Nachtblende

Nachtblende

Nachtblende

Nachtblende – Originaltitel: L'important c'est d'aimer – Regie: Andrzej Zulawski – Drehbuch: Christopher Frank und Andrzej Zulawski, nach dem Roman "La nuit americaine" von Christopher Frank – Kamera: Ricardo Aronovich – Schnitt: Christiane Lack – Musik: Georges Delerue – Darsteller: Romy Schneider, Fabio Testi, Jacques Dutronc, Claude Dauphin, Roger Blin, Gabrielle Doulcet, Michel Robin, Klaus Kinski, Guy Mairesse, Nicoletta Machiavelli u.a. - 1975; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Der Fotograf Servais Mont verliebt sich in die seit sechs Jahren mit einem lebensuntüchtigen Mann verheiratete Schauspielerin Nadine Chevalier, die nur Rollen in Pornofilmen angeboten bekommt. Um ihr heimlich eine Rolle in einem Shakespeare-Stück zu verschaffen, bezahlt Servais für die Theateraufführung und leiht sich das Geld von einem Mafioso, der sich dafür von ihm Pornobilder machen lässt. Aber das Stück wird von den Kritikern verrissen ...
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Kritik

"Nachtblende" ist ein sprödes, trostloses und atmosphärisch dichtes Psychogramm über ein unglückliches Beziehungsgeflecht, kein "Wohlfühl-Kino", aber sehr überzeugend, v. a. auch durch schauspielerische Leistungen.
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Nadine Chevalier (Romy Schneider) sitzt halb nackt auf einem blutüberströmt am Boden liegenden Mann. Es ist ihr Filmpartner in dem Pornofilm „Nympho-Kuda“. Die Regisseurin drängt Nadine, endlich „ich liebe dich“ zu sagen, aber die Schauspielerin verzweifelt darüber, denn sie assoziiert den Satz mit ihrer eigenen unglücklichen Situation. Während sie sich vergeblich bemüht, entdeckt sie den Paparazzo Servais Mont (Fabio Testi), der heimlich Fotos von ihr macht. Servais wird von zwei Männern hinausgeworfen, und die Dreharbeiten gehen die ganze Nacht weiter.

Am nächsten Morgen taucht Servais bei Nadine und ihrem Ehemann Jacques Chevalier (Jacques Dutronc) auf und bittet die Dreißigjährige, noch einige Fotos von ihr machen zu dürfen, damit er die Aufnahmen einer Illustrierten verkaufen kann. Während Jacques herumalbert und Kaffee kocht, lässt seine Frau sich von Servais fotografieren und verabredet sich heimlich mit ihm für den nächsten Tag.

Jacques ist im Kino, als Servais zur vereinbarten Zeit klingelt. Nadine hätte nichts dagegen, mit Servais ins Bett zu gehen, aber ihm ist nicht nach Sex zumute: Der Melancholiker fühlt sich einfach nur zu der unglücklichen Frau hingezogen, ebenso wie sie sich nach seiner Nähe sehnt. Da sie nicht wissen, worüber sie reden sollen, steht Servais nach kurzer Zeit abrupt auf und geht.

In seiner eigenen Wohnung – in der Servais mit Luce (Nicoletta Machiavelli), der Ehefrau des alkoholkranken Schriftstellers Raymond Lapade (Michel Robin) zusammen lebt – sucht sein heruntergekommener, drogensüchtiger Vater (Roger Blin) unerwartet Unterschlupf.

Um Nadine eine ernsthafte Theaterrolle zu verschaffen, wendet Servais sich an Raymond, der ihn an den erfolglosen Regisseur Laurent Messala (Guy Mairesse) und den narzisstischen Schauspieler Karl-Heinz Zimmer (Klaus Kinski) verweist, die das Schauspiel „Richard III.“ von William Shakespeare aufführen möchten, aber keinen Produzenten finden. Das homosexuelle Paar verlangt von Servais 10 000 Francs dafür, dass Nadine – die glauben soll, die Theaterleute seien von sich aus auf sie zugekommen – die Rolle der Lady Anne spielen darf.

Das Geld leiht Servais sich von dem Mafioso Mazelli (Claude Dauphin), der sich dafür von ihm Pornobilder machen lässt. Das widert Servais zwar ebenso an wie die heuchlerische Bemutterung durch Madame Mazelli (Gabrielle Doulcet), aber für Nadine ist er bereit, alles zu tun.

Raymond bricht aufgrund seiner Alkoholkrankheit zusammen und stirbt im Krankenhaus.

Das von Laurent Messala inszenierte Theaterstück wird nach der Premiere von den Kritikern verrissen.

Bevor Karl-Heinz Zimmer abreist, schenkt der reiche Schauspieler Servais einen Scheck über einen großzügigen Geldbetrag. Den reicht Servais aus Mitleid an Jacques weiter, der sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält und bei jeder Gelegenheit ins Kino flüchtet. Jacques, der Mitleid nicht ertragen kann, sagt zu Nadine: „Ich könnte alles für dich tun – außer leben.“ Er überschreibt sein Konto Nadine und bringt sich mit einer Überdosis Schlaftabletten qualvoll um.

Weil Servais kein Geld mehr für Nadine benötigt, weigert er sich, weiter für Mazelli zu arbeiten, der daraufhin die Rückzahlung der Schulden innerhalb von zehn Tagen verlangt.

Am elften Tag kommt der Mafioso mit seiner Frau und einigen Kumpanen zu Servais. Der gibt ihm den Scheck, den er inzwischen zurückbekommen hat. Damit sind seine Schulden abbezahlt, aber Mazelli, dem es weniger auf Geld als auf Macht ankommt, lässt ihn dennoch brutal zusammenschlagen.

Nadine findet Servais blutüberströmt auf dem Boden seiner Wohnung liegend vor. Zärtlich flüstert sie: „Ich liebe dich.“

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In „Nachtblende“ – der Verfilmung des Romans „La nuit americaine“ (1972) von Christopher Frank – geht es um ein Geflecht unglücklicher Beziehungen: Die erfolglose Schauspielerin Nadine liebt Jacques, einen Verlierertyp, der seine Lebensunfähigkeit mit Albernheiten überspielt und nicht in der Lage ist, ihre Gefühle ernsthaft zu erwidern. In ihrer Verzweiflung sucht Nadine Halt bei Servais. Der Fotograf verschafft ihr aus Liebe heimlich eine Theaterrolle, aber er weiß, dass er sie nicht ganz für sich haben kann, solange Jacques da ist, und eine Affäre mit ihr ist ihm zu wenig. Erst Jacques‘ Suizid löst das quälende Dreiecksverhältnis auf. Der Unterschied zwischen der Eingangs- und der Schlussszene symbolisiert die Entwicklung, aber Andrzej Zulawski lässt das Ende offen. Er zeigt in „Nachtblende“ auch, wie die Beziehungen der Figuren mit Geld und Macht zusammenhängen. Nicht zuletzt kann man „Nachtblende“ als Reflexion über die Frage nach dem Sinn des Lebens verstehen und darüber, was die Kommerzialisierung für Künstler bedeutet.

Auch wenn die Handlung scheinbar nachlässig aufgebaut ist, fasziniert „Nachtblende“ als sprödes, trostloses und atmosphärisch dichtes Psychogramm. Andrzej Zulawski trieb die Schauspieler dazu an, bei der Darstellung ihres Leidens bis an ihre Grenzen zu gehen und dabei mitunter wie auf einer Bühne zu agieren. Zugleich hielt er sich bei der Inszenierung wie ein emotionsloser Beobachter zurück und vermied jede Rührseligkeit: „Nachtblende“ ist alles andere als „Wohlfühl-Kino“.

Romy Schneider wurde für die Rolle mit einem „César“ ausgezeichnet. Auch ihr Filmpartner Fabio Testi und die übrigen Darsteller überzeugen durch eindrucksvolle schauspielerische Leistungen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

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