Charlotte Link : Im Tal des Fuchses

Im Tal des Fuchses
Im Tal des Fuchses Originalausgabe: Blanvalet Verlag, München 2012 ISBN: 978-3-7645-0350-5, 575 Seiten Taschenbuch: Blanvalet Verlag, München 2013 ISBN: 978-3-442-38259-0, 575 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der ebenso überschuldete wie überforderte Kleinkriminelle Ryan Lee beabsichtigt, sich mit einer Erpressung Geld zu verschaffen. Zu diesem Zweck entführt er eine Frau und sperrt sie in einer nur ihm bekannten Höhle im Tal des Fuchses in eine Kiste. In ein paar Tagen, denkt er, werde er sie wieder frei­lassen. Aber bevor er eine Lösegeld­forde­rung stellen kann, wird er wegen eines anderen Delikts festgenommen. Aus Angst vor einer längeren Haftstrafe schweigt er – und nimmt den eigentlich nicht gewollten Tod des Entführungsopfers in Kauf ...
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Kritik

Der missglückte Erpressungsversuch ist nur eines der Rädchen im gut geölten Getriebe des komplexen Kriminalromans "Im Tal des Fuchses". Charlotte Link leuchtet die widersprüchlichen Charaktere so gut aus, dass die Figuren lebendig werden und ihre Handlungen nachvollziehbar sind.
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Nach einem Besuch bei ihrer Mutter Lauren French in einem Altersheim in Holyhead fährt Dr. Vanessa Willard am 23. August 2009 mit ihrem Ehemann Matthew zurück nach Mumbles, einen Vorort von Swansea, wo sie ein Haus besitzen. Sie machen zwar einen Umweg durch den Pembrokeshire Coast National Park, aber statt sich die Landschaft anzuschauen, streiten sie im Auto, weil Matthew, der in einem IT-Unternehmen in Swansea tätig ist, seiner befürchteten Entlassung durch eine Bewerbung für einen neuen Job in London zuvorkommen möchte und Vanessa keine Lust hat, von Swansea wegzuziehen, wo sie als Dozentin für Literatur an der Universität lehrt. Um den Schäferhund zwischendurch auszuführen, halten sie auf einem menschenleeren Rastplatz im Park. Wegen des Streits bleibt Vanessa allerdings beim Auto zurück, während Matthew mit dem Hund losgeht.

Als er nach einer halben Stunde zurückkommt, fehlt von Vanessa jede Spur, obwohl ihre Sachen noch im Auto liegen.

Anders als Matthew wissen wir Leser, was geschah. Die gut gekleidete Frau, die augenscheinlich neben ihrem teuren Auto eine Rast eingelegt hatte, fiel dem 31 Jahre alte Ryan Lee auf, der seit einem halben Jahr als Fahrer für eine Wäschereikette arbeitet und mit einem Kastenwagen der Firma vorbeikam. Wenn er von dem Mann und dem Schäferhund etwas geahnt hätte, wäre er weitergefahren. Stattdessen dachte er, die vermutlich wohlhabende Frau sei allein. Der wegen Diebstahls und Körperverletzung vorbestrafte Kleinkriminelle parkte den Lieferwagen mit der Firmenaufschrift „Clean!“ in der Nähe, schlich sich an Vanessa heran, betäubte sie mit Chloroform und brachte sie zu einer Höhle in der Nähe seines Geburtsortes Cardigan, die außer ihm wohl niemand kennt. Weil er den Eingang als Neunjähriger im Oktober 1987 bei der Verfolgung eines Fuchses entdeckt hatte, nennt er die Gegend „Tal des Fuchses“. Ryan zwingt sein Entführungsopfer, sich in eine bereits mit einer Taschenlampe, Wasserflaschen, Proviant und Illustrierten ausgestatteten Kiste zu legen, deren Deckel er dann verschraubt. Er will von ihrem Mann 100 000 Pfund erpressen und sie dann freilassen. Ryan hofft, das alles innerhalb von wenigen Tagen abwickeln zu können. Zwar befürchtet er, das Vorhaben könne für ihn eine Nummer zu groß sein, aber er sieht sich dazu gezwungen, weil er dem skrupellosen Kredithai Damon 20 000 Pfund schuldet und damit rechnen muss, von dessen Geldeintreibern zusammengeschlagen zu werden.

Dass ihn die Polizei noch am selben Tag festnehmen würde, bevor er sich wegen einer Lösegeldforderung beim Ehemann der Entführten hätte melden können, konnte er nicht ahnen.Grund ist eine Kneipenschlägerei am 20. August, bei der sein 19-jähriger Gegner einen Schädelbasisbruch erlitt. Ryan, der von dem Betrunkenen provoziert worden war, wollte das nicht, aber er wird sich wegen schwerer Körperverletzung vor Gericht verantworten müssen. Und weil er keinen festen Wohnsitz hat und sich der Verhaftung durch Flucht entziehen wollte, gelingt es seinem Anwalt Aaron Craig auch nicht, ihn bis zur Verhandlung gegen Kaution freizubekommen. Ryan weiß, dass die Frau in der Kiste nur etwa eine Woche überleben kann. Was soll er tun? Er müsste seinen Verteidiger bitten, sie zu befreien. Aber die Rettung der Frau ließe sich nicht verheimlichen, und dann müsste er mit einer weit höheren Haftstrafe rechnen. Ryan schweigt deshalb.

Wegen guter Führung wird Ryan im März 2012 vorzeitig aus der Haft entlassen. Die im South Pembrokeshire Hospital in Swansea angestellte, 29 Jahre alte Physiotherapeutin Nora Franklin, die ihn im Rahmen eines Resozialisierungsprogramms in den letzten Monaten regelmäßig im Gefängnis besuchte, nimmt ihn bei sich auf. Und sein Bewährungshelfer Melvin Cox vermittelt ihm eine Hilfstätigkeit in einem Copy Shop.

Vivian Cole unterstellt ihrer Kollegin und Freundin Nora, sich auf diese Weise einen Mann angeln zu wollen, noch dazu einen, der von ihr abhängig ist. Tatsächlich hofft Nora auf eine Liebesbeziehung oder wenigstens, dass Ryan bei ihr bleibt und sie nicht länger allein ist. Allerdings belastet ihre gut gemeinte Fürsorge den 34-Jährigen. Um sich zeitweise davon zu befreien, fährt er mit Noras Auto zu seiner zwei Jahre jüngeren Ex-Freundin Deborah („Debbie“) Dobson, die ebenfalls in Swansea wohnt und als Schichtarbeiterin bei einer Firma für Gebäudereinigung angestellt ist. Dass sie ihn kein einziges Mal im Gefängnis besuchte, verübelt er ihr nicht. Er weiß, dass sie mit seinen kriminellen Machenschaften nichts zu tun haben will und die Beziehung mit ihm deshalb auch 2006 nach vier Jahren beendete.

Debbie sieht schrecklich aus. Ihr Gesicht ist zerschlagen, und sie ist psychisch völlig fertig. An dem Tag, an dem Ryan aus dem Gefängnis entlassen wurde, lauerten ihr zwei Männer auf der Straße auf, schlugen sie zusammen und vergewaltigten sie mehrmals. Debbie hat das Krankenhaus erst am Vortag auf eigene Verantwortung verlassen. Ryan räumt bei ihr auf, wärmt ihr eine Fertigsuppe auf und bleibt auf ihren Wunsch hin über Nacht.

Als er am nächsten Morgen zu Nora kommt, warten dort auch Melvin Cox und Detective Inspector Olivia Morgan von der South Wales Police auf ihn. Der ehemalige Freund Debbies gehört zu dem Personenkreis, der von der Polizei in dem Vergewaltigungsfall überprüft wird. Er könnte sich dafür gerächt haben, dass seine Ex-Freundin ihn nicht im Gefängnis besucht hatte. Es fällt auf, dass das Verbrechen an seinem Entlassungstag geschah. Olivia Morgan ist verblüfft, als Ryan sagt, er komme von Debbie. Für die Tatzeit hat er zwar ein Alibi, weil Nora bestätigt, dass er bei ihr war, aber die Kommissarin weiß, dass Frauen mit Helfersyndrom für ihre Schützlinge auch lügen.

Matthew Willard leidet vor allem darunter, dass er nach gut zweieinhalb Jahren noch immer nicht weiß, was mit seiner Frau geschehen ist. Wurde sie entführt oder verschwand sie aus eigenem Antrieb aus seinem Leben? Ist sie tot oder lebt sie noch? Die Ungeklärtheit dieser Fragen hält Matthew davon ab, eine Zäsur vorzunehmen und einen Neuanfang zu wagen. Anfangs betrachtete ihn die Polizei sogar als Hauptverdächtigen. Die Polizei hielt es für möglich, dass er seine Frau in der abgelegenen Gegend ermordet hatte, konnte ihm aber nichts nachweisen und stellte schließlich die Ermittlungen ein. Seine damaligen Befürchtungen erwiesen sich übrigens als ungerechtfertigt: Er verlor seinen Arbeitsplatz nicht, im Gegenteil: inzwischen ist er zum Geschäftsführer des Software-Unternehmens in Swansea avanciert.

Um ihn auf andere Gedanken zu bringen und vielleicht sogar mit einer passenden Frau zu verkuppeln, lädt ihn das befreundete Ehepaar Kendal („Ken“) und Alexia Reece zusammen mit Jenna Robinson im März 2012 zum Essen ein.

Ken Reece hatte mit einem anderen Freund zusammen eine Werft in seinem Heimatort Cardigan betrieben. Als er und seine Frau bereits zwei Kinder hatten, zogen sie nach Swansea, wo Alexia eine Anstellung als Journalistin bekam. Vor einem Jahr wurde sie Chefredakteurin der Wales-Ausgabe der Zeitschrift „Healthcare“. Inzwischen hat das Ehepaar vier Kinder. Um sie und den Haushalt kümmert sich vor allem Ken. Die Freunde bewundern ihn dafür, dass er seiner ehrgeizigen Frau den Rücken freihält. Alexia befürchtet allerdings, dass es ihr Chef Ronald Argilan darauf abgesehen hat, sie beim kleinsten Fehler zu entlassen, denn von Frauen in Führungspositionen hält er grundsätzlich nichts. Um sich keine Blöße zu geben, arbeitet Alexia wie besessen.

Jenna Robinson trennte sich im September letzten Jahres nach acht Jahren von ihrem Freund Garrett Wilder in Brighton und zog nach Swansea, um ein neues Leben anzufangen. Alexia stellte sie als Assistentin bei „Healthcare“ ein, und inzwischen sind die beiden Frauen befreundet.

Alexias Versuch, den 44-jährigen Matthew Willard und die zwölf Jahre jüngere Jenna Robinson zu verkuppeln, hätte gelingen können, denn die beiden fühlen sich auf Anhieb zueinander hingezogen. Nach dem Abendessen bei Ken und Alexia Reece gehen sie mehrmals miteinander aus. Aber Matthew hält Jenna auf Abstand; das ungeklärte Schicksal Vanessas steht zwischen ihnen, und nach fünf Wochen beendet Jenna die aussichtslose Beziehung, die eigentlich noch gar keine war.

Etwa zur gleichen Zeit, im April 2012, wird Ryans 58 Jahre alte Mutter Corinne Beecroft von zwei Männern aus ihrem Auto gezerrt, betäubt und schließlich in einem Wald ausgesetzt. Als Ryan und Nora von der Geburtstagsfeier einer Kollegin Noras zurückkommen, hören sie auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht von Bradley Beecroft, dem dritten Ehemann von Ryans Mutter, der mit ihr in einem von seinen Eltern geerbten Häuschen in Sawdon in den Yorkshire Moors lebt. Der 68-Jährige macht sich Sorgen: Nachdem Corinne nicht in der Arztpraxis in Whitby auftauchte, in der sie angestellt ist, fuhr Bradley den Weg ab und fand ihren Wagen an der Stelle, an der sie jeden Morgen auf ein junges Mädchen wartete, um es mit nach Whitby zu nehmen. Die Mutter des Mädchens erklärte, dass ihr Auto an diesem Morgen nicht ansprang und sie deshalb ihre Tochter nicht zum Treffpunkt bringen konnte. Der Automechaniker, der den Wagen reparierte, stellte fest, dass die Zündkabel manipuliert worden waren.

Obwohl Ryan seit mehreren Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter und ihrem Mann hatte (Bradley bekam Noras Telefonnummer von Debbie), fährt er sofort zu seinem Stiefvater, und Nora begleitet ihn. Inzwischen hat Bradley jedoch von Detective Sergeant Fuller erfahren, dass Ryan zweieinhalb Jahre lang im Gefängnis war, und er will, dass der Sohn seiner Ehefrau, von dem er noch nie etwas gehalten hat, so schnell wie möglich wieder abreist. Auch in diesem Fall gilt Ryan als verdächtig, aber sein Alibi ist hieb- und stichfest.

Nach zwei Tagen wird Corinne Beecroft völlig erschöpft von dem Späthippie-Mädchen Janine auf dem Gelände der Farm entdeckt, die deren drogensüchtiger Freund Nick von einem Großonkel geerbt hat. Die Polizei nimmt zunächst an, die Arzthelferin sei von der auf der Farm hausenden Kommune entführt worden, die den Bürgern in der Umgebung ein Dorn im Auge ist, aber als Corinne sich soweit erholt hat, dass sie wieder sprechen kann, stellt sie klar, dass die Hippies nichts mit ihrer Entführung zu tun hatten. Wer die beiden Männer waren, die sie im Wald aussetzten, bleibt ein Rätsel.

Ryan ist alarmiert. Zwei Frauen aus seinem Umfeld, zuerst seine Ex-Freundin Debbie, dann seine Mutter, wurden Opfer von Verbrechen. Das kann kein Zufall sein. Handelt es sich um „Warnungen“ Damons? Ist Nora ebenfalls gefährdet? Im Alter von 24 Jahren hatte Ryan 800 Pfund aus der Firmenkasse gestohlen. Der Abteilungsleiter merkte es, gab Ryan jedoch die Chance, es zurückzulegen und selbst zu kündigen, bevor der Firmenchef etwas davon merkte. Weil Ryan das Geld bereits ausgegeben hatte und ihm seine Freunde nichts leihen konnten, besorgte er sich den fehlenden Betrag von dem in der Unterwelt gefürchteten Kredithai Damon. Im Lauf der Zeit lieh er sich weitere Summen von Damon, und im Sommer 2009 schuldete er ihm 20 000 Pfund. Damon weiß, dass Ryan nie im Leben über so viel Geld verfügen wird, und auf 20 000 Pfund mehr oder weniger kommt es ihm selbst auch gar nicht an, aber er würde seine Reputation in der Unterwelt verlieren, wenn er es Ryan durchgehen ließe. – Ryan berichtet Nora von seinen Schulden und seiner Sorge, dass Damon sie auch zum Ziel einer Warn- bzw. Strafaktion machen könnte. Nora hält dennoch auch weiterhin zu Ryan.

Am 21. Mai wird Ryan von zwei Männern auf der Straße abgepasst und zu Damon gebracht. Der lässt sich von Ryans Beteuerung, er sei beim besten Willen nicht in der Lage, seine Schulden zu tilgen, nicht beeindrucken. In scheinbarer Großzügigkeit räumt er ihm eine Frist bis 30. Juni ein. Dann will er einschließlich der aufgelaufenen Zinsen 50 000 Pfund von ihm haben. Und er lässt keinen Zweifel daran, dass bei Nichterfüllung der Forderung schmerzhafte Strafmaßnahmen drohen.

Nora sieht nur eine Möglichkeit, Ryan von dem Druck zu befreien: Bradley Beecroft müsste eine Hypothek auf das Häuschen in Sawdon aufnehmen. Ryan hält es jedoch für undenkbar, dass sein Stiefvater dazu bereit sein könnte.

Matthew Willard spendet Vanessas Kleidung dem Roten Kreuz und schafft ihre sonstigen persönlichen Sachen auf den Dachboden. Dann bittet er Jenna Robinson, ihm eine zweite Chance zu geben, denn sie fehlt ihm. Als Vanessas Mutter Lauren French im Pflegeheim stirbt, bittet Matthew Jenna, ihn zur Beerdigung am Freitag, den 25. Mai, in Holyhead zu begleiten.

Die meisten Verwandten kommen nur zur Trauerfeier, um zu sehen, was aus Matthew nach dem rätselhaften Verschwinden seiner Frau geworden ist. Dass er eine sehr viel jüngere Frau an seiner Seite hat, obwohl Vanessa vielleicht noch lebt, löst hämische Anspielungen aus. Matthew und Jenna verlassen die Trauerfeier deshalb vorzeitig. Das unübersehbare Naserümpfen der Verwandten löst bei Matthew eine Trotzreaktion aus: Er schlägt Jenna vor, die Rückfahrt nach Swansea als Ausflug zu gestalten und unterwegs zu übernachten. Jenna hat Alexia zwar versprochen, sich am Samstagmorgen deren Auto zu leihen – sie besitzt selbst keines – und im Pembrokeshire Coast National Park nach Locations für eine geplante Fotostory zu suchen, aber das will sie am Sonntag nachholen. Und sie schickt Alexia am Freitagabend eine entsprechende SMS.

Im Hotel in Newport schlafen Jenna und Matthew erstmals miteinander.

Als Jenna am Samstagabend wieder zu Hause ist, ruft Ken an: Alexia ist verschwunden. Weil sie bezweifelt habe, dass Jenna am Sonntag nach Motiven suchen würde, sagt er, sei sie selbst am Samstagmorgen losgefahren. Seither habe er nichts mehr von ihr gehört.

Das Auto der 35-Jährigen wird auf dem Rastplatz im Pembrokeshire Coast National Park gefunden, an dem Matthew seine Frau zum letzten Mal sah. Einem Wandererpaar fiel das Auto wegen der offen stehenden Fahrertür bereits am Samstag auf. Die beiden Touristen nahmen jedoch zunächst an, dass sich die Fahrerin oder der Fahrer in der Nähe aufhalten würde. Erst als sie am Sonntag, den 27. Mai, erneut hinkamen und der Wagen noch immer so dastand, alarmierten sie die Polizei.

Detective Inspector Olivia Morgan übernimmt auch in diesem Fall die Leitung der Ermittlungen. Der neue Fall gleicht nicht nur dem unaufgeklärten vom August 2009, sondern die beiden betroffenen Männer sind darüber hinaus befreundet. Was hat das zu bedeuten? Der Kommissarin entgeht nicht, dass Matthew auch in diesem Fall zur Tatzeit am Tatort gewesen sein könnte, denn Newport ist gerade einmal zwei Stunden weit entfernt. Außerdem geht Olivia Morgan der Frage nach, ob Alexia mit Jenna verwechselt wurde, die eigentlich am Samstag im Privatauto der Chefredakteurin unterwegs sein sollte. Wer davon gewusst habe, möchte sie wissen, und Jenna nennt ihr unbekümmert den Namen ihres Ex-Freundes Garrett Wilder. Der rief sie am 21. Mai an; sie plauderten, und Jenna erzählte ihm von ihren Plänen.

Als die Polizei in Brighton mit Garrett Wilder sprechen möchte, stellt sich heraus, dass er in der Event-Agentur, in der er beschäftigt ist, unentschuldigt fehlt und sich auch nicht in seiner Wohnung aufhält.

Ryan liest am 29. Mai in der Zeitung, dass wegen eines neuen Falls auch die Ermittlungen bezüglich der seit August 2009 vermissten Dr. Vanessa Willard wieder aufgenommen wurden. Die unübersehbaren Parallelen lassen ihn befürchten, dass die Entführung dieser Chefredakteurin eine weitere Mahnung für ihn sein soll. Aber wer weiß, dass er die Dozentin entführte? Hat ihn damals doch jemand beobachtet? Oder ist es dem Opfer gelungen, sich aus der Kiste zu befreien? Nutzte Vanessa Willard die Umstände, um aus dem Leben ihres Mannes zu verschwinden? Will sie sich nun an Ryan rächen? Sie könnte die Firmenaufschrift an dem Kastenwagen gesehen und den Täter auf diese Weise ermittelt haben. Um diese Möglichkeit ausschließen zu können, müsste Ryan in der Höhle im Tal des Fuchses nachsehen. Aber dazu ist er zu feig. Er bricht an Noras Tisch zusammen und beichtet ihr dann alles.

Nora versichert Ryan, dass sich an ihrer Beziehung nichts geändert habe, aber er merkt, dass für sie eine Welt eingestürzt ist.

Als die Polizei Ryan am 30. Mai im Copy Shop noch ein paar Fragen stellen möchte, sind zwar seine Sachen einschließlich Brieftasche da, aber er ist verschwunden. Wir Leser wissen, dass er in der Mittagspause sein Geld vergaß, deshalb umkehrte und zwei Polizisten in den Copy Shop gehen sah. Weil er annahm, Nora habe ihn verraten, flüchtete er. Er schläft auf Parkbänken. Während er auf dem Parkplatz eines Gartencenters herumgeht und hofft, aus einem nicht abgeschlossenen Auto Geld oder Essbares stehlen zu können, ruft jemand seinen Namen. Es handelt sich um Noras früheren Kollegen Harry Vince, den er bei der Geburtstagsparty kennenlernte. Harry hat sich selbstständig gemacht, aber es fehlt ihm an Patienten. Ryan nutzt die Einsamkeit des Versagers aus und erreicht, dass Harry ihn für ein paar Tage bei sich im Reihenhaus in Morriston aufnimmt.

Ryans Untertauchen bewirkt, dass Nora sich fragt, ob Ryan es angesichts der von Damon gesetzten Zahlungsfrist erneut mit einer Erpressung versuchen wollte und dabei die mittellose Journalistin Alexia Reece mit Jenna Robinson verwechselte, deren reicher Freund Matthew Willard in der Lage wäre, 50 000 Pfund Lösegeld zu bezahlen. Verzweifelt fährt Nora zu Debbie Dobson, vertraut ihr das Geheimnis über die Entführung Vanessa Willards an und berät sich mit ihr über das weitere Vorgehen. Debbie meint, Matthew Willard müsse unverzüglich erfahren, was mit seiner Frau geschah, aber Nora hält sie davon ab, sofort zur Polizei zu gehen und überredet sie, mit ihr ins Tal des Fuchses zu fahren. Falls die Kiste leer ist, sagt sie, brauche Willard nichts davon zu wissen, denn dann habe sich Vanessa retten können und sei absichtlich nicht zu ihm zurückgekehrt. Ryan beschrieb Nora die Lage der Höhle im Tal des Fuchses, und die beiden Frauen finden sie auch tatsächlich. Aber als sie die Kiste entdecken, rennt Nora wieder ins Freie und übergibt sich. Debbie öffnet die Kiste mit dem Werkzeug, das sie mitgenommen hat. Einige Zeit später kommt sie aus der Höhle und erklärt Nora, dass Vanessa Willard offenbar qualvoll in der Kiste starb. Sobald Nora und Debbie wieder im Bereich eines Funknetzes sind, verständigen sie die Polizei.

Am Dienstag, den 5. Juni, ist Ryan noch immer bei Harry. Während dieser duscht, hört Ryan im Fernsehen, dass nach ihm gefahndet wird. Man verdächtigt ihn, sowohl Vanessa Willard als auch Alexia Reece entführt zu haben. Um 10 Uhr kommt eine Patientin. Ryan erkennt sie an der Stimme: Es ist Vivian Cole. Sie fragt ihren früheren Kollegen, ob er die Nachrichten gehört und erfahren habe, dass Noras Schützling wegen zwei vermisster Frauen von der Polizei gesucht werde. Ryan überwältigt die beiden, fesselt und knebelt sie. Auf Vivians Handy meldet sich mehrmals ihr Freund Adrian Newland, der jedoch offenbar nicht weiß, was sie an diesem Tag vorhatte. Um auszuschließen, dass sie über das Handy geortet werden kann, nimmt Ryan die SIM-Karte heraus.

Nachts wacht er auf und hört, dass Vivian mit der Polizei telefoniert. Sie konnte sich befreien und nahm Harry das Handy aus der Tasche. Ryan ärgert sich, dass er vergaß, den Gefesselten zu durchsuchen. Er holt ein Messer aus der Küche, zwingt Vivian, sich in ihrem Auto hinters Lenkrad zu setzen und mit ihm loszufahren. Bei einer Polizeisperre lässt er sie wenden. Von zwei Streifenwagen verfolgt, verliert Vivian schließlich die Kontrolle über das Fahrzeug und schleudert gegen einen Baum.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Jenna hat am 12. Juni Geburtstag. Sie wird 33. Als sie gegen 21 Uhr nach Hause kommt, wartet Garrett seit drei Stunden im Treppenhaus auf sie. Für die mitgebrachten Rosen hat ihm eine Nachbarin eine mit Wasser gefüllte Zinkwanne zur Verfügung gestellt. Sonst wären sie verwelkt. In der Hoffnung, Jenna zurückzugewinnen, unterbrach er eigens seinen Aufenthalt in der Provence. Dass die Polizei nach ihm fahndet, erfährt er erst von ihr.

Während Jenna am nächsten Morgen mit Garretts Auto zu Ken fährt, meldet er sich bei der Polizei und belegt mit Quittungen, dass er tatsächlich in der Provence war. Er sei spontan aufgebrochen, und eine Kündigung bei seinem Arbeitgeber habe er für zu spießig gehalten, sagt er. Nach der Vernehmung nimmt er sich ein Taxi und lässt sich zu Ken Reece bringen, um seinen Wagen abzuholen. Aber das Auto steht nicht dort, und auf sein Klingeln öffnet niemand.

Als Jenna ein paar Stunden vorher zu Ken kam, behauptete er, die Kinder zu seiner Mutter gebracht zu haben und überredete sie zu einem Kurztrip in Garretts Wagen nach Cardigan. Obwohl Jenna davon ausging, dass Garrett nicht den ganzen Tag bei der Polizei verbringen muss, ließ sie sich darauf ein.

In seinem Geburtsort Cardigan zeigt Ken seiner Begleiterin die geschlossene Werft, die er vor seinem Umzug nach Swansea mit einem Freund betrieb. Plötzlich fällt Jenna ein, dass Alexia nach der Kündigung eines Kindermädchens klagte, die Kinder hätten auch keine Großmütter mehr, die auf sie aufpassen könnten. Argwöhnisch fragt sie Ken, wohin er die Kinder gebracht habe. Statt ihr zu antworten, bringt er sie dazu, wieder ins Auto zu steigen und fährt mit ihr zu den Klippen der Cardigan Bay, die er gut kennt, weil er dort aufwuchs. Er zwingt Jenna, mit ihm zum Strand hinunter zu klettern und führt sie in eine Höhle. Die Flut hat bereits begonnen. Auf dem Höhepunkt wird die Höhle völlig unter Wasser sein. Ken beginnt zu reden, und sein freimütiges Geständnis zeigt Jenna, dass er nicht vorhat, sie am Leben zu lassen. Er geht davon aus, dass sie keine Gelegenheit mehr haben werde, ihn zu verraten.

Die Werft ging nicht erst pleite, als Ken bereits in Swansea lebte, sondern schon vorher. Der Bankrott war der Grund für den Umzug. Weil Ken sein Schiffsbauingenieur-Studium abgebrochen hatte, stellte ihn keine andere Firma ein. Alexia musste den Lebensunterhalt für die damals noch vier- und später sechsköpfige Familie verdienen. Ken blieb notgedrungen zu Hause. Seine Rolle als Hausmann, der seiner Frau aus Überzeugung eine berufliceh Karriere ermöglichte, war ebenso verlogen wie die Fassade einer Bilderbuchfamilie. Am Freitagabend gerieten er und Alexia wieder in einen heftigen Streit. Schließlich schlug er mit der Faust zu. Sie stürzte und war sofort tot. Im Schutz der Dunkelheit brachte er die Leiche mit dem Auto zu einem Steinbruch. Um die Polizei in die Irre zu führen, stellte er den Wagen dann auf dem Rastplatz ab, von dem Vanessa 2009 verschwunden war und erfand die Geschichte von der über ihre Assistentin Jenna verärgerten Chefredakteurin, die am Samstag selbst nach Locations für die geplante Fotostory suchen wollte.

Nachdem Ken sich das alles von der Seele geredet hat, schlägt er Jenna nieder und klettert wieder nach oben.

Als sie zu sich kommt, ist der Strand längst völlig überflutet, und die in die Höhle brandenden Wellen machen den Rückweg unmöglich. Jenna gelingt es, sich jeweils zwischen zwei Wellen Schritt für Schritt zum Ausgang vorzuarbeiten, und von dort klettert sie senkrecht nach oben.

Garrett wartet stundenlang vor Kens Haus. Als er aus dem Inneren ein Wimmern hört, schlägt er die Scheibe einer Türe ein und schaut nach. Er trifft auf sie siebenjährige Kayla, das älteste der Kinder. Kayla hat sich mehrmals übergeben und fühlt sich benommen. Die anderen drei Kinder liegen leblos in ihren Betten. Garrett alarmiert Polizei und Rettungsdienst. Es stellt sich heraus, dass den Kindern ein starkes Schlafmittel ins Frühstück gemischt wurde. Ohne Garretts Eingreifen wäre die zweijährige Siana daran gestorben.

Ein paar Tage später kehrt Garrett nach Brighton zurück. Er weiß jetzt, dass er Jenna nicht als Lebensgefährtin zurückgewinnen kann, aber sie sind als Freunde auseinandergegangen. Jenna immatrikuliert sich für ein Literatur- und Geschichte-Studium. Matthew verkauft das Haus, in dem er mit Vanessa zusammen lebte. Ken wird in Weymouth verhaftet. Aufgrund seiner Angaben findet die Polizei Alexias Leiche in einem Steinbruch. Für die vier Kinder sucht die Fürsorge Pflegeeltern.

Vivian Cole wurde beim Aufprall gegen den Baum nur leicht verletzt. Auch Ryan wird den Unfall überleben. Er liegt im Morriston Hospital in Swansea. Nora möchte ihn besuchen, aber zunächst lässt die Polizei sie nicht zu dem bewachten Patienten, und als sie die offizielle Erlaubnis bekommt, will Ryan sie nicht im Zimmer haben. Schließlich passt Nora seine Mutter im Krankenhaus ab. Corinne Beecroft verhält sich abweisend, weil sie Nora vorwirft, ihren Sohn verraten zu haben. Aber Nora erklärt ihr, der Witwer Matthew Willard habe endlich erfahren müssen, was mit seiner Frau geschehen war. Nora drängt Corinne, mit ihrem Mann über die Aufnahme einer Hypothek zu reden. Nur wenn der Kredithai rechtzeitig 50 000 Pfund erhalte, gibt sie zu Bedenken, werde Ryan nach der Verbüßung einer weiteren Haftstrafe eine Chance auf ein neues Leben haben. Nora will auf Ryan warten, und Corinne begreift, dass es für ihren Sohn gut sein wird, eine verlässliche Partnerin zu haben.

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Zum Junggesellenabschied spielen Pete, Robbo, Luke und Josh ihrem ebenso wie sie betrunkenen Freund Michael Harrison einen Streich und begraben ihn auf einem Acker bei Brighton. Über das Walkie-Talkie, das sie ihm mit in den Sarg gelegt haben, hört er, wie sie wegfahren – und mit einem entgegenkommenden Lastwagen kollidieren. Nach dem tödlichen Unfall der vier Männer weiß niemand mehr, wo der Bräutigam zu finden ist. Das ist die Grundidee des 2005 veröffentlichten Kriminalromans „Dead Simple“ des englischen Schauspielers, Filmproduzenten, Drehbuchautors und Schriftstellers Peter James („Stirb ewig“, Übersetzung: Susanne Goga-Klinkenberg, Frankfurt/M 2007). Der Roman „Im Tal des Fuchses“ von Charlotte Link beginnt mit einer ähnlichen Ausgangssituation: Ein ebenso überschuldeter wie überforderter Kleinkrimineller beabsichtigt, sich mit einer Erpressung Geld zu verschaffen. Er entführt eine Frau und sperrt sie in einer nur ihm bekannten Höhle in eine Kiste. In ein paar Tagen, denkt er, werde er sie wieder freilassen. Aber bevor er eine Lösegeldforderung stellen kann, wird er wegen eines anderen Delikts verhaftet …

Charlotte Link schlägt dann allerdings ganz andere Wege ein als Peter James in „Stirb ewig“. Der missglückte Erpressungsversuch ist nur eines der Rädchen im gut geölten Getriebe des komplexen Kriminalromans „Im Tal des Fuchses“, und der Verbrecher ist auch nur eine von mehreren Hauptfiguren, die Charlotte Link nach und nach einführt. Das macht sie so wohldosiert, dass man spielend den Überblick über das Personal behält. Bis in die Nebenfiguren werden alle Charaktere lebendig, und Charlotte Link leuchtet ihre Motive, Empfindungen und Gedanken sorgfältig aus. Bei Ryan Lee handelt es sich um einen besonders widersprüchlichen Menschen, bei dem Charlotte Link jede Schwarz-Weiß-Malerei vermeidet: Auch wenn seine Verbrechen nicht gebilligt werden können, sind sie nachvollziehbar, und es wird deutlich, dass er keineswegs durch und durch böse ist.

Entwickelt wird die Handlung des Romans „Im Tal des Fuchses“ abwechselnd aus Ryan Lees Perspektive, von einer Ich-Erzählerin (Jenna Robinson) und aus der Sicht Nora Franklins. Geschickt wechselt Charlotte Link zwischen den Perspektiven und damit verbundenen Erzählsträngen hin und her, wobei auch immer wieder Cliffhanger entstehen und die Einzelteile perfekt ineinander greifen. „Im Tal des Fuchses“ ist überzeugend aufgebaut. Auch die Komplexität hat Charlotte Link souverän im Griff.

Dass Nora und Debbie aufgrund einer zuvor von Ryan gegebenen (warum eigentlich?) Wegbeschreibung einen in dem abgelegenen Tal des Fuchses weitab von Wanderwegen gelegenen und kaum als solchen zu erkennenden Höhleneingang finden, ist unwahrscheinlich. Das ist aber einer der wenigen Schwachpunkte in „Im Tal des Fuchses“. Die übrigen Handlungen und Zusammenhänge sind plausibel.

Obwohl Charlotte Link die Auflösung in „Im Tal des Fuches“ von Anfang an vorbereitet, durchschaut man sie wohl erst beim entscheidenden Plot Twist. Dadurch bleibt der Spannungsbogen bis zum Ende erhalten.

Den Roman „Im Tal des Fuchses“ von Charlotte Link gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Gudrun Landgrebe (Bearbeitung: Joachim Hoell, Regie: Karin Weingart, ISBN 978-3-8371-1539-0).

Till Franzen verfilmte den Roman „Im Tal des Fuchses“ von Charlotte Link:

Originaltitel: Im Tal des Fuchses – Regie: Till Franzen – Drehbuch: Stefan Wild nach dem Roman „Im Tal des Fuchses“ von Charlotte Link – Kamera: Timo Moritz – Schnitt: Tatjana Schöps – Musik: Andreas Weidinger – Darsteller: Lisa Bitter, Benjamin Sadler, Ludwig Trepte, Katharina Schüttler, Teresa Harder, Deleila Piasko, Christina Hecke, Arnd Klawitter u.a. – 90 Minuten – 2020

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014
Textauszüge: © Blanvalet Verlag

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