Olof Palme
Olof Palme wurde am 30. Januar 1927 in Stockholm geboren. Obwohl seine Familie zum Großbürgertum gehörte, schloss er sich an der Universität in Stockholm dem Sozialdemokratischen Studentenverein an, und 1952 ließ er sich zum Vorsitzenden der Schwedischen Hochschülerschaft wählen.
Im Jahr darauf stellte der sozialdemokratische Ministerpräsident Tage Erlander (1901 – 1985) den Sechsundzwanzigjährigen als Sekretär ein. Zehn Jahre später wurde Olof Palme Staatsrat, 1965 Minister, und 1969 folgte er Tage Erlander als Parteivorsitzender und Regierungschef.
In der Innenpolitik setzte sich Olof Palme für Reformen zugunsten des Sozialstaates ein und förderte die Nutzung der Kernspaltung zur Energiegewinnung. Außenpolitisch unterstützte er Abrüstungsbemühungen, kritisierte die USA wegen des Vietnam-Kriegs und die Apartheid in Südafrika.
Nach der Wahlniederlage 1976 führte Olof Palme die Sozialdemokraten in der Opposition. 1982 kehrte er ins Amt des Ministerpräsidenten zurück.
1949 bis 1952 war Olof Palme mit der Tschechin Jelena Rennerova verheiratet gewesen. 1956 heiratete er die Psychologin Lisbet Beck-Friis. Sie bekamen drei Söhne: Joakim, Mårten und Mattias.
Am 28. Februar 1986 schauten sich Olof und Lisbet Palme zusammen mit einem der Söhne und dessen Freundin im Kino Grand in Stockholm die Filmkomödie „Bröderna Mozart“ („Die Gebrüder Mozart“) von Suzanne Osten an. Auf Polizeischutz verzichteten sie. Als das Ehepaar danach zu Fuß nach Hause gehen wollte, erschoss jemand an der Ecke Sveavägen / Tunnelgatan Olof Palme aus nächster Nähe von hinten und verletzte Lisbet Palme mit einem zweiten Schuss leicht am Rücken.
Ein Zeuge verfolgte den Mörder, verlor ihn jedoch nach kurzer Zeit aus den Augen.
Nicht die Polizei, sondern Passanten fanden am nächsten bzw. übernächsten Tag die beiden auf Olof und Lisbet Palme abgefeuerten Geschosse, Kugeln des Kalibers .357, möglicherweise aus einem Magnum-Revolver von Smith &Wesson.
Die Fahndung nach dem Attentäter wurde durch Rivalitäten zwischen der Stockholmer Stadtpolizei und dem nationalen Nachrichtendienst Säkerhetspolisen (Säpo) beeinträchtigt.
Hans Holmér, der Polizeichef von Stockholm, verstrickte sich in widersprüchliche Aussagen, als er wegen des Einsatzes kritisiert wurde. Beispielsweise log er, zum Zeitpunkt des Attentats in einem Hotel in Borlänge gewesen zu sein.
Am 12. März 1986 wurde der Rechtsextremist Victor Gunnarsson verhaftet, aber nach einer Woche wieder freigelassen. Er setzte sich in die USA ab, wo er 1994 ermordet wurde.
Ein dreiviertel Jahr später, am 20. Januar 1987, ließ Hans Holmér etwa zwanzig Kurden im Zusammenhang mit dem Mordanschlag auf Olof Palme festnehmen und Hausdurchsuchungen bei ihnen vornehmen, aber innerhalb von einer Woche ließ der zusständige Richter alle wieder frei. Nach diesem Fehlschlag musste Holmér die Leitung der Ermittlungen dem Generalstaatsanwalt überlassen.
Ende 1988 verhaftete die Polizei einen vorbestraften und drogensüchtigen Mann namens Christer Pettersson (1947 – 2004), den man bereits im Mai 1986 vernommen hatte. Er wurde im Juli 1989 vom Amtsgericht in Stockholm verurteilt, im November jedoch vom Obersten Gerichtshof aus Mangel an Beweisen freigesprochen, nicht zuletzt weil Lisbet Palme bei der Gegenüberstellung am 14. Dezember 1988 einen Hinweis auf Pettersson bekommen hatte. (Im Februar 2007 behauptete eine Frau, ihr inzwischen verstorbener Freund Christer Pettersson habe ihr die Ermordung Olof Palmes gestanden.)
Der Mord an Olof Palme blieb unaufgeklärt. Verschwörungstheorien verbreiteten sich. Es hieß, die Säpo habe das Attentat in Auftrag gegeben oder zumindest die Ermittler in die Irre geführt. Verdächtigt wurden auch die Kurdische Arbeiterpartei (PKK), das südafrikanische Apartheid-Regime, die kroatische Ustascha und die CIA. Einer anderen Hypothese zufolge handelte es sich bei dem Anschlag um einen Racheakt der RAF für das Vorgehen Schwedens bei der Besetzung der deutschen Botschaft in Stockholm am 24. April 1975 durch das „Kommando Holger Meins“.
Als die schwedische Außenministerin Anna Lindh am 10. September 2003 in einem Kaufhaus ermordet wurde, flammte die Diskussion über das Attentat gegen Olof Palme wieder auf.
In dem am 26. Februar 2006 erstmals ausgestrahlten Fernsehfilm „Jag såg mordet på Palme“ heißt es, Christer Pettersson habe Olof Palme zwar ermordet, ihn dabei jedoch mit dem Drogenhändler Sigge Cedergren verwechselt, den er eigentlich hatte töten wollen.
Die zur Aufklärung des Mordfalls gebildete Sonderkommission überprüfte 18 000 Hinweise und Spuren. Die aus einer halben Million Seiten bestehenden Akten belegen 225 Meter Regal. Das ist mehr Material, als nach der Ermordung von John F. Kennedy oder nach dem Lockerbie-Attentat zusammengetragen wurde. Aus finanziellen Gründen scheiterten Bemühungen, die Unterlagen einzuscannen und für eine elektronische Bearbeitung vorzubereiten.
In seinem 2007 veröffentlichten Kriminalroman „Zweifel“ veranschaulicht der Kriminologieprofessor und Schriftsteller Leif GW Persson die sogenannte Polizeispur, die der Journalist Sven Anér als einer der Ersten in die Diskussion eingebracht hatte.
© Dieter Wunderlich 2011
Leif GW Persson: Zweifel