Am Ende einer Flucht The Statement

Am Ende einer Flucht The Statement

Am Ende einer Flucht The Statement

Am Ende einer Flucht – Originaltitel: The Statement – Regie: Norman Jewison – Drehbuch: Ronald Harwood, nach dem Roman "Hetzjagd" von Brian Moore – Kamera: Kevin Jewison – Schnitt: Andrew S. Eisen, Stephen E. Rivkin – Musik: Normand Corbeil – Darsteller: Michael Caine, Tilda Swinton, Jeremy Northam, Alan Bates, John Neville, Ciarán Hinds, Frank Finlay, William Hutt, Charlotte Rampling u. a. – 2003; 120 Minuten

Inhaltsangabe

Der Franzose Pierre Brossard wurde 1944 und 1946 wegen Kollaboration mit der SS in Abwesenheit zum Tod verurteilt. Nach seiner Begnadigung im Jahr 1971 beschuldigte man ihn, in Dombey 7 Juden erschossen zu haben, aber es ist ihm jahrzehntelang gelungen, sich in wechselnden Klöstern zu verstecken. Erst 1992, als eine engagierte Richterin nach ihm fahnden lässt und zugleich Auftragskiller hinter ihm her sind, wird es eng für den Greis ...
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Kritik

"Am Ende einer Flucht. The Statement", die kongeniale Verfilmung des Romans "Hetzjagd" (Originaltitel: "The Statement"), ist ein schnörkelloser, realistischer und spannender Politthriller mit einer herausragenden Besetzung.
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Dombey, Alpes-Maritimes, 15. Juni 1944: Dem Befehl eines SS-Offiziers folgend, lässt Pierre Brossard (George Williams), ein junger Offizier der Vichy-Miliz, aus einem Transport willkürlich sieben Juden herausgreifen und erschießen.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Pierre Brossard wegen Kollaboration in Abwesenheit zum Tod verurteilt, aber 1971 von Staatspräsident Georges Pompidou begnadigt. Erst danach stellt sich heraus, dass Brossard 1944 in Dombey sieben Juden ermorden ließ. Da dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht verjährt, wird der inzwischen Zweiundsiebzigjährige 1992 noch immer gesucht.

Während sich viele Kriegsverbrecher nach Südamerika absetzten – einige mit Hilfe des Vatikans –, ist Pierre Brossard in Frankreich geblieben und hält sich dort seit Jahrzehnten verborgen. Ohne die Hilfe einflussreicher Kreise – die 1971 auch seine Begnadigung erwirkten – wäre das nicht möglich gewesen. Tatsächlich erhält Brossard alias Monsieur Pierre oder Pierre Pouliot (ab jetzt: Michael Caine) jeden Monat Geld aus Paris und von den „Chevaliers de Sainte-Marie“, einer Gruppe von rechtsgerichteten katholischen Geistlichen, die ihm auch Unterschlupf in einer Reihe von Klöstern gewährt.

Brossard beeindruckt die Kleriker durch seine Frömmigkeit. Seine während der deutschen Besatzung Frankreichs verübten Sünden hat er längst gebeichtet und dafür die Absolution erhalten. Allerdings glaubt Brossard, dass es richtig gewesen sei, mit den Nationalsozialisten gegen Juden und Kommunisten zu kollaborieren.

Im April 1992 hält Brossard sich bei den Karmelitern in der Abbaye de Saint-Cros bei Salon-de-Provence auf. Prior ist der weißrussische Aristokrat Wladimir Gorschakow (Edward Petherbridge). Auf der Zufahrt zur Abtei bemerkt Brossard, dass er verfolgt wird. Auf halber Strecke überholt ihn der Unbekannte (Matt Craven). Kurz darauf steht er mit aufgeklappter Motorhaube am Straßenrand und tut so, als habe er eine Panne. Brossard hält an und kurbelt das Fenster herunter. Als der andere auf ihn zukommt und in seine Aktenmappe greift, erschießt Brossard ihn wortlos. Tatsächlich hatte der Fremde in der Mappe einen Revolver und einen Bekennerbrief des Komitees „Gerechtigkeit für die jüdischen Opfer von Dombey“, der offenbar bei Brossards Leiche gefunden werden sollte. Der vermutlich gefälschte kanadische Pass des Auftragsmörders lautet auf den jüdischen Namen David Tanenbaum. Brossard nimmt die Sachen an sich, zieht Handschuhe an, zerrt den Toten hinters Steuer von dessen Wagen, dreht den Zündschlüssel, legt einen Gang ein und lässt das Auto in die Schlucht neben der Straße stürzen. Danach reist er sofort ab, ohne dem Abt etwas von dem Vorfall zu berichten.

Kardinal Delevigne (Malcolm Sinclair), der Primas der katholischen Kirche in Frankreich, setzt eine unabhängige Historiker-Kommission ein, die herausfinden soll, warum Kriegsverbrecher wie Pierre Brossard von vielen Klerikern unterstützt worden sind. Außerdem ordnet er an, Brossard kein Asyl mehr zu gewähren. Äbte sind zwar nicht an seine Weisungen gebunden, aber es wird enger für den Untergetauchten, zumal dieser sich offenbar nicht nur vor der Polizei verstecken muss, sondern jetzt auch noch vor jemandem, der ihm nach dem Leben trachtet.

In Paris wird ein zweiter Profikiller (Noam Jenkins) auf Brossard angesetzt.

Brossard fährt inzwischen nach Caunes, um bei Monsignor Maurice Le Moyne (William Hutt) die Bluttat in Salon-de-Provence zu beichten. Der Geistliche, der davon ausgeht, dass Brossard in Notwehr handelte, erteilt ihm die Absolution und warnt ihn vor der neuen Untersuchungsrichterin Annemarie Livi (Tilda Swinton), die der Polizei die Ermittlungen in seinem Fall entzogen und der zum Militär gehörenden Gendarmerie übertragen hat. Colonel Robert Roux (Jeremy Northam) leitet jetzt die Fahndung nach Brossard.

Der Colonel, der Annemarie Livi dabei helfen will, nicht nur Brossard vor Gericht zu bringen, sondern auch hochrangige frühere Politiker und Beamte, die nie wegen ihrer Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen wurden, reist nach Caunes, um mit Maurice Le Moyne zu sprechen, der im Verdacht steht, mit Brossard Kontakt zu haben. Obwohl der Kirchenmann leugnet, dessen Aufenthaltsort zu kennen, weist ihn Roux darauf hin, dass der Gesuchte in Salon-de-Provence beinahe Opfer eines Auftragsmordes geworden wäre. Die Auftraggeber würden bestimmt einen weiteren Killer losschicken, gibt er zu bedenken. Wenn Brossard sich festnehmen ließe, wäre er zumindest seines Lebens sicher.

Brossard taucht inzwischen in der Prieuré Saint-Christophe bei Aix-en-Provence auf. Der greise Zisterzienser-Abt André Vergnes (David De Keyser) hält Kardinal Delevigne für einen Linken, der Angst vor der Presse und der jüdischen Lobby hat. Von Wladimir Gorschakow hat er erfahren, dass zumindest ein zeitlicher, wahrscheinlich aber auch ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Erschossenen an der Zufahrt zur Abbaye de Saint-Cros und Brossards abrupter Abreise besteht. Als Brossard beteuert, nichts mit dem Tod des Mannes zu tun gehabt zu haben und Vergnes den Eindruck gewinnt, dass er lügt, verweigert er ihm zum ersten Mal die Aufnahme und schickt ihn fort.

Der Killer, der instruiert worden war, dass Brossard auf dem Weg zur Prieuré Saint-Christophe sei, sieht ihn aus dem Tor kommen und folgt ihm als Chauffeur getarnt in einer dunklen Limousine. Brossard schöpft Verdacht, betritt ein Café und verlässt es sofort wieder durch einen Hinterausgang. Unbehelligt geht er zu seinem in der Nähe geparkten Wagen und fährt los.

In Cannes sucht er seine Ehefrau Nicole Maranne (Charlotte Rampling) auf, die ihren Lebensunterhalt inzwischen als Zimmermädchen in einem Hotel verdient. Über sein unvermutetes Auftauchen ist sie entsetzt, aber er droht damit, ihren Hund umzubringen, wenn sie ihn nicht für ein paar Tage aufnimmt.

Commissaire Henri Vionnet (Frank Finlay), der seit seiner Pensionierung ein Weingut in Avignon betreibt, ist Brossards Kontaktmann zu politischen Kreisen in Paris. Deshalb hält ihn der Untergetauchte stets auf dem Laufenden über seinen jeweiligen Aufenthaltsort und seine Reisepläne. Als nächstes Ziel nennt Brossard dem Commissaire das Priorat Saint-Michel-des-Monts an der Haute Corniche oberhalb von Villefranche.

Pater Joseph Cartier (Christian Erickson) erlaubt ihm, eine Nacht im Gartenhaus des Karmeliter-Klosters zu verbringen. Als die Richterin Annemarie Livi, Colonel Robert Roux, der in Villefranche stationierte Capitaine Daniel Dumesnil und mehrere Gendarmen mit einem Durchsuchungsbefehl auftauchen, fährt Brossard mit einem dem Kloster gehörenden Wagen nach Villefranche.

Unterwegs beobachtet er ein anderes Auto, das ihm nachfährt. In der Bar, in der er ein Bier bestellt, fällt ihm auf, dass ein Mann seit zwanzig Minuten in der Toilette ist. Er reißt die Toilettentür auf und erschießt den Unbekannten, der am Pissoir steht, bevor dieser seine Waffe aus dem Anorak ziehen kann. Es ist der Kerl aus Aix-en-Provence!

Im Gartenhaus stoßen die Annemarie Livi und Roux auf einen Koffer. Kein Zweifel: Es handelt sich um das Gepäck des Gesuchten!

Dumesnil wird zu einer Bar in Villefranche gerufen, in deren Toilette ein Mann erschossen wurde. Der Tote hat eine Pistole, ein auf Brossard verweisendes Bekennerschreiben und einen kanadischen Pass auf den Namen Michael Leavy bei sich. Offenbar war ein zweiter Killer auf Brossard angesetzt worden.

Brossard wird in der Prieuré de la Fraternité Sacerdorale de Saint-Donat in Nizza aufgenommen. Dom Olivier Villedieu (James Greene), der Generalprior der Bruderschaft, gilt als Anhänger von Erzbischof Marcel Lefèbvre, dem früheren Missionsbischof von Dakar, der 1976 wegen Verstoßes gegen liturgische Vorschriften von Papst Paul VI. suspendiert wurde.

Auf die Nachricht vom Fehlschlag des zweiten Mordanschlags hin wird Inspektor Pochon (Ciarán Hinds) zu Maurice de Grancille (John Neville) in dessen großbürgerliche Wohnung in Paris gebracht. Der inzwischen Achtzigjährige hatte als sous-préfet in der Präfektur Gironde mit der SS kollaboriert und war später unter Staatspräsident General de Gaulle Polizeipräfekt. Falls allerdings der Fall Brossard wieder aufgerollt würde, könnten die Medien das zum Anlass nehmen, auch in der Vergangenheit von hochrangigen Politikern und Beamten wie Maurice de Grancille zu wühlen. Der ehemalige Polizeipräfekt setzt deshalb Pochon auf Brossard an.

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überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

In einem Telefongespräch mit Brossard meint Commissaire Vionnet, es sei für den Untergetauchten inzwischen zu gefährlich in Frankreich. Pochon werde zu ihm nach Nizza kommen und ihm bei der Flucht ins Ausland helfen. Gleich darauf ruft Pochon an und verabredet sich mit Brossard in einem Café. Der kennt Pochon von früher und vertraut ihm.

Kurz bevor Brossard seinen Zufluchtsort verlassen will, um zu der Verabredung zu fahren, treffen Colonel Roux und Capitaine Dumesnil mit einem Untersuchungsbefehl ein. Unbemerkt von ihnen und ihren Männern verhilft ein junger Mönch Brossard zur Flucht.

Mit dem Taxi schafft er es gerade noch pünktlich zu dem Café. Pochon geht mit ihm durch einen Hinterausgang zum Parkplatz. Plötzlich hat Pochon einen Revolver in der Hand und erschießt Brossard.

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Ronald Harwood, der für das Drehbuch des Films „Der Pianist“ mit einem „Oscar“ ausgezeichnet worden war, adaptierte den Roman „Hetzjagd“ von Brian Moore (Originaltitel: „The Statement“) fürs Kino. Dabei hielt er sich eng an die literarische Vorlage.

Die in „Hetzjagd“ bzw. „Am Ende einer Flucht. The Statement“ erzählte Geschichte geht auf einen authentischen Fall zurück: Paul Touvier ließ 1944 sieben Juden in Rilleux-la-Pape ermorden. Nach dem Krieg konnte er sich jahrzehntelang mit Hilfe von Geistlichen verbergen. Erst 1994 verurteilte man ihn wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Auch der französische Kriegsverbrecher Maurice Papon konnte sich jahrzehntelang dem Zugriff der Justiz entziehen, bis er 1997 festgenommen wurde und sich vor Gericht verantworten musste.

„Am Ende einer Flucht. The Statement“ ist ein ein harter und realistischer, packender und spannender Politthriller. Brisant sind Roman und Film, weil sie von engen Verbindungen zwischen Gruppierungen in der römisch-katholischen Kirche und Kriegsverbrechern ausgehen und unterstellen, dass ranghohe französische Politiker bzw. Beamte niemals zur Rechenschaft gezogen wurden, obwohl sie unter dem Verdacht standen, unter dem Vichy-Regime Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Kongenial zum Roman hat Norman Jewison bei der Inszenierung auf Schnörkel verzichtet: Nicht auf die Optik, sondern auf die Handlung kommt es in „Am Ende einer Flucht. The Statement“ an. Obwohl es vermutlich nicht einfach ist, alle Zusammenhänge als Kinobesucher zu begreifen, wenn man den Roman von Brian Moore nicht vorher gelesen hat, ist die Umsetzung der komplexen Geschichte in einen anspruchsvollen Film gelungen.

Herausragend ist die Besetzung von „Am Ende einer Flucht. The Statement“: John Neville als der ehemaliger Polizeipräfekt Maurice de Grancille, Alan Bates als Minister Armand Bertier und Onkel der von Tilda Swinton überzeugend gespielten engagierten und impulsiven Richterin Annemarie Livi, Charlotte Rampling als desillusionierte, resignierte Ehefrau Brossards – und allen voran Michael Caine, der die von Brian Moore im Roman angelegte Widersprüchlichkeit der Hauptfigur eindrucksvoll darstellt: bigott und voller Selbstmitleid, vom Leben gezeichnet, aber immer noch wachsam; eiskalt erschießt er seine Verfolger, dann fleht er Gott schluchzend und auf den Knien um Vergebung an. Seine Bösartigkeit zeigt er, wenn er nach einem Hund tritt.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007

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