Immer Drama um Tamara

Immer Drama um Tamara

Immer Drama um Tamara

Immer Drama um Tamara – Originaltitel: Tamara Drewe – Regie: Stephen Frears – Drehbuch: Moira Buffini, nach der Graphic Novel "Tamara Drewe" von Posy Simmonds – Kamera: Ben Davis – Schnitt: Mick Audsley – Musik: Alexandre Desplat – Darsteller: Gemma Arterton, Roger Allam, Bill Camp, Tamsin Greig, Dominic Cooper, Luke Evans, Jessica Barden u.a. – 2010; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Als die erfolgreiche, in London lebende Journalistin Tamara Drewe in ihr Heimat­dorf zurückkehrt, um das Haus ihrer verstorbenen Mutter zu verkaufen, wirbelt sie einiges durcheinander. Zunächst treibt es die emanzipierte junge Frau mit einem ihr nachgereisten Musiker, dann lässt sie sich auf eine Affäre mit dem Schriftsteller Nicholas Hardiment ein, der jede Gelegen­heit zu einem Seitensprung nutzt, obwohl sich seine Ehefrau Beth seit 25 Jahren für ihn aufopfert ...
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Kritik

Die Ensemble-Komödie "Immer Drama um Tamara" dreht sich um Liebe, Begierde und Betrug, Selbst- und Fremdwahrnehmung, Stadt und Land, Emanzipation und Aufopferung. Statt die Figuren psychologisch auszu­leuchten, spielt Stephen Frears leichthändig mit Klischees.
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Das seit 25 Jahren verheiratete Ehepaar Beth und Nicholas Hardiment (Tamsin Greig, Roger Allam) betreibt in dem Dorf Ewedown in Dorset die „Stonefield“-Farm. Nicholas ist als Autor von reißerischen Kriminalromanen erfolgreich, und die Hardiments bieten auch anderen Schriftstellern, die sich zum Schreiben aufs Land zurückziehen möchten, ein Refugium, so zum Beispiel dem amerikanischen Literaturwissenschaftler Glen McCreavy (Bill Camp), der an seinem Opus magnum über Thomas Hardy arbeitet.

Überraschend taucht Nadia Patel (Zahra Ahmadi) in Ewedown auf. Sie wohnt in London, hat eine Affäre mit Nicholas Hardiment und will zu ihm. Er kann sie gerade noch vom Besuch der Farm abhalten und verabredet sich in einem Pub mit ihr. Beth durchschaut jedoch, dass er sich mit einer seiner Geliebten trifft, und um seine Ehe nicht zu zerstören, beendet er daraufhin die Beziehung mit Nadia. Allerdings wartet er nur auf eine Gelegenheit für den nächsten Seitensprung. Dabei verdankt er es Beth, dass er ungestört schreiben kann, denn sie kümmert sich um alles andere und tippt auch seine Manuskripte.

Tamara Drewe (Gemma Arterton) kehrt in ihr Heimatdorf Ewedown zurück. Wegen ihrer unförmigen Nase war sie als Jugendliche von Dorfbewohnern wie Nicholas Hardiment verspottet worden, aber inzwischen ließ sie die Nase operieren, entwickelte sich zu einer attraktiven jungen Frau und machte als Kolumnistin Karriere beim „Independent“ in London. In Ewedown will sie das Haus ihrer unlängst verstorbenen Mutter renovieren lassen und dann zum Verkauf anbieten. Mit der Arbeit beauftragt sie Andy Cobb (Luke Evans). Es handelt sich um sein Geburtshaus. Aber seine Eltern hatten es schließlich aus finanzieller Not der Familie Drewe aus London verkaufen müssen. Anders als Tamara ist Andy in Ewedown geblieben. Er hilft den Hardiments beim Betrieb ihrer Farm. Als Tamara noch in Ewedown lebte, war er bereits in sie verliebt und zog sie auch nicht wegen ihrer Nase auf, aber sie kamen nicht zusammen.

Jetzt muss er zusehen, wie Tamara in seinem Geburtshaus mit dem Schlagzeuger Ben Sergeant (Dominic Cooper) zusammenlebt. Der Musiker trennte sich soeben in London von seiner schwangeren Freundin Fran Redmond (Lois Winstone), weil er glaubte, dass sie ihn mit dem Band-Mitglied Steve Culley (Joel Fry) betrogen habe.

Ben Sergeant ist das Idol der Schülerin Jody Long (Jessica Barden), die sich viel mit ihrer Freundin Casey Shaw (Charlotte Christie) in Ewedown herumtreibt. Die beiden Mädchen beobachten die Leute, kommentieren das Geschehen und werfen aus Langeweile Eier auf Windschutzscheiben vorbeifahrender Autos.

Nachdem Ben zu Fran nach London zurückgekehrt ist, entgeht Jody und Casey nicht, dass Nicholas Hardiment aus Tamaras Haus kommt und die beiden sich mit leidenschaftlichen Küssen verabschieden. Die Treulosigkeit des verheirateten Mannes geht den Schülerinnen zu weit: Als sie seinen Wagen am Seeufer stehen sehen, warten sie, bis das Liebespaar auftaucht und fotografieren es mit Caseys Handy beim Küssen.


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Nicholas beschließt, Beth wegen Tamara zu verlassen. So weit wollte die unabhängige Journalistin nicht gehen, und nachdem Beth, die inzwischen Caseys Foto erhalten hatte, ihren Mann öffentlich einen Ehebrecher nannte, beendet Tamara die Beziehung mit ihm. Beth ist verzweifelt. Sie beabsichtigt, sich scheiden zu lassen. Glen, der den hochnäsigen Autor billiger Kriminalromane ohnehin nicht ausstehen kann, tröstet sie. Sie küssen sich – und werden dabei von Nicholas ertappt.

Nicholas folgt seinem Rivalen auf eine Koppel und beschimpft ihn. Der Streit eskaliert in einer Rauferei. Nicholas stürzt, schlägt mit dem Hinterkopf gegen eine Holzkante und bleibt leblos liegen. Glen befürchtet, ihn umgebracht zu haben, aber Nicholas öffnet die Augen: Er lebt. In diesem Augenblick beginnt der Boden zu beben. Ben Sergeant ist mit seinem Boxerhund Boss noch einmal nach Ewedown gekommen, und das verspielte Tier hat eine Stampede der Kuhherde der „Stonefield“-Farm ausgelöst. Vergeblich bemüht Glen sich, den Benommenen auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Im letzten Augenblick rennt er um sein Leben. Nicholas wird zu Tode getrampelt.

Andy will den Hund erschießen, aber bevor er abdrücken kann, knallt ein anderes Gewehr: Die resolute Jägerin Penny Upminster (Susan Wooldridge) hat Bens Hund erschossen.

Tamara findet den Toten. Ein paar Sekunden später kommt Beth angerannt. Tamara versucht, sie zu trösten, aber Beth schlägt nach ihr – und bricht ihr die schöne Nase.

Glen packt seine Sachen, um abzureisen. Andy hält ihn zurück und bringt ihn dazu, sich um die Witwe zu kümmern – die den Amerikaner bittet, bei ihr zu bleiben.

Tamara beschließt, das in Ewedown geerbte Haus doch nicht zu verkaufen. Stattdessen richtet sie sich dort mit Andy ein.

Jody fordert Casey übermütig zum Fotografieren auf, als Ben Sergeant seinen Arm um sie legt.

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Mit „Far from the Madding Crowd“ / „Am grünen Rand der Welt“, seinem vierten Roman, gelang Thomas Hardy (1840 – 1928) der Durchbruch. Er veröffentlichte ihn 1874 erst einmal als Fortsetzungsroman im Cornhill Magazine. Für die Buchausgabe im Jahr darauf erweiterte Thomas Hardy den Text, und 1901 überarbeitete er ihn noch einmal für eine Neuausgabe. Die Handlung spielt in Wessex, einer fiktiven Landschaft, die allerdings in etwa Thomas Hardys Heimat Dorset entspricht.

Rosemary Elizabeth („Posy“) Simmonds (* 1945) ließ sich von Thomas Hardys Gesellschaftsroman „Far from the Madding Crowd“ zu der Comic-Serie „Tamara Drewe“ inspirieren, die 2005/06 in „The Guardian“ erschien und 2007 als Buch gedruckt wurde. Diese Graphic Novel diente wiederum Moira Buffini als Vorlage für das Drehbuch des von Stephen Frears inszenierten Kinofilms „Tamara Drewe“ / „Immer Drama um Tamara“. Anders als Moira Buffini und Stephen Frears machten David Nicholls und Thomas Vinterberg aus dem Plot keine Komödie, sondern einen opulenten Kostümfilm: „Am grünen Rand der Welt“ (2015).

„Immer Drama um Tamara“ dreht sich um Liebe und Eifersucht, Betrug und Begierde. Nebenbei geht es auch um die Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie zwischen der Selbst­wahrnehmung und dem Bild, das andere sich von einem machen. Die ein Jahr lang dauernde, in vier Jahreszeiten gegliederte Handlung spielt in einem fiktiven englischen Dorf, dessen Idylle Moira Buffini und Stephen Frears als trügerisch entlarven. Als Katalysator dient Tamara Drewe, eine emanzipierte Frau, die zwar aus Ewedown stammt, aber inzwischen in London Karriere gemacht hat. Ihre Rückkehr aufs Land wirbelt dort einiges durcheinander. Nicholas Hardiment ist gerade dabei, eine zwischen die Beine geklemmte Flasche Sekt zu öffnen, als er die attraktive junge Frau in Hotpants über einen Weidezaun steigen sieht. Da schäumt der Sekt sogleich über! Anders als Tamara Drewe verharrt Beth Hardiment zunächst in ihrer Rolle als dienende Ehefrau: Obwohl Nicholas sie fortwährend mit anderen Frauen betrügt, sorgt sie dafür, dass er ungestört Kriminalromane schreiben kann, indem sie sich um alles andere kümmert und auch seine Manuskripte abtippt.

Kaum weniger wichtig als die von Gemma Arterton, dem Bond-Girl in „Ein Quantum Trost“, verkörperte Tamara Drewe sind die Nebenfiguren in der Ensemble-Komödie, obwohl sie überzeichnet sind. Die beiden Schülerinnen Jody und Casey (Jessica Barden, Charlotte Christie) ziehen nicht nur Strippen, sondern wirken mit ihren Kommentaren auch wie der griechische Chor in einer antiken Tragödie. Moira Buffini und Stephen Frears bemühen sich in „Immer Drama um Tamara“ nicht um eine psychologische Ausleuchtung der Figuren. Stattdessen spielen sie leichthändig mit Klischees. Für Unterhaltung sorgen Komik, Ironie und Wortwitz.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015

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