Gebrüder Grimm / Brüder Grimm

Jacob Grimm und Wilhelm Grimm wurden am 4. Januar 1785 bzw. 24. Februar 1786 in Hanau als älteste Kinder einer calvinistischen Beamten- und Pastorenfamilie geboren. Dorothea Grimm brachte insgesamt neun Kinder zur Welt, aber drei davon starben bereits im Säuglingsalter. Der Vater Philipp Wilhelm Grimm erlag 1796 einer Lungenentzündung.

Zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes schickte Dorothea Grimm ihre beiden ältesten Söhne zum „Lyceum Fridericianum“ in Kassel. 1802 begann zunächst Jacob Grimm, im Jahr darauf auch sein Bruder Wilhelm mit einem Jurastudium in Marburg. Friedrich Carl von Savigny, einer ihrer Professoren, machte die Brüder Grimm mit der Literatur der Romantik bekannt. Clemens Brentano und Achim von Arnim brachten sie mit dem Heidelberger Kreis zusammen, dessen Mitglieder – darunter auch von Brentanos Schwester Bettina (die 1811 Achim von Arnim heiraten sollte), Friedrich und Leonhard Creuzer, Joseph Görres, Karoline von Günderode und Sophie Mereau – dafür eintraten, sich auf die Kultur des Volkes zu besinnen.

1808, nach dem Tod der Mutter, wurde Jacob Grimm Privatbibliothekar des westfälischen Königs Jérome Bonaparte. Längst hatten die Brüder Grimm ihr Interesse an Mythen, Sagen, Märchen und Volksliedern entdeckt. Am 20. Dezember 1812 veröffentlichten sie den ersten Band der von ihnen gesammelten Kinder- und Hausmärchen („Grimms Märchen“) in der Realschulbuchhandlung zu Berlin. Dabei ging es ihnen um die Bewahrung des Volksguts, aber auch darum, uralte Ängste der Kinder anzusprechen und sie dadurch zu bändigen. Vier Jahre später folgte der erste Band deutscher Sagen.

Die Kinder- und Hausmärchen gehören zu den erfolgreichsten Büchern der Weltliteratur und sind nach der Luther-Bibel sicher das weltweit bekannteste Werk der deutschen Literatur. In jedem Kulturkreis gibt es eine Märchentradition. Die Grimmschen Märchen sind aber weltweit die umfassendste und systematischste Sammlung von volkstümlichen Erzählungen des Genres schlechthin, das die Grimms eigentlich erst richtig geprägt haben. Sie sind weder märchensammelnd übers Land gezogen, noch haben sie ihre Märchen bei armen, alten und unterprivilegierten Leuten aufgeschrieben. Sie haben vielmehr für jedes Märchen eine ganze Reihe von schriftlichen und mündlichen Quellengehabt und daraus am Schreibtisch einen neuen Text gemacht. Im Geiste der Romantik haben sie aus diesem Material ihre Märchensammlung geformt, die auf einen wunderbaren, romantischen Erzählton gestimmt ist. Dieser Ton ist eigentlich das wichtigste Merkmal der Grimmschen Märchensammlung und hat sich dann auch in der ganzen Welt durchgesetzt – übrigens erst recht spät, zwischen 1870 und 1914. (Bernhard Lauer im Interview mit Werner Bloch, Süddeutsche Zeitung, 20. Dezember 2012)

Von 1814 (Wilhelm Grimm) bzw. 1816 (Jacob Grimm) bis 1829 waren die beiden Brüder an der Bibliothek in Kassel beschäftigt, Wilhelm als Sekretär, Jacob als Bibliothekar.

Als ihre Schwester Lotte heiratete und deshalb nicht länger bei ihnen bleiben konnte, vermählte Wilhelm Grimm sich im Mai 1825 mit der dreißig Jahre alten Apothekerstochter Henrietta Dorothea („Dortchen“) Wild, die von da an den gemeinsamen Haushalt der Brüder Grimm führte und später, nach dem Tod ihres Ehemanns, zusammen mit ihrer Tochter Auguste den Schwager pflegte.

Weil Jacob Grimm nach dem Tod des Oberbibliothekars in Kassel nicht befördert wurde, zogen er und sein Bruder 1829 frustriert nach Göttingen.

König Ernst August II. von Hannover hob am 1. November 1837 das vier Jahre zuvor erlassene Grundgesetz seines Staates auf. Dagegen protestierten die „Göttinger Sieben“: Jacob und Wilhelm Grimm, der Historiker Friedrich Christoph Dahlmann, der Orientalist Heinrich Ewald, der Literaturhistoriker Georg Gottfried Gervinus, der Staatsrechtler Wilhelm Eduard Albrecht und der Physiker Wilhelm Weber. Die Professoren wurden deshalb am 11. Dezember ihrer Ämter enthoben. Jacob und Wilhelm Grimm kehrten vorübergehend nach Kassel zurück, aber Bettina von Arnim, Alexander von Humboldt, Friedrich Carl von Savigny, Karl Lachmann und andere setzten sich dafür ein, dass König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die Brüder Grimm am 2. November 1840 nach Berlin einlud, wo sie im Jahr darauf in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen wurden.

Wilhelm Grimm erlag am 16. Dezember 1859 einem Schlaganfall. Jacob Grimm starb am 20. September 1863. Zu diesem Zeitpunkt war das „Deutsche Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm“ erst beim Buchstaben F angekommen.

Jakob und Wilhelm Grimm bezeichneten sich selbst nicht als Gebrüder, sondern als Brüder. Der inzwischen veraltete Plural des Wortes Bruder wurde vor allem in Firmennamen, aber auch für historische Brüderpaare wie zum Beispiel die Gebrüder Schlegel, die Gebrüder Humboldt oder eben die Gebrüder Grimm verwendet. Zeitgemäßer ist es, sie Brüder Grimm zu nennen.

Jacob und Wilhelm Grimm: Bibliografie (Auswahl)

  • Kinder- und Hausmärchen (2 Bände: 1812, 1815)
  • Deutsche Sagen (2 Bände: 1816, 1818)
  • Deutsche Grammatik (4 Bände: 1819 – 1837)
  • Deutsche Mythologie (1835)
  • Deutsches Wörterbuch (33 Bände: 1854 – 1971)

Literatur über die Brüder Grimm

  • Günter Grass: Grimms Wörter. Eine Liebeserklärung
  • Steffen Martus: Die Brüder Grimm. Eine Biografie. Berlin 2009
  • Heinz Rölleke (Hg.): Grimms Märchen. Frankfurt/M 2006
  • Hans-Georg Schede: Die Brüder Grimm. München 2004

Ludwig Emil Grimm (1790 – 1863) stand im Schatten seiner älteren Brüder Jakob und Wilhelm. Er studierte Kunst in Kassel, Heidelberg und München. Die Akademie der Bildenden Künste in Kassel berief den Zeichner und Kupferstecher 1832 als Professor. Der Komponist Jochen Flach und der Autor Steffen Dargatz widmeten Ludwig Emil Grimm ein Musical, dessen Uraufführung am 26. August 2016 im Rahmen der Birsteiner Festspiele geplant ist (Regie: Axel Brauch).

© Dieter Wunderlich 2005 / 2012 / 2016

Romantik
Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm

Günter Grass: Grimms Wörter. Eine Liebeserklärung
Terry Gilliam: Brothers Grimm
Nathan Greno, Byron Howard: Rapunzel. Neu verföhnt
Rupert Sanders: Snow White and the Huntsman
Alex van Warmerdam: Grimm

Franz Werfel - Eine blassblaue Frauenschrift
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