Wiedersehen in Howards End

Wiedersehen in Howards End
Wiedersehen in Howards End - Originaltitel: Howards End - Regie: James Ivory - Drehbuch: Ruth Prawer Jhabvala, nach dem Roman "Howards End" von Edward Morgan Forster - Kamera: Tony Pierce-Roberts - Schnitt: Andrew Marcus - Musik: Richard Robbins - Darsteller: Anthony Hopkins, Emma Thompson, Helena Bonham Carter, Vanessa Redgrave, Samuel West, James Wilby, Jemma Redgrave, Prunella Scales, Joseph Bennett, Adrian Ross Meggenty, Nicola Duffett, Susie Lindeman u.a. - 1992; 135 Minuten

Inhaltsangabe

Die idealistisch, unkonventionell und selbstständig denkenden Geschwister Margaret (29), Helen (21) und Theobald Schlegel (16) wohnen zu Beginn des 20. Jahrhundert in London. Während eines Besuchs bei der neureichen Industriellenfamilie Wilcox auf dem Landsitz Howards End verliebt Helen sich überstürzt in einen der beiden Söhne ...
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Kritik

Werkgetreue und erlesen inszenierte Verfilmung des 1910 veröffentlichten gesellschaftskritischen Romans "Wiedersehen in Howards End" von Edward Morgan Forster.


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Die Handlung spielt nach dem Tod Königin Viktorias, also zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in London und Umgebung.

Die Geschwister Margaret (Emma Thompson), Helen (Helena Bonham Carter) und Tibby Schlegel (Adrian Ross Magenty) leben in ihrem gut eingerichteten Geburtshaus am Wickham-Place in London. Es sind junge, lebensfrohe, unkonventionelle und selbstständig denkende Menschen, die gern andere Leute zu Diskussionen einladen.

Ihre Mutter Emily starb bei der Geburt Tibbys. Margaret war damals dreizehn, Helen fünf. Ihr Vater Ernst Schlegel, ein aus Deutschland stammender Idealist, folgte seiner Frau fünf Jahre später ins Grab.

Sechzehn Jahre nach dem Tod ihrer Mutter lernen Helen und Margaret während einer Deutschlandreise bei einem Ausflug von Heidelberg nach Speyer den Industriellen Henry Wilcox (Anthony Hopkins) und dessen Ehefrau Ruth (Vanessa Redgrave) kennen. Einer Einladung des älteren Ehepaars auf den Landsitz Howards End bei dem Dorf Hilton in Hertfordshire kann nur Helen Folge leisten, weil Margaret sich um den unter Heuschnupfen leidenden Bruder kümmern muss. Helen schreibt ihrer älteren Schwester begeisterte Briefe aus Howard Ends und schwärmt von der neureichen Familie. Nach ein paar Tagen teilt Helen mit, sie habe sich in Paul Wilcox (Joseph Bennett), den jüngeren der beiden Söhne verliebt. Das beunruhigt Margaret und ihre Tante Juley Munt (Prunella Scales), die zu Besuch aus Swanage nach London gekommen ist. Die Tante besteht darauf, mit der Bahn nach Howards End zu fahren und dort nach dem Rechten zu sehen. Sie ist bereits abgereist, als Margaret ein Telegramm erhält: „Alles aus. Wünschte, ich hätte nie geschrieben. Sag’s keinem! – Helen.“

Ohne vom Ende des Flirts etwas zu ahnen, trifft Juley Munt am Bahnhof in Hilton zufällig Charles Wilcox (James Wilby), verwechselt ihn jedoch mit seinem jüngeren Bruder Paul und versucht ihn ungeschickt über seine Gefühle für ihre Nichte auszufragen. Charles, der nichts davon wusste, dass Paul und Helen sich geküsst hatten, nimmt sich sofort vor, seinen Bruder wegen dieser „Dummheit“ zur Rede zu stellen, und er klärt die Besucherin während der Autofahrt nach Howards End darüber auf, dass Paul in Kürze nach Nigeria gehen werde und auf Jahre hinaus nicht ans Heiraten denken könne.

Krank und gedemütigt kehren Helen und ihre Tante nach London zurück.

Als Helen beim vorzeitigen Aufbruch von einer Konzertaufführung aus Versehen einen fremden Regenschirm mitnimmt, lernen sie und ihre Geschwister Leonard Bast (Samuel West) kennen, einen zwanzigjährigen Versicherungsangestellten, der von Musik und Literatur schwärmt, aber weder zeitlich noch finanziell in der Lage ist, sich eingehender damit zu beschäftigen. Von seinem kümmerlichen Gehalt kann der Zwanzigjährige kaum den Lebensunterhalt für sich und seine dreizehn Jahre ältere Braut Jacky (Nicola Duffett) bestreiten, aber er hat ihr versprochen, sie zu heiraten, sobald er volljährig ist.

Helen und Margaret finden es entsetzlich, dass ein sensibler junger Mann, der sich für Kunst und Kultur interessiert, keine Möglichkeit hat, sich weiterzubilden, und sie überlegen, wie sie ihm helfen können. Henry Wilcox, dem sie zufällig begegnen, fragen sie um Rat. Er will sich nicht einmischen, meint aber: „Nehmen Sie bloß nicht diese sentimentale Haltung gegenüber den Armen ein!“ Als er erfährt, dass der mittellose Angestellte bei der Feuerversicherungsgesellschaft Porphyrion beschäftigt ist, warnt er vor dem unmittelbar bevorstehenden Bankrott des Unternehmens. Helen und Margaret empfehlen Leonard Bast daraufhin, sich nach einer besseren Stelle umzusehen.

Bald darauf mieten die Wilcox eine möblierte Wohnung in dem prunkvollen Block gegenüber dem Haus der Schlegel-Geschwister am Wickham-Place. Paul ist inzwischen in Nigeria. Charles hat Dolly Fussell (Susie Lindeman), die Tochter eines britischen Offiziers im Ruhestand, geheiratet. Helen, die das demütigende Erlebnis in Howards End nicht vergessen kann und niemand aus der Familie Wilcox auf der Straße begegnen möchte, ist froh, dass ihre Cousine Frieda Mosebach sie für einige Wochen nach Stettin eingeladen hat.

Während Henry Wilcox sich mit seiner Tochter Evie (Jemma Redgrave) von dem Chauffeur Crane (Rodney Rymell) übers Land fahren lässt und seine Frau allein in London wohnt, befreundet die Einundfünfzigjährige sich mit der zweiundzwanzig Jahre jüngeren Margaret Schlegel, obwohl die beiden Frauen grundverschieden sind: Im Gegensatz zu der sensiblen, belesenen und gebildeten jungen Frau hat Ruth Wilcox nur einen sehr einfachen Geschmack und interessiert sich weder für Konzerte noch für Theateraufführungen oder Kunstausstellungen.

Als Ruth Wilcox erfährt, dass der Mietvertrag der Geschwister Schlegel in zwei bis drei Jahren ausläuft und ihr Geburtshaus dann abgerissen werden soll, damit auf dem teuren Grundstück ein größerer Block mit Mietwohnungen errichtet werden kann, bedauert sie Margaret und möchte ihrer Freundin ihr eigenes, zu ihrem persönlichen Besitz gehörendes Geburtshaus in Howards End zeigen. Doch am Bahnhof King’s Cross stoßen die beiden Damen zufällig auf Henry und Evie Wilcox, die nach einem unbedeutenden Verkehrsunfall ebenfalls den Zug nach Hilton nehmen wollen. Margaret will sich der Familie nicht aufdrängen und bleibt in London zurück.

Ohne Margaret das Landhaus gezeigt zu haben, stirbt Ruth Wilcox an einer seit längerem auch ihrem Mann verschwiegenen Krankheit. Die Oberin des Krankenhauses schickt dem Witwer einen mit Bleistift beschriebenen, undatierten und nicht unterzeichneten Zettel der verstorbenen Patientin: „Ich möchte, dass Miss Schlegel (Margaret) Howards End bekommt.“ Henry Wilcox versammelt Charles, Evie und Dolly um sich. (Paul Wilcox befindet sich noch in Nigeria.) Der Familienrat hält das Papier für rechtlich ungültig und kommt zu der Überzeugung, dass die Verstorbene bereits geistig verwirrt war, als sie den Satz hinkritzelte. Howards End müsse im Familienbesitz bleiben. Man beschließt, die Notiz zu verbrennen. Die Sorge, Margaret Schlegel könne etwas davon wissen, erweist sich als unbegründet. Sie wird schließlich mit einem Riechfläschen zur Erinnerung an Ruth Wilcox abgespeist.

Bei mehreren Begegnungen im Verlauf der nächsten drei Jahre kommen Henry Wilcox und Margaret Schlegel sich trotz des Altersunterschieds allmählich näher. Unter dem Vorwand, sein Haus in der Ducie Street aufgeben und es den beiden Schwestern – Tibby studiert inzwischen in Oxford – vermieten zu wollen, verabredet Henry Wilcox sich mit Margaret und macht ihr während der Besichtigung unbeholfen einen Heiratsantrag.

Leonard Bast folgte dem Rat der beiden besorgten Schwestern, kündigte bei der Versicherungsgesellschaft und begann bei der Dempster-Bank zu arbeiten, obwohl er dort weniger verdient. Als Margaret ihrem Bräutigam davon erzählt, meint er geistesabwesend, Porphyrion sei aufgrund einiger Änderungen kein gefährdetes Unternehmen mehr. Bast hat also unnötigerweise gekündigt und ein geringeres Einkommen in Kauf genommen! Während Henry Wilcox nicht weiter darüber nachdenkt, bedauern Helen und Margaret zutiefst, Leonard Bast durch einen zwar gut gemeinten, aber falschen Rat geschadet zu haben.

Die inzwischen achtzehnjährige Evie Wilcox heiratet Percy Cahill (Mark Payton), einen Onkel ihrer Schwägerin Dolly. Während der Hochzeitsfeier taucht plötzlich Helen mit dem seit drei Jahre verheirateten Paar Leonard und Jackie Bast auf. Um Personal abzubauen, entließ die Dempster-Bank die zuletzt eingestellten Mitarbeiter, darunter Leonard Bast. Als Helen davon erfuhr, suchte sie das Ehepaar auf, bezahlte die ausstehende Miete und bestellte sie für den nächsten Morgen zum Bahnhof Paddington. Sie will dafür sorgen, dass Henry Wilcox dem Arbeitslosen eine neue Stelle verschafft. Bevor es zu einem Skandal kommt, beschwört Margaret ihre Schwester, mit ihren Schützlingen in das nah gelegene Hotel George zu gehen und verspricht, mit ihrem Bräutigam über den Fall zu reden.

Tatsächlich erklärt Henry Wilcox sich bereit, dem Arbeitslosen zu helfen. Da trifft er im Garten auf die inzwischen angetrunkene und Kuchen essende Jacky Bast, die ihn beim Vornamen nennt. Kennen sich die beiden? Wütend und zerknirscht gesteht Henry Wilcox seiner Braut, er habe vor zehn Jahren, in einer Garnisonsstadt auf Zypern, eine Affäre mit Jacky gehabt und seine Ehefrau betrogen. Zugunsten des Ehemanns der Frau, die ihn soeben desavouiert hat, wird er nun doch nichts unternehmen. Margaret gibt er frei.

Am anderen Morgen fragt Margaret im Hotel nach Helen und dem Ehepaar Bast, aber sie sind abgereist. Helen hält sich monatelang in Deutschland auf und kommt auch nicht zur Eheschließung von Margaret und Henry Wilcox, die sich wieder versöhnt haben.

Hamar Bryce, der Mieter von Howards End, stirbt im Ausland, und das Landhaus steht leer, weil kein Familienmitglied dort wohnen möchte. Henry Wilcox stimmt zu, es zur Einlagerung der Möbel aus der aufgegebenen Wohnung der Schlegels in London zu verwenden. Miss Avery (Barbara Hicks) vom benachbarten Bauernhof soll nach dem Haus sehen und hin und wieder lüften. Ohne einen entsprechenden Auftrag packt sie in tagelanger Arbeit die Umzugskisten aus und richtet die Zimmer mit den Schlegel-Möbeln ein. Margaret will gerade dafür sorgen, dass alles erneut verpackt und anderswo untergebracht wird, da erkrankt ihre Tante Juley schwer und sie muss zu ihr nach Swanage. Weil zu befürchten ist, dass die Kranke stirbt, kommt auch Helen erstmals nach acht Monaten wieder aus Deutschland, doch als sie in London erfährt, dass Juley dabei ist, sich zu erholen, will sie nicht einmal ihre Schwester sehen, gleich wieder abreisen und nur ein paar ihrer Bücher aus Howards End mitnehmen.

Margaret ist über Helens Weigerung, sich mit ihr zu treffen, irritiert und befürchtet, sie sei psychisch erkrankt. Aus Sorge lässt sie sich überreden, Helen mit Henry und dem Arzt Dr. Mansbridge (Peter Darling) in Howards End abzupassen. Als sie ihre Schwester erblickt, begreift sie sofort die Ursache für deren eigenartiges Verhalten: Sie ist schwanger. Margaret schickt die Männer fort und geht allein zu Helen. Die hält daran fest, so rasch wie möglich zu ihrer Freundin Monica nach München zurückzufahren. Statt in einem Hotel möchte Helen in Howards End übernachten und am nächsten Morgen den Zug nach London nehmen. Margaret hält es für erforderlich, die Erlaubnis ihres Mannes einzuholen, doch bevor sie ihn darum bitten kann, will er den Namen von Helens „Verführer“ wissen. Margaret hat ihre Schwester jedoch noch gar nicht nach dem Vater des ungeborenen Kindes gefragt. Um seinen Ruf besorgt, verlangt Henry Wilcox von seiner Frau, Helen in einem Hotel unterzubringen. Da begehrt Margaret gegen ihn auf und übernachtet trotz seines Verbots mit Helen in Howards End. Ein kleiner Junge vom Bauernhof (Luke Parry) versorgt sie mit Milch und Eiern. Helen berichtet ihrer Schwester, was geschehen war, nachdem sie die Hochzeitsfeier von Evie und Percy verlassen hatte. Während die betrunkene Jackie im Hotelzimmer eingeschlafen war, hatte sie aus Zorn, Mitleid und Einsamkeit deren Ehemann verführt.

Dem arbeitslosen Leonard Bast blieb nichts anderes übrig, als seinen Bruder und seine beiden Schwestern anzubetteln. Um einen Skandal zu verhindern, schickten sie ihm voller Verachtung immer wieder Geld, und er nahm es von seinen ihm verhassten Verwandten. Von Helens Schwangerschaft ahnt er nichts. In der Nacht, die Helen und Margaret in Howards End verbringen, macht er sich unvermittelt auf den Weg, um sich bei Margaret zu entschuldigen.

In Howards End trifft er nicht nur auf die beiden Schwestern, sondern auch auf Charles Wilcox, der durch eine Befragung Tibbys auf Leonards Namen stieß, ihn als „Verführer“ seiner Schwägerin verdächtigt und deshalb mit der flachen Klinge eines an der Wand hängenden Degens auf ihn einschlägt. Der unterernährte, herzkranke Mann bricht vor Schreck tot zusammen.

Margaret wollte sich von Henry Wilcox trennen und ihre Schwester nach Deutschland begleiten, aber während der polizeilichen Ermittlungen dürfen sie nicht abreisen. Charles wird wegen Totschlags zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Da bricht Henrys Festung zusammen; er bittet seine Frau um Hilfe, und sie bleibt bei ihm. Helen wird in Howards End von einem Sohn entbunden.

Henry, Dolly und der aus Nigeria zurückgekehrte Paul bilden einen Familienrat und beschließen, das eigentlich Charles zugedachte Anwesen Howards End Margaret Wilcox zu übereignen. Sie verzichtet dafür auf jeden weiteren Anteil aus dem Erbe ihres Mannes und bringt darüber hinaus die Hälfte ihres eigenen Vermögens in die Erbmasse mit ein. Howards End soll einmal ihrem Neffen gehören.

Beim Abschied verplappert Dolly sich, und Margaret erfährt, dass ihr Ruth Wilcox auf dem Sterbebett Howards End vermacht, die Familie aber beschlossen hatte, ihr den Besitz vorzuenthalten. Margaret lässt sich ihre Bestürzung nicht anmerken.

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Mit der werkgetreuen Verfilmung des 1910 veröffentlichten Romans von Edward Morgan Forster (1879 – 1970) gelang James Ivory ein opulentes, gesellschaftskritisches Meisterwerk über das Ende des Viktorianischen Zeitalters. Sorgfältig achtete er zum Beispiel bei den Wohnungseinrichtungen auf jedes Detail, und die Kameraführung sorgte für erlesene Bilder. Großartig sind auch die Schauspieler, allen voran Anthony Hopkins, Emma Thompson und Helena Bonham Carter.

Emma Thompson erhielt für ihre Rolle 1992 einen „Oscar“. Zwei weitere „Oscars“ gab es für das Drehbuch (Ruth Prawer Jhabvala) und die Ausstattung (Luciana Arrighi und Ian Whittaker). Nominiert hatte man auch den Film als solchen, James Ivory für die Regie, Tony Pierce-Robert für die Kameraführung, Richard Robbins für die Musik, Jenny Beavan und John Bright für die Kostüme und Vanessa Redgrave als Nebendarstellerin.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002/2004

Edward Morgan Forster: Wiedersehen in Howards End

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