Hurricane

Hurricane

Hurricane

Originaltitel: The Hurricane - Regie: Norman Jewison - Drehbuch: Armyan Bernstein und Dan Gordon, nach der Autobiografie "The Sixteenth Round" von Rubin Carter und dem Roman "Lazarus And The Hurricane" von Sam Chaiton und Terry Swinton - Kamera: Roger Deakins - Schnitt: Stephen Rivkin - Musik: Christopher Young - Darsteller: Denzel Washington, Vicellous Reon Shannon, Deborah Kara Unger, Liev Schreiber, John Hannah, Rod Steiger, Dan Hedaya, Debbi Morgan, Clancy Brown, David Paymer, Harris Yulin, Garland Whitt, Carson Manning u.a. - 1999; 125 Minuten

Inhaltsangabe

Bereits als Elfjähriger wird Rubin Carter wegen seiner schwarzen Hautfarbe von einem rassistischen Kriminalbeamten in ein Erziehungsheim gesperrt. Derselbe Polizist manipuliert 1966 in einem Mordfall Zeugen, damit sie Rubin Carter, der inzwischen unter dem Namen "Hurricane" eine erfolgreiche Boxerkarriere gemacht hat, vor Gericht beschuldigen. Erst 1985 kommt Hurricane durch die unermüdlichen Bemühungen seiner Freunde frei.

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Kritik

"Hurricane" beruht in Grundzügen auf dem authentischen Fall des Boxers Rubin "Hurricane" Carter. Es ist ein Lehrstück über einen unschuldig Verurteilten, der neunzehn Jahre lang im Gefängnis überlebt, ohne seine Würde zu verlieren, zum willenlosen Wrack zu werden oder sich von der Wut zerfressen zu lassen.
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Ein gut angezogener Weißer (John A. MacKay) macht sich 1947 an eine Gruppe schwarzer Kinder heran und zieht einen von ihnen an sich. Ein stotternder Elfjähriger namens Rubin Carter (Mitchell Taylor Jr.) bewirft den Päderasten mit einer leeren Flasche, und als dieser ihn daraufhin in einen Abgrund zu werfen droht, wehrt er sich mit seinem Taschenmesser. Detective Vincent Della Pesca (Dan Hedaya), der den Fall bearbeitet, will nichts über die Annäherungsversuche des Weißen hören und beschuldigt Rubin stattdessen, den Mann angegriffen zu haben, um dessen goldene Uhr zu rauben. Der weiße Richter bedauert, dass er den Angeklagten wegen seines Alters noch nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilen kann und sorgt dafür, dass Rubin Carter bis zu seinem einundzwanzigsten Lebensjahr in einer geschlossenen Abteilung der Staatlichen Knabenerziehungsanstalt Jamesburgh bleiben muss.

Unmittelbar nach seiner Entlassung meldet Rubin Carter sich zur US-Army. Er gewinnt an Selbstvertrauen und hört zu stottern auf. Beim Tanzen lernt er Mae Thelma (Debbi Morgan) kennen, doch als er sie nach Hause begleitet, wird er von Detective Vincent Della Pesca unter einem Vorwand erneut festgenommen.

Da beschließt er, sich selbst zur Waffe zu machen, indem er sich möglichst viel Wissen anliest und seinen Körper stählt. 1961 beginnt er zu boxen und gibt sich den Namen „Hurricane“. Bald darauf schlägt er überraschend den Champion Joey Cooper (Michael Justus) gleich in der ersten Runde k. o. 1963 gewinnt er gegen Emile Griffth (Terry Claybon), den amtierenden Weltmeister im Weltergewicht. Am 14. Dezember 1964 kämpft er in Philadelphia gegen Joey Giordello (Ben Bray). Das Publikum bejubelt Hurricane, denn er schickt seinen Gegner mehrfach auf die Bretter und ist ihm deutlich überlegen. Nach dem Abbruch des Boxkampfes dauert es eine halbe Stunde, bis der Sieger verkündet wird: Joey Giardello!

Am 17. Juni 1966 lässt Hurricane sich von einem schwarzen Fan namens John Artis (Garland Whitt) in Paterson, New Jersey, von einem Nachtlokal nach Hause fahren. Unterwegs werden sie von einer Polizeistreife angehalten und festgenommen. Hurricane kann sich nicht vorstellen, was das soll. Man bringt sie zum Polizeirevier. Auf dem Korridor werden sie an einem Mann vorbeigeführt, der gerade Zeuge eines dreifachen Mordanschlags in einer Bar geworden war: Alfred Bello (Vincent Pastore). Auf die Frage der Kriminalbeamten, ob Hurricane einer der beiden schwarzen Mörder sei, die er gesehen haben will, antwortet Bello mit „nein“, aber als ihm klargemacht wird, dass er wegen anderer Vergehen Schwierigkeiten mit der Polizei bekommen könnte, begreift er, was man von ihm will und sagt aus, er habe in Rubin Hurricane Carter eindeutig einen der beiden Mörder wiedererkannt. Die beiden Festgenommenen werden sogar den drei bei der Schießerei tödlich Verletzten vorgeführt. Einer von ihnen kann noch ein verneinendes Zeichen machen, aber da taucht Della Pesca auf und schreit den Sterbenden an, er solle sich die Verdächtigen noch einmal genau ansehen, ob er nicht doch einer der Mörder sei.

Aufgrund der Zeugenaussage von Alfred Bello – der übrigens die Verwirrung nach dem Mordanschlag dazu genutzt hatte, die Kasse der Bar auszurauben – werden Rubin Hurricane Carter und John Artis 1967 von einer rein weißen Jury für schuldig befunden und vom Gericht zu je dreimal lebenslänglich verurteilt.

In der Strafanstalt Trenton, New Jersey, schreibt Hurricane seine Autobiografie, die 1974 unter dem Titel „The Sixteenth Round. From Number 1 Contender to Number 45472“ veröffentlicht wird.

Jahre später findet der sechzehnjährige Schwarze Lesra Martin (Vicellous Reon Shannon) das Buch zufällig auf einem Flohmarkt und kauft es für 25 Cents. Es ist sein erstes Buch, denn er lernt gerade erst lesen und schreiben. Lesra stammt aus Brooklyn, seine Eltern sind alkoholkrank und sein Bruder verbüßt eine Haftstrafe, aber drei sozial engagierte Kanadier – Lisa Peters (Deborah Kara Unger), Sam Chaiton (Liev Schreiber) und Terry Swinton (John Hannah) – nehmen den intelligenten Jungen mit in ihre Wohngemeinschaft in Toronto und kümmern sich um ihn.

Als Lesra das Buch ausgelesen hat, ist er so beeindruckt, dass er etwas unternehmen will, um Rubin Hurricane Carter zu helfen, der seit fünfzehn Jahren im Gefängnis ist – unschuldig, davon ist Lesra überzeugt. Er besucht den Häftling, und beim nächsten Mal bringt er auch seine drei kanadischen Freunde mit. Der Enthusiasmus der jungen Menschen ermutigt Hurricane, noch einmal eine Revision zu beantragen, aber als er damit scheitert, bricht er den Kontakt zu ihnen ab, weil er es sonst nicht länger in der Gefangenschaft aushält.

Ein Jahr später schickt Lesra ihm ein Foto von sich und seiner neuen Freundin Pauline sowie eine Kopie seines Highschool-Abschlusszeugnisses. Während eines Telefongesprächs soll Hurricane aus dem Fenster sehen. In einer Wohnung eines Wohnblocks gegenüber der Strafanstalt geht das Licht aus und an: Da sind Lisa, Sam, Terry und Lesra eingezogen, um seine Freilassung zu betreiben.

Die Rechtsanwälte Myron Bedlock (David Paymer) und Leon Friedman (Harris Yulin), die sich zehn Jahre erfolglos um eine Wiederaufnahme des Verfahrens bemühten, ohne ein Honorar dafür zu verlangen, sehen keine Chance mehr, etwas für Hurricane zu erreichen, aber sie stellen den vier Idealisten die Unterlagen zur Verfügung.

Bei der Befragung von Zeugen stoßen Lisa, Sam und Terry auf Louise Cockersham (Beatrice Winde), die ihnen versichert, ihr unmittelbar vor dem Mordprozess gegen Hurricane verstorbener Mann habe es bei seiner Zeugenaussage Detective Della Pesca sogar schriftlich gegeben, dass die Angeklagten nicht die Mörder waren.

Der Gefängnisdirektor warnt Hurricane, er solle sich vor einflussreichen Männern vorsehen und seine Freunde davon abhalten, in seinem Fall herumzuschnüffeln, und Della Pesca hält Lisa, Sam und Terry auf der Straße an, um sie einzuschüchtern. Doch sie geben nicht auf.

Der Privatdetektiv Dominic Barbieri war damals von der Staatsanwaltschaft beauftragt worden, Material gegen Hurricane zusammenzutragen, aber nach einer Weile hatte er den Fall niedergelegt und sich geweigert, noch weiter daran zu arbeiten. Barbieris Tochter Tina (Moynan King) erlaubt den drei Kanadiern, sich die Hinterlassenschaft ihres verstorbenen Vaters anzusehen. Sie finden ein Tagebuch mit minuziösen Aufzeichnungen über den Fall. Daraus geht auch hervor, dass die telefonische Meldung des Mordes um 2.28 Uhr registriert wurde – obwohl es im Prozess hieß, dass der Mord um 2.45 Uhr geschah. Vor halb drei waren Hurricane und John Artis aber noch nicht im Auto unterwegs, sondern inmitten von Zeugen in einem Nachtclub! Jean Wahl (Marcia Bennett), die Telefonistin, die den Anruf entgegengenommen hatte, bestätigt, dass die entsprechende Notiz, die dem Gericht vorgelegt wurde, nicht von ihr stamme. Die Unterschrift sei die ihrer Chefin. Hurricane kennt die Handschrift auf der Telefonnotiz: Es ist die von Vincent Della Pesca!

Am Auto der Kanadier löst sich während der Fahrt das linke Vorderrad. Sie schleudern quer über eine stark befahrene Straße, kommen aber mit dem Leben davon.

Obwohl neue Beweismittel dem Gericht in New Jersey vorgelegt werden müssten, wagen die Freunde es, sich stattdessen an ein Bundesgericht zu wenden. Myron Bedlock und Leon Friedman warnen vor dem Risiko: Falls der Bundesrichter trotz der neuen Beweismittel nichts weiter unternimmt, können sie auch nicht mehr in New Jersey oder bei irgendeinem anderen Gericht verwendet werden. Dann war die ganze Mühe umsonst! Zu Beginn der Verhandlung am 8. November 1985 weist auch Bundesrichter Sarokin (Rod Steiger) auf dieses Risiko hin und lässt durchblicken, dass er Hurricane für schuldig hält. Der will alles auf eine Karte setzen und drängt die Anwälte, fortzufahren. Am Ende verfügt Bundesrichter Sarokin die Freilassung des Häftlings. Neunzehn Jahre lang saß Hurricane wegen eines Mordanschlags im Gefängnis, den Rassisten wie Vincent Della Pesca ihm und John Artis untergeschoben hatten.

Um Hurricane wieder ins Gefängnis zurückzubringen, ging der Staat New Jersey bis zum Obersten Bundesgericht. Am 11. Januar 1988 verwarf der Supreme Court in Washington, D. C., die Revision und betätigte das von Richter Sarokin gesprochene Urteil.

Die wahren Mörder wurden nie gefasst.

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„Hurricane“ beruht in Grundzügen auf einem authentischen Fall: In den Siebzigerjahren gingen viele Amerikaner für den zu einer dreimal lebenslangen Haftstrafe verurteilten Boxer Rubin „Hurricane“ Carter (* 6. Mai 1936) auf die Straße, darunter auch Muhammad Ali. Bob Dylan widmete ihm 1976 den Song „Hurricane“ in seinem Album „Desire“. Aber vieles in dem Film ist fiktiv wie zum Beispiel Detective Vincent Della Pesca, denn in Wirklichkeit wurde Hurricane nicht das Opfer eines einzelnen Rassisten, sondern eines ganzen Netzwerkes. Die Hauptfiguren wirken idealisiert; um glaubwürdig zu sein, fehlt es ihnen an ambivalenten Charakterzügen („Shadowing“). Trotz dieser Schwächen ist „Hurricane“ ein bewegendes Lehrstück über einen unschuldig Verurteilten, der neunzehn Jahre lang im Gefängnis überlebt, ohne seine Würde zu verlieren, zum willenlosen Wrack zu werden oder sich von der Wut zerfressen zu lassen. Außerdem geht es um Rassenhass, Freundschaft und Gerechtigkeit.

Norman Jewison erzählt den ersten Teil der Geschichte nicht chronologisch, sondern in Rückblenden, wobei die Boxkämpfe in schwarz-weißen Bildern gezeigt werden, damit sie authentisch wirken. Hervorzuheben ist die schauspielerische Leistung von Denzel Washington, die zu einer „Oscar“-Nominierung führte.

Szenenfolge in „Hurricane“:

  • 20. Dezember 1963: Boxkampf gegen Emile Griffith
  • 1973: Hurricane in der Strafanstalt Trenton, New Jersey
  • 17. Juni 1966: Verhaftung Hurricanes in Paterson, New Jersey (1. Teil)
  • Lesra Martin kauft das Buch „The Sixteenth Round“
  • 1947: Der elfjährige Rubin Carter wird in ein Erziehungsheim gesperrt
  • Rubin Carter meldet sich zur US-Army, lernt Mae Thelma kennen und wird erneut festgenommen
  • 1961: Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wird er Boxer und besiegt Joey Cooper
  • 14. Dezember 1964: Weltmeisterschaftskampf gegen Joey Giordello
  • 17. Juni 1966: Verhaftung in Paterson, New Jersey (2. Teil), und Verurteilung
  • Lesra Martin hat das Buch ausgelesen
  • Bemühungen um die Freilassung Hurricanes
  • 8. November 1985: Gerichtsverhandlung vor Bundesrichter Sarokin

Eine deutsche Übersetzung des 1991 in Kanada veröffentlichten Romans „Lazarus And The Hurricane“ von Sam Chaiton und Terry Swinton erschien 2000 im Wilhelm Goldmann Verlag, München, unter dem Titel „Hurricane. Die wahre Geschichte des Rubin ‚Hurricane‘ Carter“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004

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