Das Schmuckstück

Das Schmuckstück

Das Schmuckstück

Das Schmuckstück – Originaltitel: Potiche – Regie: François Ozon – Drehbuch: François Ozon nach dem Theaterstück "Potiche" von Pierre Barillet und Jean-Pierre Grédy – Kamera: Yorick Le Saux – Schnitt: Laure Gardette – Musik: Philippe Rombi – Darsteller: Catherine Deneuve, Gérard Depardieu, Fabrice Luchini, Karin Viard, Judith Godrèche, Jérémie Renier, Sergi López, Évelyne Dandry, Bruno Lochet, Elodie Frégé, Gautier About u.a. – 2010; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Als der kommunistische Bürgermeister dem reaktionären Fabrikanten Robert Pujol mit einer Buchprüfung droht, bricht dieser mit einem Herzanfall zusammen und wird ins Krankenhaus gebracht. Suzanne Pujol, die in 30 Jahren Ehe zum "Schmuckstück" wurde, übernimmt notgedrungen die Leitung des Unternehmens und verständigt sich mit den streikenden Arbeitern. Als Robert nach seiner Genesung glaubt, sie wieder nur auf eine dekorative Funktion beschränken zu können, wehrt sie sich ...
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Kritik

Bei "Das Schmuckstück" von François Ozon handelt es sich um eine turbulente Komödie mit spielerisch überzeichneten Karikaturen statt ernst zu nehmenden Charakteren, und dabei parodiert der Film sich gleich selbst.
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Sainte-Gudule 1977. Robert und Suzanne Pujol (Fabrice Luchini, Catherine Deneuve) sind seit 30 Jahren verheiratet. Robert leitet die von seinem inzwischen verstorbenen Schwiegervater Raoul gegründete Regenschirmfabrik. Die Kinder leben in Paris: Joëlle Pujol de la Morette (Judith Godrèche) ist verheiratet und Mutter von zwei kleinen Söhnen. Laurent (Jérémie Renier) studiert noch, und zwar politische Wissenschaften, obwohl er lieber Künstler geworden wäre. Mit dem Familienunternehmen will er nichts zu tun haben, denn er verabscheut den Kapitalismus.

Im Gegensatz zum Firmengründer gehört Robert Pujol zu den reaktionären Unternehmern. Und zu Hause beansprucht er ebenfalls das letzte Wort. In seiner Frau sieht er nichts weiter als ein Schmuckstück. Suzanne fügt sich, kocht und spült, geht joggen und reimt kleine Gedichte. Joëlle will auf keinen Fall so werden wie sie. Als sie zu Besuch aus Paris kommt, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren – den Robert wieder einmal vergessen hat –, spricht sie von ihrer Absicht, sich scheiden zu lassen und ihren Vater um eine leitende Stelle in der Regenschirmfabrik zu bitten. Seine negative Einstellung gegenüber der Arbeiterschaft teilt sie.

Durch einen Zufall findet Roberts Sekretärin Nadège Dumoulin (Karin Viard) heraus, dass er nicht nur regelmäßig zu den Prostituierten im Nachtklub „Badaboum“ geht und seine Ehefrau mit ihr betrügt, sondern auch ihr nicht treu ist. Fortan lässt sie sich von ihm nicht einmal mehr an den Po fassen.

Als Robert von seiner Frau erfährt, dass Laurent seit einem halben Jahr mit Florianne zusammen ist und die beiden heiraten wollen, verlangt er entsetzt von Suzanne, die beiden auseinanderzubringen. Hoffentlich hätten die beiden noch nicht miteinander geschlafen, meint er, denn das wäre Inzest. Und er gesteht, mit Floriannes Mutter eine Affäre gehabt zu haben. Suzanne weiß ohnehin, dass Robert ihr nicht treu ist, aber sie tut so, als sei sie entrüstet.

Die Arbeiter streiken für neue Sanitäranlagen. Wutschnaubend geht Robert zu den Streikenden. Er prügelt sich mit einem der Männer und wird daraufhin von ihnen festgehalten. Mutig eilt Laurent ihm zu Hilfe, aber der jähzornige Vater schlägt ihn.

Suzanne greift ein und fährt zu Maurice Babin (Gérard Depardieu), dem kommunistischen Bürgermeister von Sainte-Gudule. Der soll dafür sorgen, dass die Streikenden ihren Arbeitgeber freilassen.

Vor 25 Jahren – damals war Maurice noch Lastwagenfahrer – hatte er Suzanne bei einer Panne geholfen. Nach dem Reifenwechsel rauchten sie (Elodie Frégé, Gautier About) noch zusammen eine Zigarette, gingen in den Wald und trieben es dort auf dem Boden. Maurice liebt Suzanne noch immer, aber sie blieb seit damals auf Distanz zu ihm. Schließlich ist sie verheiratet und weiß, was sich gehört.

Noch in der Nacht sorgt Maurice dafür, dass der Unternehmer freigelassen wird. Aber am nächsten Morgen klingelt er, um ihn abzuholen und zu den versprochenen Verhandlungen mit den Streikenden zu begleiten. Suzanne, Joëlle und Laurent erklären ihm, dafür sei Robert zu krank. Aber der kommt wutentbrannt schimpfend aus dem Schlafzimmer. Von Verhandlungen will er nichts wissen, und von dem kommunistischen Bürgermeister hält er sowieso nichts. Der droht ihm jedoch mit einer Buchprüfung. Robert, der einige private Anschaffungen über die Firma finanziert hat, erleidet vor Aufregung einen Herzanfall und muss ins Krankenhaus gebracht werden.

Suzanne bleibt nichts anderes übrig, als für ihn einzuspringen. Sie übernimmt die Leitung der Firma und verhandelt mit den Streikenden. Es gelingt ihr, sie mit einigen Zugeständnissen zum Weiterarbeiten zu bewegen. Den Erfolg feiert sie mit Maurice im „Badaboum“. Er drängt sie, ihren Mann zu verlassen und ihn zu heiraten, aber das lehnt Suzanne ab. Ein Kuss ist das Äußerste, was sie Maurice zugesteht.

Sie beteiligt Joëlle an der Firmenleitung, und Laurent kann beim Design von Regenschirmen sein künstlerisches Talent unter Beweis stellen. Die Belegschaft begrüßt die Neuerungen, und das Unternehmen floriert wieder.

Robert, der sich nach dem Krankenhausaufenthalt auf einer Kreuzfahrt erholte, kommt einen Tag früher als erwartet aus Griechenland zurück. Bevor er sich seiner Frau zeigt, ruft er Nadège Dumoulin an und fordert sie auf, in den Fabrikhof zu kommen. Dort fällt er zwischen Lieferwagen über sie her, aber sie wehrt ihn ab. Später begrüßt er Suzanne mit den Worten, der Urlaub für die Arbeiter sei jetzt vorbei. Suzanne ist jedoch nicht bereit, wieder zum Schmuckstück zu werden und ihm die Firmenleitung zurückzugeben. Sie beruft sich darauf, dass sie zusammen mit einer Tante, den Kindern und den Kleinaktionären über 55 Prozent der Anteile verfüge.

Laurent verabschiedet sich: Er fährt nach Paris zu Florianne. Robert fragt Suzanne entsetzt, ob sie das inzestuöse Verhältnis der beiden noch immer nicht unterbunden habe. Aber sie beruhigt ihn und klärt ihn darüber auf, dass Laurent nicht sein Sohn ist.

Kurz darauf bringt Joëlle ihrem Vater ein altes Medaillon ihrer Mutter mit einem Bild Maurice Babins. Vor Wut kochend sucht Robert den Bürgermeister auf und beschuldigt ihn des Ehebruchs mit Suzanne. Als Maurice hört, er sei Laurents Vater, freut er sich und beginnt neu zu hoffen, dass Suzanne doch noch seine Frau werden könnte. Er fährt mit ihr an einen nahen See und fragt sie, ob er tatsächlich Laurent gezeugt habe. Suzanne sagt ihm, nein, der Vater ihres Sohnes sei entweder ein Notar oder ein Tennisspieler, mit denen sie 1952 eine Affäre gehabt habe. Frustriert fordert Maurice sie zum Aussteigen aus. Er lässt sie am Ufer stehen und fährt allein zurück.

Joëlle überreicht ihrer Mutter ein Memo ihres Ehemannes Jean-Charles, in dem er der Regenschirmfabrik einen massiven Personalabbau und die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Tunesien empfiehlt.

Robert gibt sich nicht geschlagen und verlangt auf einer Aktionärsversammlung eine Abstimmung darüber, ob seine Frau oder er das Unternehmen leiten soll. Suzanne, ihre Tante, Laurent, Nadège und der Vertreter der Kleinaktionäre stimmen für Suzanne, aber Joëlle verhilft ihrem Vater mit ihren 15 Prozent zur Mehrheit.

Danach gesteht Joëlle ihrer enttäuschten Mutter, warum sie gegen sie stimmte. Robert habe ihr versprochen, als Gegenleistung ihren Mann einzustellen. Sie ist schwanger, verwarf deshalb den Gedanken an eine Scheidung und möchte, dass Jean-Charles bei ihr ist, statt die meiste Zeit auf Geschäftsreisen unterwegs zu sein.

1978 kandidiert Suzanne Pujol gegen Maurice Babin für einen Sitz in der französischen Nationalversammlung. Sie gewinnt und nimmt sich vor, die sozialen Verhältnisse in Frankreich zu verbessern. Das gelang ihr in der Regenschirmfabrik. Warum sollte sie damit nicht auch im Großen Erfolg haben?

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Die Filmkomödie „Das Schmuckstück“ basiert auf dem 1980 uraufgeführten Boulevardstück „Potiche“ von Pierre Barillet und Jean-Pierre Grédy. Das französische Wort „potiche“ bedeutet Porzellanvase und wird auch auf Hausfrauen angewandt, die von ihren Ehemännern lediglich als Dekor gesehen werden.

Schon in der Eröffnungsszene setzt François Ozon einen Akzent: Er spielt ganz unverblümt mit Kitsch, wenn er zeigt, wie Suzanne Pujol (Catherine Deneuve) in einem roten Trainingsanzug der Siebzigerjahre durch den Wald joggt, über ein Rehlein frohlockt, sich über ein Vögelchen freut, betroffen einem rammelnden Kaninchenpaar zuschaut, einem Eichhörnchen zuzwinkert und dann ein Gedichtlein in ihr Notizbüchlein schreibt. Realismus brauchen wir von „Das Schmuckstück“ also nicht zu erwarten. Es handelt sich um eine turbulente Komödie mit spielerisch überzeichneten Karikaturen statt ernst zu nehmenden Charakteren, und dabei parodiert der Film sich gleich selbst.

Themen wie Großbürgertum und Arbeiterbewegung, Kommunismus und Emanzipation klingen in „Das Schmuckstück“ an, aber François Ozon setzt sich mit keinem davon auseinander. Die temporeiche und selbstironische Komödie soll offenbar nichts weiter als kurzweilig sein. François Ozon setzt zwar Split Screens in „Das Schmuckstück“ ein, aber das wirkt nicht ambitioniert, sondern verspielt.

Obwohl die Handlung 1977 in der fiktiven französischen Kleinstadt Sainte-Gudule angesiedelt ist, gibt es Bezüge zur aktuellen Politik. Beispielsweise stammt der Satz „Wenn sie [die Arbeiter] mehr Geld wollen, sollen sie mehr arbeiten“ von Staatspräsident Nicolas Sarkozy.

Catherine Deneuve singt „C’est beau la vie“ von Jean Ferrat (1930 – 2010).

Mit der Regenschirmfabrik in „Das Schmuckstück“ spielt François Ozon auf den Musicalfilm „Die Regenschirme von Cherbourg“ (1964) von Jacques Demy an, mit dem Catherine Deneuve berühmt wurde.

Die Dreharbeiten fanden von Oktober bis Dezember 2009 in Belgien statt.

Deutsche Synchronstimmen in „Das Schmuckstück“:
Senta Berger (Suzanne Pujol), Manfred Lehmann (Maurice Babin), Stephan Schwartz (Robert Pujol), Katrin Zimmermann (Nadège Dumoulin), Diana Borgwardt (Joëlle Pujol), Michael Baral (Laurent Pujol), Viktor Neumann (André Ferron) u. a.

François Ozon wurde am 15. November 1967 in Paris als eines von drei Kindern des Biologen René Ozon und dessen Ehefrau Anne-Marie, einer Französisch-Lehrerin, geboren. 1990 bis 1993 studierte er an der École Nationale Supérieure des métiers de l’image et du son (La fémis). Nachdem sich François Ozon bereits mit einigen Kurzfilmen einen Namen gemacht hatte, drehte er 1998 seinen ersten abendfüllenden Kinofilm: „Sitcom“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012

François Ozon (kurze Biografie / Filmografie)

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Michaela Kastel - Worüber wir schweigen
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