Suck My Dick

Suck My Dick

Suck My Dick

Originaltitel: Suck My Dick – Regie: Oskar Roehler – Drehbuch: Oskar Roehler – Kamera: Carl-Friedrich Koschnick – Schnitt: Gergana Voigt – Musik: Matin Todsharow – Darsteller: Edgar Selge, Katja Flint, Ralf Richter, Wolfgang Joop, Zora Holt, Franziska Walser, Dieter Laser, Hannelore Elsner, Vadim Glowna, Natalia Wörner, Eva Mattes, Sonja Kerskes, Michael Gaißmayer, Nina Bagusat, Tatiani Katrantzi, Rolf Peter Kahl u.a. – 2001; 80 Minuten

Inhaltsangabe

Hyde, eine Figur aus dem letzten Bestseller des Berliner Schriftstellers Dr. Jekyll, entweicht dessen Gehirn und wird von der Fee Jeanny mit dem Penis seines Schöpfers ausgestattet. Verzweifelt wendet der seiner Männlichkeit beraubte Autor sich an einen Psychiater, der ihm jedoch auch nicht helfen kann. Die Frauen ziehen sich vor Jekyll zurück; ein eitler Kritiker versucht ihn als Plagiator zu entlarven, und obendrein ermittelt die Steuerfahndung gegen ihn ...
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Kritik

"Suck My Dick" ist eine märchenhafte Groteske über Verlustängste von Männern in einer Gesellschaft, in der es nur auf Sex und Geld ankommt. In der Hauptrolle zeigt Edgar Selge eine Bravourleistung.
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Der Berliner Bestseller-Autor Dr. Jekyll (Edgar Selge) befürchtet, dass Hyde (Ralf Richter), eine Figur aus seinem neuesten Roman „Dr. Dickhirn“, seinem Gehirn entweichen und sich materialisieren könnte. Der Psychiater Dorian (Wolfgang Joop), den er deshalb konsultiert, tut das als Midlife-Crisis mit schizophrenen Symptomen ab und versucht ihm zu erklären, dass eine Romanfigur nicht real werden könne. Doch auf der Straße sieht Jekyll Hyde aus einem Haus kommen.

Nachts träumt er, wie er in einer Sauna sitzt, mit den anwesenden Damen flirtet und dabei stolz seinen riesigen Penis herzeigt. Doch der ist plötzlich weg. Die Fee Jeanny (Katja Flint) hat Hyde den Wunsch erfüllt, das Gemächt des Schriftstellers zu bekommen. Entsetzt schreckt Jekyll neben seiner Geliebten Babsi (Sonja Kerskes) aus dem Traum hoch, schaut in seine Schlafanzughose und stellt fest, dass er tatsächlich keinen Penis mehr hat. Während Jekyll Hilfe suchend zu seinem Psychiater rennt, packt Babsi ihre Sachen und verlässt ihn, denn was soll sie mit einem Mann ohne Schwanz?

Als Nächstes wird Jekyll seiner Haare und vier seiner Schneidezähne beraubt. Seine Ex-Frau Corinna (Franziska Walser), die seit zwanzig Jahren seine Zahnärztin ist, und deren Sprechstundenhilfe Susanne (Hannelore Elsner) versichern ihm, die Zähne würden schon länger fehlen und zeigen auch sonst kein Interesse für seine Seelenqualen.

Nur seine Joints rauchende und koksende Tochter Julia (Zora Holt) hält zu ihm, obwohl sie ebenso wenig wie er selbst begreift, was mit ihm los ist.

Tina (Natalia Wörner), die Jekyll in der „Paris Bar“ anmacht, hat keine Lust, sich auf eine Affäre mit ihm einzulassen und lässt ihn stehen.

Dorian, der sich damit brüstet, Uwe Johnson von einer Schreibhemmung befreit zu haben, ist am Ende seiner Weisheit, verzichtet auf das Honorar für die letzten beiden Sitzungen und will den Patienten loswerden. Als Jekyll ihn anfleht, die Therapie nicht zu beenden, nimmt Dorian ihn mit zu einer Vernissage der erotischen Fotografien von Jeannie in Hermanns (Vadim Glowna) Galerie. Dort führt der Kritiker Basalt (Dieter Laser) das große Wort und schwelgt in hohlen intellektuellen Phrasen über die Kunst, bis Dorian der Kragen platzt und er über das eitle Getue herzieht. Währenddessen beobachtet Jekyll, wie Jeannie mit Hyde verschwindet.

Kurz darauf verabredet Jekyll sich gegen den ausdrücklichen Rat seines Psychiaters mit der nymphomanen, gut bestückte Männer fotografierenden Jeannie, aber sein Versuch, sie im Dunkeln mit einer Penis-Prothese zu täuschen, geht gehörig schief.

Die Steuerfahndung ermittelt gegen Jekyll, und er muss nicht nur mit Nachzahlungen rechnen, sondern auch mit einer gerichtlichen Verfolgung.

Aus einer Autorenlesung macht Jekyll, der inzwischen eine langhaarige Perücke trägt, eine Art Happening: Er pöbelt das Publikum an, beleidigt einzelne Zuhörer und lässt auf der Bühne die Hose herunter. Nach der Veranstaltung fragt ihn eine ehrgeizige BWL-Studentin nach dem Trick, mit dem er seinen Penis versteckte, doch statt ihr zu antworten, bietet Jekyll ihr 10 000 D-Mark für Sex. Nach kurzem Zögern verlangt sie das Doppelte, und Jekyll willigt ein. Vor dem Auto überlegt sie es sich jedoch anders. Jekyll versucht, sie zu vergewaltigen, wird aber von anderen Besuchern der Lesung zurückgerissen.

Professor Basalt, der auch darunter ist, droht damit, ihn fertigzumachen. In seiner Literatursendung im Fernsehen behauptet er, Jekyll habe das Manuskript seines Romans „Dr. Dickhirn“ einem Mann namens Hyde gestohlen und lässt einen Zeugen auftreten. Hyde, der die Sendung in Jeannies Wohnung sieht, kennt den Zeugen, doch aufgrund eines Unfalls hat er sein Gedächtnis weitgehend verloren und weiß nicht, ob die Behauptung stimmt. Um herauszufinden, wer er ist, verlässt er Jeannie und kehrt in das Gehirn des Schriftstellers zurück.

Der hat gerade auf einer Party seiner Tochter eine Designerdroge in den Mund gesteckt bekommen und erinnert sich während des Trips an ein mehrere Jahre zurückliegendes Ereignis – oder eine Romanhandlung. Hyde, mit dem er in einer Wohngemeinschaft zusammen lebte, wollte irgendwo hinfahren, spritzte sich vor dem Aufbruch noch rasch Heroin, und Jekyll schnitt ihm währenddessen einen Bremsschlauch durch. Als Hyde dann euphorisiert mit seinem Wagen durch die Straßen raste, versagten die Bremsen und er verunglückte tödlich.

Im Bad wartet Jeannie auf Jekyll. Sie ist bereit, ihm seinen Penis zurückzugeben, aber Jekyll will ihn nicht mehr. Er hat inzwischen begriffen, dass es darauf nicht ankommt. Nachdem die enttäuschte Jeannie verschwunden ist, flirtet eine Freundin seiner Tochter mit Jekyll, die sagt, sie sei vor zwei Stunden sechzehn geworden.

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Oskar Roehler spiegelt in seinem Film „Suck My Dick“ Verlustängste von Männern. Der Bestseller-Autor Jekyll wird der Attribute beraubt, auf die es laut Michel Houellebecq in der modernen Gesellschaft ankommt: sexuelle Potenz, Aussehen und Geld. Anfangs ist er verzweifelt, als Frauen und Kritiker sich von ihm abwenden, doch allmählich begreift er, dass es auch ein Leben ohne Geld und Sexualität gibt. Dabei fühlt er sich freier, als wenn er weiterhin den Erfolgen in der Konsumgesellschaft nachjagen würde, die Oskar Roehler am Beispiel der Berliner Kulturszene als Jahrmarkt der Eitelkeiten karikiert.

Dorian, den Namen des Psychiaters, assoziieren wir wohl nicht zufällig mit dem Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde. Mit den Namen des Schriftstellers und seiner Figur spielt Oskar Roehler auf den Roman „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr Hyde“ von Robert Louise Stevenson an bzw. auf dessen Verfilmung durch Rouben Mamoulian: Dr. Jekyll und Mr Hyde.

„Suck My Dick“ ist eine märchenhaft-surrealistische Groteske in zumeist monochromen Bildern, von denen die meisten wie Schwarz-Weiß-Aufnahmen wirken. Nur die Szenen im Gehirn des Schriftstellers sind in grelles Zinnoberrot getaucht. Stilistisch fühlt man sich an Rainer Werner Fassbinder erinnert.

Für die Rolle des Psychiaters gewann Oskar Roehler den Modeschöpfer Wolfgang Joop, dessen etwas theatralische Darstellung durchaus gelungen ist. Selbst Nebenrollen sind mit erstklassischen Schauspielerinnen und Schauspielern besetzt. Der Hauptdarsteller Edgar Selge drückt das Verrückte und Skurrile in seiner Rolle mit einer außergewöhnlichen Vielseitigkeit aus und vermittelt dabei auch etwas Selbstironie, ohne die Figur lächerlich zu machen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007

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