Jonathan Littell : Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten
Originalausgabe: Les Bienveillantes Éditions Gallimard, Paris 2006 Die Wohlgesinnten Übersetzung: Hainer Kober Berlin Verlag, Berlin 2008 ISBN: 978-3-8270-0738-4, 1386 Seiten BvT Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin 2009 ISBN: 978-3-8333-0628-0, 1386 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Dr. Maximilian Aue, ein intellektueller, homosexueller SS-Offizier, rückt 1941 mit der Einsatzgruppe C in die Ukraine vor, wird 1943 schwer verwundet aus dem Kessel von Stalingrad ausgeflogen und hat danach als Sonderbeauftragter des Reichsführers-SS für eine Optimierung des Arbeitseinsatzes von KZ-Häftlingen zu sorgen. Dieser Berichterstatter wird schließlich verdächtigt, seine Mutter und seinen Stiefvater ermordet zu haben.
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Kritik

Das Besondere an dem Roman "Die Wohlgesinnten" ist neben der Täterperspektive die ungeheure Fülle von Tatsachen, die Jonathan Littell in die Handlung eingewebt hat. Damit liefert er ein monströses Panorama.
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Maximilian Aue und seine Zwillingsschwester Una werden am 10. Oktober 1913 im Elsaß als Kinder einer Französin und eines Deutschen geboren. 1921 verschwindet der Vater. Drei Jahre später lernt Héloïse Aue den französischen Unternehmer Aristide Moreau kennen und wird seine Lebensgefährtin.

In der Pubertät entdecken Max und Una miteinander die Sexualität. Damit Una nicht schwanger wird, verkehren sie beim Inzest auf dem Dachboden anal miteinander – bis sie eines Tages dabei ertappt werden. Daraufhin schickt die Mutter sie in getrennte Internate.

Im Frühjahr 1929 kündigt sie den Kindern an, sie werde den Vater für tot erklären lassen. Noch im selben Jahr heiratet sie Aristide Moreau und zieht zu ihm in seine Villa in Antibes. Das wird Max seiner Mutter nie verzeihen, zumal er sie schon dafür hasst, dass sie ihn von seiner Schwester trennte.

Nach dem Abitur würde Max gern Literatur und Philosophie studieren, aber die Mutter besteht darauf, dass er ein Studienfach wählt, das ihm Aussicht auf eine berufliche Karriere eröffnet. Notgedrungen entscheidet Max sich für Jura und Volkswirtschaft. Er besucht die Vorbereitungsklassen für die Grandes Écoles, studiert zwei Jahre an der ELDS (École libre des sciences politiques) und immatrikuliert sich 1934 in Kiel. Auf der Reise dorthin besucht er seine Schwester, die inzwischen in Zürich bei C. G. Jung Psychologie studiert. In Kiel wendet er sich an Dr. Mandelbrod, einen früheren Vorgesetzten seines Vaters. Trotz des jüdisch klingenden Namens handelt es sich bei ihm um einen „arisch-deutschen“ Industriellen. Der fanatische Nationalsozialist ist adipös und auf einen Rollstuhl angewiesen. Betreut wird er von drei blonden Assistentinnen in SS-Uniformen – Hilde, Helga und Hedwig –, die sich so ähneln, dass Max Aue sie nicht unterscheiden kann. Obwohl Mandelbrod ständig furzt und der Gestank kaum zu ertragen ist, sucht Aue ihn auf und bittet um seine Unterstützung.

Seit der Trennung von seiner Schwester sind Sex und Liebe für Max nicht mehr in Einklang zu bringen. Sexuelle Befriedigung sucht er mit anonymen Homosexuellen. Wenn er sich von ihnen anal nehmen lässt, stellt er sich vor, seine Schwester zu sein. Überhaupt wäre er lieber eine Frau.

Im Frühjahr 1937 sucht Aue einen Schwulen-Treffpunkt im Berliner Tiergarten auf. Als er nach heftigem Sex mit einem Strichjungen mit zittrigen Beinen weggeht, fällt er zwei Polizisten auf. Sie verdächtigen ihn, gerade gegen das gesetzliche Verbot der Homosexualität verstoßen zu haben und nehmen ihn fest. Ein höherer Polizeibeamter namens Dr. Thomas Hauser verhindert, dass der für die Homosexuellen-Verfolgung zuständige Kriminalrat Meisinger von der Festnahme erfährt. Er hilft Aue und wirbt ihn zugleich für den SD an, den Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS Heinrich Himmler.

Una Aue heiratet 1938 zum Entsetzen ihres Bruders den deutlich älteren deutschbaltischen Komponisten Karl Berndt Egon Wilhelm Freiherr von Üxküll. Der kam gelähmt und impotent aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Als die Nationalsozialisten Arnold Schönberg aus der Preußischen Akademie der Künste warfen, lud Richard Strauß ihn im Auftrag des Regimes ein, den vakanten Platz zu übernehmen, aber von Üxküll lehnte das Angebot ab. Obwohl er sich zum Nationalsozialismus bekennt, hält er den Juden Schönberg für den bedeutendsten Musiker nach Johann Sebastian Bach. Das habe mit der Rasse nichts zu tun, erklärt er. Die Nationalsozialsten belegten von Üxküll jedoch wegen seiner kritischen Haltung mit einem Aufführungsverbot. Eigentlich wohnen Berndt und Una von Üxküll auf einem Gut in Pommern, aber sie verbringen regelmäßig einige Wochen in Schweizer Sanatorien.

1939 promoviert Max Aue.

Er wird zu Reinhard Heydrich befohlen, dem Leiter des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin. Der beauftragt den zweisprachig aufgewachsenen SS-Offizier, sich in Paris ein Bild vom tatsächlichen politischen Gewicht der pazifistischen Zirkel machen. Thomas Hauser, der in Frankreich studierte, begleitet ihn. Nach dem Einsatz in Paris liefert Aue gegen Hausers Rat einen zutreffenden Bericht über die Lage ab, statt die Verhältnisse so darzustellen, wie Heydrich sie gerne hätte. Für seine Karriere ist das nicht förderlich: Nach dem deutschen Einmarsch in Polen wird Hauser zu den Einsatzgruppen versetzt, während sich Obersturmführer Aue im RSHA in Berlin langweilt.

Für den leichtlebigen Karrieristen Hauser ist der Antisemitismus Mittel zum Zweck:

Weißt du […], für viele ist der Antisemitismus ein Instrument. Da es sich um ein Thema handelt, das dem Führer am Herzen liegt, ist es ein geschätztes Mittel geworden, sich bei ihm beliebt zu machen. Wenn es dir gelingt, eine wichtige Rolle bei der Lösung der Judenfrage zu spielen, machst du weit schneller Karriere, als wenn du dich, sagen wir, mit den Zeugen Jehovas oder den Homosexuellen befasst. Insofern kann man sagen, dass der Antisemitismus zum Karrieresprungbrett des nationalsozialistischen Staates geworden ist.

Im Juni 1941 verschafft Hauser seinem Freund Aue eine Offiziersstelle im Sonderkommando 4a der Einsatzgruppe C, das von dem alkoholkranken SS-Standartenführer Paul Blobel geführt wird und die Aufgabe hat, das Vorrücken der 6. Armee – dem die Einsatzgruppe organisatorisch unterstellt ist – rückwärtig abzusichern:

Unsere Aufgabe, so erklärte er uns, sei es, hinter unseren Linien jedes Element zu identifizieren und zu beseitigen, das die Sicherheit der Truppe bedrohen könne […] Aufgrund unseres schnellen Vormarsches sei […] nicht daran zu denken, Lager einzurichten und sie mit Verdächtigen vollzustopfen. Jeder Verdächtige sei sofort zu erschießen […] Es würden Fehler vorkommen, sicher, es würde auch unschuldige Opfer geben, das sei der Krieg. Wenn man eine Stadt bombardiere, stürben auch Zivilisten.

In der ukrainischen Stadt Luzk stößt das Sonderkommando auf Leichenberge. Bei den Toten handelt es sich um Gefangene der Russen, die vom NKWD (Narodny komissariat wnutrennich del) liquidiert wurden, bevor die Rote Armee vor den Deutschen zurückwich. Bei einem Besuch in Lemberg zwei Tage nach der Einnahme der Stadt stößt Aue auf weitere NKWD-Opfer. Inzwischen schlagen die Ukrainer Juden tot, die angeblich mit dem NKWD kollaborierten – und die Wehrmacht unternimmt nichts gegen das Pogrom. In Rowno sieht Aue am 6. Juli zu, wie Juden im Wald an mehreren Stellen anfangen, ein Massengrab zu schaufeln, aber jedes Mal auf ein von den Russen hinterlassenes Massengrab stoßen. Als das Loch endlich groß genug ist, werden die Juden von Ukrainern im Auftrag der Deutschen erschossen. Wehrmachtssoldaten fotografieren die Exekutionen, bitten darum, auch ein paar Juden erschießen zu dürfen und schicken verbotenerweise Erinnerungsfotos an ihre Angehörigen. Mehrmals übernimmt die Wehrmacht die Initiative und fordert das Sonderkommando auf, ein Dorf auszumerzen, von dem ein Partisanenangriff ausging. Weil sich die Gruben zu schnell füllen, wenn die Leichen durcheinander fallen, zwingen die Deutschen die Opfer, sich vor der Erschießung wie Sardinen in einer Büchse nebeneinanderzulegen. Dann wird die nächste Gruppe herangeführt, und die Kinder, Frauen und Männer müssen sich auf die Schicht Leichen legen.

In einer Ansprache erklärt Blobel seinen Männern:

In Deutschland ließ sich die gesamte Judenfrage ohne Auswüchse und in Einklang mit den Erfordernissen der Menschlichkeit lösen. Aber als wir Polen eroberten, haben wir weitere drei Millionen Juden geerbt […] Wir haben nicht genügend Kräfte, um in jedem Dorf Patrouille zu gehen und gleichzeitig zu kämpfen, und wir können es uns nicht erlauben, potenzielle Feinde von solcher Gerissenheit und Arglist in unserem Rücken zu dulden […] Doch wenn wir die Männer erschießen, bleibt niemand, der Frauen und Kinder ernähren kann. Die Wehrmacht hat nicht die Mittel, um Zehntausende von nutzlosen Jüdinnen und ihre Gören zu ernähren. Wir können sie aber auch nicht verhungern lassen, das sind bolschewistische Methoden. Angesichts dieser Umstände ist es tatsächlich die humanste Lösung, sie zusammen mit ihren Männern und Söhnen in unsere Aktionen einzubeziehen […] Die Judenkinder von heute sind die Saboteure, Partisanen und Terroristen von morgen.

Einer der SS-Offiziere hält sich einen jüdischen Jungen, der hervorragend Klavier spielt. Alle bewundern seine Kunst. Doch als er sich bei einem Unfall eine Hand quetscht, wird er wie die anderen Juden erschossen.

Die Juden in Kiew werden Ende September in die Schlucht von Babij Jar geführt und dort erschossen [Der Massenmord in Babij Jar]. Die Wehrmacht stellt dabei mehrere Kompanien für die erforderlichen Absperrungen. Aue erhält den Befehl, die verwundeten Juden zu töten, die den ersten Genickschuss überlebten.

Manchmal musste man, um an die Verwundeten heranzukommen, über die Leichen gehen, das war entsetzlich glitschig, das weiche, weiße Fleisch verschob sich unter meinen Stiefeln, die trügerischen Knochen brachen unter meinen Schritten und ließen mich straucheln, ich versank bis zu den Knöcheln in Schlamm und Blut.

An noch lebende Juden in tieferen Schichten kommt Aue nicht heran.

Er legt eine bebilderte Dokumentationsmappe für den Reichsführer-SS an und lässt sie von einem Häftling im Lager Syrez in Leder binden. Bald darauf wird er befördert.

Unter vorgehaltener Hand meinen einige der Beteiligten, der Mord an den Juden sei volkswirtschaftlich schädlich.

Er ist ein Verlustgeschäft, die reine Verschwendung. Das ist alles. Insofern kann er nur einen einzigen Sinn haben: den eines endgültigen Opfers, das uns für immer zusammenschweißt, das uns ein für alle Mal daran hindert, den Rückweg anzutreten. Verstehst du? Damit verlassen wir die Welt der Wette, eine Umkehr ist nicht mehr möglich. Der Endsieg oder der Tod.

In einem Krieg, wie ihn Peter der Große und Karl XII. führten, riskiert man nur einen kleinen Einsatz: Wenn man ihn verliert, hört man auf zu spielen. Doch wenn die ganze Nation Krieg führt, spielt sie um alles und muss den Einsatz ständig erhöhen, bis der totale Bankrott droht.

Nach Versuchen, Juden gruppenweise durch Explosionen zu töten, wird die Methode als ungeeignet verworfen. Stattdessen werden Lastwagen so umgerüstet, dass die Abgase in den hermetisch abgedichteten Laderaum geleitet werden. Das funktioniert, und die Vorgesetzten sind überzeugt, dass sich diese neue Methode positiv auf die Moral der Truppe auswirkt.

Unter den Deutschen breiten sich Ruhr, Gelbsucht und Diphterie aus. Aber die Kranken müssen bis zu 35 Kilometer am Tag mitmarschieren, denn wer zurückgelassen wird, den töten die Partisanen, und Transportmittel stehen nicht zur Verfügung.

Aue sieht, wie in der Aufregung versehentlich eine schwangere Frau erschossen wird. Ein beherzter Sanitäter rettet wenigstens das Kind durch einen Kaiserschnitt. Aber Untersturmführer Ott reißt dem Sanitäter das Baby aus den Armen, packt es an den Füßen und zerschmettert den kleinen Schädel an einer Ofenecke.

Die Zahl der Gehängten wächst. Aue weiß, dass der Vorgang des Erdrosselns eine Erektion hervorrufen kann. Bei einem Mann, dem die Hose herunterrutscht, beobachtet er, wie dieser im Augenblick des Sterbens ejakuliert. Die Toten lässt man zur Abschreckung der Bevölkerung hängen. Russische Partisanen drücken sich mit gesenktem Kopf vorbei, Kinder gaffen neugierig, und deutsche Soldaten fotografieren die Gehängten.

Aue muss sich häufig übergeben.

Als das Deutsche Reich den USA im Dezember 1941 den Krieg erklärt, wird darüber getuschelt, dass der Krieg vielleicht doch nicht ganz so erfolgreich enden könnte, wie man das ursprünglich erwartete.

Blobel tobt, als er erfährt, dass die Wehrmacht ihren Soldaten verbietet, sich an den Massentötungen zu beteiligen:

Diese Schweinehunde. Wollen sich die Hände nicht schmutzig machen, die Scheißkerle von der Wehrmacht. Wollen uns die ganze Drecksarbeit überlassen […] Wollen hinterher sagen können: „Oh nein, wie schrecklich. Wir waren das nicht. Das waren sie, die anderen, die Mörder von der SS. Wir haben damit nichts zu tun. Wir sind Soldaten, wir haben ehrenhaft gekämpft.“

Bald darauf wird Blobel von Standartenführer Dr. Erwin Weinmann als Kommandant des Sonderkommandos abgelöst.

Weil Aue kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht, schickt Weinmann ihn für zwei Monate zur Erholung auf die Krim. Dort trifft Aue zufällig Otto Ohlendorf wieder, seinen Amtschef in Berlin, der inzwischen die Einsatzgruppe D befehligt und seine Versetzung veranlasst. Aue braucht gar nicht mehr nach Charkow zurückzukehren, sondern bleibt gleich bei Ohlendorf in Simferopol auf der Krim und macht im Sommer 1942 den Vorstoß zum Kaukasus mit („Fall Blau“).

Im Spätherbst sitzt die 6. Armee in Stalingrad fest und aus dem Führerhauptquartier in Winniza kommen Gerüchte, Hitler sei mit den Nerven am Ende.

Es wird darüber diskutiert, wie mit den Bergjuden im Kaukasus, der jüdischen Bevölkerung in Dagestan und Aserbaidschan, umzugehen sei. Die Rassenexpertin Dr. Weseloh reist eigens an, um die Herkunft der Bergjuden zu klären. Aue gehört zu denen, die an eine Herkunft der Bergjuden aus Persien glauben. Demzufolge handelt es sich zwar um Angehörige des mosaischen Glaubens, nicht jedoch um Semiten. Aues Vorgesetzter, Dr. Walther Bierkamp, ärgert sich über den Ausgang der Diskussion und sorgt dafür, dass der SD-Offizier zur in Stalingrad eingekesselten 6. Armee versetzt wird.

Thomas Hauser ist bereits als Leiter IV in Stalingrad. Er wird Aues neuer Chef. Als er noch vom Erfolg des Kaukasus-Feldzugs ausging, ließ er sich freiwillig hierher versetzen, weil er sich davon einen weiteren Schub für seine Karriere versprach. Aues Aufgabe lautet, über Klatsch, Gerüchte und die Stimmung unter den Soldaten zu berichten.

Auch der mit Aue befreundet Oberstarzt Dr. Hohenegg ist in Stalingrad. Er will hier die Folgen von Unterernährung studieren.

Weil die Toten in dem hart gefrorenen Boden nicht begraben werden können, stapelt man sie wie Holz auf.

Dass es unter hungernden russischen Kriegsgefangenen zu Kannibalismus kommt, wundert die Deutschen nicht. Aber sie sind schockiert, als über einen erster Fall von Kannibalismus auf deutscher Seite berichtet wird.

Oberstleutnant Ilja Semjonowitsch Prawdin, ein gefangener zweiundvierzigjähriger Politruk, sagt bei seiner Vernehmung durch Aue:

Im Endeffekt sind unsere beiden Systeme gar nicht so verschieden. Im Prinzip jedenfalls […] schließlich habt ihr alles von uns übernommen, wenn auch lediglich in entstellter Form. Und ich spreche nicht nur von Symbolen wie der roten Fahne und dem Ersten Mai. Ich spreche von Begriffen und Ideen, die den Kern eurer Weltanschauung bilden […] Wo der Kommunismus nach der klassenlosen Gesellschaft strebt, predigt ihr die Volksgemeinschaft, was im Grunde genau das Gleiche ist, nur auf eure Grenzen beschränkt. Wo Marx im Proletariat den Träger der Wahrheit erblickt, ist für euch die sogenannte deutsche Rasse […] die Verkörperung des Guten und der Moral; infolgedessen habt ihr den Klassenkampf durch den proletarischen Kampf Deutschlands gegen die kapitalistischen Staaten ersetzt. Auch wirtschaftlich sind eure Ideen nur ein verzerrter Abklatsch unserer Werte […] Eure Verantwortlichen predigen nach wie vor das freie Unternehmertum, doch eure Industrien sind alle einem strikten Plan unterworfen […] Da ihr den Marxismus nicht imitiert habt, habt ihr ihn pervertiert. Die Ersetzung der Klasse durch die Rasse, die zu eurem proletarischen Rassismus führt, ist kompletter Unsinn […] rassischer Determinismus bei euch, wirtschaftlicher Determinismus bei uns, aber eben doch Determinismus […] Und beide schließen wir daraus, dass es objektive Feinde gibt, dass bestimmte Kategorien von Menschen legitimerweise beseitigt werden können und müssen, nicht aufgrund dessen, was sie tun oder sogar denken, sondern aufgrund dessen, was sie sind […] Für euch sind es die Juden, die Zigeuner, die Polen und, wenn ich mich nicht täusche, sogar die Geisteskranken; für uns die Kulaken, die Bourgeois, die Parteiabweichler. Im Grunde ist es ein und dasselbe […] Der kommunistische Mensch muss noch geschaffen und erzogen werden, genau wie eurer vollkommener Nationalsozialist. Und dieser zu schaffende Mensch rechtfertigt die unbarmherzige Liquidation all derer, die unerziehbar sind, rechtfertigt also den NKWD und die Gestapo, die Gärtner des Sozialwesens, die das Unkraut ausmerzen und den Nutzpflanzen Halt geben.

Aue infiziert sich mit einer Krankheit. Im Fieberwahn glaubt er, von der Gondel eines Luftschiffes aus seine nackte Schwester am Boden zu sehen. Er springt mit dem Fallschirm ab und fragt in einem Kurgan nach Una. Ein Zwerg und dessen einäugiger Bruder wollen sie heiraten.

In einem Krankenhaus des Deutschen Roten Kreuzes in Hohenlychen nördlich von Berlin kommt Max Aue wieder zu sich. Heinrich Himmler besucht ihn am Krankenbett und verleiht ihm einen Orden. Erst nach einer Weile begreift Aue, dass er einen Kopfdurchschuss erlitt und nur wie durch ein Wunder überlebte, nicht zuletzt, weil Hauser das auf seinem Bett liegende Schild „nicht transportfähig“ mit dem eines anderen Verwundeten tauschte und auf diese Weise erreichte, dass er rechtzeitig aus Stalingrad ausgeflogen wurde.

Allmählich gewinnt Aue seine Sprech- und Bewegungsfähigkeit zurück. Man verlegt ihn in das SS-Genesungsheim auf Usedom.

Er erfährt, dass sich General Friedrich Paulus am 31. Januar 1943 von den Russen gefangen nehmen ließ. Auch die übrigen Überlebenden der Schlacht um Stalingrad gerieten in Gefangenschaft.

Als der zum Sturmbannführer beförderte Max Aue seinen Förderer Mandelbrod besucht, klärt dieser ihn über die Herkunft des Begriffs „Nationalsozialismus“ auf:

Weißt du übrigens, dass der Begriff „Nationalsozialismus“ von einem Juden geprägt wurde, Moses Hess, einem Wegbereiter des Zionismus? Lies einmal sein Buch Rom und Jerusalem, du wirst sehen. Es ist sehr aufschlussreich. Und das ist kein Zufall: Was gibt es Völkischeres als den Zionismus? Wie wir haben sie erkannt, dass es Volk und Blut nicht ohne Boden geben kann und dass man daher die Juden, unvermischt mit allen anderen Rassen, in ihr Land, Erez Israel, zurückführen müsse. Das ist natürlich uraltes jüdisches Gedankengut. Die Juden sind die ersten wahren Nationalsozialisten.

Aue fragt, welche Rolle Mandelbrod und dessen Geschäftspartner Leland in der Politik spielen. Sie stünden dem Führer zur Seite, antwortet Mandelbrod ausweichend, füllten die Lücke zwischen dessen Entscheidungen und der Umsetzung durch den Reichsführer-SS.

Der Führer besaß noch immer das ungebrochene Vertrauen des Volkes, aber der Glaube an den Endsieg begann bei der Masse zu bröckeln.

Bei einer Massenveranstaltung am 21. März glaubt Aue, der Führer trage Schläfenlocken, und er kommt sich vor wie im Märchen vom Kaiser ohne Kleider. Sieht denn niemand außer ihm Hitlers Schläfenlocken?

Una kommt mit ihrem Ehemann Berndt von Üxküll nach Berlin und trifft sich mit ihrem Bruder. Sie hat auch kaum noch Kontakt zur Mutter, weiß aber, dass diese nach wie vor mit Aristide Moreau in Antibes lebt.

Aue nimmt den Nachtexpress nach Paris und fährt von dort nach Marseille. Am 26. April lässt er sich einen Passierschein für die italienische Zone ausstellen, zu der Antibes inzwischen gehört. Er besucht seine Mutter und seinen Stiefvater, die er nach neun Jahren erstmals wiedersieht, und wundert sich über die sieben oder acht Jahre alten Zwillinge Tristan und Orlando, die er im Haus antrifft. Sie kümmere sich um die verwaisten Kinder einer Freundin, erklärt Héloïse Moreau. Nachdem Aue am 28. April Holz gehackt hatte, stößt er im Morgengrauen auf die blutüberströmte Leiche seines Stiefvaters und die erdrosselte seiner Mutter. Von den Zwillingen fehlt jede Spur. Ohne den Doppelmord der Polizei zu melden, reist er noch am selben Tag ab und kehrt über Paris nach Berlin zurück.

Am 30. April fragt er im Hotel nach seiner Schwester, aber sie und ihr Mann sind bereits abgereist, und das Personal hat Anweisung, keine Adressen von Gästen herauszugeben. Deshalb übergibt Aue dem Portier einen Text, den dieser als Telegramm an Una von Üxküll schicken soll. Darin unterrichtet er seine Schwester über seine Reise nach Antibes und die beiden Toten. Una ruft ihn sofort an, nachdem sie das Telegramm erhalten hat, und erkundigt sich zu seiner Verwunderung als erstes nach den Zwillingen.

Max Aue wird dem persönlichen Stab des Reichsführers-SS zugeteilt. Heinrich Himmler empfängt ihn persönlich, um ihm seine Aufgabe zu erläutern: Die Konzentrationslager wurden inzwischen von Institutionen des Strafvollzugs in Einrichtungen zur Arbeitskräfte-Beschaffung umgewandelt. Aber die Sterblichkeitsquote in den KLs sei zu hoch, erklärt Himmler, und Aue müsse nun auf diesem Gebiet für Verbesserungen sorgen. Während des Gesprächs meint der Reichsführer-SS:

Diese Engländer sind Ungeheuer. Bombardieren Zivilisten, einfach so, ohne Unterschied. Nach dem Sieg werden sie wir als Kriegsverbrecher vor Gericht stellen.

Ein Büro richtet man Aue im ehemaligen Stadtpalais ein. Privat nimmt er sich ein Zimmer bei einer Witwe. Aue beginnt seine Arbeit und setzt sich dabei auch mit Adolf Eichmann zusammen, der als Chef der Reichszentrale für jüdische Auswanderung und die des Referats Auswanderung und Räumung im Reichssicherheitshauptamt die Deportation der Juden aus dem Reich koordiniert, um ihn auf die neuen Anforderungen hinzuweisen:

Die Juden, mit denen Sie befasst sind, sind heute eines der wichtigsten Reservoirs, aus dem der Arbeitseinsatz seinen Personalbestand auffüllen kann […] Abgesehen von ihnen, gibt es eigentlich nur noch die Fremdarbeiter, die wegen geringfügiger Vergehen verurteilt worden sind, und die Politischen, die aus von uns kontrollierten Ländern überstellt wurden. Alle anderen möglichen Quellen, die Kriegsgefangenen oder die vom Justizministerium bereitgestellten Straftäter, sind praktisch ausgetrocknet.

Während eines privaten Besuchs Aues räsoniert Eichmann über den kategorischen Imperativ. In Kriegszeiten könne dieser wohl nicht gelten, denn was man dem Feind zufüge, wolle man nicht selbst erleiden. Die Lösung lautet für Eichmann so:

Handle so, dass der Führer, wenn er von deinem Handeln Kenntnis hätte, dieses Handeln billigen würde.

Hauser weist seinen Freund Aue darauf hin, dass die Bevölkerung mehr wisse, als man glaube:

Es ist bemerkenswert, wie gut die Leute über die vermeintlichen Geheimnisse informiert sind, die Euthanasieprogramme, die Judenvernichtung, die Lager in Polen, das Gas, alles. Du hast in Russland nie von den KL in Lublin oder Schlesien gehört, aber der einfache Straßenbahnschaffner in Berlin oder Düsseldorf weiß, dass die Häftlinge dort verbrannt werden […] Ganz Deutschland ist heute ein riesiges Gespinst aus Gerüchten […] Die Informationen verbreiten sich mit irrsinniger Geschwindigkeit. Und die ganz Schlauen machen sich ihren Reim auf diese Gerüchte und gelangen zu erstaunlich genauen Schlussfolgerungen.

Um die Verhältnisse in den Konzentrationslagern zu inspizieren, reist Aue viel und lässt sich schließlich auch von Rudolf Höß die verschiedenen Lager in Auschwitz zeigen. Außerdem besichtigt er das Bunawerk der IG Farben, in dem KZ-Häftlinge beschäftigt sind. Höß unterrichtet ihn darüber, dass bei Transporten aus Westeuropa in der Regel mehr als die Hälfte der Neuankömmlinge arbeitsfähig sind, bei Transporten aus Osteuropa dagegen selten mehr als ein Viertel. Auch den Lagerarzt Josef Mengele lernt Aue kennen.

In allen Konzentrationslagern findet Aue Hinweise auf Unterschlagungen, Bereicherungen und die Vertuschung von Gewalttaten durch Führungskräfte.

Heinrich Himmler wird am 24. August 1943 zum Reichsinnenminister ernannt, führt aber auch die Aufgaben des Reichsführers-SS weiter. Obwohl er alle Hände voll zu tun hat, empfängt er Aue zum Rapport über die Inspektionsreise durch die Lager. Aue berichtet nicht nur über die Korruption, sondern auch darüber, dass die altgedienten Führer durch die neue wirtschaftliche Bedeutung der Lager überfordert sind und weist auf Koordinierungsprobleme in der Verwaltung hin, die beispielsweise dazu führten, dass wichtige Beschlüsse über eine Minimalverpflegung der arbeitenden Häftlinge nicht umgesetzt wurden. Daraufhin erhält Aue auf der Stelle von Himmler die Aufgabe, als „Sonderbeauftragter des Reichsführers-SS für den Arbeitseinsatz“ eine abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe zur Lösung des Verpflegungsproblems zu bilden. Er ist überglücklich: Endlich kann er etwas bewegen und einen eigenen Beitrag zur Kriegsanstrengung des Deutschen Reiches leisten. Sein Büro befindet sich nun im Reichsinnenministerium am Königsplatz in Berlin.

Am 6. Oktober 1943, zwei Tage nachdem Heinrich Himmler im Goldenen Saal des Posener Schlosses vor SS-Offizieren eine wichtige Ansprache über die Erfordernisse der Judenvernichtung hielt, fährt Aue ebenfalls nach Posen. Mandelbrod stellt ihm in seinem Salonwagen Hitlers Architekten Albert Speer vor, der seit 2. September 1943 Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion ist und jetzt sowohl Hermann Göring als auch Joseph Goebbels an Bedeutung übertrifft. Speer interessiert sich für Aues Arbeit, denn er benötigt dringend mehr Arbeitskräfte.

In Krakau, der Hauptstadt des Generalgouvernements, ist Aue dabei, als der Generalgouverneur Hans Frank dem Reichsführer-SS das Architekturmodell eines „Menschengartens“ zeigt. Frank plant eine Mischung aus Zoo und Hagenbecks Völkerschauen, in der er ausgestorbene Menschenrassen wie zum Beispiel Juden als Anschauungsmaterial für wissenschaftliche Zwecke halten will.

Nachdem Aue in eine möblierte Wohnung umgezogen ist, fährt er mit der Straßenbahn ins Büro. Dabei fällt ihm eine Blondine auf. Er kommt mit ihr ins Gespräch – sie heißt Helene Anders – und verabredet sich mit ihr. Trotz seiner Homosexualität freunden sie sich miteinander an. Allerdings versucht er nicht, sie zu berühren. Helenes Ehemann Hans wurde 1942, nach knapp einem Jahr Ehe, von Partisanen in Jugoslawien getötet.

Aues Büro wird durch einen Volltreffer zerstört; in seiner Wohnung zersplittern bei dem Luftangriff die Fenster, und die Türe wird aus den Angeln gerissen. Er gibt einer Nachbarin Geld und bittet sie, aufzuräumen und die erforderlichen Reparaturen durchführen zu lassen. Dann zieht er vorübergehend ins Hotel.

Man befördert ihn zum Obersturmbannführer.

Die Kriminalkommissare Weser und Clemens vom Referat V B 1 (Kapitalverbrechen) kommen unangemeldet zu Max Aue ins Büro. Im Mordfall Aristide und Héloïse Moreau liegt ein Rechtshilfeersuchen der französischen Polizei vor. Die Leichen wurden am 1. Mai vom Milchmann entdeckt, und die Gestapo Marseille meldete, dass Aue sich am 26. April einen Passierschein für die italienische Zone hatte ausstellen lassen. Er behauptet, seine Mutter und sein Stiefvater hätten noch gelebt, als er am 29. April abreiste. Von ihrem Tod habe er durch einen Telefonanruf seiner Schwester erfahren.

Im Dezember 1943 fliegt Aue mit Speer nach Nordhausen. Sie besichtigen die unterirdischen Anlagen des zum KZ Buchenwald gehörenden Lagers Mittelbau-Dora. Speer und Aue sind entsetzt über die unbeschreiblichen Zustände, aber der Kommandant, SS-Sturmbannführer Otto Förschner, rechtfertigt sich damit, dass sein Budget nicht für Verbesserungen ausreiche.

Als Helene ihn an Silvester 1943 stürmisch küsst, ist Max Aue verwirrt über seine Gefühle.

Richter Baumann am SS- und Polizeigericht Berlin ersucht den Innenminister und Reichsführer-SS um die Genehmigung, Aue im Mordfall Aristide und Héloïse Moreau vernehmen zu dürfen. Heinrich Himmler lässt seinen Sonderbeauftragten kommen, fordert ihn auf, seine Sicht der Dinge zu schildern und weist dann die gerichtliche Anfrage zurück.

Während eines Einsatzes in Ungarn im März 1944 erfährt Aue, dass Hitler das ungarische Staatsoberhaupt Miklós Horthy auf Schloss Klessheim bei Salzburg empfing und ihm die Zusage abrang, Gesetze gegen die Juden zu erlassen.

Als er wieder nach Berlin zurückkommt, sind zum dritten Mal seine Fensterscheiben bei einem Luftangriff zerbrochen.

Er wird von einem Fieber heimgesucht und für einen Monat krankgeschrieben. Helene lässt es sich nicht nehmen, ihn zu pflegen – und sieht ihn dabei erstmals nackt.

Nach dem Stauffenberg-Attentat am 20. Juli 1944 werden einige von Helenes Kollegen verhaftet. Sie will ihnen unbedingt beistehen, aber Aue warnt sie: das sei sinnlos und riskant. Während seiner Genesung liest Aue Mars-Abenteuerromane von Edgar Rice Burroughs und lässt sich davon zu einem Memorandum an Heinrich Himmler über soziale Reformen nach dem Krieg inspirieren:

Die Frauen und Kinder im Gefolge eines Mannes sind wie eine militärische Einheit, für die er in jeder Hinsicht verantwortlich ist: Ausbildung, Disziplin, Verpflegung …

Anfang November 1944 wird Aues Wohnung durch eine Bombe zerstört. Im Februar 1945 fangen die Amerikaner an, nicht nur im Schutz der Nacht, sondern auch am helllichten Tag Luftangriffe zu fliegen. Bei einem davon erhält Aue einen Schlag auf den Kopf. Benommen lässt er seinen Fahrer Piontek Richtung Stettin fahren und dann weiter zum Gut seines Schwagers Berndt von Üxküll.

Das Ehepaar ist in der Schweiz. Eine Frau namens Käthe, die als Köchin auf dem Gut arbeitet und sich während der Abwesenheit der Herrschaft um das Anwesen kümmert, händigt Aue – beeindruckt von seiner Uniform – die Schlüssel aus und kocht abends für ihn. Piontek schickt er nach Berlin zurück.

Kurz darauf fliehen die Bewohner des nahen Dorfes vor den Russen, und Aue bleibt allein in dem Herrenhaus. Da er nicht über ein Radio verfügt, erfährt er nichts über das Kriegsgeschehen. Er trinkt Wein aus dem Keller und malt sich aus, mit Una allein zu sein, hält sich ein Kleid von ihr vor und betrachtet sich im Spiegel. Aus einem Schreiben, das er in Üxkülls Arbeitszimmer findet, geht hervor, dass der Komponist seinen Vater kannte. Offenbar handelte es sich um ein Mitglied des Freikorps Roßbach. Der Vater kämpfte im Kurland, befehligte eine Horde von Bestien und ließ vergewaltigte Frauen an Bäumen kreuzigen.

Als die Kriminalkommissare Weser und Clemens auftauchen, verlässt Aue das Haus durch einen Hinterausgang und versteckt sich in den Büschen, bis sie wieder wegfahren.

Thomas Hauser, inzwischen Standartenführer, kommt mit Piontek, um Max Aue abzuholen. Dessen Urlaub ist seit einer Woche abgelaufen. Man sucht ihn bereits wegen Fahnenflucht.

Unterwegs kommt ihnen plötzlich ein russischer Panzer entgegen. Sie werden beschossen, entkommen jedoch, bis sie in einen Flüchtlingstreck geraten und erneut auf Russen treffen. Im letzten Augenblick lassen sie den Wagen stehen und verstecken sich im Wald neben der Straße. Die Panzer zermalmen die Fuhrwerke und das Auto, Menschen und Pferde.

Hauser, Aue und Piontek schlagen sich zu Fuß weiter durch. Nachts marschieren sie, tagsüber verstecken sie sich. In den abgebrannten Dörfern liegen Leichen. Die Frauen wurden offenbar von den Russen vergewaltigt. Damit sie nicht als hohe SS-Offiziere erkannt werden, wenn sie den Russen in die Arme fallen, vernichtet Hauser die Ausweispapiere und trennt die Rangabzeichen ab.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Nachdem sie die Bahnlinie Treptow – Kolberg überquert haben, werden sie im Schlaf von einer Horde Kinder überrascht. Es handelt sich um etwa siebzig Volksdeutsche, die gegen die Rote Armee kämpfen wollen. Die Kinder halten die drei Deutschen für Deserteure. Als Piontek die Nerven verliert und nach seiner Maschinenpistole greift, zerschlagen ihm die Kinder mit einer Hacke das Gesicht und zertrümmern ihm mit einem Knüppel den Schädel. Machtlos müssen Hauser und Aue dabei zusehen. Hauser behauptet, er und sein Kamerad bildeten ein dem Führer direkt unterstelltes Geheimkommando. Über das Feldtelefon der Kinder lässt er sich mit Berlin verbinden, tut so, als spreche er mit Hitler und reicht den Hörer dem Anführer der Horde. Der glaubt, mit dem Führer zu sprechen und nimmt den Befehl entgegen, Hauser und Aue durch die russischen Linien zu schleusen.

In Berlin erfährt Aue, dass seine Arbeitsgruppe aufgelöst wurde. Die Akten sind archiviert. Für ihn gibt es keine Verwendung.

Im Adlon trifft er auf Mihai, mit dem er früher einmal Sex hatte. Weil Mihai nicht aufhört, ihn anzumachen, lockt er ihn in die Toilette und ermordet ihn dort brutal.

Hauser gibt den Krieg verloren, glaubt jedoch, dass sich die Alliierten nach dem Sieg entzweien werden und die Westmächte dann mit deutscher Hilfe ein Bollwerk gegen den Bolschewismus errichten werden. Für die Niederlage hat er vorgesorgt, indem er einen französischen Fremdarbeiter ermordete und Papiere und Kleidung an sich nahm.

Ende April 1945 wird Aue in den Führerbunker gerufen. Dort hört er Gerüchte, Magda Goebbels beabsichtige, ihre acht Kinder zu vergiften. Endlich betritt Hitler den Raum. Sein Arm zittert so stark, dass er ihn nicht zum Gruß heben kann. Er verteilt Orden.

Ich hatte noch nie bemerkt, wie groß und unproportioniert diese Nase war […] eine slawische oder böhmische Nase, fast mongolisch-ostisch […] Der Führer näherte sich, und ich ließ ihn nicht aus den Augen. Dann stand er vor mir. Erstaunt stellte ich fest, dass mir seine Mütze kaum bis an die Augen reichte; dabei bin ich nicht besonders groß. Er murmelte sein Kompliment und suchte zitternd nach dem Orden. Sein ekliger Atem gab mir den Rest. Das war wirklich mehr, als ich ertragen konnte. Da beugte ich mich vor und biss ihm aus Leibeskräftigen in seine Knollennase.

Hitler schreit auf und flüchtet in Martin Bormanns Arme. Andere stürzen sich auf Aue, reißen ihn zu Boden und schlagen ihn zusammen. Er wird festgenommen. Gestapo-Chef Heinrich Müller vernimmt ihn persönlich. Ein Häftling namens Hermann Fegelein wird am 27. April zu Aue in die Zelle gesperrt. Erst später erfährt er, dass es sich um Hitlers Schwager handelte. Er selbst wird abgeholt und zu einem Auto gebracht. Drei Polizisten bewachen ihn. Unterwegs wird der Wagen von einer russischen Granate getroffen. Aue erschlägt den einzigen überlebenden Polizisten mit einem Stein und flüchtet in ein Lazarett, das in einer U-Bahn-Station eingerichtet wurde.

Dort trifft er auf die Kriminalkommissare Weser und Clemens. Sie erzählen ihm, wie sie die Ereignisse Ende April 1943 in Antibes rekonstruierten. Aue kam am 27. April zu seiner Mutter und seinem Stiefvater. Am Tag darauf hackte er Holz und nahm anschließend die Axt mit in die Küche. In der Nacht erschlug er damit Aristide Moreau. Dann erdrosselte er seine Mutter. Warum er die Zwillinge nicht tötete, bei denen es sich offenbar um Una von Üxkülls Kinder handelt, können die Polizisten nicht erklären. Jedenfalls, so erzählen sie weiter, habe er seine blutige deutsche Zivilkleidung in die Badewanne geworfen und am nächsten Morgen seine Uniform angezogen. Dann sei er abgereist. Am 30. April habe er in Berlin ein Telegramm an seine Schwester aufgegeben und sie über den Tod des Ehepaares Moreau informiert. Weser und Clemens sind überzeugt, einen Doppelmörder vor sich zu haben, und weil die Gerichtsbarkeit zusammengebrochen ist, wollen sie ihn nun selbst richten. Bevor sie jedoch dazu kommen, wird Weser von einem russischen Schuss getötet.

Aue flüchtet zu Mandelbrod. Dessen Assistentinnen haben sich alle drei erschossen. Mandelbrod und Leland packen gerade. Sie wollen den Russen ihre Dienste anbieten.

Im Tiergarten versperrt Clemens Aue erneut den Weg. Der Kriminalkommissar hebt die Waffe, um ihn zu erschießen. Ein Schuss knallt. Aber statt Aue sinkt Clemens tot um, denn im letzten Augenblick ist Thomas Hauser zur Stelle.

Während Hauser sich über die Leiche des Kommissars beugt, hebt Aue eine schwere Eisenstange auf und schlägt damit seinen Freund in den Nacken. Hauser ist auf der Stelle tot. Aue zieht Hausers Uniformjacke an, lässt seine Ausweise in der, die er zurücklässt, nimmt die französischen Papiere und Hausers Schlüssel an sich und verlässt den Tiergarten.

Nach dem Krieg gibt Aue sich als Franzose aus. Er erpresst einen Franzosen, von dem er weiß, dass er mit den Nationalsozialisten kollaborierte, ihm eine Anstellung zu verschaffen und macht Karriere in einem Unternehmen, das Spitze webt. Als in Nordfrankreich ein zweites Werk eröffnet wird, übernimmt Aue die Leitung. Um seine gesellschaftliche Stellung zu festigen, heiratet er eine repräsentable Frau und zeugt mit ihr Zwillinge.

Während er früher des Öfteren Durchfall hatte, leidet er jetzt unter Verstopfung. Noch immer passiert es ihm, dass er sich nach dem Essen übergeben muss.

Nun schreibt er seine Erinnerungen auf. Wozu er das tut, weiß er selbst nicht so recht.

Er veranschaulicht die Zahl der Kriegstoten ebenso wie die der ermordeten Juden und relativiert sie zugleich, indem er sie mit den Opfern im Algerienkrieg vergleicht. Aue kritisiert, dass im Nürnberger Prozess gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ verstoßen wurde. Eine klare Grenzziehung zwischen militärischen Operationen und Gräueltaten hält er für unmöglich.

Ich berufe mich nicht auf den von unseren braven deutschen Anwälten so hoch geschätzten Befehlsnotstand. Was ich getan habe, geschah in klarer Erkenntnis der Sachlage, in der festen Überzeugung, es sei meine Pflicht, es sei unumgänglich, mochte es auch noch so unangenehm und betrüblich sein. Der totale Krieg bedeutet auch, dass es den Zivilisten nicht mehr gibt, und zwischen dem jüdischen Kind, das vergast oder erschossen wurde, und dem deutschen Kind, das den Brandbomben zum Opfer fiel, gibt es nur den Unterschied der Mittel; beide Tode waren gleich vergeblich.

Aue hält Sadisten für die Ausnahme; er ist überzeugt, dass jeder schuldig werden kann. Wer es im Zweiten Weltkrieg nicht wurde, hatte Glück.

Die wirkliche Gefahr – vor allem in unsicheren Zeiten – sind die gewöhnlichen Menschen, aus denen der Staat besteht. Die wirkliche Gefahr für den Menschen bin ich, seid ihr.

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In seinem Debütroman „Die Wohlgesinnten“ („Les bienveillantes“, Die Wohlmeinenden) verknüpft Jonathan Littell (* 1967) eine fiktive Biografie mit realen Figuren und tatsächlichen Ereignissen in den Jahren 1941 bis 1945. Damit veranschaulicht er die Haltung der Nationalsozialisten und Mitläufer im Holocaust, die Brutalität des Krieges, die Situation der bei Stalingrad eingeschlossenen 6. Armee, den Untergang des „Dritten Reichs“ und Kriegsverbrechen der Roten Armee. Als (fiktiven) Ich-Erzähler lässt er einen der Täter auftreten, einen intellektuellen, homosexuellen SS-Offizier, der 1941 mit der Einsatzgruppe C in die Ukraine vorrückt, 1943 schwer verwundet aus dem Kessel von Stalingrad ausgeflogen wird und danach als Sonderbeauftragter des Reichsführers-SS für eine Optimierung des Arbeitseinsatzes von KZ-Häftlingen zu sorgen hat. Anfangs ist dieser Dr. Maximilian Aue, der übrigens am selben Tag wie Jonathan Littell Geburtstag hat (10. Oktober), mehr Beobachter und Berichterstatter, dann wird er zunehmend zum Mittelpunkt einer Kriminalhandlung, die nichts mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun hat. Das Besondere an „Die Wohlgesinnten“ ist neben der Täterperspektive die ungeheure Fülle von Tatsachen, die Jonathan Littell in die Handlung eingewebt hat. Damit liefert er ein monströses Panorama. „Die Wohlgesinnten“ veranschaulicht das Geschehen. Alles, was Jonathan Littell zeigt, ist in Sach- und Fachbüchern nachzulesen. Aber in „Die Wohlgesinnten“ wird das Abstrakte konkret, anschaulich und emotional.

Er [Jonathan Littell] will das Medium des moralistisch reflektierenden Romans so sinnlich machen wie Pornofilme, so schreckenerregend wie Horrorvideos. Er hat die Literatur nicht auf Pornoniveau heruntergebracht, sondern sie um die Sinnlichkeit der filmischen Pornographie bereichert. (Wilfried Wiegand, Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Jonathan Littell ist überzeugt, dass der Holocaust nicht das Werk von Sadisten war, sondern von Durchschnittsmenschen organisiert und durchgeführt wurde, die glaubten, ihre Pflicht erfüllen und Befehlen gehorchen zu müssen. Schuldig wurden dabei nicht nur die Mitglieder von Erschießungskommandos, sondern auch alle anderen, die den Holocaust ermöglichten, zum Beispiel durch den Einsatz von Güterzügen oder die Errichtung von Absperrungen.

Wie der Arbeiter nach Marx dem Produkt seiner Arbeit entfremdet wird, so wird der Befehlsempfänger im Genozid oder im totalen Krieg moderner Prägung dem Produkt seines Handelns entfremdet.

Obwohl Jonathan Littell offenbar davon überzeugt ist, dass jeder zum Mörder werden kann, wenn er durch Autoritäten dazu aufgefordert wird (Milgram-Experiment), schildert er das Geschehen aus der Sicht eines SS-Offiziers, einer Figur, die es so wohl kaum gegeben hat. Aber wenn die Täter austauschbar sind, wäre eine analytische Betrachtung angemessener als die Erinnerungen einer bestimmten Person.

„Die Wohlgesinnten“ kommt nicht ohne Effekthascherei aus. Dazu gehören obszöne Details, Fäkalien und abscheuliche Taten.

Die Kapitelüberschriften sind den Tänzen einer barocken Suite entnommen: Allemande, Courante, Sarabande, Menuet en rondeaux, Air, Gigue. Die Erzählung verläuft chronologisch, bis auf eine Art Ouvertüre mit der Überschrift „Toccata“, die dem Geschehen zeitlich folgt und in der Gegenwart des Ich-Erzählers angesiedelt ist.

Der Titel „Die Wohlgesinnten“ spielt auf eine griechische Tragödie an: Orest ermordet im Einvernehmen mit seiner Schwester Elektra die Mutter Klytämnestra und deren Geliebten Aigisthos, weil diese den Vater Agamemnon töteten. Orest wird daraufhin von den Erinnyen verfolgt, bis die Göttin Athene die Rachegöttinen besänftigt und sie zu Euminiden – Wohlgesinnten – werden. Auch im Roman „Die Wohlgesinnten“ scheint der Protagonist seine Mutter und den verhassten Stiefvater ermordet zu haben, weil sie den Vater für tot erklären ließen.

In Frankreich wurde der Roman „Die Wohlgesinnten“ im Herbst 2006 begeistert aufgenommen und schließlich mit dem Prix Goncourt und dem Grand Prix du Roman der Académie Française ausgezeichnet. In Nordamerika stieß das Buch jedoch eher auf Ablehnung, und in Deutschland, wo die Übersetzung von Hainer Kober im Frühjahr 2008 herauskam, scheiden sich die Geister.

Iris Radisch verabscheut „Die Wohlgesinnten“ als „eine Bibliotheksfantasie, ein gebildetes und größenwahnsinniges Spiel mit Unmengen von Archivmaterialien“:

Warum gibt es so viel Aufregung über ein literarisch mittelmäßig bis dürftig geratenes, 1400 Seiten starkes Debüt eines bis vor Kurzem gänzlich unbekannten Autors? Die Antwort liegt auf der Hand. Das Buch ist eine strategische Provokation. Wäre dieses Buch einer der üblichen historischen Thriller, zu denen es seiner sprachlichen Ambition nach zu rechnen ist, wäre es bereits wieder in den Katakomben der Unterhaltungsliteratur verschwunden, Seite an Seite mit ungezählten anderen Wälzern voller splitternder Hirnschalen, ejakulierender Gehenkter, purpurroter Erwürgter und aufgeschlitzter Soldaten […] Warum sollen wir dieses Buch eines schlecht schreibenden, von sexuellen Perversionen gebeutelten, einer elitären Rasseideologie und einem antiken Schicksalsglauben ergebenen gebildeten Idioten um Himmels willen dennoch lesen?
(Iris Radisch, „Die Zeit“, 14. Februar 2008).

Frank Schirrmacher schreibt dagegen über „Die Wohlgesinnten“:

Was ist das für ein Buch? Es ist zunächst, und dafür spricht fast alles, ein Buch von einer unerhörten Präzision. Littell hat die Quellen in einer bislang beispiellosen Weise in sein Werk integriert.
Wer dieses Buch gelesen hat, der hat eintausenddreihundert Seiten lang einem jener Mörder zugehört, die unter den Namen Höß, Eichmann oder Hans Frank nicht nur in unserer historischen sondern auch in unserer literarischen Erinnerung firmieren. Sie alle haben Texte und Wortprotokolle hinterlassen, und sie alle soufflieren in Littells Buch. Freunde des mehrfachen Schriftsinns, des literarischen Echos, Philologen historischer Ausrichtung haben überhaupt erst begonnen, Littells Buch auf seine unzähligen Quellen, Querverweise und Stimmen abzuhören.
(Frank Schirrmacher, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, Lesesaal)

Zu den begeisterten Stimmen gehört die von Jorge Semprun:

Das Buch hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Es ist ein Meisterwerk. Man macht es sich zu einfach, wenn man gewisse Schwächen dieses Romans kritisiert: die Längen und die Wiederholungen. Das interessiert mich nicht. Zwei Eigenschaften machen diesen Roman zu etwas ganz Besonderem. Erstens die Tatsache, dass es Littell gewagt hat, den Henker zur Hauptfigur und zum Icherzähler zu machen. Das ist neu, das hat es so direkt und ohne Distanzierung nicht gegeben, man kann das nicht wirklich mit Robert Merles frühem, sehr französischen Buch vergleichen, in dem ebenfalls ein Henker das Wort ergreift. Und wirklich außergewöhnlich ist die Art und Weise, wie es Littell schafft, eine umfassende historische Dokumentation zu verarbeiten und daraus ein schöpferisches Werk zu machen. Sein Buch lebt von der Authentizität, aber es ist ein Roman aus Fleisch und Blut.
(Jorge Semprun im Interview mit Jürg Altwegg, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 8. Februar 2008)

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Louis Begley - Wie Max es sah
In Louis Begleys glänzend erzähltem Roman "Wie Max es sah" geht es um die Balance zwischen menschlicher Nähe und Distanz, Anteilnahme und Beziehungslosigkeit.
Wie Max es sah

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.