Andreas Baader
Andreas Baader wurde am 6. Mai 1943 in München geboren. Sein Vater, der Historiker und Archivar Bernt Philipp Baader, blieb nach dem Krieg vermisst. Drei Frauen – die Mutter Anneliese, deren Schwester Elfriede und Andreas‘ Großmutter Hermine – kümmerten sich um das Einzelkind, das zu einem provozierenden Draufgänger heranwuchs, der Konfrontationen suchte, ständig Machtkämpfe ausfocht und andere zu Mutproben herausforderte. „Andreas hatte nie Angst. Er führte alles bis zur letzten Konsequenz durch“, sagte Anneliese Baader über ihren Sohn (zitiert nach Stefan Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex, Seite 17). Als er dreizehn Jahre alt war, kam er nach Königshofen in ein Internat, aber nachdem er mehrmals von dort geflohen war, holte ihn die Mutter wieder nach München. Das Gymnasium musste Andreas Baader ohne Abitur verlassen.
1963 ging er nach Berlin und konnte deshalb nicht zum Wehrdienst eingezogen werden. Von 1965 an lebte er in Schöneberg mit der drei Jahre älteren Kunstmalerin Ellinor Michel und deren Ehemann in einem Dreiecksverhältnis. Ellinor Michel brachte noch im gleichen Jahr eine Tochter zur Welt. Ende 1967 lernten Andreas Baader und Gudrun Ensslin sich kennen. Die junge Mutter, die am 13. Mai 1967 einen Sohn geboren hatte, zog für kurze Zeit ebenfalls in die Wohnung der Malerin. Im März trennte Ellinor Michel sich von Andreas Baader, und er zog zusammen mit Gudrun Ensslin nach Frankfurt am Main.
Aus Protest gegen den Kapitalismus, die Konsumgesellschaft und deren Gleichgültigkeit gegen den Vietnam-Krieg legten Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein am 2. April 1968 in zwei Kaufhäusern an der Frankfurter Zeil Feuer. Es entstand hoher Sachschaden, aber verletzt wurde niemand. Weil Andreas Baader im „Club Voltaire“ mit der Tat prahlt, kann die Polizei die Brandstifter bereits am nächsten Tag verhaften. Vor dem Frankfurter Landgericht begann am 14. Oktober 1968 der Prozess, am 31. Oktober wurden die Angeklagten zu je drei Jahren Haft verurteilt, am 13. Juni 1969 jedoch bis zur Entscheidung über ihren Revisionsantrag aus der Haft entlassen. Als der Bundesgerichtshof fünf Monate später die Revision verwarf, setzten Andreas Baader und Gudrun Ensslin sich zunächst ins Ausland ab, dann kehrten sie zurück und schlüpften vorübergehend als „Hans“ und „Grete“ bei der Journalistin Ulrike Meinhof in Berlin unter.
Beim Versuch, Waffen zu beschaffen, wurde Andreas Baader von einem Spitzel des Verfassungsschutzes am 3. April 1970 in eine als Verkehrskontrolle getarnte Falle der Polizei gelockt. Seine von Gudrun Ensslin initiierte und von Ulrike Meinhof vorbereitete Befreiung am 14. Mai 1970 gilt als Geburtsstunde der RAF.
Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und etwa zwanzig Gesinnungsgenossen flogen am 8. bzw. 21. Juni 1970 in zwei Gruppen von Berlin nach Jordanien und ließen sich zwei Monate lang in einem Lager der El Fatah bei Amman für den Guerillakampf ausbilden. Um das für den Aufbau einer Untergrundorganisation erforderliche Geld zu beschaffen, überfielen Mitglieder der Gruppe am 29. September 1970 innerhalb von zehn Minuten drei Banken in Berlin. Sie besorgten Autos, mieteten in mehreren Großstädten konspirative Wohnungen, richteten Depots ein und knüpften ein Kommunikationsnetz. Am 15. Februar 1971 prägte die „Bild“-Zeitung den Begriff „Baader-Meinhof-Bande“. Andreas Baader und Ulrike Meinhof ergänzten sich: Während er sich in seinem Tatendrang kaum für Programme interessierte, fungierte die nachdenkliche Journalistin als Ideologin und „PR-Managerin“.
Im Mai 1972 schlug die RAF zu und versetzte zwei Wochen lang die Menschen in Angst und Schrecken: Bomben explodieren in Frankfurt am Main, Augsburg, München, Karlsruhe, Hamburg und Heidelberg. Vier Menschen sterben, zahlreiche werden verletzt. Erstmals werden nicht nur Sachen zerstört, um gegen die politischen Verhältnisse zu demonstrieren, sondern absichtlich Menschen getötet.
Polizisten mit kugelsicheren Westen verhafteten am 1. Juni 1972 Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe in Frankfurt am Main vor laufenden Fernsehkameras: Um 5.50 Uhr stiegen die Gesuchten aus einem Porsche.
Jan-Carl Raspe wurde als Erster überwältigt. Die beiden anderen Terroristen verschanzten sich in einer Garage. Obwohl sie nicht wussten, dass die Polizei in der Nacht den eimerweise dort deponierten Sprengstoff gegen Knochenmehl vertauscht hatte, rauchten sie und schossen auf die Beamten, die Tränengasgranaten in die Garage warfen. Ein Scharfschütze traf Andreas Baader in den Oberschenkel. Er stürzte und schrie. Holger Meins kam mit erhobenen Händen aus dem Unterschlupf, musste sich bis auf die Unterhose ausziehen und abführen lassen. Danach wurde Andreas Baader an Händen und Füßen aus der Garage gezerrt.
Der Mordprozeß gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Holger Meins und Jan-Carl Raspe begann am 21. Mai 1975 in einer eigens gebauten fensterlosen Mehrzweckhalle in Stuttgart-Stammheim. Am 28. April 1977 wurden Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe zu lebenslanger Haft verurteilt. (Holger Meins war am 9. November 1974 an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben; Ulrike Meinhof hatte sich am 9. Mai 1976 in ihrer Zelle erhängt.)
RAF-Mitglieder entführten am 5. September 1977 Hanns Martin Schleyer (1915 – 1977), den Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, um Andreas Baader und andere RAF-Führer freizupressen. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, brachten vier arabische Terroristen am 13. Oktober den Lufthansa-Jet „Landshut“ auf dem Flug von Palma de Mallorca nach Frankfurt am Main in ihre Gewalt. Fünf Tage später gelang es einer Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes („GSG 9“), die „Landshut“ auf dem Flughafen in Mogadischu zu stürmen [„Mogadischu“].
Nur wenige Stunden nach dem Eintreffen der Nachricht von der gelungenen Geiselbefreiung in der somalischen Hauptstadt erhängte Gudrun Ensslin sich mit einem Lautsprecherkabel in ihrer Zelle, während Andreas Baader und Jan-Carl Raspe sich erschossen. (Wie sie an die Waffen gekommen waren, konnte nicht geklärt werden.) Am Tag darauf wurde Hanns-Martin Schleyers Leiche im Kofferraum eines in Mühlhausen geparkten Autos gefunden.
Literatur über Andreas Baader und die RAF
- Stefan Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex. Hamburg 1985
- Wolfgang Kraushaar (Hg.): Die RAF und der linke Terrorismus. 2 Bände,
Hamburger Edition, Hamburg 2006 - Klaus Stern und Jörg Hermann: Andreas Baader. Das Leben eines Staatsfeindes.
dtv, München 2007
© Dieter Wunderlich 2004
RAF. „Baader-Meinhof-Bande“
Der Deutsche Herbst
Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“
Gudrun Ensslin (Kurzbiografie)
Ulrike Meinhof (Kurzbiografie)
Holger Meins (Kurzbiografie)
Inge Viett (Kurzbiografie)
Reinhard Hauff: Stammheim
Heinrich Breloer: Todesspiel
Stefan Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex
Uli Edel: Der Baader Meinhof Komplex
Roland Suso Richter: Mogadischu
Andres Veiel: Wer wenn nicht wir