Solaris

Solaris

Solaris

Originaltitel: Solaris - Regie: Steven Soderbergh - Drehbuch: Steven Soderbergh, nach dem Roman "Solaris" von Stanislaw Lem - Kamera: Steven Soderbergh alias Peter Andrews - Schnitt: Steven Soderbergh alias Mary Ann Bernard - Musik: Cliff Martinez - Darsteller: George Clooney, Natascha McElhone, Viola Davis, Jeremy Davies, Ulrich Tukur, John Cho, Morgan Rusler, Shane Skelton, Donna Kimball, Michael Ensign, Elpidia Carrillo, Kent Faulcon, Lauren Cohn, Annie Morgan, Jude S. Walko u.a. - 2002; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Als der Psychologe Chris Kelvin auf der Raumstation "Prometheus" eintrifft, die zu Forschungszwecken um den fernen Planeten Solaris kreist, findet er zwei überlebende Besatzungsmitglieder vor, die völlig verstört sind. Plötzlich glaubt Chris, seine frühere Freundin Rheya wahrzunehmen. Aber das kann nicht sein, denn sie nahm sich vor einiger Zeit das Leben ...
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Kritik

Auf die Konfrontation der menschlichen mit einer andersartigen Intelligenz – das Hauptthema der Romanvorlage "Solaris" – geht Steven Soderbergh in seiner Verfilmung kaum ein. Stattdessen veranschaulicht er erkenntnistheoretische Fragen durch eine tragische Liebesgeschichte.
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Der Psychologe Chris Kelvin (George Clooney) erhält eine Videobotschaft von Commander Gibarian (Ulrich Tukur), der sich an Bord des Raumschiffes „Prometheus“ befindet, das den fernen Planeten Solaris umkreist, um unerklärliche Phänomene zu erforschen. Die Besatzung habe Probleme, teilt Gibarian mit und bittet Chris, zu ihm zu kommen, sagt aber nicht, um welche Schwierigkeiten es sich handelt. Obwohl Chris erfährt, dass ein Hilfskommando, das unlängst zu Solaris aufbrach, verschollen ist, macht er sich auf den Weg.

Niemand heißt ihn an Bord der „Prometheus“ willkommen. Vorsichtig tastet Chris sich vorwärts. In einem Kühlraum findet er die Leiche von Gibarian und die eines anderen Besatzungsmitglieds. An der Decke sind Blutspuren. Dann hört er Musik, und als er dem Klang nachgeht, trifft er auf den zappeligen Astronauten Snow (Jeremy Davies), der in einem Kontrollraum sitzt und eine CD aufgelegt hat. Snow behauptet, Gibarian habe sich selbst umgebracht, der andere Kollege sei von einem Kommando getötet worden. Snow und die afroamerikanische Physikerin Dr. Gordon (Viola Davis) scheinen die einzigen Überlebenden der Crew zu sein. Chris versucht, mit Dr. Gordon zu reden, aber sie öffnet die Tür ihrer Kabine nur einen Spalt und lässt ihn nicht hinein. Offenbar hat sie panische Angst. Doch weder sie noch Snow wollen Chris sagen, was an Bord los ist.

In einem Korridor sieht Chris einen Jungen, aber der läuft fort, bevor Chris ihn erreicht. Es handele sich um Gibarians Sohn Michael (Shane Skelton) erklärt Snow. Wie soll er an Bord gekommen sein?

Zum Schlafen schließt Chris sich in seiner Kabine ein. Er träumt von seiner Ehefrau Rheya (Natascha McElhone), wie er sie zum ersten Mal in einem Zug sah, aber auch wie sie vor einigen Jahren nach einem Streit mit ihm eine Überdosis Schlaftabletten schluckte und sich das Leben nahm. Da spürt er eine zarte Frauenhand auf seiner Schulter. Träumt er noch? Rheya sitzt neben ihm. Nicht als Traum, sondern als unbegreifliche Realität. Chris fragt das Phänomen, das seiner Frau täuschend ähnlich sieht, nach Erlebnissen, von denen nur er und Rheya wissen, und erhält die richtigen Antworten. Trotzdem weiß er, dass es sich nicht um Rheya handeln kann, denn sie ist tot. Voller Angst lockt er die Erscheinung in den Schleusenraum und schießt sie mit einer Rakete ins All.

Jetzt versteht er, warum Snow und Dr. Gordon so verstört sind. Sie werden ebenfalls von „Gästen“ heimgesucht.

Als Chris sich wieder schlafen legt, taucht Rheya erneut auf. Sie erinnert sich nicht, wie sie herkam und versucht, ihm zu erklären, dass sie zwar wie in einem Film Erinnerungen an früher sehe, aber zugleich fühle, dass sie nichts davon wirklich selbst erlebte. Woher kommen diese Gedanken?, fragt sie sich.

Dr. Gordon hat ein Gerät entwickelt, mit dem ihr und Snows Besucher vernichtet werden konnten, und sie besteht darauf, auch die Kopie von Rheya zu zerstören. Andernfalls würden sie bei einer Rückkehr zur Erde riskieren, dass sich das unerklärliche Phänomen dort massenhaft wiederholt. Chris will auf keinen Fall, dass Rheyas Kopie etwas angetan wird, denn er sieht eine Chance, seine Schuld am Selbstmord seiner Frau wiedergutzumachen.

Obwohl Gibarian tot ist, setzt er sich zu Chris und fragt, wieso dieser sich so sicher sei, dass er eine Kopie vor sich habe. Vielleicht sei es umgekehrt und Chris existiere nur in Gibarians Vorstellung.

Rheya begreift, dass sie nichts anderes ist als eine Materialisation von Chris‘ Gedanken und Erinnerungen. In ihrer Verzweiflung trinkt sie flüssigen Sauerstoff und stirbt. Kurz darauf kommt sie wieder zu sich. Sie überredet Chris, sich hinzulegen und auszuruhen. Währenddessen sucht sie Dr. Gordon auf und lässt sich von ihr vernichten. Auf einem Video hinterlässt sie Chris die Nachricht, dass sie ihren Tod selbst gewünscht habe.

Chris entdeckt einen neuen Blutfleck – und stößt auf Snows Leiche: Er hat sich umgebracht. Kurz darauf steht Snow oder eine Kopie von ihm neben ihm und erzählt, wie er sein Ebenbild ermordete.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Snow hält Chris und Dr. Gordon nicht davon ab, ihre Raumanzüge anzulegen und in die Kapsel zu klettern, mit der Chris andockte. Sie kehren zur Erde zurück, während die „Prometheus“ in das Plasma-Meer auf Solaris stürzt, weil Dr. Gordons Apparatur die Brennstoffzellen leer gesaugt hat.

Chris weiß nicht, wie lang er fort war. Er steht wieder in der Küche und schneidet Gemüse wie vor seinem Aufbruch zu Solaris. Dann glaubt er, wieder an Bord des Raumschiffes zu sein und schwitzend in einer Ecke eines Korridors zu kauern. Als er die Augen öffnet, steht Gibarians Sohn vor ihm und reicht ihm langsam die Hand, um ihm beim Aufstehen zu helfen: Die Hände nähern sich wie auf dem Deckengemälde von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle. Im nächsten Augenblick befindet Chris sich wieder in seiner Küche, und Rheya sagt zu ihm, es sei alles vergeben. Sie umarmen und küssen sich.

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Obwohl der 1961 von dem polnischen Schriftsteller Stanislaw Lem (1921 – 2006) veröffentlichte Roman „Solaris“ bereits 1972 von dem russischen Regisseur Andrej Tarkowskij verfilmt worden war („Solaris“), wagte sich der Amerikaner Steven Soderbergh gut dreißig Jahre später an eine weitere Adaptation der literarischen Vorlage fürs Kino. Dabei verwahrte er sich gegen die Unterstellung, bei seinem Film handele es sich um ein Remake und sprach stattdessen von einer „Neuinterpretation“ des Romans „Solaris“.

Andrej Tarkowskij setzte mit seinem schlichten, spröden, zweieinhalb Stunden langen Film Maßstäbe für das Science-Fiction-Genre. Zwar verlagerte er den Akzent von den erkenntnistheoretischen Fragestellungen zum persönlichen Konflikt des Protagonisten, aber sein Film kommt der Vielschichtigkeit des Romans nah.

Steven Soderbergh entfernt sich sehr viel weiter von der Vorlage. Auf die Konfrontation der menschlichen mit einer andersartigen Intelligenz – das Hauptthema des Buches – geht er kaum ein. Es lässt Snow nur den sarkastischen Satz sagen: „Wir wollen keine neuen Welten, wir wollen Abbilder.“ Stattdessen stellt er eine tragische Liebesgeschichte in den Mittelpunkt. Anders als Andrej Tarkowskij zeigt er keine Frau, die wie eine Marionette wirkt, sondern lässt Chris‘ materialisierte Vorstellung von Natascha McElhone lebendig und eigenständig darstellen. In Rückblenden, die er geschickt als Parallelmontagen in das Geschehen integriert, erzählt Steven Soderbergh, was vor Rheyas Tod geschah.

Es geht in dieser Verfilmung von „Solaris“ vor allem um Liebe und die Selbstfindung eines Mannes, der im entscheidenden Augenblick nicht bemerkte, in welcher Not seine Frau sich befand und sich schuldig fühlt, weil sie sich daraufhin das Leben nahm.

Viele Kritiker werfen Steven Soderbergh vor, eine seichte „Solaris“-Version gedreht zu haben. Es trifft zwar zu, dass der Film dem philosophischen Gehalt der literarischen Vorlage nicht entspricht, aber die Verrisse halte ich nicht für berechtigt, denn Steven Soderberghs „Solaris“ wirft Fragen auf, die über eine triviale Liebesgeschichte hinausgehen: Man kann „Solaris“ als Reflexion über das Verhältnis von Fiktion und Realität verstehen, als Warnung vor der Suggestivkraft der Bilder – auch im Kino. Was ist wirklich? Was können wir von anderen Menschen wissen? Sind wir in der Lage, uns ein objektives Bild von anderen Menschen zu machen oder ist unsere Wahrnehmung nicht eher eine Projektion eigener Vorstellungen?

Sehenswert ist „Solaris“ auch wegen der ästhetischen Filmsprache von Steven Soderbergh (der unter den Pseudonymen Peter Andrews und Mary Ann Bernard auch für Kamera und Schnitt verantwortlich ist). In den ersten Minuten, die auf der Erde spielen, jagen sich die Bilder. Dann fließen sie ruhig dahin, minimalistisch von Musik untermalt.

Von den Schauspielern sei Jeremy Davies erwähnt, denn ihm ist es gelungen, durch eine abgehackte Redeweise sowie eine leicht übertriebene, variantenreiche Mimik und Gestik der Figur des Astronauten Snow etwas Besonderes zu geben.

Außer der Filmmusik von Cliff Martinez sind Takte aus den Goldbergvariationen von Johann Sebastian Bach zu hören sowie die Songs „Eronel“ (Sadik Hakim, Thelonious Monk, Idrees Sulieman) und „Riddle Box“ (Mike E. Clark, Joseph Bruce alias Violent J).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

Stanislaw Lem: Solaris
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