Frantz

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Frantz

Frantz – Originaltitel: Frantz – Regie: François Ozon – Drehbuch: François Ozon und Philippe Piazzo nach dem Film "Der Mann, den sein Gewissen trieb" von Ernst Lubitsch – Kamera: Pascal Marti – Schnitt: Laure Gardette – Musik: Philippe Rombi – Darsteller: Pierre Niney, Paula Beer, Ernst Stötzner, Marie Gruber, Johann von Bülow, Anton von Lucke, Cyrielle Clair, Alice de Lencquesaing u.a. – 2016; 110 Minuten

Inhaltsangabe

1919 bemerkt Anna fremde Blumen auf dem Grab ihres im Vorjahr in Frankreich gefallenen Verlobten Frantz. Sie stammen von dem 24-jährigen Franzosen Adrien Rivoire, der nach Quedlinburg gekommen ist, um Kontakt mit Frantz' Hinterbliebenen aufzunehmen. Er wird von Deutschen angefeindet, und Frantz' Vater wirft den Besucher zunächst hinaus. Aber Anna und seine Frau halten Adrien für einen trauernden Freund, der ihnen von Frantz erzählen könnte ...
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Kritik

"Frantz" ist ein meister­haft insze­niertes Plädoyer für die Völker­ver­stän­di­gung. François Ozon ver­an­schau­licht außerdem, dass Lügen und Täuschungen hilfreich sein können. Getragen wird "Frantz" nicht zuletzt von den Hauptdarstellern Pierre Niney und Paula Beer.
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Anna (Paula Beer) ist eine Waise, die in Quedlinburg von den Eltern ihres Verlobten Frantz (Anton von Lucke) – dem Arzt Dr. Hans Hoffmeister und seiner Frau Magda (Ernst Stötzner, Marie Gruber) – wie eine Tochter aufgenommen wurde. Frantz Hoffmeister fiel am 15. September 1918 in Frankreich. Er wurde nur 23 Jahre alt. Auf einem Grabstein in Quedlinburg steht zwar sein Name, aber seine sterblichen Überreste liegen irgendwo in Frankreich in einem Massengrab.

1919 bemerkt Anna fremde Blumen auf dem Grab. Sie stammen von einem 24-jährigen Franzosen. Er heißt Adrien Rivoire (Pierre Niney) und versucht, mit Frantz‘ Hinterbliebenen in Kontakt zu kommen. Aber seit dem Tod seines Sohnes hasst Dr. Hoffmeister die Franzosen: Er wirft den Besucher hinaus. Magda und Anna holen ihn zurück, denn sie halten den Mann, der Blumen auf Frantz‘ Grab gelegt hat, für einen Freund des Gefallenen, der vor dem Krieg am Kon­ser­va­torium in Paris studierte. Adrien erzählt, wie er mit Frantz zusammen Geige spielte. Widerstrebend kommt er Hans Hoffmeisters Aufforderung nach, auf Frantz‘ Geige etwas vorzuspielen. „Haben Sie keine Angst, uns glücklich zu machen“, sagt Frantz‘ Vater. Von Gefühlen überwältigt, bricht Adrien zusammen.

Den Hinterbliebenen hilft es, sich mit Adriens Hilfe vorzustellen, wie Frantz vor dem Krieg glücklich war. Sie laden den Franzosen mehrmals ein, und Anna besucht mit ihm sogar ein Tanzfest. Kreutz (Johann von Bülow), der vergeblich um ihre Hand angehalten hat, beobachtet es verärgert. Der Franzose wird auch von anderen Deutschen angefeindet, zum Beispiel einem Betrunkenen auf der Straße, dem er helfen will, der ihn jedoch zurückstößt und vor ihm ausspuckt. Als er ins Hotel zurückkehrt, grölt dort eine Männerrunde „Die Wacht am Rhein“.


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Schließlich gesteht Adrien Anna auf dem Friedhof, dass er Frantz erst in der Minute vor dessen Tod zum ersten Mal gesehen habe. Am 15. September 1918 geriet Adriens Militäreinheit unter Artillerie­beschuss der Deutschen. Er sprang in einen Schützengraben – und stand plötzlich vor einem deutschen Soldaten. Der richtete zwar sein Gewehr auf ihn, drückte aber nicht ab. Nachdem sich die beiden Männer eine Weile angestarrt hatten, erschoss Adrien den Deutschen. Erst danach stellte er fest, dass dessen Waffe nicht geladen war. In den Taschen des Toten fand er einen Brief an Anna. Er sei gekommen, erklärt Adrien, um sie und Frantz‘ Eltern um Vergebung zu bitten. Er selbst werde sich den Schuss nie verzeihen.

Am nächsten Morgen reist Adrien ab. Anna bringt ihn zum Zug. Sie behauptet, Frantz‘ Eltern alles gesagt zu haben. Auch das ist eine Lüge: Ohne die Hoffmeisters darüber aufzuklären, wie Frantz ums Leben kam, log sie, Adrien müsse wegen einer Erkrankung seiner Mutter nach Paris zurück und habe keine Zeit mehr gehabt, sich von ihnen zu verabschieden.

Anna versucht, sich in einem See zu ertränken. Aber ein Mann (Lutz Blochberger), der sieht, wie sie ins Wasser geht, rettet sie.

Als ein Brief Adriens an die Hoffmeisters eintrifft, tut sie so, als lese sie ihnen daraus vor, obwohl sie ihn zuvor im Ofen verbrannte. Frantz‘ Eltern sollen weiterhin glauben, dass ihr Sohn mit Adrien befreundet war und die beiden vor dem Krieg eine glückliche Zeit in Paris verbrachten. Annas Beichtvater (Torsten Michaelis) rät ihr, bei der Lüge zu bleiben.

Anna schreibt Adrien, aber der Brief kommt mit dem Vermerk zurück, der Adressat sei verzogen. Hans und Magda Hoffmeister drängen Anna, nach Paris zu fahren und Adrien zu suchen. Sie hoffen, dass sie mit ihm als Bräutigam zurückkommen werde.

In Belgien und Frankreich wird Anna angefeindet, und in einer Gaststätte erheben sich die Anwesenden einer nach dem anderen zum Gesang der Marseillaise. Sie hat ein Zimmer in dem Hotel, in dem auch Frantz während des Studiums wohnte, und der Taxifahrer (Étienne Ménard), der sie hinbringt, meint, der junge Mann habe dort gewiss viel Spaß gehabt, denn es handelt sich um ein schäbiges Stundenhotel.

Anna schaut sich im Louvre das Gemälde „Der Selbstmörder“ von Édouard Manet an, von dem ihr Adrien erzählte, und in der Hoffnung, ihn unter den Musikern zu entdecken, besucht sie eine Opernaufführung. Im Verzeichnis eines Kranken­hauses stößt sie auf einen A. Rivoire, der sich kürzlich das Leben nahm, aber auf dem Grabstein liest sie „Anatole Rivoire, 15. 5. 1865 – 17. August 1919“. Anna besucht die Witwe (Jeanne Ferron), die ihr verrät, wo ihr Neffe Adrien zu finden ist.

Er wohnt wieder bei seiner Mutter (Cyrielle Clair) auf einem schlossähnlichen Gutshof in der Provinz. Adrien freut sich über die Besucherin und überredet seine Mutter, ihr ein Gästezimmer zur Verfügung zu stellen. Madame Rivoire tut das nur ungern, denn sie ahnt, dass Anna ihren Sohn liebt. Am Abend findet ein Hauskonzert statt. Adrien spielt Geige, und eine junge Frau namens Fanny (Alice de Lencquesaing), die er seit der Kindheit kennt, singt. Anna sitzt am Flügel, aber mitten im Stück bricht sie ab, eilt in ihr Zimmer und fängt zu packen an. Sie hat begriffen, dass es sich bei Fanny um Adriens zukünftige Ehefrau handelt.

Adrien überredet Anna, über Nacht zu bleiben. Am nächsten Morgen bringt er sie mit dem Auto zum Bahnhof. Zum Abschied küssen sie sich ein einziges Mal.

Statt nach Quedlinburg zurückzukehren, schreibt Anna den Hoffmeisters aus Paris und hält die Täuschung aufrecht, indem sie ihnen vormacht, dass sie mit Adrien zusammen viel unternehme und sehr glücklich sei.

Vor Manets Gemälde „Der Selbstmörder“ begegnet sie einem jungen Mann (Eliott Margueron), der Adrien ähnlich sieht. Ob ihr das Bild gefalle, fragt er, und sie antwortet: „Es macht mir Lust zu leben.“

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Während die Deutschen Adrien mit dem Absingen der „Wacht am Rhein“ provozieren, stimmen die Franzosen in Annas Beisein die Marseillaise an. „Frantz“ ist ein Plädoyer zur Völkerverständigung im Allgemeinen und für die deutsch-französische Freundschaft im Besonderen. Es ist wohl kein Zufall, dass der Vorname des Deutschen – Frantz – ähnlich wie France klingt, wenn er mit französischem Akzent gesprochen wird. François Ozon veranschaulicht darüber hinaus, dass Lügen und Täuschungen hilfreich sein können. „Die Lüge ist eine Metapher für unser Bedürfnis und unsere Sehnsucht nach Fiktion – und daher auch nach Filmen.“

Der erste Teil von „Frantz“ basiert auf dem Film „Broken Lullaby“ / „Der Mann, den sein Gewissen trieb“ von Ernst Lubitsch, bei dem es sich um eine Adaptation des Theaterstücks „L’homme que j’ai tué“ (1930) von Maurice Rostand handelt: Der Franzose Paul Renard, der im Ersten Weltkrieg den Deutschen Walter Hölderlin im Nahkampf tötete, reist im Winter 1919/20 nach Deutschland, um Blumen auf das Grab des Gefallenen zu legen und die Hinterbliebenen um Verzeihung zu bitten. Als er merkt, wie die Eltern und Walters Verlobte Elsa unter dem Verlust leiden, täuscht er ihnen vor, er habe vor dem Krieg mit Walter zusammen am Konservatorium in Paris studiert und sei mit ihm befreundet gewesen. Als er schließlich Elsa die Wahrheit gesteht, beschwört sie ihn, die Hölderlins in dem Glauben zu lassen, dass ihr Sohn vor dem Krieg glücklich gewesen sei.

Broken Lullaby – Originaltitel: Der Mann, den sein Gewissen trieb – Regie: Ernst Lubitsch – Drehbuch: Samson Raphaelson und Ernest Vajda nach dem Theaterstück „L’homme que j’ai tué“ von Maurice Rostand – Kamera: Victor Milner – Musik: W. Franke Harling – Darsteller: Lionel Barrymore, Nancy Carroll, Phillips Holmes, Louise Carter, Lucien Littlefield, Tom Douglas, Zasu Pitts u.a. – 1932; 75 Minuten

François Ozon drehte „Frantz“ fast ganz in Schwarzweiß. Nur einige positiv gestimmte Szenen sind farbig, darunter auch vermeintliche Rückblenden. Anfangs vermutet man als Zuschauer, Frantz und Adrien seien ein homosexuelles Paar gewesen. Nachdem wir die Wahrheit darüber erfahren haben und nun eine Liebesbeziehung von Anna und Adrien erwarten, überrascht uns François Ozon mit einer grundlegenden Wendung. Und dabei ergibt sich eine Spiegelung der Verhältnisse am Anfang.

Getragen wird der meisterhaft inszenierte Film „Frantz“ nicht zuletzt von zwei hervorragenden Hauptdarstellern: dem Franzosen Pierre Niney und der Deutschen Paula Beer.

Das zwischen 1877 und 1881 von Édouard Manet geschaffene Ölgemälde „Le Suicidé“ / „Der Selbstmörder“ hängt übrigens nicht im Louvre, wie der Film „Frantz“ suggeriert, und war auch nie dort ausgestellt, sondern gehört zu den Exponaten der Stiftung Sammlung E. G. Bührle in Zürich. In der Wirklichkeit ist es auch viel kleiner als im Film; es misst 46 auf 38 Zentimeter.

Die Dreharbeiten für „Frantz“ fanden im Sommer und Herbst 2015 unter anderem in Quedlinburg und Wernigerode statt. Die Kulisse für den Friedhof lieferte der Nikolaikirchhof in Görlitz. Die Dampflokomotive der Chemin de Fer Touristique Limousin Périgord wurde in Eymoutiers im Département Haute-Vienne aufgenommen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.