Umberto Eco : Der Name der Rose

Der Name der Rose
Originalausgabe: Il nome della rosa. Mailand 1980 Der Name der Rose Übersetzung: Burkhart Kroeber Carl Hanser Verlag, München 1982
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Im November 1327 reist ein englischer Franziskaner William von Baskerville mit dem ihm anvertrauten Novizen Adson von Melk zu einer Benediktinerabtei im nördlichen Apennin. In dem Kloster sterben innerhalb weniger Tage fünf Männer. Der Abt bittet den für seinen Scharfsinn bekannten Besucher, die Todesfälle aufzuklären. Assistiert von Adson sammelt William von Baskerville Indizien ...
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Kritik

"Der Name der Rose" ist ein grandioser historischer Kriminalroman. Erst am Schluss durchschaut der Leser, wie witzig, intelligent und fantasievoll die Handlung aufgebaut ist.
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Im November 1327 reist der englische Franziskaner William von Baskerville mit dem ihm anvertrauten Novizen Adson von Melk zu einer Benediktinerabtei im nördlichen Apennin („etwa zwischen Pomposa und Conques“), wo er ein Kolloquium von Vertretern der Kurie und des Franziskaner-Ordens vorbereiten soll. Es geht um die Frage, ob die Kirche besser arm wäre – wie es die Spiritualen verlangen –, oder ob sie mit Macht und Reichtum prunken soll, wie es der in Avignon residierende Papst tut. Ludwig der Bayer stellt sich auf die Seite des Ordensgenerals Michael von Cesena, der die Position der Spiritualen vertritt und sich deshalb vor dem Papst verantworten soll. Damit unterstützt der 1324 vom Papst gebannte Wittelsbacher – der sich Anfang 1328 in Rom von „Volkskapitän“ Sciarra Colonna zum Kaiser krönen lassen wird – nicht nur Gegner des Papstes, sondern auch Kritiker einer Kirche, die mit dem Kaiser um die weltliche Macht konkurriert.

In dem Kloster sterben innerhalb weniger Tage der Buch-Illustrator Adelmus von Otranto, der Übersetzer Venantius von Salvemec, der Bibliotheksgehilfe Berengar von Arundel, der Apotheker Severin von St. Emmeram und der Bibliothekar Malachias von Hildesheim. Abbo von Fossanova bittet den für seinen Scharfsinn bekannten Besucher, die Todesfälle aufzuklären. Assistiert von Adson sammelt William von Baskerville Indizien. Obwohl oder gerade weil ihnen der Zugang zur Klosterbibliothek verwehrt ist, vermuten sie dort schon bald den Schlüssel für die Lösung des Rätsels.

Inzwischen treffen die Disputanten ein, darunter der eitle, machtbesessene Inquisitor Bernard Gui, der gleich nach seiner Ankunft zwei Häretiker und ein von ihm als Hexe verdächtigtes Bauernmädchen aus dem nahen Dorf einsperren lässt.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Durch einen geheimen Zugang dringen William von Baskerville und Adson von Melk in das Labyrinth der geheimnisvollen Bibliothek vor, wo sie von dem blinden Greis Jorge von Burgos erwartet werden. Vor sich hat er einen Folianten liegen, eine Schrift Aristoteles‘ über das Lachen, von der es keine Abschrift gibt. Jorge hält den Inhalt des Buches für gefährlich, weil das Lachen die Furcht tötet und die Stellung der Kirche gefährdet. Um zu verhindern, dass jemand die Lektüre überlebt, hat er die unteren Ecken der Buchseiten mit einem starken Gift getränkt, dem die Mönche zum Opfer gefallen sind. William ahnt bereits die Zusammenhänge und trägt Handschuhe, damit er sich beim Umblättern nicht vergiftet. Als Jorge das merkt, reißt er das Buch an sich, löscht das Licht, stürzt davon, setzt die wertvolle Bibliothek in Brand und stirbt mit dem Folianten in den Armen, während William und Adson dem Feuer mit Mühe entkommen.

Die Rahmenhandlung:

„Am 16. August 1968 fiel mir ein Buch aus der Feder eines gewissen Abbé Vallet in die Hände: Le manuscript de Dom Adson de Melk, traduit en français d’après l’édition de Dom J. Mabillon (Aux Presses de l’Abbaye de la Source, Paris 1842).“ Mit diesem Satz beginnt der Roman „Der Name der Rose“. Umberto Eco hat die atemberaubende Geschichte, die sich im November 1327 in einem norditalienischen Kloster zugetragen haben soll, nämlich in eine doppelbödige Rahmenhandlung eingebettet: Dieser Abbé Vallet, ein großer Gelehrter des 17. Jahrhunderts, überlieferte in seinem Werk eine mittelalterliche Handschrift, bei der es sich um den Lebensbericht des Mönches Adson von Melk handelte.

Nachdem sich Umberto Eco in Prag Notizen über den Inhalt gemacht hat, besetzen Truppen des Warschauer Paktes die Stadt. Er flieht über Linz nach Wien, aber auf der Rückreise von dort kommt ihm das Buch von Abbé Vallet abhanden. Monate später versucht er in Paris, ein Exemplar zu finden und stößt dabei auf Ungereimtheiten. Handelte es sich bei dem Buch, in dem er während seines Prag-Aufenthaltes geblättert hatte, um eine Fälschung? 1970 entdeckt er jedoch in Buenos Aires Veröffentlichungen, die sich auf die Chronik Adsons von Melk beziehen. Deshalb entschließt er sich, den mittelalterlichen Bericht anhand seiner Notizen zu rekonstruieren.

Aber er warnt den Leser der deutschen Ausgabe augenzwinkernd:

Der geneigte Leser möge bedenken: Was er vor sich hat, ist die deutsche Übersetzung meiner italienischen Fassung einer obskuren neugotisch-französischen Version einer im 17. Jahrhundert gedruckten Ausgabe eines im 14. Jahrhundert von einem deutschen Mönch auf Lateinisch verfassten Textes.

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Der Wälzer „Der Name der Rose“ von Umberto Eco schlägt den Leser in seinen Bann – trotz langatmiger Einschübe, die als Initiation gedacht sind und zugleich den bedächtigen Rhythmus des Lebens in der mittelalterlichen Abtei wiedergeben sollen. Obwohl es sich eigentlich um einen historischen Roman handelt, wählte der verschmitzte Semiotikprofessor die Form des Kriminalromans, weil es dabei wie in der ärztlichen Diagnose oder in der wissenschaftlichen Forschung „um das Vermuten geht, um das Abenteuer der Mutmaßung, um das Wagnis der Aufstellung von Hypothesen“. Nicht vor der Schlussszene – der Ekpyrosis gewissermaßen – durchschaut der Leser, wie witzig, intelligent und fantasievoll „Der Name der Rose“ aufgebaut ist.

Die intellektuelle Faszination des spannenden Bestsellers ging in der Verfilmung durch Jean-Jacques Annaud verloren. Aber die grandiose Geschichte blieb erhalten.

In seinem Buch „Nachschrift zum Namen der Rose“ erzählt Umberto Eco teils ernsthaft, hin und wieder mit verschmitztem Augenzwinkern, immer auf vergnügliche Weise, wie er an seinem Roman „Der Name der Rose“ arbeitete.

2012 erschien eine von Umberto Eco überarbeitete Ausgabe des Romans „Der Name der Rose“ (Bompiani Romanzi, Mailand 2012, 619 Seiten), in der er u. a. einige Fehler in der Originalausgabe korrigierte: So gab es im Mittelalter weder Violinen noch Kürbisse oder Paprika. In einem Interview sprach Umberto Eco von einem „Frühjahrsputz“. Der Verlag der deutschsprachigen Übersetzung (Carl Hanser) hat bereits angekündigt, die Änderungen bei einer Neuauflage zu berücksichtigen.

1983 veröffentlichte Umberto Eco eine „Nachschrift zum Namen der Rose“ (Postille a ‚Il nome della rosa‘, Mailand 1983, Übersetzung: Burkhart Kroeber, Carl Hanser Verlag, München 1984).

Begonnen habe ich im März 1978, getrieben von einer vagen Idee: Ich hatte den Drang, einen Mönch zu vergiften.

Teils ernsthaft, hin und wieder mit verschmitztem Augenzwinkern, immer auf vergnügliche Weise erzählt Umberto Eco, wie er an seinem Roman „Der Name der Rose“ arbeitete.

Wer erzählen will, muss sich zunächst eine Welt erschaffen, eine möglichst reich ausstaffierte bis hin zu den letzten Details. … Das erste Jahr der Arbeit an meinem Roman verging mit dem Aufbau der Welt. Lange Listen der Bücher, die in einer mittelalterlichen Bibliothek stehen konnten. Namen- und Datenregister für viele Personen, viele mehr, als am Ende in die Geschichte hineinkamen. … ausgedehnte architektonische Studien …, um den Plan der Abtei festzulegen, die Entfernungen, ja selbst die Anzahl der Stufen einer Wendeltreppe.

Wir erfahren zum Beispiel, was sich Umberto Eco bei der Auswahl des Titels dachte, welche Art von Leserinnen und Lesern er sich vorstellte, warum er ihnen vormacht, es handele sich um einen Kriminalroman und welche Bedeutung er den langen Einschüben vor allem zu Beginn des Buches beimisst.

Die aus der medizinischen Symptomatologie verallgemeinerte Lehre von den Zeichen entwickelte der italienische Philosoph Umberto Eco zu einer eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin, der Semiotik. Eco geht davon aus, dass kulturelle Zeichensysteme – sprachliche ebenso wie nonverbale – der Kommunikation dienen, indem sie Bedeutungen transportieren. Von dieser Überzeugung sind alle seine Romane geprägt.

Noch eine Kostprobe:

Nichts ist erfreulicher für den Autor eines Romans, als Lesarten zu entdecken, an die er selbst nicht gedacht hatte und die ihm von Lesern nahegelegt werden. Als ich theoretische Werke schrieb, war meine Haltung gegenüber Rezensenten die eines Richters: Ich prüfte, ob sie mich verstanden hatten, und beurteilte sie danach. Mit einem Roman ist das ganz anders. Nicht dass man als Romanautor keine Lesarten finden könnte, die einem abwegig erscheinen, aber man muss in jedem Fall schweigen und es anderen überlassen, sie anhand des Textes zu widerlegen. Die große Mehrheit der Lesarten bringt jedoch überraschende Sinnzusammenhänge ans Licht, an die man beim Schreiben nicht gedacht hatte.

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Inhaltsangaben und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002 / 2012

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