Ingrid Noll : Die Apothekerin

Die Apothekerin
Die Apothekerin Originalausgabe: Diogenes Verlag, Zürich 1994
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die Apothekerin Hella Moormann träumt von einem Haus, einem Mann und einem Kind – gleich in welcher Reihenfolge. Ihre Wünsche erfüllen sich, aber sie findet sich dabei gleich zwischen drei Männern wieder: Einem leichtlebigen Zahnmedizinstudenten, seinem kriminellen Freund und einem biederen Familienvater, dessen Ehefrau in einer Nervenheilanstalt lebt. Eine Villa besitzt Hella schließlich auch, und sie bekommt ein Kind, wobei sie allerdings nicht weiß, wer der Vater ist ...
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Kritik

Obwohl Ingrid Noll in "Die Apothekerin" von Morden erzählt und es sich um einen spannenden Kriminalroman handelt, ist es vor allem der schwarze Humor, der das Buch zum Lesevergnügen macht.
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Die Apothekerin Hella Moormann liegt nach der Geburt ihres zweiten Kindes in der Heidelberger Frauenklinik und erzählt ihrer Bettnachbarin Rosemarie Hirte von ihren Erlebnissen.

Sie erinnert sich an ihre Schulzeit und die ersten Männerbekanntschaften, bei denen es sich um lauter kaputte Typen handelte, denen sie helfen wollte, so wie sie in der Kindheit am liebsten Puppen repariert hatte.

Mit fünfunddreißig lernte Hella – die inzwischen als Apothekerin tätig war – den sieben Jahre jüngeren Zahnmedizinstudenten Levin Graber kennen, der ständig Geldsorgen hatte und deshalb darauf wartete, dass sein herzkranker Großvater starb, der zusammen mit der faulen, aber jungen, hübschen und lebensfrohen Haushälterin Margot in einer prächtigen Villa wohnte. Um endlich an die Erbschaft zu kommen, präparierte Levin eines Nachts das künstliche Gebiss seines Großvaters mit Gift, das er von der Apothekerin bekommen hatte. Der Arzt, der am nächsten Tag den Totenschein ausstellte, schöpfte keinen Verdacht und gab „Herzversagen“ als Todesursache an.

Bei der Testamentseröffnung erwartete Levin eine böse Überraschung: Der alte Herr, der von Hella sehr angetan gewesen war, hatte nicht ihn, sondern sie als Alleinerbin eingesetzt – unter der Bedingung, dass sie innerhalb eines halben Jahres seinen Enkel heiratete. Andernfalls sollte das Geld einer gemeinnützigen Einrichtung zugutekommen.

Levin hatte nichts Eiligeres zu tun, als die Eheschließung zu arrangieren. Er schwor Hella zwar, sie aus Liebe zu heiraten, aber in Wahrheit ging es ihm nur ums Geld. Nach der Hochzeit zog das Paar in die geerbte Villa – und wohnte dort zusammen mit Margot und deren Ehemann Dieter Krosmansky. Levin fühlte sich seinem Freund verpflichtet, denn sie waren zwei Jahre zuvor in der Türkei mit Drogen erwischt worden, aber Dieter hatte alle Schuld auf sich genommen. Nun kam er gerade aus dem Gefängnis.

Hella und Levin, Margot und Dieter richteten sich in der Villa ein. Bald schon verlor Hella ihre Illusionen und durchschaute, dass Levin und dessen frühere Schulfreundin Margot ein Verhältnis hatten. Sie hasste die Haushälterin und überlegte, wie sie die Rivalin loswerden könnte.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Beim Hausputz stieg Margot auf ein Fensterbrett im Dachgeschoss und bat Hella, sie festzuhalten, damit sie das Fenster aushängen konnte. Hella ekelte sich vor Margot. Als sie befürchtete, dass ein Schweißtropfen der Haushälterin ihre Hand treffen würde, ließ sie los – und genau in diesem Augenblick verlor Margot das Gleichgewicht. Sie starb im Krankenhaus.

Bald darauf freundete sich die Apothekerin mit Pawel Siebert an, einen Vater von zwei Kindern, dessen Ehefrau in einer Nervenheilanstalt lebte.

Obwohl Levin sich nach Margots Tod wieder Hella zugewandt hatte, ließ diese sich auf eine Affäre mit Dieter ein. Als sie schwanger wurde, wusste sie deshalb nicht, von wem das Kind gezeugt worden war. An Silvester ließ sie ihren Ehemann wissen, dass sie ein Kind erwartete. Levin glaubte an seine Vaterschaft, aber Dieter meinte, es besser zu wissen, und es kam zum Streit. Dieter schlug Levin zusammen und floh, als der Krankenwagen eintraf. Immer noch wütend, kam er eine Stunde später zurück, beschimpfte Hella und würgte sie. Da kam zufällig Pawel vorbei und rettete Hella. Dieter wurde verhaftet.

Einige Wochen später kam Dieter wieder frei, und Levin wurde aus dem Krankenhaus entlassen. Als ob nichts gewesen wäre, wollten sie wieder mit Hella zusammen in der Villa wohnen. Die Apothekerin verbannte sie jedoch ins Obergeschoss und nahm Pawel mit seinen Kindern bei sich auf.

Eines Nachts, als Pawels Frau Alma zu Besuch war, wachte Hella auf. Es roch nach Rauch. Sie weckte die anderen, und sie konnten sich retten, obwohl das Feuer die Villa vollständig zerstörte. Alma fanden sie im Freien. Sie hatte sich mit Benzin übergoßen und angezündet, um sich umzubringen [Suizid].

Während Levin und Dieter einen Autohandel eröffneten, zog die Apothekerin mit Pawel und dessen Kindern in eine Wohnung. Wer der Vater ihres Sohnes Niklas ist, hat sie nicht herausgefunden.

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Ingrid Noll erzählt die Geschichte aus Hellas Perspektive. Dabei wechseln (kursiv gedruckte) Szenen in der Heidelberger Frauenklinik, die den Rahmen bilden, mit dem Bericht der Apothekerin ab. Deren Zuhörerin Rosemarie Hirte kennen wir aus Ingrid Nolls Roman „Der Hahn ist tot“. Eine moralisierende Instanz gibt es nicht. Im Vergleich zu einer tatkräftigen Frau wie Hella wirken die Männer schwächlich. Obwohl der spannende Kriminalroman „Die Apothekerin“ von Morden handelt, ist es vor allem der Humor, der das Buch zum Lesevergnügen macht. Es handelt sich allerdings um schwarzen Humor und Sarkasmus, denn Ingrid Noll leuchtet in Abgründe menschlichen Denkens und Handelns.

Rainer Kaufmann verfilmte den Roman: „Die Apothekerin“.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006 / 2009

Ingrid Noll (Kurzbiografie)
Ingrid Noll: Rabenbrüder
Ingrid Noll: Kuckuckskind
Ingrid Noll: Hab und Gier
Ingrid Noll: Der Mittagstisch
Ingrid Noll: Halali

Verfilmte Romane von Ingrid Noll:
Hermine Huntgeburth: Der Hahn ist tot
Rainer Kaufmann: Die Apothekerin
Rainer Kaufmann: Kalt ist der Abendhauch
Vanessa Jopp: Ladylike

Dirk R. Meynecke - Die Autoren-Fibel
Der erfahrene Lektor und Literaturagent Dirk R. Meynecke schildert in seiner "Autoren-Fibel" nicht, wie man einen Roman oder ein Sachbuch schreibt, sondern was es zu beachten gilt, wenn das Manuskript von einem Verlag angenommen und veröffentlicht werden soll.
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