Paula Hawkins : Girl on the Train

Girl on the Train
Originalausgabe: The Girl on the Train Doubleday, London 2015 Girl on the Train Übersetzung: Christoph Göhler Blanvalet Verlag, München 2015 ISBN: 978-3-7645-0522-6, 445 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Rachel Watson ist 34 Jahre alt. Vor zwei Jahren trennte sich ihr Mann Tom von ihr, weil sie aufgrund ihrer Kinderlosigkeit depressiv und alkoholkrank geworden war. Über die Trennung kommt sie nicht hinweg. Obwohl sie inzwischen arbeitslos ist, fährt sie nach wie vor jeden Morgen mit dem Pendlerzug nach London – und sieht dabei das Haus, in dem Tom jetzt mit Anna und der kleinen Evie wohnt. In der Nachbarschaft ist inzwischen ein anderes Ehepaar eingezogen, und Rachel malt sich das Glück der beiden aus ...
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Kritik

"Girl on the Train" beginnt als Charak­terstudie, Vorstadt- und Beziehungs­drama, mutiert dann aber zum Psycho­thriller. Paula Hawkins lässt abwechselnd drei Ich-Erzählerinnen auftreten und spielt virtuos mit der Widersprüchlichkeit ihrer Wahr­nehmungen.
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Dass Rachel Watson trotz einer versuchten In-vitro-Fertilisation kinderlos blieb, machte ihr schwer zu schaffen, und als sie dann auch noch herausfand, dass ihr Ehemann Tom sie mit der Immobilien­maklerin Anna Boyd betrog, verfiel sie vollends dem Alkohol. Zwei Tage nachdem sie das gemeinsame Haus in Witney verlassen hatte, zog Anna dort ein und war zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger. Inzwischen sind Tom und Anna verheiratet und haben ein kleines Kind: Evie.

Wegen ihrer Alkoholkrankheit verlor Rachel ihre Anstellung bei einer Werbeagentur, aber sie fährt nach wie vor jeden Morgen mit dem Pendlerzug nach London. Ihre Freundin Cathy in Ashbury, bei der sie seit zwei Jahren wohnt, ahnt nichts von ihrer Arbeitslosigkeit.

Die Gleise führen an dem Haus in Witney vorbei, in dem Tom jetzt mit und Anna und Evie wohnt. In der Nachbarschaft ist ein kinderloses Paar eingezogen. Rachel stellt sich die beiden glücklich vor. Aber eines Tages beobachtet sie, wie die Frau im Garten einen anderen Mann küsst.

Die Frau heißt Megan. Als das Kind, das sie als Teenager bekommen hatte, durch ihre Unachtsamkeit in der Badewanne ertrank, verließ ihr Freund sie. Inzwischen ist sie mit Scott Hipwell verheiratet. Eine Weile jobbte sie als Kindermädchen für die Nachbarn Tom und Anna Watson.

Rachel ist betrunken, als sie bei der Rückfahrt von London nach Ashbury in Witney spontan den Zug verlässt.

Am nächsten Tag kommt sie in ihrem Zimmer zu sich, ist nicht nur verkatert, sondern auch blutverschmiert – und kann sich nicht erinnern, was am Vorabend geschah, nachdem sie in Witney ausgestiegen war.

Auf einem Foto in der Zeitung erkennt sie Megan. Die Frau wird seit dem Abend vermisst, an dem Rachel in ihrem früheren Wohnort war. Weil sie dort gesehen wurde, wird sie von der Polizei befragt

Rachel nimmt Kontakt mit Scott Hipwell auf und berichtet ihm, sie habe vom Zug aus beobachtet, wie Megan einen Fremden küsste. Auf Fotos, die Scott ihr zeigt, identifiziert sie den Mann als Megans Therapeuten Dr. Kamal Abdic.

Tatsächlich war Abdic bei seiner Patientin. Sie hatte ihn aufgeregt angerufen, weil sie von ihrem Liebhaber schwanger war, aber keine Abtreibung wollte und deshalb dringend seinen Rat benötigte. Abdic beruhigte sie, und dabei nahmen sich die beiden im Garten in die Arme und küssten sich kurz, während der Zug vorbeifuhr.

Nach ein paar Tagen wird Megans im Wald verscharrte Leiche gefunden. Jemand schlug ihr den Schädel ein. Bei der Obduktion stellt sich heraus, dass Megan schwanger war, aber weder von ihrem Ehemann noch von ihrem Therapeuten, den Scott zunächst verdächtigte.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Schließlich kehrt Rachels Erinnerung an den Abend in Witney zurück. Sie sah Tom und Megan bei einem Fußgängertunnel. Tom schlug sie zusammen und fuhr dann mit Megan weg.

Aufgewühlt fährt sie zu Anna, um sie zu warnen. Anna weiß bereits, dass Tom und Megan eine Affäre hatten. Tom holt die beiden Frauen und Evie ins Haus, wo Rachel ihn beschuldigt, Megan ermordet zu haben.

Als Leser wissen wir, dass Megan ihn anrief und ihn treffen wollte. Sie fuhren in den Wald, und dort sagte sie ihm, dass sie ein Kind von ihm bekommen werde. Tom forderte sie zu einer Abtreibung auf. Der Streit eskalierte, und nachdem Megan gestürzt war, schlug Tom sie tot.

Rachel entkommt in den Garten. Tom holt sie ein, aber sie rammt ihm den Korkenzieher, den sie unbemerkt mitgenommen hat, in den Hals. Anna kommt angerannt und kniet sich neben ihren Mann. Rachel denkt zunächst, sie wolle ihm helfen, aber dann beobachtet sie, wie Anna den Korkenzieher tiefer drückt.

Ausführlichere Inhaltsangabe:

Nach dem Tod ihres Vaters lernte Rachel Tom Watson kennen, und er half ihr, über den Verlust hinwegzukommen. 2005 verbrachten sie ihren ersten gemeinsamen Urlaub. Im Jahr darauf heirateten die beiden. Obwohl sie sich ein Kind wünschten, wurde Rachel nicht schwanger. Auch eine In-vitro-Fertilisation blieb erfolglos, und einen zweiten Versuch konnten sie sich nicht leisten. Rachel wurde darüber depressiv, verfiel dem Alkohol und nahm zu. Am vierten Hochzeitstag wollte Rachel ihren Mann mit einem Kurzurlaub überraschen. Um eine Kollision mit Toms Geschäftsterminen auszuschließen, schaute sie heimlich in seinen elektronischen Kalender – und fand heraus, dass er sie mit der Immobilienmaklerin Anna Boyd betrog.

Zwei Tage nachdem Rachel das gemeinsame Haus in Witney 2011 verlassen hatte, zog Anna dort bei Tom ein. Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger.

Ich wäre in dem Haus geblieben, ich hätte ihn ausbezahlt, wenn ich das Geld gehabt hätte. Aber das hatte ich nicht, und als wir uns scheiden ließen, war einfach kein Käufer da, der uns das Haus zu einem anständigen Preis abgekauft hätte, darum verkündete er schließlich, er werde stattdessen mich ausbezahlen und dort wohnen bleiben, bis er den richtigen Preis dafür erzielen würde. Nur ist ihm das nie geglückt.

Inzwischen ist Anna mit Tom verheiratet. Rachel trägt den Ehering seit der Scheidung an einer Halskette. Sie wohnt bei ihrer ehemaligen Kommilitonin Cathy in Ashbury in Untermiete. Jetzt, im Juli 2013, ist Rachel 34 Jahre alt. Vor einigen Monaten wurde sie von der Werbeagentur Huntingdon Whitely in London entlassen, weil sie von einem dreistündigen Mittagessen mit einem Kunden sturzbetrunken zurückgekommen war. Aber sie fährt nach wie vor jeden Morgen mit der Bahn von Ashbury zum Londoner Bahnhof Euston und kehrt erst am Abend wieder zurück, um Cathy über ihre Arbeitslosigkeit hinwegzutäuschen. Die Folgen der Alkoholabhängigkeit Rachels sind für Cathy schon schlimm genug.

In ihrer Einsamkeit und Verzweiflung versucht Rachel immer wieder, mit Tom Kontakt aufzunehmen.

„Bitte, Rachel, du darfst mich nicht ständig anrufen. Du musst dein Leben endlich in den Griff bekommen. […] Rachel? Bist du noch dran? Ich weiß, es geht dir nicht gut, und das tut mir auch leid, ehrlich, aber … Ich kann dir nicht helfen, und diese ständigen Anrufe machen Anna echt fertig. Okay? Ich kann dir nicht mehr helfen.“

Der Pendlerzug von Ashbury nach Euston fährt über Witney und hält dort fast jeden Tag vor einem Signal in unmittelbarer Nähe des Hauses Blenheim Road 23, in dem Rachel jahrelang glücklich war und in dem Tom jetzt mit Anna und Evie wohnt. Ein paar Hausnummern weiter lebt ein kinderloses Paar, das erst einzog, als Rachel bereits bei Cathy wohnte. Des Öfteren beobachtet Rachel die Frau, den Mann oder beide vom Zug aus. Sie ist überzeugt, dass die beiden glücklich sind, malt sich ihr Leben aus und hat ihnen Namen gegeben: Jess und Jason.

Sie sind Tom und ich vor fünf Jahren. Sie sind, was ich verloren habe; alles, was ich gern wäre.

Am Freitag, 12. Juli 2013, beobachtet Rachel vom Zug aus, wie Jess im Garten einen Mann küsst, der ihr eine Tasse Kaffee aus dem Haus gebracht hat und bei dem es sich nicht um Jason handelt.

Wie kann Jess so etwas tun? Was stimmt nicht mit ihr? Sieht sie nicht, was für ein Leben sie mit Jason führt, sieht sie nicht, wie schön es ist?

Jess und Jason heißen in Wirklichkeit Scott und Megan Hipwell. Megan wurde 1983 in Rochester geboren. Als sie 15 Jahre alt war, kam ihr vier Jahre älterer Bruder Ben Mills bei einem Motorradunfall ums Leben. Drei Tage nach der Beerdigung verließ Megan das Elternhaus. Zweimal wurde sie wegen Diebstahls bzw. Prostitution verhaftet. Mit 16 zog sie zu ihrem Freund Craig McKenzie („Mac“), der in einer Hütte außerhalb des Dorfes Holkham in Norfolk lebte.

Im Grunde war ich wirklich glücklich mit Mac. Ich blieb … Gott, ich glaube, es waren alles in allem drei Jahre. Ich war … neunzehn, als ich auszog. Genau. Neunzehn.

In Holkham wurde sie schwanger. Weil sie das nicht wahrhaben wollte, trank und rauchte sie weiter. Sie ging auch zu keinem Arzt. Eine mit Mac befreundete Krankenschwester half ihr bei der Entbindung in der Hütte. Es war ein Mädchen. Megan nannte es Elizabeth gab ihm den Kosenamen Libby. Als sie ein Bad nahm und sich das Kind auf die Brust legte, schlief sie ein. Das Wasser war bereits kalt, als sie aufwachte. Libby war heruntergerutscht und ertrunken. Am nächsten Morgen beerdigten sie den kleinen Leichnam im Garten. Dann ging Mac fort, und sie hörte nie wieder etwas von ihm.

Mit 24 jobbte Megan als Kellnerin in London und lernte dabei den vier Jahre älteren IT-Berater Scott Hipwell kennen. Zwei Jahre später heirateten sie, und im Januar 2012 zogen sie in das Haus in der Blenheim Road. Einige Zeit war Megan als Geschäftsführerin einer Galerie in Witney tätig, die allerdings im April 2012 Konkurs anmelden musste. Im Sommer 2012 bot Megan sich den Nachbarn Tom und Anna Watson als Kindermädchen für deren Tochter Evie an.

Ich habe mich freiwillig bereit erklärt, auf das Kind dieser Leute weiter unten in der Straße aufzupassen. Anfangs dachte ich, das könnte vielleicht nett werden. Absolut bescheuert […]

Mein Job ist es, auf die Kleine aufzupassen, während Anna sich ausruht.

Aber nach kurzer Zeit hörte Megan damit unter einem Vorwand wieder auf. Im September 2012 begann sie mit einer Psychotherapie bei Dr. Kamal Abdic.

Ich erzähle ich ihm von der Insolvenz der Galerie und dass ich nichts mehr mit mir anzufangen weiß.

Davon kann Rachel nichts ahnen. Nachdem sie am Samstagabend, 13. Juli 2013, in einem Pub in Ashbury Wein und Whisky getrunken und sich am Bahnhof ein paar Dosen Gin Tonic gekauft hat, nimmt sie den Zug nach Euston. Eigentlich hofft sie nur, Jess und Jason beim Vorbeifahren zu sehen, aber sie steigt spontan in Witney aus.

(Ich sollte nicht in Witney aussteigen, das ist viel zu gefährlich. Was, wenn Tom mich sieht – oder Anna?)
Ich steige in Witney aus.
Keine gute Idee.

Am Sonntag wacht Rachel in ihrem Zimmer in Ashbury verkatert und mit einem Blackout auf: Sie kann sich nicht daran erinnern, was in Witney geschah und wie sie nach Hause kam.

Irgendwas ist passiert, irgendwas Schlimmes. Es gab einen Streit. Es wurde geschrien. Fäuste? Ich weiß es nicht, ich erinnere mich nicht mehr daran. Ich war im Pub, dann bin ich in den Zug gestiegen, dann war ich am Bahnhof, dann auf der Straße. Blenheim Road. Ich war in der Blenheim Road.

Cathy hat bei ihrem Freund Damien übernachtet, und Rachel ist deshalb allein. Sie liegt nackt im Bett. Ihre Kleidung, Unterwäsche und Handtasche findet sie auf dem Fußboden verteilt. Es riecht nach Urin. Sie muss sich übergeben. Weil sie zum Aufwischen noch nicht fähig ist, legt sie sich noch einmal hin – und wacht erst wieder auf, als Cathy aufgebracht ihren Namen brüllt und ihr vier Wochen Zeit gibt, sich ein anderes Zimmer zu suchen.

Am Montag erfährt Rachel aus der Zeitung, dass eine Frau aus Witney vermisst wird. Aufgrund des Fotos und der Adresse begreift sie, dass es sich um Jess handelt, bzw. um die 29-jährige Megan Hipwell. Ihr Ehemann Scott hat sie zuletzt am Samstagabend gesehen.

Als Rachel am Dienstag nach Hause kommt, warten zwei Polizisten auf sie. Einer stellt sich als Detective Inspector Gaskill vor und erklärt:

„Sie wurden an jenem Abend in der Blenheim Road gesehen, ungefähr zur selben Zeit, als die vermisste Mrs Hipwell das Haus verließ. Mrs Anna Watson hat uns gegenüber erwähnt, sie habe Sie nicht weit von ihrem eigenen Haus entfernt auf der Straße gesehen, ganz in der Nähe von Mrs Hipwells Haus. Sie haben sich eigenartig benommen, meinte sie.“

Rachel gibt an, bei der Werbeagentur Huntingdon Whitely in London beschäftigt zu sein. Am nächsten Tag meldet sie sich bei der Polizei, zum einen, weil sie weiß, dass man sie der Lüge überführen würde, zum anderen aber auch, um Jason bzw. Scott Hipwell zu helfen. Aus Kinofilmen glaubt sie zu wissen, dass sich die Ermittlungen in Mord- und Entführungsfällen in der Regel zuerst auf den Ehemann konzentrieren. Und weil sie sich nicht vorstellen kann, dass Jason etwas Böses getan hat, weist sie Inspector Gaskill und seine Kollegin Sergeant Riley darauf hin, dass sie sah, wie Megan Hipwell einen anderen Mann küsste.

Die Polizei hält mich für sensationsgeil. Für eine Stalkerin, eine Irre, für psychisch instabil. Es war ein Riesenfehler, zur Polizei zu gehen. Damit habe ich die Situation für mich nur verschlimmert, und Scott habe ich auch nicht geholfen.

Weil die Polizei Rachel für eine unzuverlässige Zeugin hält, schickt diese Scott Hipwell eine Mail und teilt ihm mit, dass sie eine wichtige Information für ihn habe.

Ich würde für mein Leben gern was trinken, aber das kommt nicht infrage. Ich muss einen klaren Kopf bewahren. Für Megan. Für Scott.

Am Sonntag, 21. Juli, sucht sie ihn auf, und weil er ihr nicht glauben würde, dass sie alles nur vom Zug aus sah, behauptet sie, Megan gekannt zu haben.

„Ich habe sie mit jemandem zusammen gesehen“, sagte ich. Ich blökte es einfach heraus, unvermittelt und schrill, ohne Einleitung, ohne Kontext.
Er starrte mich an. „Wann? Am Samstagabend? Haben Sie das der Polizei erzählt?“
„Nein, am Freitagmorgen“, entgegnete ich, und seine Schultern sackten wieder herab. […]
„Sie war … draußen auf Ihrem Rasen“, sagte ich. „Gleich da.“ Ich deutete in den Garten. „Sie … Ich habe sie vom Zug aus gesehen.“ Er sah mich sichtlich ungläubig an. „Ich fahre jeden Tag mit dem Zug von Ashbury nach London. Direkt hier an Ihrem Haus vorbei. Und da habe ich sie gesehen, mit einem Mann. Und … und das waren nicht Sie.“ […]
„Da war ich nicht hier“, sagte er. „Da war ich unterwegs. Auf einer Konferenz in Birmingham. Ich war erst am Freitagabend zurück.“ […]
„Sie hat ihn geküsst“, sagte ich. Irgendwann musste ich es ja aussprechen. Ich musste es ihm sagen. „Sie haben sich geküsst.“

Der Mann, den Megan küsste, war dunkelhäutig. In der Zeitung wurde ein mit dem Ehepaar Hipwell befreundeter Künstler erwähnt, Rajesh Gujral, aber Scott hält es für ausgeschlossen, dass Megan etwas mit Rajesh hatte. Er zeigt Rachel ein Foto von ihm, dann auch eines des Therapeuten Kamal Abdic, eines Muslims aus Bosnien, und den glaubt Rachel wiederzuerkennen. Scott meint dazu:

„Die Therapie schien ihr zu helfen. Sie kam mir wirklich glücklicher vor.“ Er lachte kurz und traurig. „Jetzt ist mir klar, warum.“

Scott gibt die Information an Detective Sergeant Riley weiter, ohne Rachel zu erwähnen. Inzwischen weiß er, dass es sich bei ihr um die Ex-Frau des Nachbarn Tom Watson handelt. Rachel ist besorgt, dass die beiden Männer über sie reden könnten.

Tom weiß ganz sicher, dass ich Megan Hipwell nicht kenne. Tom weiß, dass ich in der Nacht, in der sie verschwunden ist, in der Blenheim Road war.

Am Montagmorgen, 22. Juli, liest Rachel in der Zeitung von einer Festnahme im Fall Megan Hipwell. Die Polizei hat allerdings nicht bekanntgegeben, ob es sich um den Ehemann oder eine andere Person handelt. Besorgt steigt Rachel in Witney aus. Erleichtert stellt sie fest, dass kein Streifenwagen vor Scotts Haus steht. Sie will schon wieder zurück zum Bahnhof gehen, da geht die Tür auf, und Scott zieht sie in die Diele.

Er will nicht, dass einer der vielen Reporter Rachel vor seinem Haus fotografiert. Seine Mutter, die bei ihm ist, um ihm beizustehen und im Haushalt zu helfen, sorgt dafür, dass Rachel rasch wieder geht. Noch auf der Türschwelle sieht sie Tom und Anna mit dem Kinderwagen auf der Straße. Tom ruft ihr nach: „Rachel! Was machst du hier? Rachel!“ Aber sie eilt zum Bahnhof.

Aus der Zeitung erfährt Rachel am Dienstag, dass der im Fall Megan Hipwell festgenommene Dr. Kamal Abdic wieder frei ist.

Megan glaubte zwar, sie sei in ihn verliebt und war zweimal in seiner Privatwohnung, aber Kamal Abdic beteuert, keine Affäre mit ihr gehabt zu haben. Am Freitag, 12. Juli, rief sie ihn um kurz nach 6 Uhr morgens verstört an und bat ihn, sofort zu ihr zu kommen. Ihr Verdacht, schwanger zu sein, hatte sich bestätigt. Sie vermutete zwar, dass das Kind von ihrem Liebhaber gezeugt worden war, nahm jedoch an, dass Scott sich als Vater fühlen werde, und eine Abtreibung wollte sie auf keinen Fall. Kamal Abdic fuhr noch vor seinem ersten Termin zu ihr. Als er ihr Kaffee machte und hinaus in den Garten brachte, schloss sie ihn in die Arme und zog ihn an sich. Sie küssten sich, während die Bremsen eines Zugs vor dem nahen Signal kreischten.

Nach dem Besuch des Therapeuten beschloss Megan, ihrem Mann alles zu beichten. Die Lügen und das Versteckspiel sollten ein Ende haben. Am Samstag, 13. Juli, fing sie mit ihrem Geständnis an. Scott reagierte jähzornig, schleuderte sie gegen die Wand und drückte ihr die Luft ab. Sie kam gar nicht mehr dazu, ihm zu sagen, dass sie schwanger sei. Megan flüchtete aus dem Haus.

Am Freitag, 26. Juli, fährt Rachel nicht nach London, sondern fängt schon am Morgen zu trinken an. Cathy wird sie am Abend vormachen, krank zu sein. Als sie Geld abheben will, um eine weitere Flasche Wein kaufen zu können, erhält sie am Automaten die Mitteilung, die gewünschte Abhebung sei nicht von ihrem Guthaben gedeckt.

Um endlich herauszufinden, was während ihres Filmrisses in Witney los war, ruft sie Tom an, denn sie erinnert sich vage, ihn an dem Abend in einer Unterführung gesehen zu haben. Statt seine Frage zu beantworten, warum sie am Montagmorgen bei Scott Hipwell gewesen sei, fordert sie ihn auf, ihr vom Samstagabend davor zu berichten.

„Pass auf. Anna hat dich gesehen – du warst betrunken und bist ausfallend geworden. Sie kam heim, um es mir zu erzählen, und regte sich dabei so auf, dass ich hinausging und nach dir suchte. Du warst draußen auf der Straße. Gut möglich, dass du gestürzt warst. Du warst jedenfalls aufgeregt. Du hattest dir die Hand aufgeschnitten.“
„Ich hatte mir bestimmt nicht …“
„Also, jedenfalls hattest du Blut an der Hand. Keine Ahnung, wie es dort hingekommen war. Ich hab dir angeboten, dich heimzufahren, aber du wolltest nicht, du warst völlig aufgelöst, hast wirres Zeug geredet. Dann bist du einfach losgegangen, ich lief den Wagen holen, aber als ich zurückkam, warst du schon nicht mehr da. Ich fuhr am Bahnhof vorbei, konnte dich aber nirgends sehen. Also fuhr ich noch ein bisschen herum – Anna hatte schreckliche Angst, dass du irgendwo lauern und dann umkehren und in unser Haus eindringen könntest.“

Als Rachel am Montag, 29. Juli, nach Hause kommt, stellt Cathy sie zur Rede. Ihr Freund Damien traf zufällig Rachels früheren Chef Martin Miles und erfuhr, dass sie vor Monaten entlassen wurde.

Am Donnerstag, 1. August, wird im Corly Wood die verscharrte, aber vom Regen freigespülte Leiche einer Frau entdeckt. Rasch betätigt sich die Annahme, dass es sich bei der Toten um Megan Hipwell handelt. Ihr wurde der Schädel eingeschlagen. In der Jeans steckt ihr Handy. Die letzte Nachricht auf ihrer Mailbox stammt von Scott. Sie lautet: „Fick dich, du verlogene Schlampe.“ Dass sich das Ehepaar unmittelbar vor Megans Verschwinden heftig gestritten hatte, sagten auch Nachbarn gegenüber der Polizei aus.

Als Anna Watson am Mittwoch, 7. August, in der Zeitung liest, dass die Ermordete möglicherweise vor zehn Jahren am Tod ihres eigenen Kindes schuld gewesen sei, denkt sie entsetzt: „Dieser Frau vertraute ich Evie an!“

Wir müssen endlich ausziehen. Nach allem, was sich hier abgespielt hat, kann ich unmöglich länger in diesem Haus wohnen bleiben, in dieser Straße. Wo immer ich auch hinsehe, sehe ich nicht mehr nur Rachel, sondern jetzt auch noch Megan.

Scott erfährt fast zur gleichen Zeit von der Polizei, dass die Tote schwanger war. Am nächsten Tag findet die Polizei bei einer gezielten Suche im Garten einer Hütte bei Holkham die Skelettreste eines Kleinkindes. Craig McKenzie, der dort gewohnt hatte, starb vor vier Jahren an einer Überdosis Heroin.

In der Hoffnung, Scott helfen und Beweismaterial gegen Dr. Kamal Abdic zu finden, meldete Rachel sich für eine Psychotherapie bei ihm an und erhielt einen ersten Termin für Donnerstag, 8. August. Die Stunde kostet 75 Pfund. Die 300 Pfund, die Rachel sich von ihrer Mutter lieh, werden nicht lange reichen. Sie erzählt dem Therapeuten von ihrem Alkoholproblem und dass sie Erinnerungslücken habe.

Am Samstag, 10. August, wacht Rachel neben einem Mann auf und schmiegt sich an ihn.

„Rachel“, sagt seine Stimme, „nicht.“ Ich erstarre. Ich bin nicht zu Hause, dies ist nicht mein Zuhause. Das stimmt alles nicht.“

Sie hat die Nacht mit Scott verbracht und fragt sich nun verwundert:

Wer vögelt eine Fremde im eigenen Ehebett, wenn die Ehefrau noch nicht mal einen Monat tot ist?

Anna sieht sie aus dem Haus kommen und zum Bahnhof gehen. Als sie es Tom sagt und darauf drängt, die Polizei einzuschalten, versichert er ihr, er werde Rachel zur Vernunft bringen. Ohne Anna etwas davon zu sagen, nimmt er sich am Montag, 12. August, den Vormittag frei, fährt mit Rachel zum Parkplatz am Wilton Lake, redet mit ihr und schreibt ihr einen Scheck aus.

In der Therapiestunde bei Kamal Abdic am nächsten Tag kommt sie erneut auf ihre alkoholbedingten Blackouts zu sprechen und erzählt ein Beispiel aus ihrer Ehe mit Tom. Weil sie sich einmal kaum noch an die Ereignisse vom Vorabend erinnern konnte und sich über eine neue Delle in der Wand wunderte, fragte sie Tom. Widerstrebend sagte er ihr, sie habe ihn mit einem Golfschläger angegriffen, aber nicht getroffen und stattdessen heftig in die Wand geschlagen. Das passte allerdings nicht zu ihren vagen Erinnerungsbruchstücken und der Angst, die sie dabei empfand.

Auf der Rückfahrt steigt sie in Witney aus und geht zum Tunnel, um ihren den Abend des 13. Juli betreffenden Gedächtnisausfall zu überwinden. Was ihr dabei einfällt, widerspricht allerdings ihrem bisherigen Wissen.

Ich kann mich wieder genau daran erinnern. An jenem Samstagabend stand ich hier, am Eingang zur Unterführung, und sah, wie Anna in Toms Auto stieg. Allerdings muss die Erinnerung falsch sein, weil sie keinen Sinn ergibt. Tom fuhr durch die Straßen und suchte nach mir. Anna war nicht bei ihm im Auto – sie war zu Hause. Das hat zumindest die Polizei mir so erklärt.

Scott wird am Mittwoch, 14. August, über das Ergebnis der DNA-Analyse des ungeborenen Kindes in Megans Uterus informiert: Das Kind stammt weder von ihm noch von Dr. Kamal Abdic. Am nächsten Tag ruft er Rachel an und bittet sie, zu ihm zu kommen. Er weiß jetzt auch, dass sie niemals mit Megan Kontakt gehabt hatte.

„Detective Sergeant Riley hat mich ins Bild gesetzt«, sagt er. »Sie hat sich nach dir erkundigt. Ob ich eine Beziehung mit dir hätte.“ Er lacht. „Eine Beziehung mit dir? Jesus! Ich habe sie gefragt, ob ihr eigentlich klar wäre, wie meine Frau ausgesehen hat – so schnell sinkt die Messlatte doch wohl nicht.“

Als Rachels Handy klingelt, holt er es aus der Handtasche und erstarrt beim Blick aufs Display: Die Praxis des Psychotherapeuten Dr. Abdic bestätigt Rachels Termin am 19. August. Konspiriert Rachel mit Kamal Abdic gegen ihn? Wütend zerrt er Rachel nach oben und sperrt sie in ein Zimmer, schließt jedoch nach einer Weile wieder auf und wirft sie hinaus. Rachel rennt zu dem Haus, in dem sie früher wohnte und hämmert gegen die Tür, aber Anna, die mit dem Kind allein ist, öffnet ihr nicht.

Rachel fragt sich immer wieder, was am 13. Juli in der Unterführung geschah. Sie glaubt, sich zu erinnern, dass sie hinfiel. Tom ließ sie liegen und stieg mit Anna ins Auto. Anna hatte jedoch kein Kind bei sich. Wo war Evie?

Am Samstag, 17. August, fragt Rachel Tom telefonisch, wo Anna an dem Abend gewesen sei, an dem Megan verschwand. Sie sei mit dem Baby zu Hause gewesen, antwortet er.

„Oh Mann! Sie wollte eigentlich ausgehen, und ich sollte auf das Baby aufpassen. Aber dann bist du aufgetaucht, und sie hat ihre Pläne über den Haufen geworfen und ist wieder heimgekommen, und ich hab Stunden meines Lebens darauf verschwendet, dir hinterherzulaufen …“


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
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Aber Rachel beginnt sich am nächsten Tag zu erinnern:

Ich war in der Unterführung, und er kam auf mich zu, erst ein Schlag über den Mund, und dann die erhobene Faust, mit dem Schlüssel in der Hand, gefolgt von einem schneidenden Schmerz, als das gezackte Metall auf meine Kopfhaut trifft.

Und dann begreift sie, warum die Frau, die zu ihm ins Auto stieg, Evie nicht bei sich hatte: Es war nicht Anna, sondern Megan! Aufgewühlt fährt Rachel nach Witney. Anna sitzt mit dem Kind auf der Terrasse. Rachel sagt ihr, Megan sei an dem Samstagabend, als sie zum letzten Mal gesehen wurde, zu Tom ins Auto gestiegen. Dass die beiden eine monatelange Affäre hatten, weiß Anna bereits. Aber bevor sie einen klaren Gedanken fassen kann, taucht Tom auf und wundert sich darüber, die beiden Frauen miteinander anzutreffen. „Was läuft hier ab?“, fragt er.

Rachel erklärt ihm, dass sie sich wieder daran erinnere, wie er sie am Abend des 13. Juli in der Fußgängerunterführung zusammenschlug, liegen ließ und mit Megan wegfuhr.

Megan hatte ihn am Samstag, 13. Juli, von ihrem alten Prepaid-Handy aus angerufen und aufgefordert, sich auf der Stelle mit ihr im Park zu treffen. Zu diesem Zeitpunkt war Anna mit Freundinnen zum Essen verabredet und er sollte zu Hause auf Evie aufpassen.

„Ich dachte, vielleicht wäre das gar nicht so schlecht – sie [Megan] würde vorbeikommen, und ich würde alles mit ihr klären. Es ihr endgültig begreiflich machen. Aber dann bist du hier aufgetaucht, Rachel, und hast alles vermasselt.“ Er lehnt sich breitbeinig auf dem Sofa zurück, ganz der große, Raum einnehmende Mann. „Eigentlich ist es deine Schuld. Die ganze Geschichte ist im Grunde deine Schuld, Rachel. Anna ist nicht mit ihren Freundinnen essen gegangen – nach fünf Minuten war sie wieder da, aufgebracht und wütend, weil du, wie üblich stockbesoffen, draußen am Bahnhof mit irgendeinem Typen rumgetorkelt bist. Sie hatte Angst, dass du auf dem Weg zu uns sein könntest. Sie machte sich Sorgen um Evie. Also konnte ich die Sache mit Megan nicht klären, weil ich losziehen und nach dir suchen musste.“

In der Unterführung fand er Rachel, und es kam zu einem heftigen Streit. Er schlug sie nieder. Im nächsten Augenblick hörte er, wie Megan seinen Namen rief. Sie hatte vergeblich im Park auf ihn gewartet und war auf dem Rückweg zur Blenheim Road. Er ließ Rachel liegen und forderte Megan auf, ins Auto einzusteigen. Auf dem Parkplatz beim Corly Wood, wo außer ihnen niemand war, wollte er sich anhören, was sie zu sagen hatte, aber sie schlug einen kurzen Spaziergang vor. Als Megan ihm sagte, dass sie schwanger sei, und zwar vermutlich von ihm, riet er ihr zu einer Abtreibung. Daraufhin beschimpfte sie ihn wütend.

„Scheiße, sie wollte keine Ruhe geben. Und … Keine Ahnung, ich wollte sie nur noch zum Schweigen bringen. Also nahm ich einen Stein“ – er starrt auf seine rechte Hand, als sähe er ihn darin liegen – „und hab ganz einfach …“ Er schließt die Augen und seufzt tief auf. „Ich habe nur ein einziges Mal zugeschlagen, aber sie …“ Er bläst die Wangen auf und atmet langsam wieder aus. „Ich wollte das nicht. Ich wollte bloß, dass sie die Klappe hält. Sie blutete wie verrückt. Sie heulte, sie machte einen Wahnsinnslärm. Sie versuchte sogar, von mir wegzukriechen. Was hätte ich denn tun sollen? Ich musste es zu Ende bringen.“

Die Leiche hievte er in den Kofferraum, um sie ein Stück tiefer in den Wald zu bringen. Dort verscharrte er sie mit bloßen Händen.

Rachel versucht zu fliehen, aber bevor sie die Haustüre erreicht, trifft Tom sie mit einer Bierflasche am Hinterkopf. Während Anna das Baby nach oben bringt und ins Bett legt, zerrt er Rachel in die Küche. Als sie die Augen wieder öffnet, schimpft er:

„Du bist wie einer dieser Hunde, die niemand haben will und die ihr ganzes Leben lang misshandelt werden. Die sich immer und immer wieder treten lassen und trotzdem jedes Mal winselnd und schwanzwedelnd wieder angelaufen kommen. Bettelnd. Weil sie hoffen, dass es diesmal anders läuft – dass sie diesmal alles richtig machen und dafür geliebt werden. So bist du, oder, Rach? Du bist ein Hund.“

Nachdem es ihr gelungen ist, unbemerkt einen Korkenzieher in die Hand zu bekommen, überrascht sie ihn mit einem Angriff, rammt ihm ein Knie ins Gesicht und rennt in den Garten. Aber sie kommt nicht weit. Er holt sie ein. In ihrer Not rammt sie ihm den Korkenzieher in den Hals.

Anna alarmiert die Polizei, und sie übernimmt dann auch das Reden. Tom sei mit dem Korkenzieher auf Rachel losgegangen und hätte sie vermutlich umgebracht, gibt sie zu Protokoll. Im letzten Augenblick sei es ihr gelungen, ihm den Korkenzieher zu entreißen und sich damit zu wehren. Rachel ist sprachlos. Sie erinnert sich daran, dass Anna herausgelaufen war. Zuerst dachte Rachel, sie wolle versuchen, den Schwerverletzten zu retten, aber dann sah sie, wie Anna den Korkenzieher noch tiefer in Toms Hals drückte.

Im September verlässt Rachel die Gegend. Die beiden Häuser in Witney stehen inzwischen leer und zum Verkauf. Rachel hat sich von ihrer Mutter nochmals Geld geliehen und fährt nach Norden, vielleicht nach Edinburgh. Sie hat sich noch nicht entschieden.

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Paula Hawkins‘ Roman „Girl on the Train“ beginnt als Charakterstudie, Vorstadt- und Beziehungsdrama, mutiert dann aber zum Psychothriller. Im Mittelpunkt steht eine 34-jährige Frau, Rachel Watson. Ihr Ehemann trennte sich von ihr, weil sie aufgrund ihrer Kinderlosigkeit depressiv und alkoholkrank geworden war. Inzwischen ist sie auch arbeitslos. Über die Trennung kommt sie nicht hinweg, und durch gut gemeinte, aber unüberlegte Handlungen verstrickt sie sich in eine Tragödie, die uns in menschliche Abgründe blicken lässt.

Für das Genre, in dem Paula Hawkins sich mit „Girl on the Train“ bewegt, führte Julia Crouch die Bezeichnung Domestic Noir ein. (Sie bezog sich damit auf Elizabeth Haynes.)

In a nutshell, Domestic Noir takes place primarily in homes and workplaces, concerns itself largely (but not exclusively) with the female experience, is based around relationships and takes as its base a broadly feminist view that the domestic sphere is a challenging and sometimes dangerous prospect for its inhabitants. (Julia Crouch, 2012).

Neben Rachel treten in „Girl on the Train“ zwei weitere Ich-Erzählerinnen auf: Anna Watson, mit der Rachels Exmann Tom inzwischen verheiratet ist, und deren Nachbarin Megan Hipwell, die am 13. Juli 2013 als vermisst gemeldet wird. Paula Hawkins hält sich konsequent an die Perspektiven der drei voreingenommenen Frauen und lässt sie abwechselnd zu Wort kommen. Während Rachel, Anna und Megan durch die Innenschau viel von sich preisgeben und dabei einfühlsam ausgeleuchtet werden, bleiben die Männer in „Girl on the Train“ eher schemenhaft, denn Paula Hawkins fügt der subjektiven Wahrnehmung ihrer Ich-Erzählerinnen nichts hinzu.

Die Unzuverlässigkeit der Ich-Erzählerinnen und die Widersprüchlichkeit ihrer Wahrnehmungen erhöht den Reiz der Lektüre von „Girl on the Train“, zumal Paula Hawkins das Stilmittel geschickt für ein Spiel mit Vermutungen der Leser nutzt.

Obwohl jedes der zahlreichen kurzen Kapitel mit einer Datumsangabe überschrieben und in Tageszeiten unterteilt ist, reiht Paula Hawkins sie nicht chronologisch aneinander, sondern springt einige Male vor und zurück. Außerdem fügt sie Rückblenden ein. Der Aufbau von „Girl on the Train“ ist virtuos, bis ins letzte Detail durchdacht, und die Handlung läuft präzise wie ein Uhrwerk ab.

Auch die Akzentuierung des Zugfahrens gehört zu den Stilmitteln.

Dass die Protagonistin Entscheidendes durch ein Fenster beobachtet, erinnert an Alfred Hitchcocks Klassiker „Das Fenster zum Hof“.

Ob es Absicht war, dass die Initialen des deutschen Titels „Girl on the Train“ das Wort Gott ergeben? Den Titel assoziiert man auch mit „Gone Girl“ von Gillian Flynn, aber Paula Hawkins beteuert, dass sie das nicht angestrebt habe.

Paula Hawkins wurde am 26. August 1972 in Harare, der Hauptstadt von Simbabwe, geboren. Seit 1989 lebt sie in London. Bis 2009 arbeitete sie als Wirtschaftsjournalistin. Dann veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Amy Silver den Roman „Confessions of a Reluctant Recessionista“ (2009). Liebesromane wie „Du und ich und all die Jahre“ und „Was bleibt, wenn du gehst“ folgten.

Weil Paula Hawkins mit dem Erfolg nicht zufrieden war, begann sie einen Thriller zu schreiben. Sie hatte erst die Hälfte des Manuskripts fertig, als die Lektorin Wiebke Rossa es im Sommer 2013 zu lesen bekam – und deren Verlag, Blanvalet, die deutschen Rechte erwarb. Bis zum Jahresende wurden nicht nur zehn internationale Lizenzen verkauft, sondern auch die Filmrechte. Das Buch war zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht fertig. Es wurde erst am 15. Januar 2015 von Doubleday in London veröffentlicht: „The Girl on the Train. You don’t know her, but she knows you“. Die deutschsprachige Übersetzung von Christoph Göhler erschien am 15. Juni 2015 unter dem Titel „Girl on the Train. Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich“ mit einer Startauflage von 130 000 Exemplaren. Dafür wurde unter anderem in 57 deutschen Bahnhöfen geworben, und in 45 ICE-Zügen ließ der Verlag eine Woche lang Leseproben verteilen. Inzwischen sollen Lizenzen für Übersetzungen des Bestsellers in 45 Sprachen verkauft worden sein.

Claudia Voigt schrieb am 13. Juni 2015 unter der Schlagzeile „Bastelanleitung für einen Bestseller“, der Welterfolg von „The Girl on the Train“ sei durch Paula Hawkins‘ Literaturagentin Alice Howe, Verlage und Marketing-Experten systematisch aufgebaut worden. Das mag sein, schmälert jedoch nicht die Qualität des Buches.

Den Roman „Girl on the Train“ von Paula Hawkins gibt es in einer gekürzten Fassung auch als Hörbuch, gelesen von Britta Steffenhagen, Rike Schmid und Christiane Marx (Regie: Karin Weingart, ISBN 978-3-8371-3142-0).Tate Taylor verfilmte den Roman von Paula Hawkins: „Girl on the Train“.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015
Textauszüge: © Blanvalet Verlag

Tate Taylor: Girl on the Train

Simone de Beauvoir - Das andere Geschlecht
"Ich habe die Möglichkeiten untersucht, die diese Welt den Frauen bietet, und die Möglichkeiten, die sie ihnen vorenthält, ihre Begrenzungen, ihr Glück und Unglück, ihre Ausflüchte, ihre Leistungen." (Simone de Beauvoir: Der Lauf der Dinge)
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