Tsotsi

Tsotsi

Tsotsi

Originaltitel: Tsotsi – Regie: Gavin Hood – Drehbuch: Gavin Hood, nach dem Roman "Tsotsi" von Athol Fugard – Kamera: Lance Gewer – Schnitt: Megan Gill – Musik: Paul Hepker, Mark Kilian – Darsteller: Presley Chweneyagae, Terry Pheto, Kenneth Nkosi, Mothusi Magano, Zenzo Ngqobe, Zola, Rapulana Seiphemo, Nambitha Mpumlwana, Jerry Mofokeng, Ian Roberts, Percy Matsemela, Thembi Nyandeni u.a. – 2005; 95 Minuten

Inhaltsangabe

Tsotsi wuchs als Straßenkind in einem der Townships von Johannesburg auf. Jetzt führt der inzwischen 19-Jährige eine kleine Gang an. Vor einer Villa schießt Tsotsi eine Frau nieder und raubt ihr das Auto. Auf der Rücksitzbank liegt ein Säugling. Verwirrt nimmt Tsotsi es mit in seine Wellblechhütte. Bald stellt er fest, dass er mit der Versorgung des Babys überfordert ist, und er zwingt eine junge Mutter mit vorgehaltener Pistole, es zu stillen ...
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Kritik

Bei seiner Verfilmung des Romans "Tsotsi" von Athol Fugard verlegte Gavin Hood die Handlung von den 50er-Jahren in die Gegenwart. Anfangs wirkt "Tsotsi" wie ein realistisches Gettodrama, aber nach einer Viertelstunde gleitet der Film ins Sentimentale ab.
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David wuchs in einem der Townships von Johannesburg auf. Als er noch ein Kind war (Benny Moshe), erkrankte seine Mutter (Sindi Khambule) an Aids, aber sein alkoholkranker Vater (Israel Makoe) ließ ihn nicht zu ihr ans Sterbebett. Als David mit ansehen musste, wie der Vater seinem Hund mit einem Fußtritt das Rückgrat brach, weil ihn das Bellen störte, lief er davon und schlief von da an mit anderen Straßenkindern in abgelegten Betonröhren.

Inzwischen ist David neunzehn (Presley Chweneyagae). Er nennt sich Tsotsi – das heißt schlichtweg Gangster – und ist der Anführer einer vierköpfigen Gang. Zusammen mit Aap, Boston und Butcher (Kenneth Nkosi, Mothusi Magano, Zenzo Ngqobe) raubt er Leute aus.

Im Bahnhof halten sie Ausschau nach einem Opfer. Ein alter Mann fällt ihnen auf, der einem kleinen Mädchen Geld gibt, damit es sich einen Schal kaufen kann. Sie folgen ihm in die überfüllte U-Bahn, und als er dagegen protestieren will, dass sie ihn berauben, ersticht Tsotsi ihn. Weil Boston sich danach übergibt, verspottet Tsotsi ihn beim anschließenden Kneipenbesuch, aber Boston nimmt die Herausforderung an und fordert ihn auf, seinen richtigen Namen zu verraten. Statt verbal zu reagieren, schlägt Tsotsi seinen Freund so zusammen, dass er eigentlich ins Krankenhaus gebracht werden müsste – aber dafür reicht das Geld nicht. Die Wirtin nimmt sich seiner an.

Tsotsi rennt davon. Vor einer Villa sieht er eine Frau, die gerade aus ihrer Limousine ausgestiegen ist und ihren Ehemann über die Gegensprechanlage bittet, das elektrische Gartentor zu öffnen. Er richtet seine Pistole auf sie und springt in den Wagen. Als sie schreiend die Beifahrertür aufreißt, schießt er sie nieder und rast davon. Plötzlich hört er ein Baby weinen. Vor Schreck kommt er von der Straße ab. Auf der Rücksitzbank liegt ein Säugling. Verwirrt fängt Tsotsi an, alles Verwertbare aus dem Auto in eine große Papiertüte zu packen. Am Ende legt er auch noch das Kind mit in die Tüte und stapft los.

Was soll er mit dem Kind anfangen? Er könnte es aussetzen oder von den Eltern Lösegeld erpressen. Stattdessen nimmt er es bei sich auf. In der Wellblechhütte, in der er haust, entfernt er die stinkende Windel und wickelt das Baby in Zeitungspapier.

Pumla Dube (Nambitha Mpumlwana), die Mutter des entführten Babys, kommt ins Krankenhaus. Aufgrund der Schussverletzung wird sie querschnittgelähmt bleiben.

Auf dem Weg zu seinen Kumpanen Aap und Butcher, die im Bahnhof auf ihn warten, stolpert Tsotsi über einen gelähmten Bettler, der ihn deshalb beschimpft. Tsotsi wartet, bis der Obdachlose in seinem primitiven Rollstuhl zu einem Schlafplatz unter Straßenbrücken fährt. Dort stellt er ihn. Der Bettler glaubt, der Angreifer sei hinter seinem Geld her und ist bereit, ihm die Blechbüchse mit den Münzen zu überlassen, aber Tsotsi kickt sie um. Statt den Wehrlosen zu töten oder wenigstens zusammenzuschlagen, wie er es bisher getan hätte, erkundigt Tsotsi sich nach dem Grund seiner Lähmung, und der alte Mann erzählt ihm, er habe in einer Goldgrube gearbeitet, und bei einem Unfall im Bergwerk seien seine Beine zerquetscht worden. Tsotsi behelligt ihn nicht weiter..

Zu Hause stellt er fest, dass das Baby, das er mit einer geöffneten Dose Büchsenmilch zurückließ, von Ungeziefer befallen ist. Da begreift er, dass er mit der Versorgung des Säuglings überfordert ist. Wohl zum ersten Mal in seinem Leben übernimmt er Verantwortung für einen anderen Menschen: Er folgt einer Mutter zu ihrer Behausung. Mit vorgehaltener Pistole zwingt er sie, das Baby zu stillen, das er bei sich hat. Miriam (Terry Pheto), so heißt die junge Frau, stillt das Kind und säubert es anschließend. Wie es heiße, fragt sie. „David“ antwortet Tsotsi spontan. Miriam ist allein; der Vater ihres Kindes wurde auf dem Weg zur Arbeit in einer Fabrik umgebracht. Sie schlägt sich mit Näharbeiten durch; hin und wieder verkauft sie auch eines ihrer aus Glasscherben gebastelten Mobiles. Ob Tsotsi den Säugling nicht bei ihr lassen wollte, fragt sie, sie werde sich um ihn kümmern. Tsotsi geht darauf ein, droht aber, sie umzubringen, falls sie ihn verraten sollte.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Kurz darauf holt Tsotsi den verletzten Boston zu sich, um ihn zu pflegen. Weil Boston aus finanziellen Gründen die angestrebte Lehramtsprüfung nicht hatte machen können, will Tsotsi dafür sorgen, dass er sie nachholen kann.

Um Geld zu beschaffen, überfällt Tsotsi zusammen mit Aap und Butcher drei Tage nach der Entführung den Vater des Säuglings, John Dube (Rapulana Seiphemo). Sie fesseln ihn in seiner Villa auf einen Stuhl. Während Aap nach etwas Essbaren sucht und Butcher die Schubfächer nach Wertsachen durchwühlt, schaut Tsotsi sich das liebevoll ausgestattete Kinderzimmer an. Plötzlich heult eine Sirene: John Dube ist es gelungen, eine Hand freizukriegen und über die Fernbedienung die Alarmanlage zu betätigen. Butcher, der eine Pistole gefunden hat, will ihn töten, aber es klickt nur. Fast gleichzeitig kracht ein Schuss, und Butcher bricht tot zusammen. Tsotsi, der nicht ahnte, dass Butchers Waffe ungeladen ist, hat ihn erschossen, um dem Opfer des Überfalls das Leben zu retten.

Der alarmierte Sicherheitsdienst trifft ein, als Tsotsi und Aap gerade mit Dubes Mercedes davonrasen. Sie verkaufen das Auto einem dubiosen Gebrauchtwagen-Händler. Tsotsi überlässt Aap die Hälfte des Geldes. Die andere bringt er Miriam, doch sie will es nicht. Sie weiß inzwischen aus den Nachrichten, wie Tsotsi zu dem Säugling gekommen ist. Die Lähmung der Mutter lasse sich zwar nicht mehr rückgängig machen, meint sie, aber er müsse ihr das Kind zurückgeben. Ob sie das für ihn übernehmen solle, fragt Miriam. Tsotsi will das Baby selbst zu den Dubes bringen.

Unterwegs schenkt er das Geld dem Obdachlosen, der wieder in der U-Bahnstation bettelt.

Pumla Dube ist an diesem Tag aus dem Krankenhaus entlassen worden. Sie sitzt zu Hause im Rollstuhl bei ihrem Mann. Ein Polizist, der das Ehepaar beschützen soll, beobachtet, wie sich Tsotsi dem Gartentor nähert. Daraufhin greift er zum Telefon und fordert Verstärkung an. Tsotsi stellt zunächst nur die Papiertüte mit dem Baby vor das Gartentor und geht weg. Dann kehrt er um, klingelt und als Dube sich meldet, teilt er ihm mit, er habe das Kind vor das Tor gelegt. Es fällt ihm schwer, sich von dem Säugling zu trennen. Endlich dreht er sich um – aber da ist es zu spät: Mehrere Streifenwagen versperren ihm den Weg, und er blickt in ein Dutzend Pistolenmündungen. Instinktiv reißt Tsotsi das Kind an sich. John Dube, der inzwischen ans Tor gekommen ist, fordert die Polizisten auf, die Waffen zu senken. Ruhig redet er auf den Jungen ein, der ihm so viel Leid und Schaden zufügte, ihm aber auch das Leben rettete. Er öffnet das Tor, und Tsotsi gibt ihm das Baby. Im nächsten Augenblick richteten die Polizisten wieder ihre Pistolen auf Tsotsi, und er wird verhaftet.

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1980 veröffentlichte der südafrikanische Schriftsteller Harold Athol Lannigan Fugard (* 1932) den Roman „Tsotsi“, den er zu Beginn der Sechzigerjahre verfasst hatte. Bei der Verfilmung verlegte Gavin Hood die in den Fünfzigerjahren spielende Handlung um ein halbes Jahrhundert.

Zu Beginn wirkt „Tsotsi“ wie ein realistisches Gettodrama, wie ein Pendant zu „City of God“. Sobald Tsotsi allerdings das Baby findet, gleitet der Film ins Sentimentale ab (um nicht zu sagen: ins Kitschige). Statt sich mit der Wirklichkeit in den Townships von Südafrika auseinanderzusetzen, erzählt Gavin Hood eine unpolitische Saulus-Paulus-Geschichte, die wohl ein Plädoyer gegen den Hass und für mehr Menschlichkeit sein soll. Parallel dazu weichen in der Filmmusik die landestypischen Kwaito-Klänge schmalzigen 08/15-Weisen. Dass eine Frau, die aufgrund einer Schussverletzung querschnittgelähmt bleibt, das Krankenhaus wenige Tage nach dem Überfall schon wieder verlassen kann, ist dabei ebenso wenig nachvollziehbar wie die rasche Wandlung des neunzehnjährigen Tsotsi. Sehenswert ist allerdings der wortkarge, ausdrucksstarke Hauptdarsteller Presley Chweneyagae, der trotz seiner unglaubwürdigen Rolle in einzelnen Szenen sehr authentisch wirkt.

Tsotsi wurde in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ mit einem „Oscar“ ausgezeichnet.

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Inhaltsangabe und Filmkritik: © Dieter Wunderlich 2008

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