lutz u.a. - 1975; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Katharina Blum, eine 27-jährige Frau, die seit ihrer Scheidung zurückgezogen lebt und als Haushälterin bei einem Anwalt arbeitet, lernt 1975 im Kölner Karneval Ludwig Götten kennen, von dem sie zu diesem Zeitpunkt nicht ahnt, dass es sich um einen von der Polizei gesuchten Kriminellen handelt ...
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Kritik

Hervorragende Verfilmung von Heinrich Bölls Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" durch Volker Schlöndorff.
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Die 27-jährige Katharina Blum (Angela Winkler) lebt seit ihrer Scheidung allein und zurückgezogen in Köln. Ihren Lebensunterhalt verdient sie als Haushaltshilfe bei dem erfolgreichen Industrieanwalt Dr. Hubert Blorna (Heinz Bennent) und dessen Ehefrau, der Architektin Dr. Gertrud („Trude“) Blorna (Hannelore Hoger).

Am 5. Februar 1975, dem Mittwoch vor Weiberfastnacht, lernt Katharina Blum auf einem Hausball ihrer Tante und Vertrauten Else Woltersheim (Regine Lutz) einen um ein Jahr älteren Mann kennen und lässt sich von ihm nach Hause bringen. Die Nacht über bleibt er bei ihr in ihrem Apartment.

Ludwig Götten (Jürgen Prochnow) gesteht ihr zwar, dass er von der Bundeswehr desertiert sei und deshalb nach ihm gefahndet werde, aber Katharina Blum ahnt nicht, dass ihm die Polizei außerdem wegen eines Raubmords auf den Fersen ist.

Am Donnerstagmorgen stürmt Kriminalkommisar Erwin Beizmenne (Mario Adorf) mit acht schwer bewaffneten Beamten Katharina Blums Apartment. Aber Ludwig Götten floh bereits durch einen Heizungsschacht.

Katharina Blum wird abgeführt. Das Verhör zieht sich bis zum Abend hin. Kommisar Beizmenne konfrontiert Katharina Blum mit der Aussage von zwei Nachbarn — der Inhaberin eines Friseursalons und einem pensionierten Beamten –, sie habe seit zwei Jahren hin und wieder Herrenbesuch empfangen bzw. mitgebracht. Katharina ist konsterniert und nicht bereit, den Namen des Herrn zu verraten. Daraus folgert Beizmenne: „Sie kennen den Götten also schon zwei Jahre.“ Vergeblich beteuert sie, Ludwig Götten erst vor weniger als 24 Stunden kennen gelernt zu haben. Am Abend fährt Beizmennes Assistent, Kriminalkommisar Walter Moeding (Harald Kuhlmann), Katharina Blum nach Hause. Die Vernehmung soll am Freitagmorgen fortgesetzt werden.

Am Freitagmorgen bringt die Zeitung Katharina Blums Bild groß auf der ersten Seite und in Riesenlettern die Schlagzeile: „Räuberliebchen Katharina Blum verweigert Aussage über Herrenbesuche“. In dem Artikel heißt es:

Der seit eineinhalb Jahren gesuchte Bandit und Mörder Ludwig Götten hätte gestern verhaftet werden können, hätte nicht seine Geliebte, die Hausangestellte Katharina Blum, seine Spuren verwischt und seine Flucht gedeckt. Die Polizei vermutet, dass die Blum schon seit längerer Zeit in die Verschwörung verwickelt ist. … Die Blum erhielt seit zwei Jahren regelmäßig Herrenbesuch. War ihre Wohnung ein Konspirationszentrum, ein Bandentreff, ein Waffenumschlagplatz?

Bewusst vermischt der Sensationsreporter Werner Tötges (Dieter Laser) Tatsachen und Meinungen.

Bei der zweiten Vernehmung am Freitag rechnet Kommisar Beizmenne Katharina Blum vor, dass sie mit dem roten Volkswagen, Baujahr 1968, den sie sich 1972 kaufte, weit mehr gefahren sein muss als nur zu ihren Arbeitsplätzen und zu gelegentlichen Besuchen bei ihrer Mutter und ihrem seit eineinhalb Jahren wegen eines Einbruchs inhaftierten Bruder. Katharina Blum erklärt, sie sei hin und wieder nach getaner Arbeit ziellos herumgefahren, um nicht einsam in ihrer Wohnung sitzen zu müssen.

Inzwischen hat die Polizei Katharina Blums Apartment durchsucht und ihre Konten überprüft. Dabei haben sich keine Verdachtsmomente ergeben — bis auf einen mit Brillanten besetzten Ring. Katharina Blum sagt aus, sie wisse nicht, wieviel er wert sei. Kommisar Beizmenne hat ihn schätzen lassen und sagt es ihr: 8 000 bis 10 000 Mark! Katharina Blum weigert sich, den Namen des Mannes zu nennen, der ihr den Ring schenkte.

Die Polizei verdächtigt sie, Ludwig Götten bei dem Hausball ihrer Tante nicht zum ersten Mal getroffen, sondern sich mit ihm dort verabredet zu haben. Ein Indiz dafür sei, dass sie nicht mit ihrem Auto, sondern mit der Straßenbahn hinfuhr. Ihren Einwand, das habe sie aus Vorsicht wegen des möglichen Alkholkonsums getan, lässt Kommisar Beizmenne nicht gelten, denn er hat herausgefunden, dass Katharina Blum nie viel trinkt. Seiner Meinung nach wusste sie von Anfang an, dass Ludwig Götten sie in seinem gestohlenen Porsche nach Hause bringen würde.

Katharina Blums Briefkasten quillt über von zum großen Teil anonymen Briefen, und sie wird fortwährend telefonisch beschimpft. Am Samstag folgen neue Sensationsmeldungen in der Zeitung.

Der Industrielle, Universitätsprofessor und Parteimanager Alois Sträubleder (Karl Heinz Vosgerau) sucht den mit ihm befreundeten Anwalt Hubert Blorna auf. Alois Sträubleder ist verheiratet und hat vier Kinder, aber als er vor zwei Jahren Katharina Blum bei den Blornas kennen lernte und nach Hause fuhr, wurde er zudringlich. Katharina Blum widerstand ihm, aber er hörte nicht auf, ihr Briefe und Blumen zu schicken; einige Male läutete er an ihrer Tür und dabei drängte er ihr den Ring auf. Obwohl es nicht einmal zu einem Kuss kam, bestand er darauf, ihr einen Schlüssel für sein Zweithaus in Kohlforstenheim anzuvertrauen. Da der Schlüssel offenbar nicht bei Katharina Blum gefunden worden sei, befürchte er, dass Ludwig Götten sich in seinem Haus verstecke. Das beunruhigt ihn weit mehr als die Gefahr einer Veröffentlichung über eine Liebesaffäre, von der er allenfalls private Schwierigkeiten zu erwarten hätte, denn wenn man ihn öffentlich in Verbindung mit einem Verbrecher bringen würde, müsste er mit geschäftlichen Einbußen rechnen. Sein Geschäftspartner Lüding habe zwar die Zeitung unter Kontrolle, nicht aber die Illustrierte, die Werner Tötges über einen Strohmann ebenfalls mit Sensationsberichten versorge.

Trude Blorna kommt ins Zimmer und teilt den beiden mit, soeben habe man in den Nachrichten gemeldet, dass Ludwig Götten im Zweithaus eines Industriellen verhaftet wurde.

In der Sonntagsausgabe der Zeitung wird auf Katharina Blums kriminellen Bruder hingewiesen und die Frage aufgeworfen, ob sie an den Unterschlagungen ihres früheren Arbeitgebers Dr. Fehnern beteiligt gewesen sei. Man wirft ihr vor, das Vertrauen eines bekannten Industriellen und Politikers missbraucht und dessen Karriere und Familienglück aufs Spiel gesetzt zu haben, indem sie Ludwig Götten den Schlüssel zum Zweithaus des Prominenten überließ.

Katharina Blum verabredet sich mit Werner Tötges für ein Exklusivinterview am Sonntagmittag in ihrem Apartment und besorgt sich die Pistole von Else Woltersheims Lebensgefährten Konrad Beiters (Werner Eichhorn). Zur vereinbarten Zeit klingelt Werner Tötges an Katharina Blums Wohnungstür. Sie lässt den Journalisten ein, und als dieser zudringlich wird, ergreift sie die Pistole und erschießt ihn.

Danach irrt sie stundenlang herum und wundert sich, dass sie keine Reue empfindet. Am Abend sucht sie Kommisar Walter Moeding in dessen Privatwohnung auf und gesteht den Mord.

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Volker Schlöndorff wurde 1939 in Wiesbaden als Sohn eines Arztes geboren. Nach dem Besuch eines Jesuiteninternats in der Bretagne studierte er an der Sorbonne politische Wissenschaften. In Paris lernte er einige Regisseure der nouvelle vague kennen: Louis Malle, Alain Resnais, Jean-Pierre Melville. Für seinen ersten Kinofilm, die Adaptation des 1906 veröffentlichten Romans „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ von Robert Musil, erhielt er 1966 in Cannes den Preis der internationalen Filmkritik („Der junge Törless“, 1966, Drehbuch und Regie: Volker Schlöndorff, Kamera: Franz Rath – mit Matthieu Carrière, Marian Seidowsky, Bernd Tischer, Alfred Dietz u. a.). Den Durchbruch schaffte Volker Schlöndorff 1975 mit der Verfilmung der Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ des Nobelpreisträgers Heinrich Böll. Die Hauptdarstellerin Angela Winkler und der Kameramann Jost Vacano wurden zu Recht mit Bundesfilmpreisen ausgezeichnet.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002

Heinrich Böll: Die verlorene Ehre der Katharina Blum

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Sonja Heiss - Rimini
Mit großem Einfühlungs­vermögen und einem genauen Blick für aussage­kräftige Details beobachtet Sonja Heiss ihre Figuren sowohl im Alltag als auch in Lebenskrisen. Dabei hält sie die Balance zwischen Ernst, Humor und Tragikomik.
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