Im Zeichen des Bösen

Im Zeichen des Bösen

Im Zeichen des Bösen

Im Zeichen des Bösen – Originaltitel: Touch of Evil – Regie: Orson Welles – Drehbuch: Orson Welles, nach dem Roman "Unfehlbarkeit kann tödlich sein" von Whit Masterson – Kamera: Russell Metty – Schnitt: Virgil W. Vogel, Aaron Stell (Walter Murch, 1998) – Musik: Henry Mancini – Darsteller: Charlton Heston, Janet Leigh, Orson Welles, Joseph Calleia, Akim Tamiroff, Marlene Dietrich, Joanna Moore, Ray Collins, Dennis Weaver, Mort Mills, Valentin de Vargas, Zsa Zsa Gabor, Joseph Cotton u.a. – 1958; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Mike und Susan Vargas werden in dem US-amerikanischen Grenzort Los Robles Zeugen eines Sprengstoffanschlags. Weil Mike ein hoher mexikanischer Kriminalbeamter ist und davon ausgeht, dass der Doppelmord in Mexiko vorbereitet wurde, beteiligt er sich an den von Captain Hank Quinlan geleiteten Ermittlungen. Quinlan präsentiert bald einen Verdächtigen. Vargas vermutet allerdings, dass die in der Wohnung des Festgenom­menen sichergestellten Dynamitstangen von der Polizei platziert wurden ...
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Kritik

Die Romanverfilmung "Im Zeichen des Bösen" gilt als ein Meisterwerk des film noir. Orson Welles spielt einen widerlichen, vielschichtigen Charakter. Aber die Grenze zwi­schen Gut und Böse verschwimmt, und am Ende verstehen wir den zwielichtigen Kommissar.
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Als das frisch verheiratete Paar Miguel („Mike“) und Susan Vargas (Charlton Heston, Janet Leigh) in der Grenzstadt Los Robles von der mexikanischen auf die amerikanische Seite wechseln, explodiert in der Nähe ein Cabriolet, das die Grenze ebenfalls soeben überquerte. Bei den Toten handelt es sich um den Geschäftsmann Rudy Linnekar (Jeffrey Green) und eine Stripperin.

Mike Vargas, bei dem es sich um einen hohen mexikanischen Beamten der Drogenfahndung handelt, geht davon aus, dass die Bombe noch vor dem Grenzübertritt, also in Mexiko, im Auto platziert wurde. Deshalb beteiligt er sich an den von Captain Hank Quinlan (Orson Welles) geleiteten Ermittlungen.

Die beiden Männer können sich nicht ausstehen: Quinlan ist ein desillusionierter, zynischer US-Amerikaner Mitte 40, der viel älter aussieht. Nachdem seine Frau von einem Mörder erdrosselt worden war, verfiel er dem Alkohol [Alkoholkrankheit]. Seit zwölf Jahren trinkt er nicht mehr und lebt nur noch für die Arbeit, weil er nicht über den Verlust seiner Frau hinwegkommt. Sein Körper ist aufgedunsen, und er hinkt. Bei Vargas handelt es sich dagegen um einen zehn Jahre jüngeren, gut aussehenden Mexikaner mit geschliffenen Umgangsformen und einer ebenso aufrechten wie idealistischen Gesinnung.

Susan Vargas wird auf der Straße von einem jungen Mexikaner (Valentin de Vargas) aufgefordert, ihn zu seinem Onkel Joe Grandi (Akim Tamiroff) zu begleiten. Der möchte, dass Vargas seinen in Mexiko in Untersuchungshaft sitzenden Bruder in Ruhe lässt. Das soll Susan ihrem Mann ausrichten.

Währenddessen versucht Risto (Lalo Rios), ein Sohn des Inhaftierten, Vargas Säure ins Gesicht zu schütten. Der Anschlag missglückt. Risto entkommt.

Vergeblich versucht Mike Vargas seine Frau zu überreden, nach Mexiko Stadt zu fliegen. Stattdessen nimmt sie sich einen Bungalow in dem abgelegenen Motel „Mirador“, von dem sie nicht weiß, dass es der Familie Grandi gehört.

Es dauert nicht lang, bis Captain Hank Quinlan dem Polizeichef Pete Gould (Harry Shannon) und dem zuständigen Staatsanwalt Adair (Ray Collins) einen Tatverdächtigen präsentieren kann: Manelo Sanchez (Victor Millan). Festgenommen wird er bei seiner Braut Marcia Linnekar (Joanna Moore), der Tochter des Ermordeten. Manelo Sanchez stahl in Rudy Linnekars Steinbruch zehn Stangen Dynamit. Acht Stangen detonierten bei dem Anschlag. Zwei findet Quinlans langjähriger Partner Sergeant Pete Menzies (Joseph Calleia) im Badezimmer der Wohnung.

Wenige Minuten zuvor war Vargas im Bad. Dabei fiel ihm der Schuhkarton auf, in dem jetzt die Dynamit-Stangen liegen – und die Schachtel war leer! Fälschen Quinlan und Menzies Beweise? Als Vargas Zweifel an Manelo Sanchez‘ Täterschaft äußert, gerät er mit Quinlan in einen heftigen Streit.

Danach macht Joe Grandi sich an den Captain heran, verführt ihn dazu, nach zwölf Jahren erstmals wieder zu trinken und bringt ihn dazu, mit ihm gemeinsame Sache gegen Mike Vargas zu machen.

In der Zwischenzeit präsentiert Mike Vargas dem Polizeichef und dem Staatsanwalt ein Dokument, aus dem hervorgeht, dass Hank Quinlan unlängst 17 Stangen Dynamit erwarb und 15 davon auf seiner Ranch verbrauchte. Gould und Adair akzeptieren das nicht als Indiz dafür, dass der erfolgreiche Polizeicaptain dem Mexikaner Manelo Sanchez zwei Stangen Dynamit untergeschoben haben könnte. Nach einer lautstarken Auseinandersetzung hält nur noch der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt Al Schwartz (Mort Mills) zu Mike Vargas.

Quinlan streut das Gerücht, Mike Vargas und seine Frau Susan seien beide drogensüchtig.

Joe Grandi lässt einige seiner Bandenmitglieder im Motel „Mirador“ eine laute Party feiern. Susan Vargas, der einzige Hotelgast, kann wegen des Lärms nicht schlafen. Aber es kommt viel schlimmer: Sie wird überfallen, betäubt und in Joe Grandis schäbiges Stadthotel „Ritz“ verschleppt.

Als Vargas endlich Zeit findet, nach seiner Frau zu sehen, berichtet der Nachtportier des Motels (Dennis Weaver) von einer lauten Party. In dem von Susan Vargas bewohnten Bungalow liegen ihre Kleider und einige Marihuana-Kippen. Es sieht so aus, als sei dort eine Rauschgift-Orgie gefeiert worden. Mike Vargas‘ Frau ist ebenso verschwunden wie sein Revolver.


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Joe Grandi sprach Susan Vargas‘ Entführung mit Hank Quinlan ab. Die Idee war, sie wegen verbotenen Drogenkonsums zu belangen und auf diese Weise ihren Mann unter Druck zu setzen. Der Captain streift im „Ritz“ Handschuhe über und fordert Sergeant Menzies telefonisch auf, ebenfalls in das Hotel zu kommen. Susan Vargas liege hier im Drogenrausch, sagt er. Nachdem er aufgelegt hat, erdrosselt er Joe Grandi.

Als Susan Vargas wieder zu sich kommt, blickt sie in das Gesicht des Toten. Entsetzt rennt sie auf die Feuertreppe und schreit um Hilfe.

Mike Vargas erfährt von Al Schwartz, dass seine Frau halbnackt verhaftet wurde. Sie steht unter dem Einfluss von Marihuana, und Einstiche an den Armen lassen vermuten, dass sie auch heroinsüchtig ist. Aber sie wird nicht nur wegen Drogendelikten festgehalten, sondern vor allem, weil sie verdächtigt wird, Joe Grandi ermordet zu haben.

Bei der Untersuchung ihres Blutes werden statt Drogen Rückstände des Schlafmittels Sodiumpentatol nachgewiesen. Pete Menzies, der den Krückstock seines Chefs in dem Hotelzimmer gefunden hat, ahnt, dass der Bandenchef von seinem Vorgesetzten ermordet wurde und beginnt zu begreifen, dass dieser ihn jahrelang missbrauchte, um mit gefälschten Beweisen dafür zu sorgen, dass Verdächtige verurteilt wurden.

Deshalb trägt er ein verstecktes Mikrofon, als er Hank Quinlan bei der Nachtlokalbesitzerin Tana (Marlene Dietrich) findet und auf die Straße lockt. Mit entsprechenden Fragen bringt er den Captain dazu, über seine illegalen Methoden zu reden – und Mike Vargas nimmt die Aussagen mit einem Tonbandgerät auf. Nach einer Weile hört Quinlan das Echo aus dem Lautsprecher des Funkgeräts und ahnt, dass er abgehört wird. Er schießt Pete Menzies nieder, und als Mike Vargas sich nähert, erklärt er ihm, dass er mit dessen aus dem Motel gestohlenen Revolver geschossen habe. Man werde nicht einen renommierten Polizeicaptain verdächtigen, seinen langjährigen Vertrauen ermordet zu haben, sondern den mexikanischen Besitzer der Waffe. Bevor er auch Vargas töten kann, richtet sich der sterbende Pete Menzies noch einmal auf und erschießt Quinlan.

In diesem Augenblick kommt Al Schwartz angefahren. Er hat Susan Vargas frei bekommen; sie sitzt bei ihm im Wagen. Der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt berichtet Mike Vargas, dass Captain Quinlan den Richtigen verdächtigte: Manelo Sanchez hat inzwischen den Sprengstoffanschlag auf Rudy Linnekar und dessen Begleiterin gestanden.

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Unter dem Titel „Touch of Evil“ / „Im Zeichen des Bösen“ verfilmte Orson Welles den 1956 veröffentlichten Kriminalroman „Badge of Evil“ / „Unfehlbarkeit kann tödlich sein“ (Übersetzung: Hubert Deymann). Als Autorenname wird Whit Masterson angegeben. Dabei handelt es sich um das Pseudonym des amerikanischen Autorenduos Robert Allison Wade (1920 – 2012) und H. Bill Miller (1920 – 1961).

„Im Zeichen des Bösen“ dreht sich um einen zwielichtigen Kommissar, der mit gefälschten Beweisen dafür sorgt, dass Männer, die er für Verbrecher hält, von Gerichten verurteilt werden. Bei dieser Filmfigur Hank Quinlan handelt es sich um einen vielschichtigen und widersprüchlichen Charakter, den Orson Welles so verkörpert, dass man davon erst einmal angewidert ist. Den Gegenpol bildet der integere, idealistische und gut aussehende mexikanische Drogenfahnder Mike Vargas (Charlton Heston). Aber in „Im Zeichen des Bösen“ verschwimmt die Grenze zwischen Gut und Böse: Am Ende sieht Vargas wie ein spießiger Karrierist aus, während sich Quinlans illegale Methoden bei der Verbrechensbekämpfung als effizient erweisen, auch wenn sie in einem Rechtsstaat nicht toleriert werden können.

In der Filmgeschichte gilt „Im Zeichen des Bösen“ als Meisterwerk des film noir und zugleich als Abgesang auf das Genre.

Nach einem halben Jahrhundert ist es unvermeidlich, dass die Inszenierung altmodisch wirkt. Dennoch ist „Im Zeichen des Bösen“ noch immer sehenswert, nicht zuletzt wegen der dichten Atmosphäre und expressionistischen Bilder. Eine Besonderheit ist die über drei Minuten lange, exakt choreografierte Eröffnungsszene (bis zur Explosion) mit langen Kamerafahrten und -schwenks ohne einen einzigen Schnitt.

Henry Mancini komponierte die anspruchsvolle Filmmusik.

Janet Leigh spielt übrigens auch die junge Frau in „Psycho“, die wie hier als einziger Gast in einem abgelegenen Hotel übernachtet.

Einige Filmregisseure haben in ihre Filme Referenzen auf „Im Zeichen des Bösen“ eingebaut. So läuft beispielsweise in „Schnappt Shorty“ eine Szene aus dem Schwarz-Weiß-Film im Fernsehen. Und Robert Altman imitiert in „The Player“ die legendäre Anfangssequenz von „Im Zeichen des Bösen“.

Zum Verdruss des Drehbuchautors, Regisseurs und Darstellers Orson Welles brachte der Produzent Albert Zugsmith eine umgeschnittene Fassung des Films mit von Harry Keller nachgedrehten Szenen ins Kino. Dagegen protestierte Orson Welles in einem 58 Seiten langen Memorandum, das 1998 als Vorlage für eine Restaurierung der ursprünglichen Version diente (Schnitt: Walter Murch), die mit 112 Minuten über eine Viertelstunde länger ist (DVD: 106 Minuten).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015

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