Der Informant!

Der Informant!

Der Informant!

Der Informant! – Originaltitel: The Informant! – Regie: Steven Soderbergh – Drehbuch: Scott Z. Burns nach dem Roman "The Informant. A True Story" von Kurt Eichenwald – Kamera: Steven Soderbergh alias als Peter Andrews – Schnitt: Stephen Mirrione – Musik: Marvin Hamlisch – Darsteller: Matt Damon, Scott Bakula, Joel McHale, Melanie Lynskey, Rick Overton, Tom Papa, Tom Wilson, Clancy Brown u.a. – 2009; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Als der hochbezahlte Biochemiker Mark Whitacre beim Agrarkonzern ADM Produktionsausfälle zu verantworten hat, erfindet er einen Saboteur und einen erpresserischen Informanten. ADM schaltet das FBI ein. Um die Agenten von seiner Täuschung abzulenken, gibt Mark Whitacre sich als Whistleblower über illegale Preisabsprachen aus und arbeitet drei Jahre lang als Informant für das FBI. Dabei verstrickt er sich immer stärker in ein Lügennetz ...
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Kritik

"Der Informant!" – die Verfilmung von Kurt Eichenwalds Tatsachen­roman über Mark Whitacre – ist weder Charakter­studie noch Gesell­schafts­satire, sondern eine von Steven Soderbergh souverän inszenierte und von Matt Damon großartig gespielte Tragikomödie.
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Der Biochemiker Mark Whitacre (Matt Damon) ist beim Agrarkonzern ADM (Archer Daniels Midland) in Illinois für die Lysin-Herstellung verantwortlich und bezieht ein Jahresgehalt von 350 000 Dollar. Als der Geschäftsbereich 1992 durch Produktionsausfälle, die von einem Virus verursacht werden, allein in einem Monat 7 Millionen Dollar Verlust einfährt, wird Mick Andreas (Tom Papa), der Juniorchef des Unternehmens, unruhig. Mark Whitacre ärgert sich darüber, dass der Unternehmer ebenso wie die Aktionäre nur daran interessiert ist, dass vorne Mais hingeschüttet wird und hinten Profit herauskommt. Um seine Karriere zu retten, behauptet Mark Whitacre, der Virusbefall sei das Werk eines Saboteurs, der von einem japanischen Konkurrenten bezahlt werde. Das habe er von einem japanischen Insider am Telefon erfahren, der bereit sei, für 10 Millionen Dollar den Namen des Saboteurs zu nennen. Mick Andreas beauftragt Mark Whitacre, den Preis zu drücken – und schaltet das FBI ein.

Damit hat Mark Whitacre nicht gerechnet. Weil er behauptet, der Informant habe einen Telefonanschluss in seinem Privathaus benutzt, montiert der FBI-Agent Brian Shepard (Scott Bakula) an dem Apparat ein Abhörgerät. Danach setzt Mark Whitacre sich zu ihm ins Auto, erklärt, sein Haus sei vermutlich verwanzt, gibt sich als Whisteblower aus und behauptet, ADM spreche die Preise für die Aminosäure Lysin mit internationalen Konkurrenten ab. Daran sei auch er selbst beteiligt. Da gehe es um ganz andere Dimensionen als bei der Sabotage. Auf diese Weise versucht er, von seiner ersten Lüge abzulenken.

Brian Shepard und sein Kollege Bob Herndon (Joel McHale) statten Mark Whitacre mit Abhörgeräten aus und verstecken Kameras in Konferenzräumen. Mit Hilfe ihres Informanten zeichnen sie Geschäftsbesprechungen auf, und Mark Whitacre lenkt die von seinem Chef Terry Wilson (Rick Overton) geleiteten Verhandlungen mit Vertretern konkurrierender Unternehmen durch Wortmeldungen so, dass der Eindruck von Preisabsprachen entsteht.

Drei Jahre lang agiert Mark Whitacre als Informant des FBI. Stolz zeigt er Bekannten das neueste Abhörgerät, das ihm zur Verfügung gestellt wurde und behauptet, er trage den Agenten-Namen 0014, weil er doppelt so schlau wie 007 sei. Er warnt nicht nur seine Sekretärin Liz Taylor (Rusty Schwimmer), sondern auch andere Kollegen vor einer Razzia im Unternehmen. Gegen den Rat seiner FBI-Kontakte redet Mark Whitacre mit Medienvertretern und freut sich über sein Foto in der Zeitung. Obwohl Brian Shepard den Informanten davor warnt, dass seine Rolle spätestens vor Gericht aufgedeckt werden müsse und er dann bei ADM mit Anfeindungen zu rechnen habe, träumt Mark Whitacre davon, nach der Festnahme der Firmenchefs ganz an die Spitze des Unternehmens aufzusteigen.

Der Lügner trägt ein Toupet. Er berichtet, dass er auf einer Geschäftsreisen in Tokio Automaten gesehen habe, aus denen japanische Geschäftsleute getragene Damenunterwäsche zogen. Angeblich starben seine Eltern durch einen Unfall, als er noch ein Kind war, und er hatte das Glück, von einem reichen Ehepaar adoptiert zu werden. Tatsächlich leben seine Eltern (Candy Clark, Frank Welker) aber noch in Ravenna/Ohio. Ärzte werden Mark Whitacres bizarres Verhalten später als bipolare Störung zu erklären versuchen.


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Bei ADM findet man schließlich heraus, dass Mark Whitacre Geschäftsverträge fälschte, fingierte Rechnungen ausstellte und beträchtliche Geldsummen von ADM auf anonyme Konten in der Schweiz und Karibik überweisen ließ. Weil das auch noch während der Zusammenarbeit Mark Whitacres mit dem FBI geschah, geraten Brian Shepard und Bob Herndon in Schwierigkeiten. Der Informant räumt ein, eineinhalb Millionen Dollar veruntreut zu haben und versucht den FBI-Agenten einzureden, Unterschlagungen seien als Schmiergeldzahlungen im ADM-Management üblich, Mick Andreas persönlich habe ihn entsprechend eingewiesen. Schrittweise erhöht sich die Summe der von Mark Whitacre zugegebenen Unterschlagungen auf 9,5 Millionen Dollar.

Während Mick Andreas und Terry Wilson wegen illegaler Preisabsprachen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt werden, muss auch Mark Whitacre ins Gefängnis. Im Oktober 2002 stellt er ein Gnadengesuch, und dabei wird deutlich, dass er sich nach wie vor unschuldig und ungerecht behandelt fühlt.

Als er Ende 2006 vorzeitig freikommt, holt ihn seine Ehefrau Ginger (Melanie Lynskey) vom Edgefield Federal Prison in South Carolina ab.

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In seinem 2000 veröffentlichten Tatsachenroman „The Informant. A True Story“ beschäftigt sich der amerikanische Journalist Kurt Eichenwald mit Mark Whitacre. An der Verfilmung durch Steven Soderbergh war Kurt Eichenwald als Produzent beteiligt.

Die großenteils fiktive Handlung dreht sich um den amerikanischen Manager Mark Whitacre, der ohne Schuldbewusstsein in dem Unternehmen, in dem er beschäftigt ist, Millionen unterschlägt, mit einer Lüge einen Produktionsausfall zu erklären versucht und sich immer stärker in einem selbst geknüpften Lügennetz verstrickt, bis er am Ende selbst kaum noch zwischen Wahrheit, Betrug und Selbsttäuschung unterscheiden kann. Matt Damon, der für die Rolle eigens 10 bis 15 Kilogramm zugenommen hat, spielt diese eigentlich tragische Figur mit sehr viel Komik.

Das passt zu Steven Soderberghs Inszenierung. „Der Informant!“ ist keine Charakterstudie und weder eine ernsthafte Kritik an den Auswüchsen im Turbokapitalismus noch eine böse Gesellschaftssatire über die Unmoral der Wirtschaft, sondern eine skurrile Komödie.

Erklärungsversuche für Mark Whitacres bizarres Verhalten und eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Ereignissen sind in „Der Informant!“ nicht möglich, weil die Geschichte konsequent aus der subjektiven Perspektive des Protagonisten dargestellt und in der Ich-Form aus dem Off kommentiert wird, also eines Menschen, der seine Entscheidungen nicht hinterfragt und selbst kaum noch weiß, was wahr und was falsch ist.

„Der Informant!“ ist eine von Steven Soderbergh mit souveränem Rhythmusgespür und viel Liebe zu kleinen Feinheiten inszenierte unterhaltsame Komödie.

Bemerkenswert ist, dass eine ganze Reihe von Nebenrollen in „Der Informant!“ mit Comedians besetzt ist: Tom Papa als Mick Andreas, Rick Overton als Terry Wilson, Thomas („Tom“) F. Wilson als Mark Cheviron, Scott Adsit als Sid Hulse, Tony Hale als James Epstein, Patton Oswalt als Ed Herbst, die Brüder Tom und Dick Smothers als Dwayne Andreas bzw. Richter Harold Baker.

Die Dreharbeiten für „Der Informant!“ fanden von Ende April bis Juni 2008 in Illinois, Missouri, Kalifornien, Arizona, auf Hawaii, in Paris und Zürich statt.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016

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