Die Lady von Shanghai

Die Lady von Shanghai

Die Lady von Shanghai

Die Lady von Shanghai – Originaltitel: The Lady from Shanghai – Regie: Orson Welles – Drehbuch: Orson Welles, nach dem Roman "If I Die Before I Wake" von Sherwood King – Kamera: Charles Lawton jr. – Schnitt: Viola Lawrence – Musik: Heinz Roemheld – Darsteller: Rita Hayworth, Orson Welles, Everett Sloane, Glenn Anders, Ted de Corsia, Erskine Sanford, Gus Schilling, Carl Frank u.a. – 1947; 85 Minuten

Inhaltsangabe

Obwohl der irische Matrose Michael O'Hara ahnt, dass es ein Fehler ist, kann er Elsa, der schönen Ehefrau des erfolgreichen Strafverteidigers Arthur Bannister, nicht widerstehen und heuert auf der Luxusjacht ihres Mannes in New York an. Unterwegs kommt auch dessen Partner George Grisby an Bord. Er bietet Michael 5000 Dollar an. Dafür soll ihm der Matrose helfen, in San Francisco seine eigene Ermordung vorzu­täuschen. Michael lässt sich darauf ein, weil er auf ein gemeinsames Leben mit Elsa hofft. Das Geld wäre dann sein Start­kapital ...
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Kritik

"Die Lady von Shanghai" ist eine zynische Satire auf den American Way of Life. Orson Welles spielt in der Verfilmung eines Roman von Sherwood King mit Versatzstücken des Film noir. Lange Zeit wurde die Brillanz des Films nicht erkannt; inzwischen gilt er als Klassiker.
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Dem irischen Matrosen Michael O’Hara (Orson Welles) fällt bei einem Spaziergang im Central Park in New York eine schöne Frau (Rita Hayworth) in einer Kutsche auf, und er bietet ihr eine Zigarette an. Kurz darauf beobachtet er, wie sie überfallen wird. Michael schlägt die Räuber in die Flucht, und weil der Kutscher geflohen ist, übernimmt der Matrose dessen Aufgabe. Spaßeshalb nennt er die Unbekannte „Prinzessin Rosalinde“. Sie sei als Tochter weißrussischer Eltern an der Pazifikküste der UdSSR aufgewachsen, sagt sie, und habe längere Zeit in Shanghai gelebt.

Zum Abschied reicht er ihr die Handtasche, die sie bei dem Überfall fallen ließ. Michael ist nicht entgangen, dass sich darin eine Pistole befindet, und er fragt sich, warum die geheimnisvolle Frau sich nicht mit der Waffe verteidigte.

Am nächsten Tag bietet der erfolgreiche Strafverteidiger Arthur Bannister (Everett Sloane) dem Matrosen einen Job auf seiner Segeljacht „Circe“ an. Bei dem auf Krücken angewiesenen Mann handelt es sich um den Ehemann Rosalindes, die in Wirklichkeit Elsa heißt. Michael will das Angebot nicht annehmen, lässt sich aber mit seinen Kumpels von Bannister zu ein paar Runden Schnaps einladen. Am Ende ist der Anwalt so betrunken, dass Michael ihn zu seiner Jacht bringen muss. Dort lässt er sich von Elsa dann doch noch überreden, den vakanten Job eines Matrosen zu übernehmen. Obwohl er ahnt, dass er damit einen Fehler macht, lässt er sich von der schönen Frau bezirzen.

Während die „Circe“ in der Karibik ankert und Elsa sich auf einem Felsen sonnt, nähert sich ein Motorboot. Arthur Bannisters Partner George Grisby (Glenn Anders) kommt an Bord.

Eines Abends brüstet sich jeder der beiden Juristen damit, vom anderen etwas zu wissen, was nicht bekannt werden dürfe, und Arthur Bannister scheint darüber hinaus kompromittierende Einzelheiten aus Elsas Vergangenheit zu kennen, die mit ihrem Leben in Shanghai zu tun haben. Angewidert erzählt Michael, das er einmal beobachtete, wie sich Haie gegenseitig zerfleischten, bis von dem Rudel nichts mehr übrig war.

Obwohl Michael Elsa zunächst ohrfeigt, als sie ihn zu küssen versucht, lässt er sich schließlich doch auf eine Affäre mit ihr ein.

Während eines Landausflugs in Mexiko fällt ihnen auf, dass sie von Sidney Broome (Ted de Corsia), dem Butler bzw. Steward Arthur Bannisters, beschattet werden und schließen daraus, dass der Anwalt seine Frau überwachen lässt.

George Grisby bietet Michael in Acapulco 5000 Dollar an. Dafür soll der Matrose dem Juristen helfen, seine eigene Ermordung vorzutäuschen. Er wolle sich aus dem Gefängnis seiner Ehe befreien, erklärt Grisby, und auf einer Südseeinsel ein neues Leben anfangen. Zunächst soll Michael ein Mordgeständnis unterschreiben. Der Anwalt versichert ihm, dass ihn kein Gericht verurteilen könne, weil man keine Leiche finden werde. Aufgrund der geltenden Gesetze gilt eine Person als tot, wenn jemand gestanden hat, sie umgebracht zu haben.

Michael geht darauf ein, weil er hofft, Elsa für ein gemeinsames Leben ohne ihren Mann gewinnen zu können. Die 5000 Dollar wären in diesem Fall das Startkapital.

Nach der Ankunft in San Francisco werden Elsa und Michael im Steinhart Aquarium im Golden Gate Park von einer Lehrerin (Jessie Arnold) und ihrer Schulklasse bei einem Kuss ertappt.

Nachdem Michael das von George Grisby aufgesetzte Mordgeständnis unterschrieben hat, bekommt er einen ersten Teil der vereinbarten Summe.

Sidney Broome findet jedoch heraus, was George Grisby vorhat und versucht, ihn zu erpressen. Daraufhin erschießt der Anwalt den Steward und legt die Waffe in das Handschuhfach des Autos, mit dem er und Michael zum Strand fahren.

Dort wartet Michael, wie vereinbart, bis Grisby mit einem Motorboot abgelegt hat. Dann schießt er mehrmals in die Luft und sorgt dafür, dass er beim Weglaufen gesehen wird.

Bevor Broome tot ist, kann er Michael noch telefonisch warnen, dass Grisby vorhabe, Arthur Bannister zu ermorden. Michael eilt zur Jacht. Bannister kommt ihm entgegen. Der Strafverteidiger lebt. Aber sein Partner wurde erschossen. Die Polizei ist bereits bei der Leiche. In dem Tumult fällt Michael das schriftliche Geständnis aus der Tasche, und er wird daraufhin festgenommen.

Man beschuldigt ihn, Sidney Broome und George Grisby erschossen zu haben.

Bei einem Besuch im Gefängnis erfährt er von Elsa, dass Grisby gar nicht verheiratet war. Sie drängt ihn, sich von ihrem Mann verteidigen zu lassen, denn Arthur ist der einzige Strafverteidiger, dem es gelingen könnte, ein Todesurteil abzuwenden.


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Gegen Ende der Gerichtsverhandlung offenbart Bannister seinem Mandanten maliziös, dass er es darauf angelegt habe, den Fall zu verlieren. Er hoffe, dass Michael möglichst lange in der Todeszelle auf die Urteilsvollstreckung warten müsse. Da schluckt Michael im Gerichtssaal blitzschnell eine Handvoll der Schmerztabletten, die der Anwalt stets bei sich hat. Das wird beobachtet und löst einen Tumult aus, den Michael nutzt, um aus dem Gerichtsgebäude zu fliehen.

Elsa sieht ihn durch ein Fenster auf der Straße und folgt ihm. Er versteckt sich im Mandarin Theatre in Chinatown. Elsa ruft den Chinesen Li Gong (Wong Chung) an und bestellt ihn mit seinen Männern ins Theater. Dann setzt sie sich neben Michael. Polizisten kommen auf der Suche nach dem geflohenen Angeklagten herein. Damit sie Michael nicht entdecken, küsst Elsa ihn. Er spürt, dass sie erneut einen Revolver in ihrer Handtasche hat. Unbemerkt nimmt er ihn heraus, drückt ihn ihr in die Seite und beschuldigt sie, die Doppelmörderin zu sein. Aber da setzt die Wirkung der Tabletten ein, und er bricht zusammen.

Elsas chinesische Gefolgsleute verstecken Michael vor der Polizei und verschleppen ihn in den Vergnügungspark Whitney’s Playland, um ihn dort zu töten.

Elsa stiftete Grisby dazu an, ihren Mann zu ermorden, um ihn loszuwerden und in den Besitz des Vermögens zu kommen. Die Abmachung mit Michael diente nur dazu, Grisby für die Tatzeit ein Alibi zu verschaffen. Am Ende wollte Elsa dann ihren Komplizen töten. Aber Broome durchkreuzte den Plan, und nachdem Grisby ihn erschossen hatte, tötete Elsa ihren Komplizen vorzeitig, weil sie befürchtete, dass die Polizei ihn wegen Broomes Ermordung vernehmen und er sie verraten könnte.

Michael kommt in einem Spiegelkabinett des Rummelplatzes zu sich. Elsa ist bei ihm. Arthur Bannister taucht auf und sagt, er habe Staatsanwalt Galloway (Carl Frank) einen Brief mit Informationen über Elsas Vergangenheit in Shanghai und ihren jüngsten Doppelmord geschrieben. Dann schießt er auf das -zigfach gespiegelte Bild seiner Frau, und sie schießt auf ihn, bis sie beide zusammenbrechen.

Michael verlässt das Spiegelkabinett, obwohl Elsa mit letzter Kraft nach ihm ruft.

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„Die Lady von Shanghai“ ist eine zynische Satire auf den American Way of Life. Orson Welles nimmt nicht nur die Bedeutung des Geldes in der Gesellschaft und das mit sich gegenseitig zerfleischenden Haien verglichene Verhalten der Kapitalisten aufs Korn, sondern vor allem auch das Rechtssystem der USA. Die in „Die Lady von Shanghai“ gezeigte Gerichts­verhandlung ist eine Farce. Als der Verteidiger vom Staatsanwalt als Zeuge aufgerufen wird, nimmt er sich selbst ins Kreuzverhör. Und der Richter spielt alleine Schach, während er auf den Spruch der Geschworenen wartet: Er zieht sowohl die weißen als auch die schwarzen Figuren, so wie er im Gerichtssaal über die Guten und die Bösen urteilt.

Orson Welles spielt in „Die Lady von Shanghai“ mit Versatzstücken des Film noir. Es geht um Liebe und Verrat, Begehren und Habgier, Skrupellosigkeit und Fatalismus. Eine Femme fatale steht zwischen zwei Männern und missbraucht noch einen dritten für ihre Zwecke. Dass ihr amerikanischer Ehemann gelähmt ist, sollen wir wohl mit sexueller Impotenz assoziieren. Der von Orson Welles selbst gespielte irische Matrose Michael O’Hara verkörpert dagegen Virilität.

Er erzählt die Geschichte in der Ich-Form und im Nachhinein, teilweise auch aus dem Off. Dadurch ist es möglich, Ereignisse vorwegzunehmen und von Anfang an ein schlimmes Ende ahnen zu lassen. Michael O’Hara gesteht schon zu Beginn, dass er befürchtet, einen Fehler zu machen, wenn er sich auf Elsa Bannister einlässt, aber er kann sich ihr nicht entziehen und spielt fatalistisch mit.

Was Elsa Bannister in Shanghai tat, erfahren wir nicht. Das entspricht einem MacGuffin bei Alfred Hitchcock bzw. dem Wort „Rosebud“ in „Citizen Kane“.

„Die Lady von Shanghai“ beginnt mit einer märchenhaften Kutschfahrt. Dabei ist das Gesicht der „Prinzessin“ strahlend hell ausgeleuchtet, obwohl sie im dunklen Inneren der Kutsche sitzt. Die Schlussszene spielt in einem Spiegelkabinett. Elsa und Arthur Bannister zerstören ihre Spiegelbilder (Masken, Fassaden) und sich selbst. Was bleibt, ist ein Scherbenhaufen.

Bemerkenswert ist auch die Kameraführung in „Die Lady von Shanghai“, die sich durch zahlreiche Nahaufnahmen und besondere Kamerapositionen vom Gewohnten abhebt.

Dem Film „Die Lady von Shanghai“ liegt der 1938 von Sherwood King (1904 – 1981) veröffentlichte Kriminalroman „If I Die Before I Wake“ zugrunde. Allerdings hielt sich Orson Welles nicht besonders eng an die literarische Vorlage.

Orson Welles schrieb nicht nur das Drehbuch für „Die Lady von Shanghai“, sondern produzierte den Film auch, führte Regie und spielte die männliche Hauptrolle. Damit, so hoffte er, würde er das Geld verdienen, das er benötigte, nachdem Mike Todd als Produzent seiner im Mai 1946 uraufgeführten Broadway-Musical-Adaptation des Romans „In 80 Tagen um die Welt“ (1873) von Jules Verne ausgestiegen war („Around the World“, Musik und Liedtexte: Cole Porter).

Die Titelrolle in „Die Lady von Shanghai“ wurde von Rita Hayworth übernommen, die noch bis 1948 mit Orson Welles verheiratet war, jedoch bereits getrennt von ihm lebte. Bei dem von Doris Fisher komponierten und Allan Roberts getexteten Song „Please Don’t Kiss Me“ wird Rita Hayworth (wie bereits in „Gilda“) von Anita Ellis synchronisiert.

Der Filmschauspieler Errol Flynn (1909 – 1959) stellte seinem Freund Orson Welles die für den Film benötigte Luxusjacht zur Verfügung: Es handelte sich um den Schoner „Zaca“.

Die Dreharbeiten dauerten von Oktober 1946 bis Februar 1947. Orson Welles benötigte 90 statt der geplanten 60 Drehtage, und am Ende kostete „Die Lady von Shanghai“ nicht 1,25 Millionen, sondern 2 Millionen Dollar. Die zunächst zweieinhalb Stunden lange Fassung des Films wurde auf 87 Minuten gekürzt.

Mit 1,5 Millionen Dollar spielte „Die Lady von Shanghai“ nur einen Teil der Produktionskosten ein. Der Film wurde deshalb lange Zeit als Misserfolg betrachtet. Erst im Lauf der Zeit erkannte man die Qualitäten, und inzwischen gilt „Die Lady von Shanghai“ als Klassiker der Filmgeschichte.

Woody Allen zitiert „Die Lady von Shanghai“ in „Manhattan Murder Mystery“.

Deutsche Synchronsprecher: Till Klockow (Elsa Bannister), Peter Pasetti (Michael O’Hara), Richard Münch (Arthur Bannister), Bum Krüger (George Grisby), Wolfgang Eichberger (Sidney Broome), Otto Wernicke (Richter), Harald Wolff (Staatsanwalt) u.a.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015

Orson Welles: Citizen Kane
Orson Welles: Im Zeichen des Bösen (1958)

Martin Suter - Die Zeit, die Zeit
Die Grundidee spinnt Martin Suter in seinem Roman "Die Zeit, die Zeit" mit vielen netten Einfällen weiter. Das ist durchaus unterhaltsam. Aber der Plot ist doch zu abstrus, um den Leser fast 296 Seiten lang zu fesseln.
Die Zeit, die Zeit