Charlotte Link : Die Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin
Die Rosenzüchterin Originalausgabe: Blanvalet Verlag, München 2000 ISBN: 3-7645-0103-0, 606 Seiten Goldmann-Taschenbuch, München 2002 ISBN: 3-442-45283-X, 606 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Guernsey 1940. Mit elf Jahren verliert Beatrice ihre Eltern. In deren Haus quartiert sich der SS-Offizier Erich Feldmann mit seiner jungen Frau Helene ein. Er stirbt am 1. Mai 1945, aber Helene bleibt in dem Haus auf Guernsey, statt nach Deutschland zurückzukehren. Die beiden Frauen verbindet jahrzehntelang eine Hassliebe. 2000 erzählt Beatrice ihre Geschichte einer Deutschen, die ihr Selbstbewusstsein verloren hat und von ihrem Mann unterdrückt wird ...
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Kritik

Der Thriller-Plot, den Charlotte Link gegen Ende ihres Romans "Die Rosenzüchterin" ins Zentrum rückt, ist trivial. Fulminant ist dagegen der Hauptteil des Romans, ein aus mehreren sich spiegelnden Geschichten komponiertes Drama.
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Seit Franca Palmer in ihrem Beruf als Lehrerin scheiterte, weil es ihr nicht gelang, von den Schülern respektiert zu werden, ist sie depressiv und leidet unter Panikattacken. Statt seiner Frau zu helfen, ihr Selbstwertgefühl zurückzugewinnen, betont Michael Palmer ihre Schwächen. Zweimal im Jahr schickt er sie von Berlin nach Guernsey, wo er ein Schwarzgeldkonto angelegt hat. Als die Vierunddreißigjährige am 30. August 1999 im St. George Inn in St. Peter Port nach ihrem Zimmer fragt, stellt sich heraus, dass die Reservierung fehlschlug und das Hotel ausgebucht ist. Auf der Straße spürt sie den Beginn einer Panikattacke. Sie bleibt stehen und hält sich an einem geparkten Auto fest.

Kurz darauf kehrt der Fahrer des Wagens zurück. Alan Shaye, ein in London lebender zweiundvierzigjähriger Rechtsanwalt, kam an diesem Morgen nach Guernsey, weil seine Mutter Beatrice Shaye am 5. September ihren 71. Geburtstag feiern wird. Er war noch nicht bei ihr in Le Variouf, denn er wollte vorher noch bei Maja Ashworth in St. Peter Port vorbeischauen, der Frau, die er liebt. Doch als er parkte, sah er, wie die aufreizend gekleidete Einundzwanzigjährige mit einem zwielichtig aussehenden Kerl in das Haus ging, in dem ihre Großmutter Mae eine Zwei-Zimmer-Wohnung für sie gemietet hat. Alan bestellte sich daraufhin in einem nahen Pub einen Whiskey, um sich jedoch nicht bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken, riss der Alkoholiker sich nach einiger Zeit wieder los und ging zu seinem Auto. Dort trifft er auf die Deutsche. Er geht mit ihr ins Pub zurück und bestellt ihr einen Drink. Als er erfährt, dass sie kein Zimmer hat, bringt er sie zu seiner Mutter, die ein Ferienzimmer vermietet, das glücklicherweise frei ist.

Beatrice Shaye wurde 1908 hier geboren, und bis auf ein paar Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wohnte sie die ganze Zeit in ihrem Elternhaus in Le Variouf. Vierzig Jahre lang war sie Rosenzüchterin. Seit 1940 lebt eine auf den Tag genau zehn Jahre ältere Deutsche bei ihr. Helene Feldmann war damals mit ihrem Ehemann Erich, einem deutschen Besatzungsoffizier nach Guernsey gekommen.

Franca und Beatrice kommen sich sich näher, und als Franca wieder in Berlin ist, beginnen die beiden Frauen einen Briefwechsel.

Als Franca vermutet, dass Michael eine Geliebte hat, fragt sie ihn, und er gibt ohne weiteres zu, seit knapp einem Jahr ein Verhältnis mit einer anderen Frau zu haben.

„Sie ist in allem das Gegenteil von dir! Sie ist ungeheuer selbstbewusst, sehr stark, sehr sicher. Sie strahlt einen umwerfenden Optimismus aus. Sie ist voller Lebensfreude und Energie. Es ist ein Abenteuer, mit ihr zusammen zu sein. Sie steckt voller Überraschungen und spontaner Einfälle.“ (Seite 177)

Statt die Affäre zu beenden, trifft Michael sich auch weiterhin mit seiner Geliebten. Im April 2000 beschließt Franca, ihn zu verlassen. In einer Nacht, in der Michael wieder einmal nicht nach Hause kommt, packt sie ihre Sachen ins Auto und fährt zu Beatrice nach Guernsey, ohne sich von ihrem Mann verabschiedet zu haben.

Sie vertraut ihrer Gastgeberin an, dass sie beabsichtigt, sich scheiden zu lassen und erweist sich als gute Zuhörerin, wenn die Zweiundsiebzigjährige von ihrer Vergangenheit erzählt.

Beatrice war elf, als ihre Eltern Andrew und Deborah Stewart sich mit ihr im Juni 1940 – wie zwanzigtausend andere Bewohner der Kanalinseln auch – vor den anrückenden Deutschen nach London in Sicherheit bringen wollten. Dort lebte Deborahs Schwester Natalie. Im Getümmel vor dem Schiff hielt Beatrice sich zwar an der Hand ihrer Mutter fest, wurde jedoch von ihr fortgerissen. Da es ihr nicht gelang, an Bord zu kommen, kehrte sie nach Hause zurück. Was hätte sie sonst tun sollen?

Einige Tage später tauchte ein SS-Offizier auf: Major Erich Feldmann. Der vierzig Jahre alte Deutsche requirierte das Haus und ließ drei Wochen später seine neunzehn Jahre jüngere Ehefrau Helene nachkommen. Die beiden waren damals seit drei Jahren verheiratet. Beatrice durfte ihr Zimmer behalten, und Erich kümmerte sich um sie. Auf seine Anweisung hin erteilte ihr sein in der Dachwohnung über der Scheune einquartierter Adjutant Wilhelm („Will“) jeden Tag zwei Stunden Deutschunterricht. Das sei gut für sie, erklärte er Beatrice, weil bald die ganze Welt deutsch sein werde.

„Wir Deutschen sind ein siegreiches Volk. Wir sind im Begriff, die ganze Welt zu erobern. Kennst du ein Land, das uns ernsthaft Widerstand zu leisten vermag? Es gibt nichts und niemanden, der uns aufhalten könnte. Wir sind die Rasse, der die Welt gehört – und ich bin ein Teil davon. ich bin Teil einer siegreichen und stolzen Nation.“ (Seite 149)

Den Garten ließ Erich von Julien und Pierre, zwei französischen Kriegsgefangenen, nach seinen Vorstellungen umgestalten.

Zur Feier ihres zwölften Geburtstags am 5. September 1940 durfte Beatrice sich Gäste aussuchen. Sie hätte gern ihre Freundin Mae Wyatt eingeladen, nahm jedoch an, dass die Familie an Bord des Schiffes nach England gegangen war. Erich fiel es nicht schwer herauszufinden, dass der Arzt Thomas Wyatt mit seiner Ehefrau Edith und seiner Tochter Mae noch auf der Insel wohnte. Erst jetzt erfuhren sie, dass Beatrice nicht bei ihren Eltern war. Sie brachten Mae zur Geburtstagsparty und erklärten dem Besatzungsoffizier, sie würden Beatrice gern zu sich nehmen. Das kam für Erich allerdings nicht in Frage:

„Beatrice gehört jetzt zu meiner Frau und mir. Sie müssen sich keinerlei Sorgen um sie machen.“ (Seite 132)

Nachdem sich Edith und Thomas Wyatt verabschiedet hatten, ging Beatrice mit Mae, Will und dem Ehepaar Feldmann in den Garten. Dort hatte Helene den Tisch mit einem kostbaren Porzellan der Stewarts schön gedeckt. Erich sagte zu Beatrice:

„Ich glaube nicht, dass deine Mutter so dumm war, ihr bestes und feinstes Geschirr in den Garten zu schleppen, wo es jederzeit kaputtgehen kann.“ (Seite 135)

Zuerst ließ er nur eine Tasse fallen. Dann riss er mit dem Tischtuch den Rest des Geschirrs vom Tisch. Die beiden Kriegsgefangenen mussten die Scherben aufheben. Bevor Erich wegfuhr, trug er Will auf, Mae nach Hause zu fahren. Als Beatrice ins Haus ging, fand sie Helene im Bad: Sie lag mit aufgeschnittenen Pulsadern auf dem Fußboden. Ohne lang nachzudenken, rief Beatrice Dr. Wyatt an. Der kam sofort, leistete Erste Hilfe und ließ Helene nach St. Martin ins Krankenhaus bringen.

Als Erich nach Hause kam, beschimpfte er Will, weil dieser Mae nach Hause gefahren und Helene in einem hysterischen Zustand zurückgelassen hatte. Dann kam er zum ersten Mal in Beatrices Zimmer, lobte sie für ihr Verhalten und klagte darüber, dass niemand ihn verstehe. Von da an machte er sie zu seiner Vertrauten, buhlte um ihr Verständnis und ihre Zuneigung.

„Du denkst wahrscheinlich, in der Beziehung zwischen Helene und mir bin ich der Stärkere“, sagte er nun. „Alle denken das, weil Helene immerzu heult und jammert. Aber auf ihre Weise ist sie sehr stark, Beatrice, sehr stark. Du wirst das wahrscheinlich noch merken. Sie zwingt die Menschen unter ihr Joch. Auch mich.“ (Seite 148)

Julien und Pierre wurden von Erich schikaniert. Er reduzierte ihre Essensrationen und ließ sie von einem Soldaten immer rücksichtsloser antreiben. Auch wenn Erich nicht da war, wagte Helene es nicht, den Kriegsgefangenen etwas zuzustecken, doch als der Posten nicht aufpasste und Julien in der Küchentüre um einen Schluck Wasser bat, füllte Beatrice ein Glas. Bevor sie es dem Durstigen geben konnte, richtete der Deutsche seine Pistole auf sie. Vor Schreck verlor Beatrice das Bewusstsein. Der Soldat trug sie in ihr Zimmer hinauf. Julien nutzte die Situation zur Flucht, und obwohl Erich überall auf der Insel nach ihm suchen ließ, blieb er verschwunden.

Einige Monate später, am 25. Dezember 1941, ging Beatrice zu den Wyatts, bevor Erich und Helene aufstanden. Der Arzt und seine Familie waren nicht zu Hause, aber Beatrice schaute durch ein Fenster und sah zu ihrer Überraschung Julien in der Küche sitzen. Er erschrack, aber dann vertraute er ihr an, dass ihn die Wyatts seit seiner Flucht auf dem Dachboden versteckten.

Wenn Beatrice ihre Freundin Mae besuchen durfte, nutzte sie die Gelegenheit auch, um Julien Gesellschaft zu leisten.

In der Nacht zum 5. September 1942, ihrem vierzehnten Geburtstag, traf Beatrice sich mit Julien am Meer. Sie liebten sich am Strand. Von da an kam Beatrice noch häufiger zu den Wyatts, und wenn sie bei Julien auf dem Dachboden war, hielten sie die Falltüre geschlossen.

Helene spürte die Veränderung und wies Erich darauf hin, dass Beatrice häufig nicht zu Hause war. Der forderte seine Frau auf, stärker auf sie Acht zu geben. Um nicht Julien und die Wyatts in Gefahr zu bringen, musste Beatrice die Häufigkeit ihrer Besuche stark einschränken.

„Das hat sie tatsächlich geschafft. Dieses zerbrechliche Wesen mit den blauen Kulleraugen hat es in der Tat geschafft, mich bis heute zu terrorisieren.“ (Seite 232f)

Jahrelang musste Julien sich auf dem Dachboden verstecken. Wenn er es nicht mehr aushielt, ging er nachts an den Strand. Als er sich wieder einmal mit Beatrice an der Petit Bôt Bay traf, ließ er sich von ihr nicht davon abhalten, ins Meer hinauszuschwimmen. Wie von Beatrice befürchtet, entdeckten ihn Wachposten und schossen auf ihn. Julien entkam. Auch Beatrice gelang es, unbemerkt in ihr Zimmer zurückzukehren. Die Deutschen glaubten, einen ausländischen Agenten beinahe erwischt zu haben. Aber dann wurde am Strand ein Stück Papier gefunden, das von einer Tafel Schokolade stammte, die Erich von Frankreich mitgebracht hatte. Das bewies dem Major, dass Beatrice dort gewesen war, und er vermutete, sie habe sich heimlich mit einem Liebhaber getroffen. Drei Wochen lang versuchte er den Namen des Mannes herauszufinden, dann gab er es auf. Auf die Idee, dass es sich um den flüchtigen Kriegsgefangenen handelte, kam er nicht. Weil Beatrice das Haus nur noch in Begleitung verlassen durfte und von Will oder einem anderen Soldaten zur Schule gebracht und von dort abgeholt wurde, dauerte es lange, bis sie Julien wiedersah, der sich weiterhin bei den Wyatts versteckte.

Durch die „Operation Overlord“ – die Landung der Alliierten ab 6. Juni 1944 in der Normandie – wurden die Kanalinseln von der Versorgung durch die Deutschen abgeschnitten, und Churchill blieb hart, weil Hilfslieferungen eher den Besatzungssoldaten als der Bevölkerung zugutegekommen wären. Die Menschen hungerten. Erich gingen außerdem der Alkohol und die Tabletten aus, von denen er abhängig war.

Am 9. Mai 1945 kapitulierten die Deutschen [Der Untergang des „Dritten Reiches“].

Erich habe sich eine Woche vorher, am 1. Mai, das Leben genommen, erzählt Beatrice. Der Schuss sei nicht sofort tödlich gewesen; da sie und Helene jedoch keinen Arzt fanden, verblutete Erich.

Nach dem Krieg suchte Beatrice ihre Eltern in London, doch sie lebten nicht mehr. Der Vater war 1941 bei einem Bombenangriff umgekommen, die Mutter hatte danach zu Alkohol und Drogen Zuflucht genommen und sich damit Ende 1944 selbst getötet.

Beatrice schloss auf Guernsey die Schule ab, studierte in Southampton Anglistik und Romanistik, fand danach aber keine Arbeitsstelle. Ende November 1952 lernte sie Frederic Shaye kennen, einen Professor aus Cambridge. Die beiden heirateten im Juni 1953.

Helene blieb in Le Variouf, statt nach Deutschland zurückzukehren. Beatrice ließ sie weiterhin in ihrem Haus wohnen, bis sie 1956 beschloss, es zu verkaufen und nach Guernsey reiste, um einer Maklerin den Auftrag zu erteilen. Bevor sie das tun konnte, traf sie zufällig Julien wieder, der mit seiner Ehefrau Suzanne, einem französischen Model, auf der Insel Urlaub machte. Er arbeitete inzwischen als politischer Redakteur bei einer Zeitung in Paris.

Suzanne musste schließlich beruflich nach Venedig, aber Julien blieb noch auf Guernsey. Beatrice und er gingen miteinander ins Bett – bis nach einigen Wochen Suzanne zurückkam, eine Szene machte und Julien mitnahm. Einige Zeit später merkte Beatrice, dass sie schwanger war.

Frederic glaubte, es sei sein Kind und freute sich darauf, aber Anfang Januar 1957 stand überraschend Helene bei ihnen in Cambridge vor der Tür. Während ihres Besuchs verriet sie Frederic, dass Beatrice auf Guernsey eine Affäre hatte und das Kind höchstwahrscheinlich nicht von ihm war.

Obwohl der Professor die Ehe zunächst retten wollte, gelang ihm das nicht. Beatrice verließ ihn, und damit ihr Sohn Alan in einer gesunden Umgebung aufwachsen konnte, kehrte sie in ihr Elternhaus zurück. Ihren Lebensunterhalt verdiente Beatrice notgedrungen als Rosenzüchterin.

Nachdem Franca sich neue Kleider gekauft hat, sieht man nicht nur, dass sie attraktiv ist, sondern sie wirkt auch selbstbewusster.

Maja versteht es schon länger, sich so anzuziehen, dass die Männer sich nach ihr umdrehen. Als es ihr zu langweilig wird, sich auf Guernsey von Touristen aushalten zu lassen, beschließt sie im April 2000, nach London zu ziehen und leiht sich Geld von ihrer Großmutter Mae für das Flugticket. Sie überrascht Alan, lässt ihn glauben, sie wolle mit ihm eine neue Beziehung beginnen und bringt ihn dazu, sie bei sich aufzunehmen. Nach ein paar Tagen lernt sie einen Mann namens Frank Langtry kennen und beginnt eine Affäre mit ihm. Das bleibt Alan nicht verborgen. Nachdem er sich vier Jahre lang Hoffnungen auf Maja machte, bricht er am 1. Mai endgültig mit ihr und wirft sie hinaus.

Weil Maja nichts besitzt und ohne abgeschlossene schulische Ausbildung auch nicht erwarten kann, in London eine Arbeitsstelle zu bekommen, bleibt ihr nichts anderes übrig, als nach Guernsey zurückzukehren. Dass Alan sich wider Erwarten von ihr trennte, bringt sie zur Besinnung. Sie nimmt sich vor, ihr Leben zu ändern.

Am Nachmittag ruft Beatrice ihren Sohn an und stellt entsetzt fest, dass er wieder einmal lallt und betrunken ist.

Unerwartet steht Michael vor der Tür. Franca hatte nach ihrem ersten Aufenthalt in Le Variouf den Namen Beatrice Shaye erwähnt, und er fand heraus, wo die ehemalige Rosenzüchterin wohnt. Nun will er Franca zurückholen. Dass seine Frau sich nach zwölf Jahren von ihm scheiden lassen möchte, kann er sich nicht vorstellen.

An diesem Abend sind Beatrice, Helene und Franca bei Kevin Hammond in Torteval zum Essen eingeladen. Der achtunddreißig Jahre alte schwule Gärtner ist seit Jahren eng mit Helene befreundet und hat sich in den letzten Monaten sehr viel Geld von ihr geliehen. Angeblich benötigte er es für die Gewächshäuser, die er in der Perelle Bay erwarb. Weil Franca einer Aussprache mit Michael in einem Restaurant nicht aus dem Weg geht und Beatrice nach dem Telefonat mit Alan den Abend lieber allein verbringen möchte, kommt Helene allein zu Kevin.

Michael hält Francas Scheidungswunsch für eine Überreaktion und ist zuversichtlich, dass sie es sich bald anders überlegt. Umso verblüffter ist er, als sie spät abends aufsteht, ihn im Restaurant sitzen lässt und mit ihrem Leihwagen wegfährt.

In der Einfahrt des Hauses steht Beatrices Auto. Sie sitzt darin und sagt Franca, sie sei schon eine halbe Stunde lang da und habe nachgedacht. Das tat sie schon den ganzen Abend, zuerst am Pleinmont Point, dann hier. Die beiden Frauen wundern sich, dass Kevin Helene noch nicht zurückgebracht hat. Um 1.30 Uhr rufen sie ihn an. Helene sei zwischen 10 und 11 Uhr mit einem Taxi nach Hause gefahren, sagt er. Er habe zu viel getrunken, um noch fahren zu können. Beatrice wundert sich darüber, denn er wirkt nüchtern. Als Nächstes klingeln die Frauen den Taxifahrer aus dem Bett. Er sei von einer Frau mit leiser Stimme nach Torteval bestellt worden, berichtet er. Als er hinkam, stand sie schon auf der Straße und wirkte verstört. Weil er befürchtete, in der Einfahrt des Hauses nicht wenden zu können, ließ er sie kurz davor aussteigen. – Mit einer Taschenlampe in der Hand suchen Beatrice und Franca nach Helene. Sie finden sie auf einem Weg unweit der Stelle, wo sie aus dem Taxi stieg. Dort liegt sie mit durchschnittener Kehle.

Franca übernimmt es, die Polizei zu alarmieren. Dass eine über siebzig Jahre alte Frau den ganzen Abend allein am Pleinmont Point verbringt und nachdenkt, halten die Beamten für merkwürdig, und sie registrieren selbstverständlich, dass sie kein Alibi hat.

Nach der Trauerfeier ertappt Beatrice Kevin im Haus. Er behauptet, er habe in Helenes Zimmer von seiner Freundin Abschied nehmen wollen und geglaubt, es sei niemand da. Dann gesteht er Beatrice, wieviel Geld er von Helene bekam. Wie soll sie bei ihrer kleinen Rente so viel gespart haben, fragt Beatrice. Kevin klärt sie darüber auf, dass Helene ein großes Vermögen besaß und ihre Bedürftigkeit nur vortäuschte. Das Geld hatte Erich Feldmann Juden abgenommen, bevor diese deportiert oder erschossen worden waren.

Maja und Franca treffen sich ein paar Tage später an Helenes Grab und kommen ins Gespräch. Sie reden davon, dass Helene auf dem Tag genau fünfundfünfzig Jahre nach ihrem Mann starb und stellen sich vor, wie schockierend der Suizid des SS-Offiziers damals auf die junge Frau gewirkt haben musste, zumal sie mit ansehen musste, wie er verblutete, weil kein Arzt zu finden war. Da fällt Maja auf, dass Maes Mutter ihr erzählte, Thomas Wyatt sei an diesem Nachmittag zum Haus der Stewarts gerufen worden und auch dort gewesen, um den schwer verletzten Kriegsgefangenen Pierre zu verarzten. Wie passt das zusammen?

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Bei der nächsten Gelegenheit weist Franca ihre Freundin auf den Widerspruch hin. Da erzählt ihr Beatrice, was damals wirklich geschah.

Auf der Suche nach Tabletten stellte Erich am 1. Mai 1945 das ganze Haus auf den Kopf. Dann fuhr er mit Beatrice zu Dr. Wyatt. Der Arzt beteuerte, keine für ihn geeigneten Medikamente zu haben, aber Erich glaubte ihm nicht und durchwühlte alles. Er war so außer sich, dass Beatrice und die Wyatts befürchteten, er werde auch auf dem Dachboden nachsehen. Dann hätte er Julien entdeckt. Zum Glück kam es nicht dazu.

Am Nachmittag kippte der Soldat, der Pierre bewachen sollte, aufgrund der Unterernährung um. Der Kriegsgefangene wäre körperlich gar nicht mehr in der Lage gewesen, zu fliehen. Stattdessen versuchte er, dem ohnmächtigen Deutschen zu helfen. Erich schoss jedoch auf ihn und traf ihn ins Bein. Beatrice rief, Pierre solle die Waffe des Soldaten nehmen. Während er ein zweites Mal ins Bein getroffen wurde, schoss er Erich in die Brust.

Helene und Beatrice zerrten die beiden Schwerverletzten ins Haus, legten Pierre in die Küche und Erich ins Wohnzimmer.

Beatrice wagte es, Will anzuvertrauen, was geschehen war und täuschte sich nicht: Er verriet sie nicht, sondern brachte den noch immer benommenen Soldaten fort.

Hätte ein anderer Deutscher von dem Schuss des Kriegsgefangenen auf Oberstleutnant Feldmann erfahren, wäre Pierre standrechtlich erschossen worden. Das wäre auch geschehen, wenn Erich sich noch vor Kriegsende von der Verletzung erholt hätte.

Die Frauen riefen Dr. Wyatt. Der stoppte die Blutungen an Pierres Bein und rettete ihm das Leben. Als er nach Erich fragte, behauptete Helene, ihr Mann sei nach der Schießerei fortgegangen. Beatrice konnte es kaum fassen, dass Helene log, obwohl ihr Mann nebenan lag und verblutete. Als er Arzt sich verabschiedet hatte, fragte sie Helene, warum sie ihn nicht zu Erich geführt habe. Sie habe dabei nicht an Pierre gedacht, gestand sie, sondern sich selbst retten wollen. Während Beatrice das Stöhnen kaum ertragen konnte, harrte Helene bis zum Schluss neben ihrem sterbenden Mann aus.

Nachträglich verrieten Helene und Beatrice Dr. Wyatt, dass sie Erich verbluten ließen und erklärten ihm, sonst wäre Pierre doch noch erschossen worden. Der Arzt bestätigte deshalb einen Selbstmord als Todesursache.

Zufällig trifft Beatrice in St. Peter Port Julien wieder und lässt sich von ihm ins Café „Sea View“ einladen. Von Suzanne hatte er sich Mitte der Sechzigerjahre scheiden lassen. Danach war er noch zweimal verheiratet gewesen. Die zweite Ehe scheiterte ebenfalls, und die dritte Frau starb 1992 an Krebs. Bald darauf kommen Alan und Franca vorbei. Beatrice macht sie mit Julien bekannt, und Franca denkt daran, dass weder Alan noch Julien etwas von ihrer Verwandtschaft ahnen.

Wieder allein, überlegen Alan und Franca, wer Helene ermordet haben könnte. Wieso brachte Kevin sie nicht wie sonst immer nach Hause? Warum rief sie sich selbst ein Taxi? Warum redete sie dabei so leise? Verdächtig ist auch, dass sie dem Taxifahrer verstört vorkam. Bevor Alan und Franca diese Fragen an die Polizei weitergeben, wollen sie Kevin selbst fragen. Er ist nicht zu Hause. Möglicherweise sei er bei seinen Gewächshäusern, heißt es. Sie fahren also zur Perelle Bay – und wundern sich über die verwahrlosten Gewächshäuser, die aus einer aufgelassenen Gärtnerei stammen, deren Besitzer vor zwei Jahren starb. Die Seitenwände sind notdürftig mit Brettern vernagelt.

Im Inneren stoßen Alan und Franca auf Kevin und vier andere Männer, die vor einer Yacht stehen. In einem von ihnen erkennt Alan den Kerl wieder, mit dem er Maja im letzten September in St. Peter Port gesehen hatte. Er begreift, dass hier die gestohlenen Schiffe umlackiert werden. Er sei zufällig mit Franca vorbeigekommen, sehe jedoch, dass er störe, sagt er so locker wie möglich zu Kevin. Bevor er und Franca ihr Auto erreichen, werden sie aufgefordert, stehenzubleiben. Sie rennen, aber Alan geht mit einem Sehnenriss im rechten Bein zu Boden. Er ruft Franca zu, er habe einen der Gangster kürzlich mit Julien zusammen gesehen und fordert sie auf, loszufahren und mit dem Handy die Polizei zu rufen.

Franca ruft im „Sea View“ an, lässt Beatrice ans Telefon holen und warnt sie vor Julien. Er sei vermutlich Mitglied einer Bande, die Yachten stiehlt und habe vielleicht sogar etwas mit Helenes Ermordung zu tun. Bevor sie die Polizei alarmieren kann, erleidet sie eine Panikattacke. Obwohl sie keine Tablette bei sich hat, gelingt es ihr, bald wieder die Kontrolle zurückzubekommen und sich von der Vermittlung mit der Polizei verbinden zu lassen.

Beatrice vermutet zunächst, Franca bilde sich etwas ein. Aber sie fragt den Achtzigjährigen geradeheraus, ob er am Diebstahl der Yachten beteiligt sei. Juliens Reaktion beweist, dass Francas Verdacht berechtigt ist. Weil damit zu rechnen ist, dass Franca die Polizei nicht nur zur Perelle Bay, sondern auch ins „Sea View“ schickt, fährt Beatrice mit dem Vater ihres Sohnes zur Petit Bôt Bay.

Aus Langeweile und Abenteuerlust habe er vor zwanzig Jahren begonnen, mit der Bande zusammenzuarbeiten, gesteht Julien. Er requirierte die Kunden, organisierte die Übergabe der Yachten in Frankreich und kassierte das Geld. Dass einer seiner Komplizen, ein früherer Auftragskiller namens Gérard, Helene ermordete, weiß er erst seit dem Vortag.

Kevin kam vor zweieinhalb Jahren mit der Bande in Berührung. In seinen Gewächshäusern werden die gestohlenen Schiffe umgespritzt. Als die Ganoven herausfanden, dass Helene ihm großzügig Geld „lieh“, zwangen sie ihn immer wieder, auf diese Weise größere Geldsummen zu beschaffen. Im April wollte er endgültig aussteigen. Weil er am 1. Mai mit Gérards Besuch rechnete, lud er Helene, Beatrice und Franca zum Abendessen ein, denn er dachte, im Beisein der drei Damen würde man ihm nichts antun. Aber dann saß er mit Helene allein da. Als die Männer durch den Hintereingang kamen, fing er sie in der Küche ab, und sie merkten zunächst nicht, dass noch jemand da war. Erst das Geräusch der Haustüre ließ sie aufhorchen. Gérard sah gerade noch, wie eine ältere Frau in ein Taxi einstieg. Er fuhr hinterher und ermordete die Zeugin.

Beatrice hilft Julien, Guernsey zu verlassen, bevor die Polizei den Flughafen abriegelt. Dann eilt sie zur Perelle Bay. Dort wird gerade ein Toter abtransportiert. Aber es ist nicht ihr Sohn, sondern Kevin.

Statt Alan zu töten, nahm Gérard ihn als Geisel, weil er ahnte, dass Franca die Polizei alarmieren würde. Als diese das Areal abriegelte und mit Spezialkräften vorrückte, wollte er Alan für alle sichtbar in der Tür des Gewächshauses erschießen, doch Kevin warf sich dazwischen. Danach überwältigte die Polizei die Bande.

Einige Zeit später sitzen Mae und Beatrice im „Le Nautique“ in St. Peter Port. Franca werde wohl ihre Scheidung durchsetzen und dann Alan in London besuchen, meint Beatrice. Alan freue sich darauf. Mae ist froh, dass Maja ein neues Leben angefangen hat und eine Ausbildung in einem Hotel absolviert.

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„Die Rosenzüchterin“, das sind eigentlich zwei miteinander verzahnte Romane. Der Thriller-Plot, den Charlotte Link gegen Ende ins Zentrum rückt, ist spannend, aber trivial. Darauf hätte sie besser verzichtet. Fulminant, eindrucksvoll und bewegend ist dagegen der andere Teil des Buches, ein aus mehreren Geschichten komponiertes Drama. Es spielt während der deutschen Besatzung der Kanalinsel Guernsey (1940 – 1945), in den Fünfzigerjahren und in der Gegenwart (1999 / 2000).

Charlotte Link verankert die Handlung in der Gegenwart, lässt eine der Hauptfiguren erzählen, was früher geschah und fügt mehrere Rückblenden ein. Geschickt wechselt sie in „Die Rosenzüchterin“ zwischen den Zeitebenen und verknüpft die einzelnen Handlungsstränge. Dabei lässt sie keinen Faden fallen. Auf souveräne Weise bereitet sie Handlungselemente vor, die erst sehr viel später bedeutsam werden. Mit großer Umsicht verteilt sie die Informationen so, dass sich erst allmählich ein vollständiges Bild zusammensetzt und steigert dabei die Spannung.

Im Mittelpunkt steht die ergreifende Geschichte der Rosenzüchterin Beatrice. Obwohl Beatrice stark ist, gelingt es der hilfsbedürftig erscheinenden Deutschen Helene, die mit einem Besatzungsoffizier nach Guernsey kam und sich in ihrem Elternhaus einquartierte, ihr jahrzehntelang ihren Willen aufzuzwingen. Das ambivalente Verhältnis der beiden Frauen wird in „Die Rosenzüchterin“ durch zwei eheliche Beziehungen gespiegelt: Helene – Erich, Franca – Michael. Bei Erich handelt es sich um einen recht gewöhnlichen Menschen, der die mit seiner SS-Uniform verbundene Macht missbraucht, sich aufspielt und sich doch nicht von dem Einfluss seiner zerbrechlich wirkenden jungen Frau befreien kann. Franca verlor durch einen beruflichen Misserfolg ihr Selbstvertrauen, und ihr Mann macht sich das zunutze, aber bevor sie dadurch zugrundegeht, emanzipiert sie sich von ihm.

Fazit: „Die Rosenzüchterin“ ist ein spannender und mitreißender, komplexer und – bis auf das Thriller-Element – formal überzeugender Roman.

Den Roman „Die Rosenzüchterin“ von Charlotte Link gibt es auch in einer gekürzten Fassung als Hörbuch, gelesen von der Autorin Charlotte Link (Köln 2000).

Erhard Riedlsperger verfilmte den Roman „Die Rosenzüchterin“ in zwei Teilen fürs Fernsehen. Die Erstausstrahlung erfolgte am 7. und 8. November 2004 im ZDF.

Originaltitel: Die Rosenzüchterin – Regie: Erhard Riedlsperger – Drehbuch: Jürgen Werner, nach dem Roman „Die Rosenzüchterin“ von Charlotte Link – Kamera: Frank Brühne – Schnitt: Christine Boock – Musik: Karim Sebastian Elias – Darsteller: Hannelore Elsner, Axel Milberg, Frank Giering, Eva Herzig, David Rott, Camilla Renschke, Henning Peker, Vadim Glowna, Simona Sbaffi, Ruth-Maria Kubitschek u.a. – 2004; 175 Minuten

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009
Textauszüge: © Blanvalet Verlag

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