Am Hang

Am Hang

Am Hang

Originaltitel: Am Hang – Regie: Markus Imboden – Drehbuch: Klaus Richter, Martin Gypkens, Markus Imboden, nach dem Roman "Am Hang" von Markus Werner – Kamera: Rainer Klausmann – Schnitt: Ueli Christen – Musik: Ben Jeger – Darsteller: Henry Hübchen, Martina Gedeck, Maximilian Simonischek, Sophie Hutter u.a. – 2013; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Zwei Männer kommen ins Gespräch. Felix, der lebensmüde Ältere, erzählt von seiner Ehe. Und der Junggeselle Thomas brüstet sich mit einer seiner Eroberungen. Bald begreift Felix, dass sie über dieselbe Frau sprechen. Soll er den Rivalen vor seinem Suizid umbringen? ...
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Kritik

In der Verfilmung des Romans "Am Hang" von Markus Werner ergänzt Markus Imboden die Dialoge der beiden Hauptfiguren durch Dramatisierungen und Rückblenden.
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Vor einer geschlossenen Bahnschranke im Tessin steigt der Schweizer Cellist Felix (Henry Hübchen) aus seinem Auto und geht zum Gleis. Als der Zug heranrast, reißt ihn ein Fremder (Max Simonischek) zurück, der den Eindruck hatte, Felix wolle sich vor den Zug werfen.

In seinem Zimmer im Hotel Milano am Lago Maggiore angekommen, packt Felix einen Revolver aus, lädt ihn mit einer Patrone, lässt die Trommel rotieren, setzt sich den Lauf an die Schläfe und drückt ab. Es klickt nur. Nach dieser Runde Russisch Roulette wählt der Lebensmüde eine Telefonnummer, und als er auf der Mailbox eine weibliche Stimme hört, sagt er: „Du hast noch einmal Glück gehabt.“ Dann geht er zum Essen ins Hotelrestaurant.

Dort taucht sein Lebensretter wieder auf, und obwohl außer ihnen keine Gäste da sind, setzt er sich zu Felix an den Tisch. Sie kommen ins Gespräch. Der Jüngere heißt Thomas, hat sich als Rechtsanwalt auf Scheidungsrecht spezialisiert und besitzt in der Nähe ein Ferienhaus, in dem er einen Beitrag für die Juristen-Zeitung schreiben will.

Thomas erzählt, dass er vor kurzem mit seiner Geliebten Valerie (Martina Gedeck) hier im Restaurant zu Abend gegessen habe. Valerie wohnte offenbar zur selben Zeit wie Felix‘ Ehefrau Bettina (Martina Gedeck) im nahen Kurhotel. Im Gegensatz zu Felix, der an die große Liebe glaubt und die Ehe für eine sinnvolle Institution hält, handelt es sich bei Thomas um einen durch die vielen von ihm bearbeiteten Scheidungsfälle desillusionierten Junggesellen, der die Geliebten häufig wechselt und die Ehe als Überforderung der menschlichen Natur bezeichnet. Auch die Affäre mit Valerie beendete er kürzlich. Unmittelbar danach hatte er noch einen One-Night-Stand mit Eva Nirak (Sophie Hutter), Valeries junger Atemtherapeutin im Kurhotel. Bevor er ins Hotel Milano herüberkam, war er bei ihr und wollte die Beziehung fortsetzen, aber sie wies ihn zurück.

Thomas vermutet aufgrund der Äußerungen seines Gesprächspartners, dass dieser über den Tod seiner Ehefrau verzweifelt ist und sich mit Selbstmordgedanken trägt.

Nach dem Essen begleitet Felix seinen neuen Bekannten zu dessen Ferienhaus und trinkt dort weiter Wein mit ihm. Thomas erzählt, wie er seinen Mitbewohner tot auffand. Der Mann war an einem Herzanfall gestorben. Seine Lebensgefährtin ließ den Film entwickeln, den er noch in der Kamera hatte und war dann entsetzt, als sie die Aufnahmen sah: Es waren pornografische Fotos einer anderen Frau.

Während Thomas eine weitere Flasche Wein aus dem Keller holt, blättert Felix in Zeitschriften und wundert sich augenscheinlich über eine Kugelschreiber-Anmerkung in einem der Blätter, denn er erkennt die Handschrift seiner Frau mit einem Auszug aus dem Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse: „Wie jede Blüte welkt und jede Jugend / Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, / Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend / Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. / Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe / Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, / Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern / In andre, neue Bindungen zu geben …“

Bevor er zum Hotel zurückgeht, verabredet er sich mit Thomas für den nächsten Abend zum Essen.

Am nächsten Morgen schaut Felix immer wieder durch ein Fernrohr, das auf einen Balkon des Kurhotels am gegenüberliegenden Ufer der Bucht ausgerichtet ist. Dann fährt er hinüber und gibt an der Rezeption einen Brief ab.

Wie verabredet, kommt Thomas wieder zum Essen ins Hotel Milano. Felix erzählt ihm, wie bei seiner Frau ein Gehirntumor diagnostiziert wurde. Die Operation verlief erfolgreich. Aber danach war Bettina verändert. Sie erklärte ihm, sie brauche eine Zeit allein für sich und wolle vorübergehend zu ihrer Schwester ziehen.

Er möchte mehr über Thomas‘ Affäre mit Valerie erfahren. Der Rechtsanwalt, dessen Kanzlei in der Großstadt zu finden ist, aus der auch Felix kommt, lernte die verheiratete Frau in einer Mittagspause auf einer Anlagenbank im Park kennen. Nach ein paar Monaten wunderte er sich, weil sie mehr Zeit für ihn hatte und fragte sie nach dem Grund. Sie behauptete, vorübergehend zu ihrer Schwester gezogen zu sein, aber Thomas vermutete, dass sie sich seinetwegen von ihrem Ehemann getrennt habe.

Wie am Vorabend begleitet Felix seinen Gesprächspartner zu dessen Ferienhaus.

Thomas erzählt weiter: Als Valerie dann hier in der Nähe eine Kur machte, lud sie ihn ein, sie zu besuchen. Dabei stellte sie ihm ihre Atemtherapeutin Eva vor. Am Abend, nach dem Essen hier im Hotel Milano, beendete Thomas die Affäre mit Valerie, und am nächsten Tag kam Eva für einen One-Night-Stand zu ihm ins Ferienhaus. Um Valerie hat er sich seither nicht mehr gekümmert.

Als Felix hört, wie Thomas die Geliebten wechselte, hebt er einen schweren Ast auf und schlägt Thomas damit in den Rücken. Der hält ihn daraufhin für verrückt und will nichts mehr mit ihm zu tun haben, aber Felix besteht darauf, dass er sich im Ferienhaus das Ende seiner Ehegeschichte anhört.

Felix besuchte Bettina im Kurhotel, aber nach der ersten Nacht dort beklagte sie sich darüber, dass sie wegen seines Zähneknirschens nicht schlafen konnte. Deshalb nahm er sich ein Zimmer im Hotel Milano auf der anderen Seite der Bucht. Mit einem Fernrohr schaute er zu ihr hinüber, und jeden Morgen winkte sie ihm vom Balkon. Eines Morgens tauchte sie nicht auf. Er fuhr hinüber. Im Kurhotel erfuhr er, dass sie auf den Kacheln im Hallenbad ausrutschte und mit dem Kopf am Beckenrand aufschlug. Als er ins Krankenhaus kam, lag sie bereits im Koma. Und dann starb sie.

Nachdem Felix dies erzählt hat, rezitiert er die Ballade „Die Füße im Feuer“ von Conrad Ferdinand Meyer. Sie handelt von einem Kurier des französischen Königs, der bei einem Unwetter in einem Schloss aufgenommen wird. Zu spät erkennt er, dass es sich um das Schloss einer vom König verfolgten Hugenottenfamilie handelt, im dem er selbst die Ehefrau des Ritters zu Tode folterte. Weil er befürchtet, dass man ihn wiedererkannt hat, verbringt er die Nacht in Todesangst und ergraut in diesen Stunden. Am nächsten Morgen wird ihm klar, dass der Schlossherr ihn erkannte, aber darauf verzichtete, sich an ihm zu rächen. Die Ballade endet mit den Worten des Witwers: „Dem größten König eigen! Heute ward / Sein Dienst mir schwer … Gemordet hast du teuflisch mir / Mein Weib! Und lebst … Mein ist die Rache, redet Gott.“

Bevor Felix das Ferienhaus verlässt, rät er Thomas, Fenster und Türen gut zu verriegeln und meint, der Ehemann der von Thomas verlassenen Frau denke möglicherweise daran, den Rivalen vor seinem Suizid zu ermorden.

Erst jetzt begreift Thomas, mit wem er zwei Abende lang sprach.

Am nächsten Morgen fährt er aufgeregt zum Kurhotel und fragt Eva, wie Valerie gestorben sei. Die Therapeutin klärt ihn darüber auf, dass die Frau lebt. Sie rutschte zwar vor Schreck im Hallenbad aus, als sie durchs Fenster ihren Ehemann erblickte, verstauchte sich aber nur einen Finger. Danach trennte sie sich endgültig von ihrem Mann. Der verfolgt sie seither, ruft sie immer wieder an und schickt ihr Briefe.

Als Bettina vom Schwimmen in ihr Zimmer zurückkehrt, wartet dort Felix auf sie. Ein Zimmermädchen, dem er Geld gab und sagte, er wolle seine Frau überraschen, sperrte ihm die Tür auf. Bettina ist entrüstet und will, dass er geht. Felix berichtet, dass er die letzten beiden Abende mit ihrem Liebhaber verbrachte. Sie beschwert sich über sein Stalking und seine Selbstmorddrohungen. Wenn er glaube, er müsse sich umbringen, dann solle er es tun, sagt sie. Da schlägt er sie und geht.

Im Auto nimmt er den noch immer mit einer einzigen Patrone geladenen Revolver aus dem Handschuhfach. Der Portier klopft an die Scheibe und fordert ihn auf, nicht länger auf dem für Gäste des Kurhotels reservierten Parkplatz stehen zu bleiben. Felix springt aus dem Wagen und bedroht den Portier mit der Waffe, aber es klickt nur, als er abdrückt. In diesem Augenblick kommt Thomas aus dem Hoteleingang und will Felix zur Besinnung bringen. Aber der zielt auf ihn, und dieses Mal löst sich der Schuss. Thomas bricht zusammen.

Vor Gericht sehen sie sich wieder: Felix, Bettina und Thomas. Der Junggeselle sitzt im Rollstuhl. Bettina verabschiedet sich von Felix noch vor der Urteilsverkündung. Seine Frage, was sie nun mit ihrem Leben machen werde, beantwortet sie nicht.

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Die Handlung der Literaturverfilmung „Am Hang“ erstreckt sich über drei Tage. Im Verlauf von zwei Abenden erzählen sich zwei Männer, deren Charaktere unterschiedlicher kaum sein könnten, aus ihrem Leben. Dabei prallen zwei Lebensanschauungen aufeinander. Der überzeugte Junggeselle Thomas, der nicht an die Liebe glaubt und Frauen nur als Sexualobjekte wahrnimmt, repräsentiert eine beziehungsarme und verantwortungslose Generation, die von der Jagd nach dem Erfolg getrieben wird. Lange ahnt Thomas nicht, wer sein Gegenüber ist, denn er geht davon aus, dass seine Affären folgenlos bleiben. Der Misanthrop Felix verabscheut den Zeitgeist und bejammert die Dekadenz der Gesellschaft. Dass er seine Frau mit seiner Liebe und Fürsorglichkeit erdrückt, erkennt er allerdings nicht, und als die Ehe durch Bettinas Neubesinnung nach ihrer Tumoroperation zerbricht, will er die Realität nicht wahrhaben.

Klaus Richter, Martin Gypkens und Markus Imboden haben den Roman „Am Hang“ von Markus Werner fürs Kino adaptiert und sind dabei vor allem am Anfang und am Ende von der literarischen Vorlage abgewichen. Verständlich ist, dass die Filmemacher die Dialoge aus dem Roman durch Emotionalisierungen bzw. Dramatisierungen ergänzt haben. Aber dadurch wird die Handlung an einigen Stellen unplausibel: Dass Thomas den Mann, der ihm kraftvoll mit einem dicken Ast in den Rücken geschlagen hat, noch in sein Ferienhaus lässt, ist mit der Dominanz des Älteren kaum erklärbar. Und wenn Felix sich gegen Ende zu – anders als im Roman – als gewalttätiger Stalker erweist, droht das kammerspielartige Psychoduell bzw. Beziehungsdrama in einen Thriller umzukippen. Während Markus Werner das Ende offen lässt, treffen sich in der Verfilmung die Beteiligten vor Gericht wieder und sind alle auf die eine oder andere Weise bestraft.

Das gravierendste Problem der Kinoadaptation von „Am Hang“ ist die Frauenfigur, die Markus Werner im Roman nur aus der Sicht der Männer beschreibt. Markus Imboden veranschaulicht jedoch die Erinnerungen der Männer durch Rückblenden und lässt die Frau durch Martina Gedeck verkörpern. Dadurch wird im Film rasch klar, dass Felix und Thomas von ein und derselben Frau sprechen. Im Buch „Am Hang“ bleiben wir darüber lange Zeit im Ungewissen. Markus Imboden lässt zwar Bettina/Valerie auftreten, aber die Drehbuchautoren haben ihr keine Züge verliehen, die über die Romanvorlage hinausgehen. Im Buch genügt das, weil die Figur nur aus den Projektionen der beiden Männer besteht, aber für die Verkörperung im Film ist es zu wenig. Wir verstehen zwar, dass Bettina nach der Tumoroperation über ihr Leben nachdenkt und sich neu besinnt, aber weder ihre Motive noch ihr Charakter werden herausgearbeitet.

Warum in der Verfilmung „Am Hang“ einige der Namen geändert wurden? Wir wissen es nicht. Dass ausgerechnet der lebensmüde Misanthrop Felix (vom Glück begünstigt) heißt, ist ein schlechter Scherz. Durch die Umbenennung des Hotels „Bellevue“ in „Milano“ ging die Anspielung verloren, dass sich „Der Hang“ um die schönfärberischen Sichtweisen zweier Männer dreht.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.