William Shakespeare : Der Sturm

Der Sturm
The Tempest Manuskript: um 1610/11 Uraufführung: London, 1. November 1611 Der Sturm Übersetzung: August Wilhelm von Schlegel, 1843 Neuausgabe: Dietrich Klose (Hg.) Philipp Reclam jun., Stuttgart 1976 ISBN: 3-15-000046-7, 72 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Prospero, der Herzog von Mailand, hatte die Regierungsgeschäfte seinem Bruder Antonio überlassen, um sich intensiv mit magischen Büchern beschäftigen zu können. Vor 12 Jahren stürzte Antonio seinen Bruder mit Hilfe des Königs von Neapel und setzte ihn zusammen mit seiner kleinen Tochter Miranda aus. Als der König mit seinem Gefolge – darunter auch Antonio – nun an der Insel vorbeisegeln will, auf der Prospero und Miranda leben, lässt Prospero das Schiff durch Zauberei stranden ...
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Kritik

Bei "Der Sturm" handelt es sich um eine Romanze in fünf Aufzügen mit volkstümlich-märchenhaften Zügen. Es wird vermutet, dass William Shakespeare sich mit Prospero identifizierte, denn "Der Sturm" war wohl sein letztes Theaterstück und er entsagte danach der "Zauberkraft" des Dramatikers.
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Als an der Küste der von Prospero beherrschten einsamen Insel ein Schiff strandet, klärt er seine vierzehnjährige Tochter Miranda darüber auf, dass er der rechtmäßige Herzog von Mailand ist. Prospero hatte die Regierungsgeschäfte seinem geliebten Bruder Antonio überlassen, um sich intensiv mit den magischen Büchern in seiner Bibliothek beschäftigen zu können. Antonio nutzte jedoch das Vertrauen seines Bruders, um seine Machtstellung auszubauen. Schließlich erkannte er Alonso, den feindlichen König von Neapel, als Lehnsherrn an, zog mit einem Heer gegen Mailand und stürzte Prospero. Er wagte es allerdings nicht, den Bruder und die zweijährige Nichte zu töten. Stattdessen ließ er Prospero und Miranda auf einem „faul Geripp von Boot“ aussetzen.

Kein Mast noch Segel; selbst die Ratzen hatten’s aus Furcht geräumt. (Seite 10)

Gonzalo, ein ehrlicher alter Rat des Königs von Neapel, der den Befehl ausführte, überließ Prospero aus Mitleid Nahrungsmittel, Kleidung und einige seiner Bücher. Schließlich strandeten Prospero und Miranda an der Küste einer abgelegenen Insel. Hier hatte die Hexe Sycorax gelebt, die als Schwangere aus Algier verbannt worden war. Prospero befreite den Luftgeist Ariel, den Sycorax vor ihrem Tod im Spalt eines Fichtenstammes eingeklemmt hatte und machte ihn zu seinem Diener. Während Ariel ihm freiwillig dient – und inzwischen auf seine baldige Freilassung hofft –, muss Prospero sich vor dem von ihm versklavten Sohn der Hexe Sycorax und des Teufels in Acht nehmen, denn Caliban ist verschlagen und sucht nach einer Möglichkeit, seinem Herrn zu schaden.

Alonso vermählte kürzlich seine Tochter Claribella mit dem König von Tunis. Auf dem Rückweg vom Fest kamen der König und sein Gefolge – darunter sein Sohn Ferdinand und sein Bruder Sebastian sowie Antonio, der unrechtmäßige Herzog von Mailand – an der inzwischen von Prospero beherrschten Insel vorbei. Da befahl Prospero dem Luftgeist Ariel, ein Unwetter zu erzeugen und das Schiff des Königs stranden zu lassen. Allerdings sollte er darauf achten, dass niemand ernsthaft verletzt wurde.

Der allein auf der Insel herumirrende Königssohn Ferdinand, der glaubt, das Schiffsunglück als Einziger überlebt zu haben, trifft auf Miranda. Die beiden jungen Leute verlieben sich auf den ersten Blick. Das ist ganz nach Prosperos Wunsch, aber er will es ihnen nicht zu leicht machen und zwingt den Prinzen dazu, von Caliban gesammeltes Holz aufzuschlichten. Um sich nicht von Miranda entfernen zu müssen, unterwirft Ferdinand sich und arbeitet schwer.

An einer anderen Stelle der Insel suchen Alonso, Sebastian, Antonio und der alte Gonzalo nach einem Ort, wo sie sich notdürftig einrichten können. Gonzalo träumt von einem paradiesischen Reich, aber seine Begleiter verspotten ihn. Nachdem Ariel den König und Gonzalo in Schlaf versetzt hat, überredet der unrechtmäßige Herzog von Mailand den Bruder des Königs von Neapel zu einem Anschlag auf die Schlafenden. Sebastian wäre zwar gern selbst König, aber er zögert, seinen Bruder umzubringen. Als er dann ebenso wie Antonio den Degen zieht, weckt Ariel die beiden Schlafenden auf und rettet ihnen das Leben.

Der Hoffnarr Trinculo trifft auf Caliban, und als ein Gewitter aufzieht, kriecht er unter dessen Mantel. Kurz darauf kommt der königliche Kellner Stephano, der sich im Meer an einem Fass Sekt festgehalten hatte und inzwischen betrunken ist. Er hält den Mantel mit Trinculo und Caliban für ein vierbeiniges Ungeheuer, und als dieses beginnt, mit zwei verschiedenen Stimmen zu sprechen, meint er:

Vier Beine und zwei Stimmen: ein allerliebstes Ungeheuer! Seine Vorderstimme wird nun Gutes von seinem Freunde reden; seine Hinterstimme wird böse Reden ausstoßen und verleumden. (Seite 34)

Da gibt Trinculo sich zu erkennen. Caliban erklärt den beiden Schiffbrüchigen, er sei der wahre Herr der Insel, aber ein Tyrann habe ihn versklavt. Er redet Stephano ein, dieser könne der König der Insel werden und die schöne Tochter des Tyrannen zur Frau nehmen, wenn dieser erst einmal tot sei. So gewinnt er die beiden Männer für einen Mordanschlag, den sie ausführen wollen, sobald Prospero seinen Mittagsschlaf hält.

Ariel hat das Gespräch jedoch belauscht und warnt seinen Herrn.

Nachdem Prospero sich davon überzeugt hat, dass Ferdinand und Miranda sich wirklich lieben, entbindet er den Prinzen von der harten Arbeit und verspricht ihm seine Tochter. Mit einem Maskenspiel, bei dem Ariel die Göttinnen Iris, Ceres und Juno darstellt, erfreut er das Paar.

Als Gab dann und selbsterworbnes Gut
Würdig erkauft, nimm meine Tochter. Doch
Zerreißt du ihr den jungfräulichen Gürtel,
Bevor der heil’gen Feierlichkeiten jede
Nach hehrem Brauch verwaltet werden kann,
So wird der Himmel keinen Segenstau
Auf dieses Bündnis sprengen: dürrer Hass,
Scheeläugiger Verdruss und Zwist bestreut
Das Bett, das euch vereint, mit eklem Unkraut,
Dass ihr es beide hasst. Drum hütet euch,
So Hymens Kerz‘ euch leuchten soll. (Seite 48f)

Inzwischen nähern sich Caliban, Trinculo und Stephano. Ariel jagt sie in einen stinkenden Pfuhl. Dann lenkt er sie mit schönen Gewändern ab.

Trinculo: O König Stephano! O Herr! O würd’ger Stephano! Sieh, welch eine Garderobe hier für dich ist!
Caliban: Lass es doch liegen, Narr; es ist nur Plunder.
Trinculo: O ho, Ungeheuer! Wir wissen, was auf den Trödel gehört. – O König Stephano!
Stephano: Nimm den Mantel herunter, Trinculo; bei meiner Faust! ich will den Mantel!
Trinculo: Deine Hoheit soll ihn haben.
Caliban: Die Wassersucht ersäuf‘ die Narrn! Was denkt ihr,
Vergafft zu sein in solche Lumpen? Lasst
Und tut den Mord erst; wacht er auf, er zwickt
Vom Wirbel bis zum Zeh die Haut uns voll,
Macht seltsam Zeug aus uns. (Seite 55)

Bevor Caliban, Trinculo und Stephano zu Prospero vordringen können, jagt Ariel sie mit einer Geisterschar in Gestalt von Hunden davon.

Dem hungrigen König Alonso und dessen Gefolge gaukelt Ariel eine üppige Tafel vor, doch als sie essen wollen, erscheint er ihnen als Harpyie und erinnert sie daran, dass sie Prospero um sein Herzogtum gebracht und mit seiner kleinen Tochter ausgesetzt hatten. So weckt er ihr schlechtes Gewissen.

Endlich gelangen Alonso, Sebastian, Antonio und Gonzalo sowie die Höflinge Adrian und Francisco zu Prospero. Der Rache überdrüssig, gibt dieser sich zu erkennen und umarmt König Alonso. Sein Herzogtum verlangt er zwar zurück, aber er vergibt auch seinem Bruder. Alonso nimmt an, dass sein Sohn bei dem Schiffsunglück ums Leben gekommen sei und trauert um ihn, doch als Prospero einen Vorhang wegzieht, sieht der König Ferdinand mit Miranda bei einer Schachpartie. Glücklich schließt er seinen Sohn in die Arme und erkundigt sich nach dem Mädchen.

Alonso: Wer ist dies Mädchen da, mit dem du spieltest?
Drei Stunden kaum kann die Bekanntschaft alt sein.
Ist sie die Göttin, die uns erst getrennt
Und so zusammenbringt?
Ferdinand: Herr, sie ist sterblich.
Doch durch unsterbliches Verhängnis mein.
Ich wählte sie, als ich zu Rat den Vater
Nicht konnte ziehn, noch glaubt‘, ich habe einen.
Sie ist die Tochter dieses großen Herzogs
Von Mailand, dessen Ruhm ich oft gehört,
Doch nie zuvor ihn sah; von ihm empfing ich
Ein zweites Leben, und zum zweiten Vater
Macht ihn dies Fräulein mir.
Alonso: Ich bin der ihre. (Seite 62)

Ariel bringt Caliban, Trinculo und Stephano herein, und Prospero klärt den König über deren Mordabsichten auf, aber auch ihnen geschieht nichts.

Der Bootsman kommt mit der Nachricht, dass das Schiff auf wundersame Weise bei dem Unglück nicht beschädigt wurde und die Mannschaft zum Ablegen bereit ist.

Prospero gibt Ariel und Caliban frei. Er wird von jetzt an nicht nur auf ihre Dienste, sondern auch auf die Zauberei verzichten.

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1610 erfuhr man in London, dass die „Sea Venture“, das Flaggschiff einer Flotte von englischen Auswanderern nach Virginia, im Mai des Vorjahres bei einem Sturm vor den Bermudas auf ein Riff gelaufen war. Die Schiffbrüchigen konnten jedoch alle gerettet werden.

Von der Nachricht ließ William Shakespeare sich möglicherweise zu dem Bühnenstück „The Tempest“ – „Der Sturm“ – inspirieren. Er schrieb es 1610/11. Die Urauffürung fand am 1. November 1611 im Whitehall Palace in London statt.

Bei „Der Sturm“ handelt es sich um eine Romanze in fünf Aufzügen mit volkstümlich-märchenhaften Zügen. Es wird vermutet, dass William Shakespeare sich mit Prospero identifizierte, denn „Der Sturm“ war wohl sein letztes Theaterstück und er entsagte danach der „Zauberkraft“ des Dramatikers.

Derek Jarman und John Cassavetes verfilmten das Theaterstück „Der Sturm“. Peter Greenaway ließ sich von „Der Sturm“ zu dem Kinofilm „Prosperos Bücher“ anregen.

Der Sturm. The Tempest – Originaltitel: The Tempest – Regie: Derek Jarman – Drehbuch: Derek Jarman, nach dem Bühnenstück „Der Sturm“ von William Shakespeare – Kamera: Peter Middleton – Schnitt: Lesley Walker – Musik: Brian Hodgson, John Lewis – Darsteller: Peter Bull, David Meyer, Neil Cunningham, Heathcote Williams, Toyah Willcox, Richard Warwick, Karl Johnson, Jack Birkett, Christopher Biggins, Peter Turner, Ken Campbell, Elisabeth Welch, Claire Davenport, Kate Temple u.a. – 1979; 95 Minuten

Der Sturm – Originaltitel: The Tempest – Regie: John Cassavetes – Drehbuch: Leon Capetanos, Paul Mazursky, nach dem Bühnenstück „Der Sturm“ von William Shakespeare – Kamera: Donald McAlpine – Schnitt: Donn Cambern – Musik: Stomu Yamashta – Darsteller: John Cassavetes, Gena Rowlands, Susan Sarandon, Vittorio Gassman, Raul Julia, Molly Ringwald, Sam Robards, Paul Stewart, Jackie Gayle, Anthony Holland, Jerry Hardin, Lucianne Buchanan, Vassilis Glezakos u.a. – 1982; 135 Minuten

Margaret Atwood schuf eine moderne Romanfassung von „Der Sturm“ unter dem Titel „Hexensaat“.

Ein Vierteljahrhundert nach William Shakespeares Theaterstück „Der Sturm“ spielt der Fantasy-Roman „Caliban’s Hour“ (1994) – „Die Insel des Magiers“ – von Tad Williams. Nachdem es Caliban geglückt ist, die Insel zu verlassen, taucht er bei Königin Miranda in Neapel auf und zwingt sie, seine Lebensgeschichte anzuhören.

In den Science-Fiction-Romanen „Ilium“ (2003) und „Olympos“ (2005) von Dan Simmons tauchen Prospero, Sycorax und Caliban als genetisch erzeugte Geschöpfe auf.

O, wonder!
How many goodly creatures are there here!
How beauteous mankind is! O brave new world,
That hath such people in’t!

O Wunder!
Was gibt’s für herrliche Geschöpfe hier!
Wie schön der Mensch ist! Wackre neue Welt,
Die solche Bürger trägt.

Diesem Ausruf Mirandas im 5. Aufzug von „Der Sturm“ entnahm Aldous Huxley den Titel seines Romans „Brave New World“ („Schöne neue Welt“).

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009

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