Oliver Twist

Oliver Twist

Oliver Twist

Originaltitel: Oliver Twist – Regie: Roman Polanski – Drehbuch: Ronald Harwood, nach dem Roman "Oliver Twist" von Charles Dickens – Kamera: Pawel Edelman – Schnitt: Hervé De Luze – Musik: Rachel Portman – Darsteller: Barney Clark, Ben Kingsley, Jamie Foreman, Harry Eden, Leanne Rowe, Lewis Chase, Edward Hardwicke, Jeremy Swift, Mark Strong u.a. – 2005; 130 Minuten

Inhaltsangabe

Der Waisenknabe Oliver Twist wächst im Armenhaus einer englischen Kleinstadt auf. Im Alter von 9 Jahren kommt er zu einem Bestatter in die Lehre. Weil er dort schikaniert wird, läuft er fort und schlägt sich nach London durch, wo er in die Fänge des Hehlers Fagin gerät, der eine Bande von Kindern und Jugendlichen als Diebe für sich arbeiten lässt. Durch Zufall lernt Oliver Twist einen gebildeten Herrn kennen, der ihn bei sich aufnimmt, aber das Glück ist von kurzer Dauer ...
mehr erfahren

Kritik

Diese Verfilmung des Romans "Oliver Twist" hält sich zunächst eng an die Vorlage, verkürzt aber den zweiten Teil des Buches. Diese Straffung hat dem Film gut getan. Bei der Inszenierung setzte Roman Polanski auf eine sorgfältige Ausstattung und die Kraft der Bilder.
mehr erfahren

Der Waisenknabe Oliver Twist wächst Mitte des 19. Jahrhunderts im Armenhaus einer englischen Kleinstadt auf, wo die Kinder schwer arbeiten müssen und nur einen Schöpflöffel Haferbrei pro Tag bekommen – während die leitenden Herren vor mit Braten und anderen Köstlichkeiten gefüllten Tellern sitzen.

Eines Tages bestimmen die hungrigen Jungen einen von ihnen, der am Abend um einen Nachschlag bitten soll. Das Los fällt auf den neun Jahre alten Oliver Twist (Barney Clark). „Ich bitte noch um etwas Suppe, Sir“, sagt er demütig. Der wohlgenährte Speisemeister (Peter Copley) glaubt zunächst, sich verhört zu haben, aber als Oliver Twist seine Bitte höflich wiederholt, ruft er den Büttel, Mr Bumble (Jeremy Swift). Der zerrt Oliver Twist vor den gerade tagenden Verwaltungsausschuss. Zur Strafe für die Untat wird er eine Woche lang in eine dunkle Klammer gesperrt, und die Ratsherren bieten 5 Pfund dafür, dass jemand den aufmüpfigen Jungen aufnimmt.

So kommt Oliver Twist bei dem Sargtischler und Bestatter Sowerberry (Michael Heath) in die Lehre. Mr Sowerberry ist zwar gutmütig, aber seine missgünstige Ehefrau (Gillian Hanna) hat das Sagen, und sie klagt sogleich darüber, dass der Unterhalt von Waisenkindern stets mehr koste als sie wert seien. Sie befiehlt der Magd Charlotte (Teresa Churcher), Oliver Twist die Abfälle vorzusetzen, die für den Hund gedacht waren. Sein Schlafplatz ist im Verkaufsraum voller Särge unter dem Ladentisch. Der Geselle Noah Claypole (Chris Overton) mobbt den schwächeren Lehrling. Als er behauptet, Olivers Mutter sei eine Hure gewesen, stürzt Oliver Twist sich auf ihn und rauft mit ihm. Mr Sowerberry bleibt nichts anderes übrig, als ihm eine Tracht Prügel zu verabreichen.

In der Nacht stiehlt Oliver Twist sich aus dem Haus und läuft fort. Nach einem siebentägigen Fußmarsch erreicht er London.

Dort fällt er einem gut gekleideten Jugendllichen auf, der sofort erkennt, dass Oliver Twist etwas zu essen und eine Schlafstelle benötigt. „Schlitzohr“ (Harry Eden), so wird er genannt, bringt Oliver Twist zu dem jüdischen Hehler Fagin (Ben Kingsley), der eine ganze Bande von Kindern und Jugendlichen als Diebe für sich arbeiten lässt. Fagin bietet Oliver Twist etwas, was dieser noch nie hatte: eine Art Zuhause und ausreichend zu essen.

Eines Tages nehmen Schlitzohr und Charley Bates (Lewis Chase) den Neuen mit auf Diebestour. Er sieht den beiden zu, wie sie einem Herrn, der vor einer Buchhandlung in einem Buch blättert, das Schnupftuch aus der Tasche ziehen. Der Bestohlene – Mr Brownlow (Edward Hardwicke) – merkt jedoch etwas und dreht sich um. Bates und Schlitzohr haben sich bereits versteckt. Oliver Twist beginnt zu laufen. Deshalb schreit Mr Brownlow: „Haltet den Dieb!“ Kurz darauf wird der Junge verhaftet, und der Richter Fang (Alun Armstrong) verurteilt ihn kurzerhand zu drei Monaten Zwangsarbeit. Als Oliver Twist gerade abgeführt werden soll, taucht der Buchhändler (Patrick Godfrey) auf und erklärt, er habe alles gesehen. Nachdem er bezeugt hat, dass zwei andere Jungen den Diebstahl begingen, nimmt Mr Brownlow Oliver Twist mit in sein Haus und lässt ihn erst einmal ausschlafen.

Liebevoll kümmern sich Mr Brownlow und seine Haushälterin, Mrs Bedwin (Frances Cuka), um den Jungen und kleiden ihn neu ein. Obwohl Mr Brownlow von seinem misanthropischen Schachspielpartner Mr Grimwig (Paul Brooke) gewarnt wird, vertraut er Oliver Twist und schickt ihn zu dem Buchhändler, vor dessen Geschäft er ihn zum ersten Mal sah. Er soll ein paar Bücher zurückbringen, die Mr Brownlow zur Ansicht mit nach Hause nahm und bekommt auch noch eine 5-Pfund-Note, um damit eine offene Rechnung in Höhe von 4 Pfund und 10 Schillingen zu begleichen. Mr Grimwigs Prophezeiung, der Junge werde nicht zurückkommen, erfüllt sich, aber nicht, weil Oliver Twist das Geld für sich behalten und die Bücher verhökern will, sondern weil er von Fagin kriminellem Partner William („Bill“) Sykes (Jamie Foreman) und der Hure Nancy (Leanne Rowe) entführt und zu Fagin zurückgebracht wird. Die Gauner befürchteten nämlich, dass Oliver Twist sie verraten könnte.

Ohne eine Möglichkeit zur Flucht zu haben, muss Oliver Twist lernen, wie man den Leuten Schnupftücher, Uhren, Schmuck und Brieftaschen stiehlt.

Eines Nachts holt Sykes den Jungen, um mit ihm und seinem Kumpan Toby Crackit (Mark Strong) in Mr Brownlows Haus einzubrechen. Sie heben den schmächtigen Jungen durch ein schmales Fenster hinein und verlangen von ihm, dass er ihnen die Haustür von innen öffnet. Oliver Twist macht jedoch absichtlich Lärm. Daraufhin tauchen Mr Brownslow und Mrs Bedwin oben an der Treppe auf. Zwei Schüsse krachen. Einer verletzt Oliver Twist am Arm. Sykes zieht ihn durchs Fenster ins Freie. Auf der Flucht stürzt Sykes in die Themse und erkältet sich so, dass er einige Tage im Bett liegen muss.

Deshalb kann er den jungen Mitwisser nicht sofort aus dem Weg räumen.

Oliver Twist wird inzwischen von Fagin gesund gepflegt. Nancy, die von der Absicht ihres Geliebten erfahren hat, schleicht zu Brownlows Haus und bittet Mrs Bedwin, dem gerade abwesenden Hausherrn auszurichten, dass Oliver – den Mr Brownslow bei dem Einbruch erkannte – unschuldig sei. Einzelheiten wolle sie ihm am Sonntag um Mitternacht auf der London Bridge mitteilen. Bei dem Treffen wird Nancy jedoch von Schlitzohr belauscht, den Fagin beauftragte, die Hure zu beschatten, die ihm seit Tagen verdächtig vorkommt.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Obwohl Nancy nur Fagin, aber nicht ihren Geliebten bzw. Zuhälter verraten hat, schlägt Bill sie tot.

Mr Brownlow sorgt dafür, dass die Zeitungen am nächsten Morgen über Fagin und die Diebesbande berichten. Der Hehler und die Jungen verstecken sich in einem leer stehenden Gebäude. Als die Hure Bet (Ophelia Lovibond) in Sykes‘ Wohnung die Leiche ihrer besten Freundin Nancy entdeckt, bringt sie die Polizei auf die Spur des Zuhälters, der Oliver Twist als Geisel nimmt, sich jedoch auf der Flucht über Hausdächer versehentlich selbst stranguliert.

Oliver Twist besucht zusammen mit Mr Brownlow – der den Waisenknaben adoptieren wird – Fagin im Gefängnis. Der vor Todesangst verrückt gewordene Hehler verrät Oliver Twist, wo er die Schachtel mit den gestohlenen Schmuckstücken versteckt hat. Bald darauf endet Fagin am Galgen.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Der 1837 bis 1839 in Fortsetzungen veröffentlichte Gesellschaftsroman „Oliver Twist“ von Charles Dickens wurde seit 1906 mindestens sechsundzwanzig Mal verfilmt – u. a. von David Lean, Carol Reed und 2005 von Roman Polanski.

Originaltitel: A Modern Oliver Twist – Regie: James Stuart Blackton – Darsteller: Edith Storey (Oliver Twist), William Humphrey (Fagin) u.a. – 1906

Originaltitel: Oliver Twist – Regie: David Lean – Drehbuch: Stanley Haynes und David Lean, nach dem Roman „Oliver Twist“ von Charles Dickens – Kamera: Guy Green – Schnitt: Jack Harris – Musik: Arnold Bax – Darsteller: John Howard Davies, Alec Guinness, Robert Newton, Kay Walsh, Francis L. Sullivan, Henry Stephenson, Mary Clare, Anthony Newley, Josephine Stuart, Ralph Truman, Kathleen Harrison, Gibb McLaughlin, Amy Veness, Diana Dors, Frederick Lloyd, Ivor Barnard, Maurice Denham, W. G. Fay, Michael Dear u.a. – 1948; 115 Minuten

Originaltitel: Oliver! – Regie: Carol Reed – Drehbuch: Vernon Harris, nach dem Roman „Oliver Twist“ von Charles Dickens – Kamera: Oswald Morris – Schnitt: Ralph Kemplen – Musik: Lionel Bart – Darsteller:Mark Lester, Ron Moody, Shani Wallis, Oliver Reed, Harry Secombe, Jack Wild, Hugh Griffith, Joseph O’Conor, Peggy Mount, Leonard Rossiter, Hylda Baker, Kenneth Cranham, Megs Jenkins, Sheila White, Wensley Pithey, James Hayter, Elizabeth Knight, Fred Emney u.a. – 1968; 155 Minuten

Ronald Harwood (Drehbuch) und Roman Polanski (Regie) haben nicht versucht, den kompletten Roman von Charles Dickens zu adaptieren. Zunächst halten sie sich bis in die Dialoge eng ans Buch, bis sie vom Einbruch an – den sie von Mrs Maylie zu Mr Brownlow verlegen – eigene Wege einschlagen, den Rest der Vorlage stark verkürzen und die Enthüllungen über die Herkunft von Oliver Twist völlig aussparen. (Dessen betrügerischer Halbbruder kommt im Film gar nicht vor.) Diese Straffung ist gelungen, denn damit wird eine zu rasche Gangart vermieden, und der gesellschaftskritische Kern der literarischen Vorlage kann um so deutlicher herausgestellt werden.

Die bewegende Geschichte wird ohne Pathos und Sentimentalität erzählt. Roman Polanski setzte bei der Inszenierung auf die Kraft der Bilder: Mit enormem Aufwand und viel Liebe zum Detail baute Allan Starski in den Filmstudios Barrandov in Prag Londoner Straßenzüge in der Mitte des 19. Jahrhunderts nach und belebte sie mit einer Schar von entsprechend eingekleideten Statisten. Sehenswert ist Roman Polanskis Adaption des Romans „Oliver Twist“ nicht nur aufgrund des guten Drehbuchs und der sorgfältigen Ausstattung, sondern auch wegen der überzeugenden schauspielerischen Leistungen v. a. von Barney Clark und Ben Kingsley.

Die Dreharbeiten fanden von Juli bis November 2004 statt. Mit einem Budget von schätzungsweise 50 Millionen Euro handelt es sich bei „Oliver Twist“ sowohl um die bisher aufwändigste Verfilmung des Buches als auch um den kostspieligsten Film von Roman Polanski. Die Einspielergebnisse blieben allerdings weit hinter den Erwartungen zurück.

Deutsche Synchronsprecher in „Oliver Twist“: Johannes Walenta (Oliver Twist), Peter Matic (Fagin), Erich Räuker (Bill Sykes), Jasmin Schneider (Nancy), Lothar Blumhagen (Mr Brownlow), Till Völger (Schlitzohr), Konrad Bösherz (Charley Bates), Klaus Sonnenschein (Fang), Rita Engelmann (Mrs Bedwin), Friedrich G. Beckhaus (Mr Grimwig), Reinhard Kuhnert (Mr Sowerberry) u.a.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2008

Charles Dickens: Oliver Twist

Roman Polanski (Biografie / Filmografie)
Roman Polanski: Das Messer im Wasser
Roman Polanski: Tanz der Vampire
Roman Polanski: Rosemaries Baby
Roman Polanski: Macbeth
Roman Polanski: Was?
Roman Polanski: Chinatown
Roman Polanski: Der Mieter
Roman Polanski: Tess
Roman Polanski: Frantic
Roman Polanski: Bitter Moon
Roman Polanski: Der Tod und das Mädchen
Roman Polanski: Die neun Pforten
Roman Polanski: Der Pianist
Roman Polanski: Der Ghostwriter
Roman Polanski: Der Gott des Gemetzels
Roman Polanski: Venus im Pelz

Sigrid Undset - Kristin Lavranstochter. Die Frau
Die Handlung des Gesellschaftsromans "Die Frau", des zweiten Bands einer Trilogie der norwegischen Schriftstellerin Sigrid Undset über Kristin Lavranstochter, spielt vor dem Hintergrund der politischen Unruhen in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Norwegen. Dabei erfahren wir viel über die damaligen Lebensverhältnisse, Sitten und Gebräuche.
Kristin Lavranstochter. Die Frau