Rückkehr ans Meer

Rückkehr ans Meer

Rückkehr ans Meer

Rückkehr ans Meer – Originaltitel: Le refuge – Regie: François Ozon – Drehbuch: Mathieu Hippeau, François Ozon – Kamera: Mathias Raaflaub – Schnitt: Muriel Breton – Musik: Louis-Ronan Choisy – Darsteller: Isabelle Carré, Louis-Ronan Choisy, Pierre Louis-Calixte, Melvil Poupaud, Claire Vernet, Jean-Pierre Andréani, Marie Rivière, Jérôme Kircher u.a. – 2009; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Nachdem ihr Lebensgefährte Louis durch eine Überdosis Heroin starb, erfährt die ebenfalls drogensüchtige Mousse im Krankenhaus, dass sie schwanger ist. Die Mutter des Toten rät ihr zur Abtreibung, aber Mousse will nicht das Letzte, was ihr von Louis geblieben ist, verlieren. Sie zieht sich in ein Haus am Meer zurück. Dort besucht sie der schwule Stiefbruder des Verstorbenen ...
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Kritik

In dem langsam erzählten minimalistischen Drama "Rückkehr ans Meer" dekonstruiert François Ozon den Muttermythos. Allgemeiner gesprochen, dreht sich der Film um das Thema Bindungslosigkeit.
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Ein Drogendealer (Emile Berling) beliefert Louis (Melvil Poupaud) und Mousse (Isabelle Carré) mit Heroin. Das junge Paar lebt in einer großbürgerlichen Wohnung in Paris, die Louis‘ Eltern gehört. Louis und Mousse sitzen auf dem Bett, bereiten die Spritzen vor und suchen dann verzweifelt nach Venen, zuerst Louis, dann Mousse. Erleichtert sinken sie sich nach den Injektionen in die Arme.

Am nächsten Morgen scheint Mousse noch zu schlafen, als Louis sich bereits den nächsten Schuss setzt, und weil er weder an den Armen noch an den Beinen eine geeignete Vene findet, injiziert er sich das Heroin in die Halsschlagader.

Bald darauf kommt Louis‘ Mutter (Claire Vernet), um die Wohnung einem Immobilienmakler (Arnaud Goudal) zu zeigen, der sie verkaufen oder vermieten soll. Sie weiß nicht, dass ihr Sohn und seine Lebensgefährtin hier untergeschlüpft sind. Louis liegt im Schlafzimmer mit Schaum vor dem Mund am Boden. Mousse ist noch nicht wach.

Sie kommt erst nach weiteren sechs Stunden im Koma im Krankenhaus wieder zu sich. Der Arzt (Jérôme Kircher) unterrichtet sie nicht nur über Louis‘ Tod, sondern teilt ihr auch mit, dass sie ungefähr in der achten Woche schwanger sei. Er betont, dass sie nun entscheiden müsse, was mit dem ungeborenen Kind geschehen soll.

Die Trauerrede für Louis hält dessen jüngerer Bruder Paul (Louis-Ronan Choisy). Weil die Mutter nach Louis‘ Geburt keine Kinder mehr bekommen konnte, adoptierten sie und ihr Mann (Jean-Pierre Andréani) Paul. Er hat sich denn auch von Anfang an nie richtig zugehörig zur Familie gefühlt.

Noch am selben Tag bittet die Mutter des Verstorbenen Mousse zu sich. Sie weiß bereits, dass Mousse schwanger ist. Ob das Kind von Louis sei, fragt sie. Mousse versichert es. „Sie werden das Baby doch nicht behalten wollen“, meint die Ältere und weist die drogensüchtige Schwangere auf die Risiken hin. „In unserer Familie legen wir keinen Wert auf Louis‘ Nachwuchs.“

Mousse entscheidet sich jedoch gegen die Abtreibung, denn sie will nicht das Letzte, was ihr von Louis geblieben ist, verlieren. Sie verlässt Paris und zieht sich in ein Ferienhaus am Meer zurück, das – wie sie einmal erklärt – einem Mann gehört, mit dem sie als 16-Jährige schlief und der sich für ihren Vater hält. Um kein Heroin spritzen zu müssen, nimmt sie einige Fläschchen Methadon mit in das Refugium.

Vier, fünf Monate später steht Paul vor ihrer Türe. Er sei auf dem Weg nach Spanien und habe die Gelegenheit nutzen wollen, nach ihr zu schauen, sagt er. Mousse nimmt ihn gleichgültig auf und geht davon aus, dass er nach ein oder zwei Tagen weiterreisen wird.

Als sie im Bikini am Strand spazieren geht, wird sie von einer anderen Frau (Marie Rivière) angesprochen. Die äußert sich begeistert über die Schwangerschaft, sinkt vor Mousse auf die Knie, möchte den prallen Bauch anfassen und versucht Mousse zu erklären, dass Mutterschaft Leiden und Aufopferung bedeute.

In einem Gartenlokal wird Mousse von einem Fremden (Nicolas Moreau) auf ein Bier eingeladen. Er lässt keinen Zweifel daran, dass ihn ihre Schwangerschaft erregt und er mit ihr schlafen will. Mousse steigt zu ihm ins Auto, und er bringt sie in sein Haus mit Meeresblick. Als er sie an sich zieht, wehrt sie ihn ab, beruhigt sich dann aber rasch wieder.

Paul beginnt eine sexuelle Beziehung mit Serge (Pierre Louis-Calixte), dem jungen Mann aus dem Dorf, der Mousse mit Lebensmitteln beliefert.

Einmal kommt Paul angetrunken von einem Treffen mit Serge zurück und geht mit Mousse ins Bett.

Dann reist er ab.

Nachdem Mousse ihre Tochter Louise (Meie Castanho) geboren hat, besucht Paul sie in der Klinik. Liebevoll widmet er sich dem Säugling. Mousse freut sich darüber. Sie kündigt an, dass sie hinausgehen und eine Zigarette rauchen werde. Draußen schreibt sie ein paar Zeilen für Paul auf einen Zettel: Sie sei noch nicht bereit, die Mutterrolle zu übernehmen, vertraue ihm das Kind an und werde irgendwann zurückkommen.

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Mousse trägt das von ihrem Lebensgefährten Louis gezeugte Kind aus, denn es ist alles, was ihr nach seinem Tod von ihm bleibt. Aber Muttergefühle entwickeln sich nicht bei ihr. François Ozon dekonstruiert mit diesem Film den Muttermythos. Allgemeiner gesprochen, dreht sich das Drama „Rückkehr ans Meer“ um das Thema Bindungslosigkeit, denn Paul, die zweite Filmfigur, wird durch den Tod seines älteren Bruders dazu angeregt, über sein bisheriges Leben nachzudenken, in dem es ihm nicht gelungen ist, seine Einsamkeit zu überwinden.

François Ozon erzählt die melancholische Geschichte ruhig und langsam, mit zurückgenommenen Emotionen, wenigen Figuren und einfachsten Mitteln.

„Rückkehr ans Meer“ gehört zusammen mit „Unter dem Sand“ und „Die Zeit die bleibt“ zu einer Trilogie von François Ozon über das Sterben bzw. den Verlust einer Bezugsperson durch den Tod.

Isabelle Carré (* 1971) war zu Beginn der Dreharbeiten tatsächlich im sechsten Monat schwanger. Die Szenen ohne gewölbten Bauch spielte sie nach der Geburt ihres Sohnes Antoine am 11. Oktober 2008.

Gedreht wurde in Paris und in Guétary an der baskischen Atlantikküste.

François Ozon wurde am 15. November 1967 in Paris als eines von drei Kindern des Biologen René Ozon und dessen Ehefrau Anne-Marie, einer Französisch-Lehrerin, geboren. 1990 bis 1993 studierte er an der École Nationale Supérieure des métiers de l’image et du son (La fémis). Nachdem sich François Ozon bereits mit einigen Kurzfilmen einen Namen gemacht hatte, drehte er 1998 seinen ersten abendfüllenden Kinofilm: „Sitcom“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

François Ozon (kurze Biografie / Filmografie)

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Nino Haratischwili - Das mangelnde Licht
"Das mangelnde Licht" ist eine fulminante kritische Gesellschaftsstudie, aber zugleich auch eine Adoleszenz- bzw. Entwicklungsgeschichte und eine Tragödie. Phasenweise liest sich "Das mangelnde Licht" wie ein Politthriller oder Kriminalroman. Nino Haratischwili wechselt elegant zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Sie schreibt anschaulich und mitreißend aus Ketos Perspektive. Aufwühlende Szenen wechseln sich mit realistischen Dialogen und klugen Reflexionen ab.
Das mangelnde Licht