Biester

Biester

Biester

Biester - Originaltitel: La cérémonie - Regie: Claude Chabrol - Drehbuch: Claude Chabrol und Caroline Eliacheff, nach dem Roman "A Judgment in Stone" von Ruth Rendell - Kamera: Bernard Zitzermann - Schnitt: Monique Fardoulis - Musik: Matthieu Chabrol - Darsteller: Isabelle Huppert, Sandrine Bonnaire, Jean-Pierre Cassel, Jacqueline Bisset, Virginie Ledoyen, Valentin Merlet, Julien Rochefort, Dominique Frot, Jean-François Perrier u.a. - 1995; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Sophie fängt bei den Lelièvres als Hausmädchen an. Während die großbürgerliche Familie eine Woche Urlaub macht, befreundet Sophie sich mit der Postangestellten Jeanne, die ihr Kind umgebracht haben soll, der man jedoch nichts nachweisen konnte. Nach kurzer Zeit wird Sophie entlassen. Um ihre Sachen zu holen, fährt sie mit Jeanne noch einmal zum Haus der Lelièvres. Dort spielen sie mit Monsieurs Jagdgewehren herum ...
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Kritik

"Biester" – die Verfilmung des Romans "Ein Urteil in Stein" von Ruth Rendell – ist ein sardonischer, spannender, sorgfältig inszenierter und hervorragend besetzter Psychothriller von Claude Chabrol.
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Sophie (Sandrine Bonnaire) bewirbt sich als Hausmädchen bei Catherine Lelièvre (Jacqueline Bisset). Im Vorstellungsgespräch behauptet sie, ihre letzte Arbeitgeberin habe sie nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr weiter beschäftigen können und sei zu ihrem Sohn nach Australien gezogen. Madame stellt Sophie ein. Sie lebt mit ihrer Familie auf einem großbürgerlichen Anwesen außerhalb eines kleinen Dorfes in der Bretagne und betreibt in der nächsten Stadt eine Galerie. Georges Lelièvre (Jean-Pierre Cassel), der sein Geld als Fabrikant verdient, liebt klassische Musik, besonders Mozart. Das Ehepaar hat zusammen einen etwa vierzehnjährigen Sohn: Gilles (Valentin Merlet). Die neunzehnjährige Melinda (Virginie Ledoyen), die studiert und in der Regel nur am Wochenende nach Hause kommt, stammt aus Catherines erster Ehe.

Während die Familie für eine Woche Urlaub nach Korsika fliegt, befreundet Sophie sich mit der Postangestellten Jeanne (Isabelle Huppert), die sich auch gleich einmal neugierig in dem riesigen Haus umsieht und sich in der Bibliothek das Buch „Reise ans Ende der Nacht“ von Louis-Ferdinand Céline „ausleiht“.

Einige Zeit später bleibt Jeanne mit ihrem alten „2CV“ liegen, weil die Batterie nicht in Ordnung ist. Zufällig kommt Melinda auf dem Weg zu ihren Eltern vorbei und hilft ihr, den Motor wieder anzukriegen.

Weil Melinda und ihr Stiefvater vorhaben, an einem der nächsten Wochenende wieder einmal auf die Jagd zu gehen, ölt Monsieur in der Küche die Gewehre, während Sophie bügelt und ihm dabei zusieht.

Dass sie weder lesen noch schreiben kann, verheimlicht Sophie, aber mehrmals kommt sie dadurch in Schwierigkeiten, so auch, als Madame ihr einen Einkaufszettel neben das Telefon legt und ihr aufträgt, die Sachen im Lauf des Tages zu bestellen. Sobald alle aus dem Haus sind, läuft Sophie in den Ort und bittet Jeanne im Postamt, die Bestellung durchzugeben. Das Telefon der Lelièvres sei kaputt, lügt sie.

Monsieur fällt auf, dass seine Post seit einiger Zeit geöffnet ankommt. Da er in der Zeitung gelesen hat, dass es sich bei der neuen Postangestellten um eine Mutter handelt, die ihrem Kind in Rennes tödliche Brandverletzungen zugefügt haben soll, der man jedoch nichts nachweisen konnte, verdächtigt er sie und beschwert sich bei ihr, aber Jeanne lässt sich nichts gefallen und fragt ihn schnippisch, was er gegen sie in der Hand habe. Statt sich einschüchtern zu lassen, spricht sie ihn darauf an, dass seine erste Frau sich umbrachte und beschuldigt seine jetzige Frau, es in ihrer Galerie mit anderen Männern zu treiben: „Sie ist eine Nutte!“

Sophie nimmt Jeanne mehrmals mit in ihr Zimmer, aber Monsieur macht ihr klar, dass er die Postangestellte nicht in seinem Haus haben möchte.

Während Melinda mit ihrem Freund Jeremie (Julien Rochefort) und weiteren Gästen ihren zwanzigsten Geburtstag feiert, helfen Jeanne und Sophie in der Kirche dem katholischen Hilfswerk beim Aussortieren gespendeter Kleidungsstücke.

In einer alten Zeitung hat Jeanne ein Foto von Sophie entdeckt und gelesen, dass Sophies gelähmter Vater in seinem Haus verbrannte. Die Polizei verdächtigte Sophie, das Feuer gelegt zu haben, konnte den Fall jedoch nicht aufklären.

Einmal ruft Monsieur vom Büro aus an und bittet Sophie, in seinem Arbeitszimmer zu Hause eine dringend benötigte Akte herauszusuchen. Sophie legt während des Gesprächs auf und öffnet nicht, als der Chauffeur kommt, um die Akte abzuholen. Von Monsieur zur Rede gestellt, behauptet sie, die Verbindung sei abgebrochen und wegen der Telefonstörung habe sie zum Einkaufen ins Dorf gehen müssen.

Durch das Belauschen eines Telefongesprächs von Melinda und Jeremie erfährt Sophie, dass Mademoiselle ungewollt schwanger geworden ist.

Als Melinda kurze Zeit später herausfindet, dass Sophie unter Dyslexie leidet und – um ihr zu helfen – ihren Vater bitten will, für eine Therapie zu sorgen, droht Sophie, in diesem Fall Melindas Eltern von der Schwangerschaft ihrer Tochter zu erzählen. Melinda lässt sich die Erpressung nicht gefallen und klärt ihre Eltern über alles auf. Daraufhin entlässt Monsieur das neue Hausmädchen. Er könne sie sofort hinauswerfen, erklärt er Sophie, aber stattdessen gebe er ihr eine Woche Zeit, sich nach einer anderen Stelle umzusehen.

Jeanne und Sophie machen sich einen Spaß daraus, alte Kleider zu sammeln und die Spender dabei zu beleidigen – bis der Pfarrer (Jean-François Perrier) sie aufgrund zahlreicher Beschwerden nicht mehr beim katholischen Hilfswerk sehen möchte. Auf der Rückfahrt berichtet Sophie ihrer Freundin, was geschehen ist. Jeanne lädt sie ein, die Woche nicht abzuwarten, sondern gleich zu ihr zu ziehen, und am Abend fahren sie zusammen los, um Sophies Sachen zu holen.

Die Familie Lelièvre hat sich auf der Couch vor dem Fernsehgerät versammelt, um sich eine Übertragung der Oper „Don Giovanni“ von Wolfgang Amadeus Mozart aus Salzburg anzuschauen. Um die Sendung aufzunehmen, schaltet Gilles auch den Radiorekorder ein.

Damit Sophie ihre Freundin unbemerkt mit ins Haus nehmen kann, parkt Jeanne den „2CV“ ein Stück vom Haus entfernt. In der Küche bereiten sie sich erst einmal eine Kanne Kakao. Als sie damit zu Sophies Dachkammer hinaufgehen, kommt Jeanne auf die Idee, den Kakao in das Doppelbett von Monsieur und Madame zu gießen und Madames Kleider zu zerreißen. Dann fallen ihr die Jagdgewehre auf. Sophie weiß, wo die Munition ist und wie man die Waffen lädt. Ausgelassen spielen sie damit herum.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Die Pause vor dem 2. Akt nutzt Monsieur, um nachzusehen, ob Sophie im Haus ist, denn es war ein Geräusch zu hören. Als er unerwartet den beiden Frauen gegenübersteht, fordert er sie auf, die Gewehre wegzulegen, aber Jeanne schießt auf ihn und Sophie tötet ihn mit einem weiteren Schuss.

Wegen der lauten Musik haben die übrigen Familienmitglieder die Schüsse nicht gehört, aber Madame macht sich Sorgen, wo ihr Mann bleibt und drängt Gilles, nach ihm zu sehen. In diesem Augenblick stürmen Jeanne und Sophie zur Tür herein und hören erst zu schießen auf, als niemand von der Familie Lelièvre sich mehr rührt.

Bevor Jeanne geht, schärft sie Sophie ein, verräterische Spuren zu beseitigen, dann die Polizei anzurufen und auszusagen, sie habe die Toten bei ihrer Rückkehr so vorgefunden.

Jeanne lässt den Wagen an, doch aufgrund der defekten Batterie gehen Motor und Scheinwerfer gleich wieder aus.

Als Sophie aufgeräumt hat, bemerkt sie draußen in der Dunkelheit die Blaulichter mehrerer Streifenwagen. Aber die Polizei ahnt noch nicht, was im Haus geschah, sondern es geht um den tödlichen Unfall: Der Pfarrer hatte den ohne Licht auf der Straße stehenden „2CV“ übersehen und war mit seinem Wagen frontal aufgeprallt. Jeanne ist tot. Im Wrack läuft der gestohlene Radiorekorder mit der letzten Aufnahme, auf der außer „Don Giovanni“ die Schüsse und das Geschrei zu hören sind.

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Anfang Februar 1933 erstachen die Dienstmädchen Léa und Christine Papin ihre Arbeitgeberin, Madame Lancelin, und deren Tochter. Obwohl sich herausstellte, dass die beiden Schwestern erblich belastet waren, hielt das Gericht sie für voll zurechnungsfähig und verurteilte Christine Papin zum Tod, Léa Papin zu zehn Jahren Haft. (Das Todesurteil wurde später in eine Freiheitsstrafe abgemildert.) Simone de Beauvoir und Jean Genet – der sich von dem Fall zu seinem am 17. April 1947 uraufgeführten Theaterstück „Les bonnes“ („Die Zofen“) anregen ließ – verstanden den Doppelmord als Auflehnung gegen das Großbürgertum. In dem Roman „A Judgment in Stone“ (1977; „Ein Urteil in Stein“) von Ruth Rendell gibt es zwar zunächst nur ein Dienstmädchen, aber am Ende auch zwei Mörderinnen. Der Roman wurde von Claude Chabrol unter dem Titel „La cérémonie“ – „Biester“ – verfilmt.

Ein Dienstmädchen und eine Postangestellte, zwei Außenseiterinnen, die beide schon einmal verdächtigt wurden, jemand umgebracht zu haben – die eine ihren Vater, die andere ihre Tochter – denen man jedoch nichts nachweisen konnte, verbünden sich in ihrem Hass auf eine reiche Familie. Claude Chabrol verwendet diese Geschichte allerdings nur als Vehikel, um wieder einmal hinter die Kulissen des Großbürgertums leuchten zu können.

„Biester“ ist ein sardonischer, spannender, sorgfältig inszenierter und hervorragend besetzter Psychothriller.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

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