Don Winslow : China Girl

China Girl
Originalausgabe: The trail to Buddha's mirror St. Martin's Press, New York 1992 Das Licht in Buddhas Spiegel Übersetzung: Ulrike Anders Piper Verlag, München 1997 China Girl Neuübersetzung: Conny Lösch Suhrkamp Verlag, Berlin 2015 ISBN: 978-3-518-46581-3, 440 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der Literaturstudent Neal Carey, der von seinem Pflegevater als Privatdetektiv ausgebildet wurde, soll den seit einigen Wochen mit der chinesischen Malerin Li Lan abgetauchten Biochemiker Dr. Robert Pendleton aufspüren und überreden, in sein Labor bei AgriTech zurückzukehren. Kurz nachdem Neal die beiden entdeckt hat, flüchten sie nach Hongkong. Obwohl sein Auftrag zurückgezogen wird, folgt Neal dem Paar. Dadurch gerät er in lebensgefährliche Auseinandersetzungen verschiedener Interessengruppen ...
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Kritik

Vor atemberaubenden chinesischen Landschaften entwickelt Don Winslow eine zunehmend reißerische Handlung mit einigen unerwarteten Wendungen. "China Girl" fehlt es noch an der Brillanz von Don Winslows späteren Romanen.
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Was bisher geschah: „London Undercover“

Neal Carey ist der Sohn einer drogensüchtigen Prostituierten. Seinen Vater kennt er nicht. Als er zehn Jahre alt war, versuchte er einen Mann namens Joseph („Joe“) Graham zu bestehlen, aber der merkte es, begann sich um ihn wie ein Vater zu kümmern und bildete den ehemaligen Taschendieb zum Privatdetektiv aus. Die Gruppe, für die Joe Graham tätig ist, bezahlte zunächst eine Privatschule für Neal und dann sein Literaturstudium an der Columbia University in New York. Inzwischen – wir schreiben das Jahr 1977 – ist er 24 Jahre alt und hat sich allein in ein Cottage im Yorkshire Moor zurückgezogen, um endlich mit seiner Masterarbeit über englische Literatur im 18. Jahrhundert voranzukommen.

Aber bevor er sie abschließen kann, überrascht Joe Graham ihn mit seinem Besuch: Neal soll nämlich zwischendurch schnell einen Job erledigen und dafür sorgen, dass der seit einer Konferenz an der Stanford University vor ein paar Wochen verschwundene 43 Jahre alte Biochemiker Dr. Robert („Bob“) Pendleton in sein Labor bei dem agrochemischen Unternehmen AgriTech in Raleigh/North Carolina zurückkehrt. Der Auftrag stammt von einer Bank in Providence/Rhode Island, die viel Geld in Pendletons Forschungen über einen Superdünger investiert hat.

Neal bleibt nichts anderes übrig, als nach San Francisco zu fliegen und in dem Hotel, in dem Bob Pendleton vor seinem Verschwinden mit der chinesischen Malerin Li Lan übernachtete, die Spur aufzunehmen. Sie führt nach Mill Valley/Kalifornien. Dort findet in der Galerie Illyria eine Ausstellung von Li Lan statt. Neal gibt sich gegenüber der Galeristin Olivia Kendall als Kunststudent aus und wird schließlich von ihr zu einem Abendessen eingeladen, an dem außer dem Ehepaar Tom und Olivia Kendall auch Li Lan und Bob Pendleton teilnehmen. Nach dem Essen folgt Neal der Aufforderung, mit Li Lan und den anderen Männern in den Whirlpool zu steigen. Tom Kendall und Bob Pendleton kehren bald wieder ins Haus zurück, aber die schöne nackte Chinesin bleibt bei Neal. In dem Augenblick, in dem er sich zufällig nach vorne beugt, pfeift ein Projektil knapp über seinen Kopf hinweg und schlägt in die Hauswand. Jemand hat auf ihn geschossen. Bis Neal nach dem Schreck aus dem Whirlpool steigt, sind die anderen alle weg.

Statt Joe Graham meldet sich dessen Boss Ed Levine, als Neal anruft. Er behauptet, Joe mache Urlaub und Pendleton sei inzwischen an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt. Neal glaubt weder das eine noch das andere. Stattdessen vermutet er Li Lan und Bob Pendleton in Hongkong. Auf eigene Faust fliegt er hin.

Am Airport Kai Tak wird Neal von Mark Chin abgeholt, dessen Cousin Ben Chin von Neal vor der Abreise 1000 Dollar dafür bekam, diesen Kontakt zu vermitteln. Bei Mark Chin handelt es sich augenscheinlich um den Boss einer Hongkonger Triade, die Schutzgelder erpresst, vermutlich nach dem Muster, wie es auch in den USA geschieht: Zuerst macht man das Stadtviertel unsicher, dann kassiert man ab und pfeift die Kleinganoven zurück. Mark Chin bringt seinen Gast in einem Hotel in Kowloon unter, in dem Neal sich nicht anzumelden braucht, weil es dem Chinesen gehört.

Der hilft ihm dann auch, den Aufenthaltsort von Li Lan und Bob Pendleton herauszufinden, aber als sie hinkommen, sind die beiden ausgezogen. Weil Neal nun nicht weiß, wo er sie suchen soll, will er sie auf sich aufmerksam machen. Zu diesem Zweck checkt er nun unter seinem Namen im Banyan Tree Hotel ein, zahlt mit seiner Kreditkarte und legt in Galerien Handzettel mit einem Foto von Li Lan und Bob Pendleton aus. Wer sie gesehen hat, soll sich bei ihm melden.

Es dauert nicht lang, bis Li Lan ihn anruft und beschwört, nicht länger nach ihr und Bob zu suchen. Aber er lässt nicht locker, bis sie sich mit ihm beim Observatorium auf dem Victoria Peak verabredet. Gegen Neals ausdrücklichen Willen wird er von Mark Chin und einigen Bandenmitgliedern beschattet. Li Lan und Bob Pendleton kommen ebenfalls nicht allein, sondern werden von der 14K-Triade beschützt. Die Banden bekämpfen sich sogleich. Neal entgeht einem wahrscheinlich tödlichen Schwerthieb nur, weil der Angreifer im letzten Augenblick erschossen wird, und zwar von einem weißen Amerikaner, der sich mit dem Namen Simms vorstellt und wohl für die CIA arbeitet. Bei AgriTech handele es sich um eine Tarnfirma der CIA, erklärt er, und Li Lan sei eine chinesische Agentin mit dem Auftrag, den Biochemiker Pendleton nach China zu locken.

Neal spürt Li Lan und Bob Pendleton in einem Hotelzimmer auf. Er verständigt Simms, aber bevor der CIA-Agent eintrifft, taucht Mark Chin in der Absicht auf, die chinesische Agentin und die beiden Amerikaner zu töten. Sie entkommen alle drei. Li Lan bringt Neal in die als Ummauerte Stadt bezeichneten Slums. Dort wird er auf einem Dachboden gefangen gehalten und mit Opium betäubt, als er krank wird.

Es dauert drei Monate, bis man ihn herausholt, aber als er nach dem Opiumentzug wieder zu sich kommt, befindet er sich in einem stets von außen abgesperrten Gastzimmer irgendwo in der Volksrepublik China. Offenbar hat man ihm eine andere Identität verpasst, denn das Personal spricht ihn mit „Mr Frazier“ an.

Als er aus dem Nebel von Krankheit, Hunger, Angst und Opium auftauchte, stellte sich ihm unausweichlich die Frage: Wo bin ich? Wer hat hier das Sagen? Was soll das?

Dann stellt sich ein weiterer Chinese vor:

„Mein Name ist Xiao Wu“, sagte er. Er streckte die Hand aus, eine Geste, die wirkte, als hätte er sie in der Schule gelernt.
Neal schlug ein. „Neal Carey.“
Jetzt verfärbte sich Wu dunkelrot und senkte den Blick.
„Frazier“, nuschelte er.
„Wie bitte?“
„Du heißt Frazier.“

„Xiao Wu, wer bist du, und was machst du hier?“
Wu wurde des Errötens nicht müde. Direkte Fragen galten in China als unhöflich.
„Ich bin dein Dolmetscher.“

Xiao Wu klärt Neal darüber auf, dass er sich seit zwei Wochen im Gästehaus Jinjiang in Chengdu befindet, der Hauptstadt der Provinz Sichuan im Südwesten Chinas. Später macht er Neal mit Mr Peng bekannt, dem Assistenten des für die Provinz Sichuan zuständigen Parteisekretärs Xao Xiyang. Der sagt ihm, dass sein voller Name William Frazier laute.

„Vielleicht ist es besser, andere in dem Glauben zu lassen, Mr Carey sei in den heimtückischen Slums des kapitalistischen Hongkong verendet. Und deshalb wirst du die Identität von Mr Frazier annehmen. Mr Frazier ist Kanadier und in der Tourismusbranche tätig. Im Auftrag seiner Firma erkundet er das Potenzial der Region Sichuan.“

Xiao Wu hat die Aufgabe, den angeblichen Tourismus-Manager tagelang durch Chengdu zu führen und ihm alle Sehenswürdigkeiten in der Stadt und Umgebung zu zeigen. Dabei unterrichtet er ihn auch über die Geschichte des Landes seit dem von Mao Zedong geführten Großen Marsch. Dann werden Peng, Neal und Xiao Wu von einem Chauffeur des Parteisekretärs Xao Xiyang nach Dwaizhou südlich von Chengdu gebracht. Dort stellt Peng dem Amerikaner den Leiter der Produktionsbrigade vor, der zwar „der alte Zhu“ genannt wird, aber erst 33 Jahre alt ist. Beim ersten Rundgang entdeckt Neal Li Lan als Lehrerin in einem Klassenzimmer. Als sie ihn bemerkt, schüttelt sie kaum merklich den Kopf, und er geht vorbei, ohne sie zu begrüßen.

Li Lan verabredet sich mit Neal in Leshan und erzählt ihm ihre Geschichte.

Ihre Mutter stammte aus einer Familie reicher Grundbesitzer in der Provinz Hunan und wuchs privilegiert auf. Als sie 17 Jahre alt war, schickten die progressiven Eltern sie in die USA. Aber als die Japaner 1937 in China einmarschierten, kehrte sie zurück, um zu kämpfen.

Sie wurde zur Legende, lief weit weg von Hunan, bis in den Norden, in die von der kommunistischen Guerrilla kontrollierten Gebiete. Sie trainierte hart in den Bergen, lernte schießen, Minen legen und wie man aus Bambusrohr einen tödlichen Speer fertigt. Ihre Offiziere indoktrinierten sie, und sie wurde zur eingefleischten Kommunistin. Man erklärte ihr, dass ihre eigene Familie die Massen unterdrückte und sie sich von der Schande ihrer Herkunft befreien müsse. Zunächst wurde sie Kurierin, dann Spionin. In dieser Rolle kamen ihr ihre Klassenzugehörigkeit und Bildung zugute.

Sie verliebte sich in den Guerillaführer Xao Xiyang. Als sich im Bürgerkrieg zwischen Mao und Chiang Kai-shek der Sieg der Kommunisten abzeichnete, floh die Familie der Mutter zwar wie die Kuomintang nach Taiwan, aber sie selbst blieb in Peking und avancierte zur Propagandaoffizierin. 1951 gebar sie die Zwillinge Xao Lan und Xao Hong. Weil sie die Aufforderung Maos zur öffentlichen Kritik an der Partei („Lasst hundert Blumen blühen“, 1957) für bare Münze genommen hatte, verbrachte sie ein Jahr im Gefängnis. Durch den „Großen Sprung nach vorn“ ersetzte Mao 1958 bis 1961 die erfolgreichen landwirtschaftlichen Kleinbetriebe durch schwerfällige Kommunen. Der dadurch ausgelöste Einbruch in der Lebensmittel-Produktion verursachte eine Hungersnot. Xao gehörte zu den Anhängern von Deng Xiaoping, der sich nach dem gescheiterten „Großen Sprung nach vorn“ vom fanatischen Revolutionär zum pragmatischen Reformer gewandelt hatte. In den Sechzigerjahren wurde Xao Xiyang in Chengdu zum Parteisekretär ernannt. Seine Töchter Lan und Hong träumten von Karrieren als Malerin bzw. Schauspielerin. Als Mao 1966 die „Große Proletarische Kulturrevolution“ ausrief, waren die Mädchen 15 Jahre alt. Hong schloss sich den Roten Garden an, aber als diese den Vater festnahmen, warfen sie das Mädchen aus ihren Reihen. Um wieder aufgenommen zu werden, denunzierte Hong die eigene Mutter:

„Ja, es ist wahr! Sie ist eine Spionin! Sie hasst alles Chinesische! Sie hat uns gelehrt, amerikanische Bücher zu lesen und amerikanische Musik zu hören!“

Die Mutter stürzte sich daraufhin aus einem Fenster in den Tod. Lan kam zunächst in ein Gefangenenlager und dann vier Jahre lang in ein Bergkloster. Als ihr Vater ebenso wie Deng Xiaoping rehabilitiert wurde und zum neuen Volkskommissar von Dwaizhou avancierte, kehrte sie zu ihm zurück. Er schickte sie nach Hongkong, wo sie den Namen ihrer Mutter annahm – Li – und unter dem Schutz der 14K-Triade stand.

In Hongkong begegnete sie vor zwei Jahren Richard Pendleton. Als ihr Vater davon erfuhr, drängte er sie, ihre Beziehung zu dem Biochemiker zu intensivieren und den Forscher nach China zu locken. Von seinen Erkenntnissen versprachen sich die Reformer um Deng Xiaoping in fruchtbaren Gebieten wie in Sichuan eine dritte Reisernte pro Jahr. Xao Xiyang setzte Lan unter Druck, indem er ihr versprach, als Gegenleistung die seit der Niederschlagung der Roten Garden inhaftierte Schwester freizulassen. Nachdem Lan in Hongkong von chinesischen Agenten ausgebildet worden war, setzte sie sich mit Richard Pendleton in Verbindung und verabredete sich mit ihm in Kalifornien. Weil es Leute gibt, die verhindern wollen, dass die Produktionsbrigade in Dwaizhou mit Hilfe des amerikanischen Biochemikers drei Ernten pro Jahr einfahren können, befindet sich Bob Pendleton noch an einem geheim gehaltenen Ort in China. Sobald er die Arbeit aufnimmt, soll Hong aus der Haft entlassen werden.

Neal besteht auf einer Unterredung mit seinem Landsmann:

„Er muss mir selbst sagen, dass er den Rest seines Lebens so verbringen möchte, wie ihr euch das für ihn ausgedacht habt.“

Nachdem sie miteinander geschlafen haben, läuft die Chinesin zum Fluss, wo ein Boot auf sie wartet. Ein Schuss verfehlt sie. Rasch vereinbaren die beiden ein Treffen am Emei Shan (Augenbrauenberg). Neal lenkt den Schützen ab, um Li Lan zur Flucht zu verhelfen. Bei dem Mann, der mit einer Pistole in der Hand auftaucht, handelt es sich um Simms. Neal fragt den CIA-Agenten:

„Was wird hier gespielt? Warum ist Pendleton so wichtig? Warum darf er hier nicht ein bisschen Getreide anbauen?“

Simms erklärt Neal:

„Die Verantwortlichen hier unten wandeln die gesamte Provinz klammheimlich in Privatbesitz um. Damit kommen sie nur durch, wenn der Erfolg sie unantastbar macht und niemand mehr wagt, sie wegzusäubern. Der alte Deng Xiaoping weiß, dass sein Weg nach Peking über das Ackerland von Sichuan führt, und er hat hier unten eine kleine Mafia aufgebaut. Die tritt auf den Plan, sobald sich das Landwirtschaftsexperiment unbestreitbar als Erfolg entpuppt. Auf dieser Grundlage wird er die Maoisten vernichten und demokratisch-kapitalistische Reformen im ganzen Land durchsetzen.

Nicht nur Dengs politische Gegner wollen eine dritte Ernte pro Jahr verhindern, sondern auch die US-Regierung, die ein prosperierendes China als große Gefahr ansehen würde.

„Wenn die das maoistische Joch abwerfen und ihren Laden auf den Stand von heute bringen – ich sage dir, Carey, wenn sich diese Leute selbst ernähren können, dann ist es auch in den guten alten Vereinigten Staaten vorbei mit der Herrschaft des weißen Mannes.“

Und Simms fügt hinzu:

Aber ich versichere dir, Peking und ich sind uns einig. Ich habe freie Hand, deine Freunde zu suchen und aus dem Weg zu räumen, falls ich es für richtig halte.

Mit einer Finte erreicht Neal, dass Simms ungewollt im Fluss landet und fortgerissen wird.

Neal weckt Xiao Wu, und sie lassen sich vom Fahrer zu dem heiligen Berg bringen. Dort steigt Neal allein auf, bis er – wie vereinbart – auf Li Lan trifft.

Li Lan weiß bereits, dass es in der Entourage ihres Vaters einen Verräter gibt: Sein Assistent Peng arbeitet für die politischen Gegner Dengs und konspiriert mit dem Doppelagenten Simms. Er will Xao Xiyang zu Fall bringen, indem er ihm nachweist, dass er einen US-amerikanischen Wissenschaftler ins Land geholt hat. Xao Xiyang und Bob Pendleton halten sich am Berggipfel auf. Beim weiteren Aufstieg rutscht Neal ein Stück ab und bricht sich eine Rippe. Trotz der Schmerzen macht er weiter.

Verfolgt werden sie von Peng und Simms. Peng schärft dem Amerikaner ein, dass Pendleton und die Chinesin ihm nur lebend nützen, weil er mit ihren Aussagen die Anklage gegen Xao Xiyang begründen will. Simms ist jedoch heimlich entschlossen, die beiden sofort zu töten.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Als Neal nicht mehr kann, fordert er seine Begleiterin auf, allein weiterzulaufen. Er sieht von weiter unten, wie sie auf dem Gipfel ankommt. Zwei Männer, die Neal als Xao Xiyang und Bob Pendleton zu erkennen glaubt und der augenscheinlich auf einem anderen Weg rascher aufgestiegene Fahrer erwarten sie. Simms schießt mit einem Präzisionsgewehr. Der Mann, den Neal für Bob Pendleton hält, stürzt getroffen zu Boden. Die Chinesin hebt ihn auf und springt mit ihm zusammen in den als Buddhas Spiegel bezeichneten Abgrund.

Peng kocht vor Wut, denn ohne die aus der Schlucht nicht zu bergenden Leichen kann er Xao Xiyang nichts anhaben. Neal wird überwältigt, aber als Simms ihn vom Wegrand stoßen will, tritt Xiao Wu dem Verräter die Füße weg und statt des Amerikaners stürzt der Chinese in die Tiefe.

Wu und der Fahrer bringen Neal in ein Kloster. Li Lan und ihr Vater besuchen ihn und klären ihn über die letzten Ereignisse auf: Bei der Frau, die sich als Lan ausgab, ihm deren Geschichte erzählte, mit ihm schlief und zuletzt mit ihm den Emei Shan bestieg, handelte es sich um Hong. Das war auch die Frau, die mit dem von Simms niedergeschossenen Mann in die Tiefe sprang.

„Sie wussten, dass Peng für die Gegenseite arbeitet?“, fragte Neal.
„Natürlich. Wir haben gewusst, dass Sie ihn auf den Berg führen würden. Ihre Vernarrtheit in Lan hat Ihre Heimreise unmöglich gemacht. Deshalb wollten wir, dass sowohl Sie als auch Peng mit ansehen, wie Lan mit Pendleton in den Abgrund springt. Sie sollten die Nachricht von ihrem Tod nach Washington tragen, Peng nach Peking.“
Neal sah Lan an. „Deine Schwester war dazu bereit?“
Lan nickte. „Sie wollte es unbedingt. Nach Mutters Selbstmord war ihr das Leben zur Qual geworden.“

Hong opferte sich, um Peng zu täuschen. Mit ihr starb Brian Crowe, der die chinesische Agentin Li Lan in die kalifornische Künstlerszene eingeführt und später versucht hatte, sein Wissen über sie und Bob Pendleton an Taiwan zu verkaufen. Vorerst muss Neal im Kloster bleiben, denn Xao Xiyang verbreitete die Nachricht von einem tödlichen Unfall des Amerikaners bei einer Bergwanderung. Dengs politische Gegner, aber auch die CIA und Taiwan sollen Neal Carey, Li Lan und Robert Pendleton für tot halten und deshalb nicht länger nach ihnen suchen. Auf diese Weise kann Bob Pendleton ungestört auf den Feldern von Dwaizhou daran arbeiten, mit einem neuartigen Kunstdünger für eine dritte Ernte im Jahr zu sorgen. Belohnt wird er dafür vor allem durch Lans Liebe.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

„China Girl“ gehört zu der fünfbändigen Krimireihe über den Protagonisten Neal Carey, die Don Winslow mit „London Undercover“ begann. Die Originalausgaben erschienen 1991 bis 1996: (1) „A Cool Breeze on the Underground“, (2) „The Trail to Buddha’s Mirror“, (3) „Way Down on the High Lonely“, (4) „A Long Walk Up the Water Slide“, (5) „While Drowning in the Desert“.

Die Handlung von „China Girl“ spielt 1977, anfangs in England und Kalifornien, dann in Hongkong und China. Die Kulisse ist also weitgehend exotisch, und Don Winslow beschreibt denn auch herrliche Landschaften. Obwohl es im Thriller-Plot retardierend wirkt, erläutert Don Winslow in langen Passagen Ereignisse und Zusammenhänge in der neuesten chinesischen Geschichte. Auch sonst demonstriert er eingehende Kenntnisse, beispielsweise über Methoden des organisierten Verbrechens zur Schutzgelderpressung.

Im Mittelpunkt steht neben einer atemberaubend schönen, aber schemenhaft bleibenden Chinesin der 24-jährige Literaturstudent Neal Carey, der von seinem Pflegevater Joe Graham als Privatdetektiv ausgebildet wurde, gerade an seiner Masterarbeit schreibt, zwischendurch einen als Routinefall unterschätzten Auftrag ausführen soll und dadurch in ein lebensgefährliches Abenteuer gerät.

Don Winslow forciert das Tempo in „China Girl“ zunehmend und überrascht die Leser an mehreren Stellen mit Plot-Twists. Weil er das alles im letzten Drittel überzieht, wird die Handlung abstrus und reißerisch. „China Girl“ gehört unverkennbar zu den Frühwerken des Autors. Es ist ein ordentlich gemachter Thriller mit vielversprechenden Ansätzen, aber die Brillanz von Don Winslows späteren Romanen fehlt „China Girl“ noch.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015
Textauszüge: © Suhrkamp Verlag

Don Winslow (Kurzbiografie / Bibliografie)

Don Winslow: London Undercover
Don Winslow: Manhattan
Don Winslow: Bobby Z
Don Winslow: Die Sprache des Feuers
Don Winslow: Tage der Toten
Don Winslow: Frankie Machine
Don Winslow: Pacific Private
Don Winslow: Zeit des Zorns (Verfilmung)
Don Winslow: Satori
Don Winslow: Kings of Cool
Don Winslow: Vergeltung
Don Winslow: Missing. New York
Don Winslow: Das Kartell
Don Winslow: Germany
Don Winslow: Corruption
Don Winslow: Jahre des Jägers
Don Winslow: City on Fire
Don Winslow: City of Dreams
Don Winslow: City in Ruins

Alexander Häusser - Noch alle Zeit
In seinem Roman "Noch alle Zeit" fokussiert Alexander Häusser auf zwei Personen, die versuchen, sich von ihrer Vergangenheit zu befreien und mit sich ins Reine zu kommen. Er beeindruckt mit einer ungewöhnlich genau beobachteten, tiefschürfenden und eindringlichen Veranschaulichung der Gefühle, Gedanken und Motive der Charaktere. "Noch alle Zeit" ist ein feinfühliger, bewegender und ernsthafter Roman auf hohem literarischen Niveau.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.