Der Baader Meinhof Komplex

Der Baader Meinhof Komplex

Der Baader Meinhof Komplex

Originaltitel: Der Baader Meinhof Komplex – Regie: Uli Edel – Drehbuch: Bernd Eichinger, nach dem Buch "Der Baader-Meinhof-Komplex" von Stefan Aust – Kamera: Frank Griebe – Schnitt: Alexander Berner – Musik: Peter Hinderthür, Florian Tessloff – Darsteller: Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu, Johanna Wokalek, Bruno Ganz, Jan Josef Liefers, Alexandra Maria Lara, Heino Ferch, Nadja Uhl, Hannah Herzsprung [weitere Darsteller] – 2008; 140 Minuten

Inhaltsangabe

Als Reaktion auf die große Koalition in Bonn bildete sich 1967/68 die APO, die sich durch die Tötung des Demonstranten Benno Ohnesorg und das Attentat auf den Studentenführer Rudi Dutschke radikalisierte. In der Nacht zum 3. April 1968 brannten zwei Frankfurter Kaufhäuser. Die Befreiung des Brandstifters Andreas Baader aus der Haft am 14. Mai 1970 gilt als Geburtsstunde der RAF ...
mehr erfahren

Kritik

Bernd Eichinger und Uli Edel stellen die von Stefan Aust in dem Buch "Der Baader-Meinhof-Komplex" beschriebene Geschichte der RAF von 1967 bis 1977 so authentisch wie möglich in einem Film dar. In der knappen Zeit können sie aber nur die wichtigsten Ereignisse und Zusammenhänge skizzieren.
mehr erfahren

„Der Baader Meinhof Komplex“ beginnt damit, dass Ulrike Meinhof (Martina Gedeck) und ihr Ehemann Klaus Rainer Röhl (Hans Werner Meyer) mit ihren Zwillingen Regine und Bettina 1967 Urlaub auf Sylt machen. Dazu hören wir den Song „Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes-Benz!“ von Janis Joplin.

Die Journalistin Ulrike Meinhof engagiert sich in „Konkret“-Kolumnen und in Hörfunkfeatures des Hessischen Rundfunks gegen soziale Ungerechtigkeiten und protestiert gegen den Vietnamkrieg. Getrieben wird sie von der Sorge, ihre Generation könne ebenso wie die ihrer Eltern versagen und nicht laut genug aufbegehren gegen Missstände, damals den Nationalsozialismus, jetzt gegen den Imperialismus.

Nach dem Scheitern ihrer Ehe mit Klaus Rainer Röhl zieht Ulrike Meinhof mit ihren sechs Jahre alten Töchtern 1968 von Hamburg nach Berlin. Dort schließt sie sich der APO an, die sich bildete, nachdem die Opposition im Bundestag durch die Große Koalition im November 1966 zur Farce geworden war.

Die Bewegung radikalisiert sich durch den Tod des Demonstranten Benno Ohnesorg (Martin Glade) am 2. Juni 1967 und den Anschlag auf den Studentenführer Rudi Dutschke (Sebastian Blomberg) am 11. April 1968. Auch Ulrike Meinhof ruft nun zu Gewalt auf: „Wirft man einen Stein, so ist das eine strafbare Handlung. Werden tausend Steine geworfen, ist das eine politische Aktion. Zündet man ein Auto an, ist das eine strafbare Handlung, werden hunderte Autos angezündet, ist das eine politische Aktion.“

Im Rahmen ihrer Recherchen über den Brandanschlag auf zwei Frankfurter Kaufhäuser am 2. April 1968 lernt sie Andreas Baader (Moritz Bleibtreu) und Gudrun Ensslin (Johanna Wokalek) kennen.

Gudrun Ensslin hatte Ende 1967 – ein halbes Jahr nach der Geburt ihres und Bernward Vespers Sohn – Andreas Baader kennen gelernt, und im März 1968 war sie mit ihm zusammen nach Frankfurt am Main gezogen.

Aus Protest gegen den Kapitalismus, die Konsumgesellschaft und deren Gleichgültigkeit gegen den Vietnam-Krieg legten Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Proll (Johannes Suhm) und Horst Söhnlein am 2. April 1968 in zwei Kaufhäusern an der Frankfurter Zeil Feuer. Es entstand hoher Sachschaden, aber verletzt wurde niemand. Vor dem Frankfurter Landgericht begann am 14. Oktober 1968 der Prozess, am 31. Oktober wurden die Angeklagten zu je drei Jahren Haft verurteilt, am 13. Juni 1969 jedoch bis zur Entscheidung über ihren Revisionsantrag aus der Haft entlassen. Als der Bundesgerichtshof fünf Monate später die Revision verwirft, setzen Andreas Baader und Gudrun Ensslin sich nach Rom ab, dann kehren sie zurück und schlüpfen vorübergehend bei Ulrike Meinhof und ihrem Freund Peter Homann (Jan Josef Liefers) in Berlin unter, bis ihr Anwalt Horst Mahler (Simon Licht) ihnen eine Wohnung beschafft hat.

Am 3. April 1970 fällt Andreas Baader einem Streifenpolizisten auf, weil er zu schnell fährt, keinen Kfz-Schein bei sich hat und unsicher auf die Frage nach seinem Geburtsdatum antwortet. Er wird festgenommen.

Gudrun Ensslin redet auf Ulrike Meinhof ein, die ohnehin inzwischen bezweifelt, dass sie mit ihrer Arbeit wirklich etwas verändern kann, bis die Journalistin bei der geplanten Befreiung von Andreas Baader mitmacht und vorgibt, mit ihm zusammen im Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen in Berlin für ein Buch über „randständige“ Jugendliche recherchieren zu wollen. Am 14. Mai 1970 begleiten zwei Beamte den Strafgefangenen zu der Villa, in der das Institut untergebracht ist. Ein Mann und drei Frauen dringen kurz darauf in das Gebäude ein, verletzen den Institutsangestellten Georg Linke durch einen Schuss, bedrohen die Beamten mit ihren Pistolen und fliehen mit Andreas Baader und Ulrike Meinhof durch ein Parterre-Fenster. Das ist die Geburtsstunde der RAF (Rote Armee Fraktion).

Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Peter Homann und etwa zwanzig Gesinnungsgenossen fliegen von Berlin in den Nahen Osten und lassen sich zwei Monate lang in einem Palästinenser-Lager für den Guerillakampf ausbilden. Peter Homann trennt sich dort von den angehenden Terroristen.

Wie Gudrun Ensslin, die sich von ihrem kleinen Sohn trennte, will Ulrike Meinhof einen Schlussstrich unter ihre bürgerliche Vergangenheit setzen und ihre beiden Töchter unter neuen Namen in einem Waisenlager der Palästinenser aufwachsen lassen. Der Journalist Stefan Aust (Volker Bruch) bewahrt die Kinder im letzten Augenblick vor diesem Schicksal.

Um das für den Aufbau einer Untergrundorganisation erforderliche Geld zu beschaffen, überfallen Mitglieder der Gruppe am 29. September 1970 innerhalb von zehn Minuten drei Banken in Berlin. Am 15. Februar 1971 prägt die „Bild“-Zeitung den Begriff „Baader-Meinhof-Bande“. Andreas Baader und Ulrike Meinhof ergänzen sich: Während er sich in seinem Tatendrang kaum für Programme interessiert, fungiert die nachdenkliche Journalistin als Ideologin und „PR-Managerin“. Von ihr stammt auch das im April 1971 veröffentlichte Strategiepapier „Das Konzept Stadtguerilla“.

Die RAF-Mitglieder Petra Schelm (Alexandra Maria Lara) und Werner Hoppe fallen am 15. Juli 1971 bei einer Polizeikontrolle in Hamburg auf. Auf der Flucht schießen sie auf die Beamten, und diese erwidern das Feuer. Dabei kommt die zwanzigjährige Terroristin ums Leben. Sie ist die erste Tote in der RAF.

Im Mai 1972 schlägt die RAF zu und versetzt zwei Wochen lang die Menschen in Angst und Schrecken: Bomben explodieren in Frankfurt am Main, Augsburg, München, Karlsruhe, Hamburg und Heidelberg. Vier Menschen sterben, zahlreiche werden verletzt. Erstmals werden nicht nur Sachen zerstört, um gegen die politischen Verhältnisse zu demonstrieren, sondern absichtlich Menschen getötet.

Polizisten mit kugelsicheren Westen verhaften am 1. Juni 1972 Andreas Baader, Holger Meins (Stipe Erceg) und Jan-Carl Raspe (Niels-Bruno Schmidt) in Frankfurt am Main vor laufenden Fernsehkameras: Um 5.50 Uhr steigen die Gesuchten aus einem Porsche. Jan-Carl Raspe wird als Erster überwältigt. Die beiden anderen Terroristen verschanzen sich in einer Garage. Obwohl sie nicht wissen, dass die Polizei in der Nacht den eimerweise dort deponierten Sprengstoff gegen Knochenmehl vertauschte, rauchen sie und schießen auf die Beamten, die Tränengasgranaten in die Garage werfen. Ein Scharfschütze trifft Andreas Baader in den Oberschenkel. Er stürzt und schreit. Holger Meins kommt mit erhobenen Händen aus dem Unterschlupf, muss sich bis auf die Unterhose ausziehen und abführen lassen. Danach wird Andreas Baader an Händen und Füßen aus der Garage gezerrt.

Gudrun Ensslin wird am 7. Juni in einer Hamburger Boutique festgenommen, Ulrike Meinhof am 15. Juni in Hannover-Langenhagen.

Die Einzelhaft in einem isolierten Gefängnistrakt macht Ulrike Meinhof beinahe verrückt.

Holger Meins stirbt am 9. November 1974 in der Haftanstalt von Wittlich an den Folgen eines Hungerstreiks. Aus Rache erschießt ein Kommando der zweiten Generation der RAF am Tag darauf Günter von Drenkmann, den Präsidenten des Berliner Kammergerichts.

Das aus Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer und Ulrich Wessel bestehende „Kommando Holger Meins“ überfällt am 24. April 1975 die deutsche Botschaft in Stockholm und verbarrikadiert sich mit zwölf Geiseln. Damit sollen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und zwei Dutzend weitere RAF-Häftlinge freigepresst werden. Die Terroristen erschießen den Militärattaché Oberstleutnant Andreas von Mirbach und den Wirtschaftsattaché Heinz Hillegaart. Kurz vor Mitternacht explodiert ein von ihnen angebrachter Sprengsatz. Dabei kommt Ulrich Wessel ums Leben, und Siegfried Hausner erliegt zehn Tage später in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart seinen Verletzungen.

In einer eigens auf einem Kartoffelacker in Stuttgart-Stammheim errichteten fensterlosen und sogar gegen Hubschrauberanflüge abgesicherten Mehrzweckhalle beginnt am 21. Mai 1975 unter dem Vorsitz von Theodor Prinzing (Thomas Thieme) der Mordprozess gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe.

Ulrike Meinhof, deren Konflikte mit Gudrun Ensslin und Andreas Baader immer heftiger geworden sind, erhängt sich in der Nacht auf den 9. Mai 1976 in ihrer Zelle.

Als Brigitte Mohnhaupt (Nadja Uhl) am 8. Februar 1977 nach der Verbüßung ihrer Haftstrafe entlassen wird, übernimmt sie die Führung der zweiten Generation der RAF.

Als Generalbundesanwalt Siegfried Buback (Alexander Held), sein Fahrer Wolfgang Göbel und Georg Wurster, der Leiter der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft, am 7. April 1977 mit ihrer Limousine vor einer roten Verkehrsampel in Karlsruhe warten, halten neben ihnen zwei Personen auf einem Motorrad, deren Gesichter durch Integralhelme verborgen sind. Die Person auf dem Soziussitz feuert fünfzehn Mal mit einem halbautomatischen Gewehr durch die Scheiben des Autos und tötet alle drei Insassen. Ein „Kommando Ulrike Meinhof“ bekennt sich zu der Tat.

Am 28. April 1977 werden Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die sechsundzwanzigjährige Susanne Albrecht (Hannah Herzsprung) besucht am 30. Juli 1977 den Bankier Jürgen Ponto (Hubert Mulzer), der gerade mit seiner Ehefrau Ignes (Kirsten Block) auf der Terrasse seiner Villa in Oberursel sitzt. Susanne Albrechts Eltern, die mit dem Ehepaar Ponto befreundet sind, kündigten den Besuch an. Susanne Albrecht bringt Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar (Daniel Lommatzsch) mit; im Wagen wartet Peter-Jürgen Boock (Vinzenz Kiefer). Als der Vorstandssprecher der Dresdner Bank eine Blumenvase für die mitgebrachten Blumen holt, erschießen ihn Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt.

Um Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe freizupressen („Big Raushole“), entführen RAF-Mitglieder der zweiten Generation am 5. September 1977 Hanns Martin Schleyer (Bernd Stegemann), den Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Dabei geht das „Kommando Siegfried Hausner“ mit brutaler Gewalt vor. Innerhalb von eineinhalb Minuten fallen mindestens 119 Schüsse. Sowohl der Fahrer Heinz Marcisz als auch die Polizisten Reinhold Brändle, Roland Pieler und Helmut Ulmer kommen dabei ums Leben.

Die Entführer bringen Hanns Martin Schleyer in eine Wohnung, die sie in einem Hochhaus in Erftstadt-Liblar anmieteten und sperren ihn in einen dafür vorbereiteten Wandschrank. Fieberhaft sucht die Polizei nach dem Entführten, und Horst Herold (Bruno Ganz), der Leiter des Bundeskriminalamts, ordnet die erste Rasterfahndung in der Bundesrepublik an.

Als die von Helmut Schmidt geführte Bundesregierung beschließt, nicht auf die Forderungen der Terroristen einzugehen, setzen sich Brigitte Mohnhaupt und Peter-Jürgen Boock in Bagdad mit Terroristen in Verbindung, die daraufhin am 13. Oktober den Lufthansa-Jet „Landshut“ auf dem Flug von Palma de Mallorca nach Frankfurt am Main in ihre Gewalt bringen. Am 18. Oktober gelingt es einer Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes („GSG 9“), die „Landshut“ auf dem Flughafen in Mogadischu zu stürmen und die Geiseln zu befreien [„Mogadischu“].

Nur wenige Stunden nach dem Eintreffen der Nachricht von der gelungenen Geiselbefreiung in der somalischen Hauptstadt verabreden die RAF-Hälftlinge in Stammheim ihren Selbstmord. Gudrun Ensslin erhängt sich mit einem Lautsprecherkabel in ihrer Zelle, während Andreas Baader und Jan-Carl Raspe sich erschießen. Irmgard Möller sticht sich mit dem Messer ihres Essbestecks mehrmals in die Brust, aber die Verletzungen waren nicht lebensgefährlich.

Am Tag darauf wird Hanns-Martin Schleyers Leiche im Kofferraum eines in Mühlhausen geparkten Autos gefunden.

„Der Baader Meinhof Komplex“ endet damit, dass Brigitte Mohnhaupt (Nadja Uhl) die jüngeren Mitglieder RAF davor warnt, sich falsche Vorstellungen von Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Holger Meins und Jan-Carl Raspek zu machen: „Ihr kanntet sie nicht. Hört auf sie so zu sehen, wie sich nicht waren.“

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Bernd Eichinger (Drehbuch) und Uli Edel (Regie) haben sich viel vorgenommen: die Verfilmung eines dicken Sachbuchs von Stefan Aust („Der Baader-Meinhof-Komplex“) bzw. die Geschichte der RAF („Baader-Meinhof-Bande“) von der Erschießung des Demonstranten Benno Ohnesorg im Jahr 1967 bis zum „deutschen Herbst“ 1977 in gut zwei Stunden.

In der knappen Zeit können sie nur die wichtigsten Ereignisse und Zusammenhänge skizzieren. Einiges zeigen Bernd Eichinger und Uli Edel im Stil einer „Bild“-Schlagzeile – (zu) kurz und reißerisch –, aber sie verstehen ihr Handwerk und vermitteln die Geschichte der ersten Generation der RAF in vielen prägnanten, aussagekräftigen Episoden. Auch die psychischen Veränderung der von Moritz Bleibtreu, Johanna Wokalek und Martina Gedeck dargestellten Hauptakteure Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof vollziehen sie nach. Für subtile psychologische oder politische Analysen ist das Tempo des Films allerdings zu hoch. Und wir werden in „Der Baader Meinhof Komplex“ weder ausreichend über die Ursachen noch über die politischen Folgen des RAF-Terrors aufgeklärt. Beispielsweise ignorieren Bernd Eichinger und Uli Edel eine brisante Parallele zwischen damals und heute: Auch im aktuellen Krieg gegen den Terrorismus wird die Angst der Bürger vor Anschlägen missbraucht, um Grundrechte beschneiden zu können.

Entsprechend der Buchvorlage von Stefan Aust – der die Filmemacher auch beriet – moralisieren Bernd Eichinger und Uli Edel nicht. Sie vermeiden Wertungen und versuchen, einfach nur die Chronologie der Ereignisse zwischen 1967 und 1977 zu zeigen.

Michael Buback, der Sohn des 1977 von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, moniert, dass Uli Edel und Bernd Eichinger in „Der Baader Meinhof Komplex“ zu wenig auf die Opfer eingingen, und es sich sich um einen reinen „Täterfilm“ handele.

Akribisch wurden Szenen nachgestellt, an die wir uns aufgrund von Zeitungsfotos erinnern, so zum Beispiel die Szene, in der Benno Ohnesorg (Martin Glade) am 2. Juni 1967 wie auf einem Pressefoto von Jürgen Henschel sterbend am Boden liegt. Uli Edel imitiert gewissermaßen die Vergangenheit, nicht nur durch möglichst authentische Szenen, sondern auch durch eingeblendete Originalaufnahmen wie etwa bei der Stürmung der entführten Lufthansa-Maschine „Landshut“ in Mogadischu am 18. Oktober 1977. „Der Baader Meinhof Komplex“ ist jedoch alles andere als ein Dokumentarfilm, denn Bernd Eichinger und Uli Edel haben bezeugte Begebenheiten fiktiv ergänzt und verdichtet. In mindestens einer Szene sind sie auch von der Wirklichkeit abgewichen: Andreas Baader wurde am 3. April 1970 nicht festgenommen, weil er zu schnell fuhr und einem Streifenpolizisten auffiel, sondern weil er von einem Spitzel des Verfassungsschutzes in eine Falle gelockt wurde.

Aust, Eichinger und Edel sichern sich ab, für jedes Einschussloch können sie auf Anfrage den korrespondierenden Aktenvermerk aus der Tasche ziehen. Aber es bleibt Raum für Suggestion. Viel Raum. (Tobias Kniebe, Süddeutsche Zeitung 26. Oktober 2008)

Dramaturgisch „überhöht“ hat Uli Edel in „Der Baader Meinhof Komplex“ vor allem die Gewaltszenen, so zum Beispiel:

  • Straßenschlacht vor der Deutschen Oper in Berlin am 2. Juni 1967
  • Anschlag des Hilfsarbeiters Josef Bachmann (Tom Schilling) auf den Studentenführer Rudi Dutschke (Sebastian Blomberg) am 11. April 1968 in Berlin
  • Banküberfälle der RAF am 29. September 1970
  • Schusswechsel zwischen Petra Schelm (Alexandra Maria Lara), Werner Hoppe und der Polizei am 15. Juli 1971 in Hamburg, bei dem die 20-jährige Terroristin ums Leben kam
  • Bombenanschläge der RAF im Mai 1972
  • Autobombenanschlag auf den Bundesrichter Wolfgang Buddenberg, bei dem dessen Ehefrau am 15. Mai 1972 in Karlsruhe schwer verletzt wurde
  • Verhaftung von Andreas Baader, Holger Meins (Stipe Erceg ) und Jan-Carl Raspe (Niels-Bruno Schmidt) am 1. Juni 1972 in Frankfurt am Main
  • Ermordung des Richters Günter von Drenkmann am 10. November 1974 in Berlin
  • Stürmung der deutschen Botschaft in Stockholm durch das „Kommando Holger Meins“ und die Erschießung der Diplomaten Andreas von Mirbach und Heinz Hillegaart am 24. April 1975
  • Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback (Eckhard Dilssner) am 7. April 1977 in Karlsruhe
  • Ermordung des Bankiers Jürgen Ponto (Hubert Mulzer) am 30. Juli 1977 in Oberursel
  • Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer (Bernd Stegemann) am 5. September 1977 in Köln – bei der mindestens 119 Schüsse fielen und sowohl der Fahrer Heinz Marcisz als auch die Polizisten Reinhold Brändle, Roland Pieler und Helmut Ulmer getötet wurden – und seine Erschießung am 18. Oktober 1977 im Elsass

Nur die Explosionen und Kugeln sind fast alle drin, sogar solche, die der Autor Aust nicht einmal erwähnt hat. Kopfschuss Petra Schelm, Bombe bei der US Army in Heidelberg, verstümmelte Soldaten, Rumms in Augsburg, Bumms in München, Anschlag bei Springer, Drenkmann-Hinrichtung, Botschaft Stockholm, Buback und die Motorradkiller, Ponto beim Kaffeetrinken, bang boom bang. Schleyer in der Vincenz-Statz-Straße, ratatatatatat. Und darüber immer wieder Bekennerschreiben, im Theatertremolo rezitiert. (Tobias Kniebe, a. a. O.)

Kinobesucher, die zu jung sind, um sich an die Ereignisse 1967 bis 1977 zu erinnern und die sich auch nicht vorab über die RAF informiert haben, bekommen in „Der Baader Meinhof Komplex“ vermutlich nur einen verschwommenen Eindruck, zumal es nicht leicht ist, bei 123 Sprechrollen und 140 verschiedenen Schauplätzen den Überblick zu bewahren.

Bernd Eichinger diktierte das Drehbuch im Januar/Februar 2007 in Los Angeles.

Die Figur des von Heino Ferch gespielten Assistenten Dietrich Koch des BKA-Chefs Horst Herold (Bruno Ganz) ist fiktiv.

Darsteller und ihre Rollen in „Der Baader Meinhof Komplex“:
Martina Gedeck (Ulrike Meinhof), Moritz Bleibtreu (Andreas Baader), Johanna Wokalek (Gudrun Ensslin), Bruno Ganz (Horst Herold), Heino Ferch (Dietrich Koch), Nadja Uhl (Brigitte Mohnhaupt), Simon Licht (Horst Mahler), Jan Josef Liefers (Peter Homann), Alexandra Maria Lara (Petra Schelm), Hannah Herzsprung (Susanne Albrecht), Niels-Bruno Schmidt (Jan Carl Raspe), Stipe Erceg (Holger Meins), Daniel Lommatzsch (Christian Klar), Vinzenz Kiefer (Peter-Jürgen Boock), Katharina Wackernagel (Astrid Proll), Johannes Suhm (Thorwald Proll), Sebastian Blomberg (Rudi Dutschke), Tom Schilling (Josef Bachmann), Thomas Thieme (Theodor Prinzing), Michael Gwisdek (Helmut Ensslin), Elisabeth Schwarz (Ilse Ensslin), Bernd Stegemann (Hanns Martin Schleyer), Hubert Mulzer (Jürgen Ponto), Kirsten Block (Ignes Ponto), Alexander Held (Horst Buback), Hans Werner Meyer (Klaus Rainer Röhl), Volker Bruch (Stefan Aust), Christian Blümel (Siegfried Hausner), Martin Glade (Benno Ohnesorg), Joachim Paul Assböck (Günther Scheicher), Leonie Brandis (Friederike Dollinger), Hannes Wegener (Willy Peter Stoll), Susanne Bormann (Peggy), Anna Thalbach (Ingrid Schubert), Jasmin Tabatabai (Hanne), Annika Kuhl (Irmgard) u. a.

Katja Eichinger: Der Baader Meinhof Komplex. Das Buch zum Film (Hoffmann und Campe, Hamburg 2008, ISBN 978-3-455-50096-7).

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Filmkritik: © Dieter Wunderlich 2008

RAF. „Baader-Meinhof-Bande“
Der Deutsche Herbst
Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“
Stefan Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex

Andreas Baader (Kurzbiografie)
Ulrike Meinhof (Kurzbiografie)
Gudrun Ensslin (Kurzbiografie)
Holger Meins (Kurzbiografie)
Rudi Dutschke (Kurzbiografie)
Horst Herold (Kurzbiografie)

Martina Gedeck (Kurzbiografie)

Uli Edel: Letzte Ausfahrt Brooklyn
Uli Edel: Die Nibelungen
Uli Edel: Das Adlon. Eine Familiensaga

Andreï Makine - Die Frau vom Weißen Meer
Andreï Makine evoziert in dieser scheinbar schlichten Liebesgeschichte eine dichte, rätselhafte und erotisch aufgeladene Atmosphäre. "Die Frau vom Weißen Meer" ist ein sehr poetischer Roman und gehört zur großen Literatur.

Die Frau vom Weißen Meer