Mord am Meer

Mord am Meer

Mord am Meer

Originaltitel: Mord am Meer – Regie: Matti Geschonneck – Drehbuch: Thomas Kirchner, nach dem Roman "Die letzte Vorstellung" von Ulrich Woelk – Kamera: Hannes Hubach – Schnitt: Petra Heymann – Musik: Nikolaus Glowna, Siggi Mueller – Darsteller: Heino Ferch, Nadja Uhl, Markus Boysen, Ulrike Krumbiegel, Manfred Zapatka, Birge Schade, Otto Mellies, Ellen Schwiers, Leonard Carow u.a. – 2005; 90 Minuten

Inhaltsangabe

In einem abgelegenen Haus bei Husum wird die Leiche des Bewohners gefunden. Jemand hat Hans Wolgast gefesselt und mit einem aufgesetzten Schuss in den Kopf ermordet. Im CD-Player läuft eine Arie aus der Oper "Die Zauberflöte" in Endlos-Wiederholung. Der Kriminalbeamte Anton Glauberg und die junge BKA-Mitarbeiterin Paula Reinhardt leiten die Ermittlungen. Sie haben beide mehr mit Wolgast zu tun, als sie zugeben wollen ...
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Kritik

Die politischen Bezüge in "Mord am Meer", einer Verfilmung des Romans "Die letzte Vorstellung" von Ulrich Woelk, dienen nur als Kulissen. Es handelt sich um einen soliden Fernsehkrimi von Matti Geschonneck.
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Als der Pastor (Thomas Sarbacher) einer nordfriesischen Gemeinde beim Joggen an einem abgelegenen Haus am Deich vorbeikommt, hört er Musik aus der Oper „Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Er öffnet die unverschlossene Türe und ruft nach dem Bewohner, aber niemand antwortet. Dann sieht er Hans Jakobi (Jürgen Stahnke) gefesselt auf einem Stuhl sitzen – mit einer Schusswunde in der Stirn. In der Stereo-Anlage des Toten liegt eine CD mit einer Aufnahme der „Zauberflöte“, und eine der Arien ist auf Endlos-Wiederholung geschaltet; sie läuft wohl schon seit Stunden.

Die Ermittlungen leitet Anton Glauberg (Heino Ferch) aus Husum. Der Polizeiinspektor hat sich kürzlich in einer Pension einquartiert, während seine Frau Sylvia (Birge Schade) mit dem Sohn Felix (Leonhard Carow) weiter im Haus wohnt, denn die Ehe droht in die Brüche zu gehen. Am Tatort begegnet der erfahrene, wortkarge und introvertierte Kommissar einer jungen Kollegin vom BKA. Paula Reinhardt (Nadja Uhl) wuchs in Berlin-Marzahn auf. Ihr Vater hatte sich aus der DDR in den Westen abgesetzt, als sie noch ein Kind war. Als Frau eines Republikflüchtlings war ihre Mutter Schikanen ausgesetzt. Die ehrgeizige BKA-Mitarbeiterin gibt sich forsch und täuscht Selbstsicherheit vor, obwohl es ihr erster Mordfall ist.

Der tödliche Schuss erfolgte offenbar aus nächster Nähe. Es sieht wie eine Hinrichtung aus. Einbruchspuren oder Fingerabdrücke gibt es nicht. Der Mann, der sich Hans Jakobi nannte, hieß in Wirklichkeit Hans Wolgast. Er wurde 1950 geboren, kam 1970 nach Berlin, schloss sich dort dem SDS an und knüpfte Kontakte zur RAF. 1980 setzte er sich in die DDR ab und heiratete Renate Siedler (Ulrike Krumbiegel), eine IM der Stasi, die für ihren Führungsoffizier Karlheinz Wagner (Otto Mellies) auch Berichte über ihren Ehemann schrieb und inzwischen in der onkologischen Abteilung der Charité als Krankenschwester arbeitet. Wolgast wurde nach der Wiedervereinigung festgenommen und zu einer Haftstrafe verurteilt, von der er zwei Jahre absitzen musste. Anton Glauberg verschweigt, dass es sich um seinen Halbbruder handelt.

Verweist die Musik aus der „Zauberflöte“ auf Wolgasts Zugehörigkeit zur APO? Die Mozart-Oper wurde beim Staatsbesuch des Schahs von Persien am 2. Juni 1967 in der Deutschen Oper in Berlin gespielt, während der Demonstrant Benno Ohnesorg erschossen wurde.

Glauberg und Paula Reinhardt fahren nach Berlin, um mit Renate Siedler zu reden.

Nachdem sie in einem schäbigen Hotel eingecheckt haben, sucht die BKA-Mitarbeiterin ohne Wissen ihres Kollegen im Bundesinnenministerium einen hohen Beamten namens Jäger auf, der sie offenbar auf Glauberg angesetzt hat und den Husumer Polizisten außerdem observieren und abhören lässt.

Dem erfahrenen Kriminalbeamten entgeht nicht, dass er beschattet wird. Es gelingt ihm, die beiden Zivilfahnder abzuhängen. So bekommen weder Jäger noch Paula Reinhardt mit, dass er den Fotografen Veith Seewald (Manfred Zapatka) besucht. Die beiden haben sich seit zwanzig Jahren nicht gesehen. Zu Beginn der Achtzigerjahre lebten sie mit einigen anderen Sympathisanten der RAF in einer WG in Berlin. Dazu gehörten auch Jäger und Wolgast. Nachdem Glauberg kurz von dem Mord berichtet hat, erzählt er, er habe nach 1976 lange Zeit nichts mehr von Hans gehört, ihn allerdings vor einigen Jahren in Nordfriesland wiedergesehen. Da lebte er bereits unter falschem Namen im Haus der verstorbenen Mutter. Veith Seewald antwortet auf eine entsprechende Frage, er sei Wolgast seit Jahrzehnten nicht mehr begegnet. Glauberg weiß jedoch, dass Seewald ein rotes Cabrio besitzt, ein Fahrzeug, wie es Zeugen des Öfteren vor dem Haus von Hans Wolgast alias Jakobi sahen. Seewald gibt schließlich zu, dass er Wolgast mehrmals besuchte, um Fotos für einen geplanten Bildband über die Kommunarden von damals zu machen.

Am nächsten Tag sprechen Glauberg und Paula Reinhardt mit Renate Siedler und danach mit Karlheinz Wagner. Spätabends im Hotel lädt Paula Reinhardt ihren Kollegen noch auf einen Drink aus der Minibar ein, aber er lehnt das verlockende Angebot ab. Auch als sie ihn am folgenden Abend auf dem Korridor küsst und dann die Türe ihres Zimmers offen lässt, bleibt er standhaft.

Glauberg ruft Jäger an. Der Regierungsbeamte will verhindern, dass seine frühere politische Einstellung bekannt wird. Er gab Veith Seewald die Adresse von Hans Wolgast und sorgte dafür, dass dessen Name nicht auf der Liste der Besitzer roter Cabrios auftauchte, die von der Polizei abgearbeitet wurde.

Längst sind Glauberg Parallelen zwischen der Ermordung Wolgasts und einem unaufgeklärten Tötungsdelikt in Berlin aufgefallen: Am 20. September 1978 war Christian Kurland nach einer Aufführung der Oper „Die Zauberflöte“ vor der Deutschen Oper in Berlin erschossen worden. Wolgast starb ebenfalls an einem 20. September, und am Tatort lief Musik aus der „Zauberflöte“. Nach weiteren Ermittlungen muss Glauberg sich der Tatsache stellen, dass sein Halbbruder 1978 Kurland ermordet hatte, um sich für die RAF zu qualifizieren.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Zur Beerdigung Hans Wolgasts kommt Paula Reinhardt noch einmal nach Friesland. Glauberg, der inzwischen auf eine Aussöhnung mit seiner Frau hofft, trifft sich mit ihr am Tatort.

Da es keine Einbruchspuren gibt, ist anzunehmen, dass Wolgast seinen Mörder oder seine Mörderin kannte und einließ. Gleich bei der ersten Begegnung mit Paula Reinhardt fiel Glauberg auf, dass sie von einer „Hinrichtung“ sprach, bevor sie das Haus betrat und dann sofort auf den richtigen Knopf der Stereoanlage drückte, um die Endlos-Wiederholung abzuschalten. In Berlin fand er heraus, dass Christian Kurland nicht mit einer unbekannten Geliebten in der Oper war, wie die Polizei damals annahm, sondern mit einem Kind. Er vermutet, dass es sich bei dem Mädchen um die damals zehn Jahre alte Paula handelte, die ihren Vater in Westberlin besuchte. Sie war also dabei, als Christian Kurland von Hans Wolgast erschossen wurde. Paula Reinhardt versucht nicht, zu leugnen, dass sie Wolgast tötete, um ihren Vater zu rächen. Ohne Widerstand zu leisten, lässt sie sich verhaften.

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Thomas Kirchner schrieb den 2002 von Ulrich Woelk (* 1960) veröffentlichten Politthriller „Die letzte Vorstellung“ zum Drehbuch um, und Matti Geschonneck inszenierte die Verfilmung. Dabei hielten sie sich eng an die Romanvorlage. Der Titel konnte allerdings aus rechtlichen Gründen nicht übernommen werden. Er lautet nun „Mord am Meer“.

Zunächst geht es in „Mord am Meer“ um die Aufklärung eines aktuellen Tötungsdelikts durch einen Kriminalbeamten aus der Provinz und eine BKA-Mitarbeiterin, die beide mehr mit dem Ermordeten zu tun haben, als sie zugeben wollen. Sie befragen eine ehemalige IM der Stasi und deren Führungsoffizier. Die Ermittlungen führen zurück bis in die Zeit der APO und der RAF. Die politischen Hintergründe dienen allerdings nur als Kulissen, sie werden nicht vertieft.

Die Handlung wirkt konstruiert. Auf Action-Szenen haben Thomas Kirchner und Matti Geschonneck in „Mord am Meer“ verzichtet. Die Spannung ergibt sich aus den Dialogen bzw. den Ergebnissen der Ermittlungen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011

RAF
Stasi

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