Gran Torino

Gran Torino

Gran Torino

Gran Torino – Originaltitel: Gran Torino – Regie: Clint Eastwood – Drehbuch: Nick Schenk, Dave Johannson – Kamera: Tom Stern – Schnitt: Joel Cox, Gary Roach – Musik: Kyle Eastwood, Michael Stevens – Darsteller: Clint Eastwood, Christopher Carley, Bee Vang, Ahney Her u.a. – 2008; 115 Minuten

Inhaltsangabe

Der verwitwete Rentner Walt Kowalski wohnt noch immer in einer ehemaligen Arbeitersiedlung am Rand von Detroit, in der jetzt vorwiegend asiatische Immigranten leben. Dabei verachtet er die Asiaten seit seinem Einsatz im Korea-Krieg. Der rassistische, misanthrope Waffen-besitzer, vor dessen Haus das Sternen-banner flattert, gesteht sich widerwillig ein, dass der vietnamesische Nachbarjunge arbeitswillig ist. Als Thao und seine Schwester Sue von einer Straßenbande terrorisiert werden, greift Kowalski ein ...
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Kritik

"Gran Torino" ist ein Plädoyer gegen Rassismus und ein pathetisches Schuld-und-Sühne-Drama. Die Handlung ist unrealistisch. Ebenso unglaubwürdig wirken die Figuren. Der Protagonist ist mehr Karikatur als Charakter.

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Der Film beginnt in einer Kirche: Der Greis Walt Kowalski (Clint Eastwood) trauert zusammen mit Verwandten und Bekannten um seine verstorbene Frau Dorothy. Nur schwer erträgt er die salbungsvolle Rede des siebenundzwanzigjährigen katholischen Priesters Janovich (Christopher Carley). Und als der Pater ihm dann auch noch mitteilt, er habe Dorothy Kowalski versprochen, nach ihm zu schauen und ihn nach Jahrzehnten erstmals wieder zur Beichte zu bewegen, rastet der alte Griesgram beinahe aus. Er will seine Ruhe.

Walt Kowalski ist ein polnischstämmiger Koreakriegsveteran. Dass er im Krieg auch ohne ausdrücklichen Befehl Menschen tötete, belastet ihn noch immer schwer. Sein Arbeitsleben verbrachte er als Autoschlosser bei Ford. Nach wie vor wohnt er in einer Siedlung am Rand von Detroit, die ebenso wie die Autoindustrie die besten Zeiten hinter sich hat. Die meisten Amerikaner zogen fort und überließen ihre Reihenhäuser asiatischen Immigranten. Kowalski hält die Stellung. Vor dem Haus des Patrioten flattert das Sternenbanner. Der einsame, verbitterte alte Mann sitzt oft auf der Veranda, mit der Hündin Daisy neben sich, trinkt ein paar Dosen Bier und ärgert sich über die asiatischen Nachbarn, für die der Rassist seit dem Koreakrieg nur Bezeichnungen wie „Sumpfratten“ verwendet. Selbstverständlich besitzt er außer seiner alten Kriegspistole noch ein Gewehr und andere Schusswaffen.

Dass Mitch Kowalski (Brian Haley), der ältere seiner beiden Söhne, ein japanisches Auto fährt, hält er für einen Frevel. Er selbst benutzt einen Pick-up von Ford, und in seiner Garage steht ein Ford Gran Torino Sport aus dem Jahr 1972.

Als der vom Fließband lief, war seine Enkelin Ashley (Dreama Walker) noch gar nicht geboren. Jetzt trägt sie selbst bei der Beerdigung ein Top, das ihren gepiercten Bauchnabel frei lässt. Und während ihre Mutter Karen (Geraldine Hughes) den Schmuck der Verstorbenen durchwühlt, fragt sie ihren Großvater, ob sie sein Sofa für ihre Studentenbude haben könne und wer den Gran Torino einmal erbe. Darauf verkneift er sich eine Antwort.

Während in Kowalskis Haus der Leichenschmaus stattfindet, feiern die Asiaten nebenan die Geburt eines Kindes.

Thao (Bee Vang), der etwa fünfzehn Jahre alte Sohn der Familie, wird auf der Straße von vier jungen Weißen aus einem Auto heraus angepöbelt. Zufällig sehen es Thaos älterer Cousin „Spider“ (Doua Moua) und die Mitglieder seiner asiatischen Straßenbande. Sie vertreiben die Weißen und fordern Thao auf, bei ihnen mitzumachen. Er sträubt sich, aber sie geben keine Ruhe, bis er sich bereit erklärt, den Gran Torino aus Kowalskis Garage zu rauben.

Nachts wacht Kowalski durch ein Geräusch auf. Als er Licht in der Garage sieht, lädt er sein Gewehr und geht hinüber. Er überrascht Thao, aber bevor er ihn festhalten kann, stolpert er über einen Gegenstand, stürzt zu Boden, und der Junge rennt weg.

Ein paar Tage später wollen Spider und seine Kumpane Thao ins Auto zerren. Sie prügeln sich mit ihm und seinen Familienangehörigen. Kowalski tritt mit seinem Gewehr im Anschlag vor die Türe und ruft: „Runter von meinem Rasen!“ Er sorgt dafür, dass die Gang ohne Thao wegfährt. Zum Dank für seinen Einsatz legen ihm die Nachbarinnen Geschenke auf die Eingangstreppe. Verärgert trägt er alles zu den Mülltonnen und hindert die Frauen daran, ihm noch mehr zu bringen.

Zufällig beobachtet Kowalski einige Tage später von seinem Pick-up aus, wie Thaos Schwester Sue (Ahney Her) und ihr irischer Freund Trey (Scott Eastwood alias Reeves) von drei Afroamerikanern an einer Straßeecke angepöbelt werden. Er fährt hin und hält an. Die Schwarzen fordern den Greis auf, sich nicht einzumischen, aber er steigt aus und erklärt ihnen: „Es gibt Leute, mit denen man sich besser nicht anlegen sollte. So einer bin ich.“ Plötzlich zieht er eine Pistole aus der Jackentasche. Damit hält er die drei Kerle in Schach, bis Trey außer Reichweite ist und Sue im Pick-up sitzt.

Er fährt das Mädchen nach Hause. Sue klärt ihn darüber auf, dass ihre Familie zum asiatischen Volk der Hmong gehört. Im Vietnam-Krieg kämpften die Hmong auf der Seite der Amerikaner. Danach mussten sie vor den Kommunisten fliehen.

Zum Geburtstag schenken Mitch und Karen dem Vater bzw. Schwiegervater eine Greifhilfe, mit der er Gegenstände vom Boden aufheben kann, ohne sich bücken zu müssen. Bei dieser Gelegenheit legen sie ihm Prospekte von Seniorenheimen auf den Tisch und schwärmen ihm vor, wie angenehm es sich dort leben ließe. Walt Kowalski hört sich das nicht lange an; er wirft die beiden kurzerhand hinaus.

Dann setzt er sich wieder auf die Veranda und trinkt Dosenbier. Sue lädt ihn zu der Grillparty nebenan ein. Zuerst lehnt Kowalski ab, aber als er feststellt, dass er kein Bier mehr hat, folgt er Sue, die ihn dann auch gleich auf einige Verstöße gegen grundlegende asiatische Benimmregeln hinweist. Zu seiner Überraschung schmeckt ihm das Essen, das es bei den Hmong gibt.

Am nächsten Tag kommt Sue mit ihrer Mutter Vu (Brooke Chia Thao) und ihrem Bruder Thao herüber. Der Junge habe die Familienehre durch den versuchten Autodiebstahl beschmutzt, erklärt Vu, und müsse seine Schuld nun abarbeiten. Das verlange die Tradition. Kowalski wehrt ab, aber Sue weist ihn darauf hin, dass eine Ablehnung des Angebots eine schwere Beleidigung darstellen würde. Also trägt er dem Jungen am nächsten Tag auf, die Vögel in einem Baum zu zählen. Dann fällt sein Blick auf die verwahrlosten Häuser gegenüber, und er lässt Thao Reparaturarbeiten durchführen.

Als er merkt, dass der Junge arbeitswillig ist und sich geschickt anstellt, vermittelt er ihm durch den Bauleiter Tim Kennedy (William Hill) einen Job auf einer Baustelle. Kowalski schenkt ihm Werkzeug und nimmt ihn mit zu seinem italienischstämmigen Friseur Martin (John Carroll Lynch), um ihm beizubringen, wie amerikanische Männer miteinander umgehen.

Weil er des Öfteren Blut hustet, sucht er eine Arztpraxis auf, in der er seinen Hausarzt vermutet. Erst jetzt erfährt er, dass Dr. Feldman vor drei Jahren in den Ruhestand ging und die Praxis der Ärztin Dr. Chu (Julia Ho) übergab. Notgedrungen lässt er sich von der Chinesin untersuchen. Die Diagnose ist niederschmetternd: Er hat nicht mehr lang zu leben.

Thao wird nach der Arbeit von der asiatischen Straßengang abgefangen. Die Kerle halten ihn fest, rauben ihm seine Sachen, und einer von ihnen drückt seine Zigarette im Gesicht des Jungen aus.

Nachdem Kowalski die Brandwunde bemerkt hat, wartet er vor dem Haus der Bande, bis einer der Kleinganoven allein ist. Dann schlägt er ihn zusammen und verlangt, dass die Gang Thao in Ruhe lässt.

Als er erfährt, dass Thao eine Freundin hat (Choua Kue), gibt er ihm die Schlüssel für den Gran Torino, damit er mit Youa in die Stadt fahren kann.

Die Gang beschießt das Haus der Hmong-Familie aus dem fahrenden Auto und vergewaltigt Sue. Vor Zorn zertrümmert Kowalski mit seinen Fäusten Schranktüren und Glasscheiben.

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Thao will die Vergewaltigung seiner Schwester rächen und versteht nicht, warum Kowalski zur Besonnenheit mahnt, statt sofort loszuschlagen. Aber er fügt sich und ist bereit, sich bis zum Nachmittag zu gedulden.

Erstmals seit langem geht Kowalski wieder in die Kirche. Er beichtet bei Pater Janovich.

Zu Hause putzt er sorgfältig seine Waffen. Zur vereinbarten Zeit kommt Thao herüber. Kowalski geht mit dem Jungen in den Keller und schenkt ihm einen Tapferkeitsorden, den er in Korea bekam. Dann sperrt er ihn ein, denn er muss seinen Plan allein durchziehen.

Er bittet Thaos Großmutter (Chee Thao), auf die Hündin Daisy aufzupassen, verrät Sue, wie sie ihren Bruder befreien kann und fährt zum Haus der Bande. Er stellt sich hin und provoziert die Kerle, bis sie zu ihren Waffen greifen. Kowalski nimmt eine Zigarette in den Mund. Dann greift er in die Innentasche seiner Jacke. Die nervösen Kleinganoven nehmen an, dass er eine Pistole ziehen will und durchsieben ihn mit Kugeln. Tatsächlich hatte Kowalski gar keine Waffe bei sich, sondern nur ein Feuerzeug, das er bereits in Korea benutzte.

Sein Plan geht auf: Die Mitglieder der Gang werden wegen Mordes festgenommen. Sein Opfer war nicht umsonst.

Bei der Testamentseröffnung stellt sich heraus, dass Walt Kowalski den Gran Torino seinem Freund Thao und den übrigen Besitz der katholischen Kirche vermachte.

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„Gran Torino“ kann man als Plädoyer gegen Rassismus, aber auch als Schuld-und-Sühne-Drama sehen: Ein halbes Jahrhundert nach dem Korea-Krieg büßt der amerikanische Patriot Walt Kowalski freiwillig dafür, dass er damals Menschen tötete. Obwohl er die Asiaten seither als „Sumpfratten“ beschimpft, hilft er seinen vietnamesischen Nachbarn und bezeichnet den Jungen Thao am Ende als seinen Freund.

Die grob konstruierte Handlung ist unrealistisch wie ein Märchen. Ebenso unglaubwürdig wirken die Figuren von „Gran Torino“. Vor allem der von Clint Eastwood gespielte Protagonist Walt Kowalski ist mehr Karikatur als Charakter, und seine Wandlung vom rassistischen Misanthrop zum väterlichen Freund eines jungen Asiaten lässt sich nicht wirklich nachvollziehen.

Clint Eastwood erzählt die Geschichte aus der Perspektive der Hauptfigur, bleibt dabei jedoch nicht konsequent, sondern schiebt auch Szenen ein, von denen Walt Kowalski nichts weiß. Und er inszeniert „Gran Torino“ mit mehr Pathos als echten Gefühlen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011

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