A Most Wanted Man

A Most Wanted Man

A Most Wanted Man

A Most Wanted Man – Originaltitel: A Most Wanted Man – Regie: Anton Corbijn – Drehbuch: Andrew Bovell, nach dem Roman "A Most Wanted Man" von John le Carré – Kamera: Benoît Delhomme – Schnitt: Claire Simpson – Musik: Herbert Grönemeyer – Darsteller: Philip Seymour Hoffman, Rachel McAdams, Willem Dafoe, Daniel Brühl, Nina Hoss, Robin Wright, Grigoriy Dobrygin, Derya Alabora, Herbert Grönemeyer, Martin Wuttke, Kostja Ullmann, Homayoun Ershadi, Mehdi Dehbi u.a. – 2014; 120 Minuten

Inhaltsangabe

Als der Muslim Issa Karpov illegal nach Hamburg kommt, gerät er rasch auf die Radarschirme der Geheimdienste. Dass er zögert, die von seinem Vater bei einer Privat­bank deponierten Millionen abzuheben, bringt den Agenten Günther Bachmann auf eine Idee: Wenn Issa das Vermögen dem muslimischen Spendensammler Dr. Faisal Abdullah anbietet, könnte es Günther gelingen, über den Geldfluss Draht­zieher des Terrorismus aufzuspüren. Die CIA und der Verfassungsschutz halten Issa jedoch für einen Terroristen und wollen ihn unverzüglich festnehmen ...
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Kritik

"A Most Wanted Man", die Verfil­mung eines Romans von John le Carré durch Anton Corbijn, veran­schaulicht auf eindrucksvolle Weise das Vorgehen westlicher Geheim­dienste gegen den Terror. Getragen wird der intelligente Agententhriller vom Hauptdarsteller Philip Seymour Hoffman und einer sorgfältigen Inszenierung.
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Als der muslimische Tschetschene Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin) illegal nach Hamburg kommt, gerät er rasch auf die Radarschirme der Geheimdienste. Unterschlupf findet er bei der türkischen Witwe Leyla Oktay (Derya Alabora) und ihrem Sohn Melik (Tamer Yigit). Melik schaltet die junge Rechtsanwältin Annabel Richter (Rachel McAdams) ein, die für eine Flüchtlingshilfeorganisation in Hamburg tätig ist. Ihr erzählt Issa Karpov einen Teil seiner Vorgeschichte.

Karpovs Geburtsname lautete Iwan, aber seit er zum Islam konvertierte, nennt er sich Issa (Jesus). Bei seinem Vater handelt es sich um den sowjetischen Oberst Grigorij Borisowitsch Karpov. Issas Mutter starb bei seiner Geburt im Alter von 15 Jahren. Sein Vater hatte sie vergewaltigt. Der Konvertit Issa wurde als Terrorist verdächtigt und zuerst in Russland, dann auch in der Türkei eingesperrt und gefoltert. Er zeigt Annabel Richter seinen mit Striemen übersäten Rücken. Nun hat er es auf illegalen Wegen nach Deutschland geschafft und ist nach Hamburg gekommen, um Kontakt mit dem schottischen Privatbankier Tommy Brue (Willem Dafoe) aufzunehmen. Dessen Vater Amadeus Edward Brue war mit dem seinen befreundet, und der Flüchtling hat einen Brief bei sich, der Grigorij Borisowitsch Karpovs Anweisung enthält, seinem Sohn die Guthaben auf den „Lipizzanerkonten“ auszuzahlen. Dabei handelt es sich um mehr als 10 Millionen Euro. Issa will das Geld jedoch nicht für sich selbst, weil er seinen Vater hasst und ihm unterstellt, das Vermögen mit Bluttaten angehäuft zu haben. Andererseits sehnt Issa sich nach einem normalen Leben und möchte einen kleinen Geldbetrag verwenden, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Eine klare Entscheidung fällt ihm schwer.

Als Annabel Richter sich mit Tommy Brue in der Halle des Hotels Atlantic trifft, um eine Unterredung zwischen ihm und Issa zu arrangieren, werden sie von einer offiziell gar nicht existierenden Antiterror-Einheit observiert. Zu ihr gehören Erna (Nina Hoss), Max (Daniel Brühl), Niki (Vicky Krieps) und Rasheed (Kostja Ullmann). Geleitet wird sie von Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman).

Der sieht in den Gegebenheiten eine einmalige Chance, an Hintermänner des islamistischen Terrors heranzukommen. Günther Bachmann ist überzeugt, dass der muslimische Gelehrte Dr. Faisal Abdullah (Homayoun Ershadi), der immer wieder zu Spenden für wohltätige Zwecke aufruft, einen Teil der Gelder über eine Reederei auf Zypern für die Finanzierung des Terrors abzweigt. Jamal Abdullah (Mehdi Dehbi), ein Sohn des Verdächtigen, gehört zu Günthers Informanten. Der Agent hat ihm versichert, dass er es nicht auf seinen Vater abgesehen habe, sondern über den Geldstrom Drahtzieher des Terrors entlarven wolle. Sein Plan sieht vor, Issa zur Annahme der Millionen zu überreden. Dann soll er sie Faisal Abdullah als Spende anbieten.

Zur Durchführung des Vorhabens benötigt Günther Zeit. Aber er weiß, dass die CIA und vor allem Dieter Mohr (Rainer Bock) vom Verfassungsschutz nach Issa Karpov fahnden und den Muslim bei der ersten Gelegenheit festnehmen würden, weil sie ihn für einen Terroristen halten. Der Agent trifft sich mit Martha Sullivan (Robin Wright), der CIA-Residentin in Berlin. Sie gibt zu, dass die CIA das Scheitern seiner letzten Mission in Beirut und den Tod seiner Informanten verursachte. Günther misstraut ihr, aber er erläutert ihr seinen Plan, und die Amerikanerin versichert, dass sie Dieter Mohr an die Leine nehmen werde.

Annabel Richter hält es für zu riskant, dass Issa sich noch länger bei Leyla und Melik Oktay aufhält. Sie drängt den Flüchtling, sich den Bart abzurasieren und bringt ihn zu einer Wohnung ihres Bruders Florian, die renoviert werden soll und im Augenblick nicht benutzt wird. Dort versteckt er sich.

Kurz darauf werden Leyla und Melik Oktay von einem SEK der Polizei verhaftet. Ihnen droht die Abschiebung.

Günther lässt die Fahrrad fahrende Rechtsanwältin von seinen Leuten entführen. Abwechselnd reden er und Erna auf sie ein, bis sie glaubt, das Richtige zu tun, wenn sie mitspielt, zumal Günther einen Pass für den Flüchtling in Aussicht stellt. Während Annabel ihren Schützling auf den Gedanken bringt, die Millionen anzunehmen und zu spenden, erpresst Günther die Kooperation des Bankiers Tommy Brue mit der Drohung, mit Geldwäsche verbundene frühere Geschäfte seines Vaters auffliegen zu lassen.

Weisungsgemäß sucht Tommy Brue den Gelehrten Abdullah in dessen Villa auf und bietet ihm die millionenschwere Spende eines Glaubensbruders an. Ein Vier-Augen-Gespräch mit Issa überzeugt Faisal Abdullah, dass dessen Angebot ernst gemeint ist und es sich nicht um eine Falle handelt.

Günther und Erna fliegen nach Berlin, um ihr Vorhaben mit Martha Sullivan, Dieter Mohr, dessen Chef (Martin Wuttke) und einem anderen Geheimdienstler namens Michael Axelrod (Herbert Grönemeyer) zu besprechen.

Die von Faisal Abdullah aufgelisteten Hilfsorganisationen, auf die das von Issa gespendete Vermögen aufgeteilt werden soll, sind alle über jeden Verdacht erhaben. Günther ist jedoch überzeugt, dass Abdullah im letzten Augenblick einen der Spendenempfänger austauschen will. Wenn es sich dann um die Reederei auf Zypern handelt, die nach Günthers Recherchen als Tarnunternehmen zur Terrorfinanzierung dient, geht der Plan auf.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


In einem Überwachungswagen verfolgen Günther und sein Team auf Monitoren, wie Faisal Abdullah in der Bank die von Tommy Brue vorbereiteten Überweisungen der Reihe nach abzeichnet. Wie erwartet, unterschreibt er das letzte Blatt nicht, sondern bittet darum, als Empfänger eine Reederei auf Zypern einzusetzen. Der Bankier druckt ein neues Dokument aus, und Abdullah zeichnet es ab. Günther, Erna und Max atmen auf.

Anschließend ruft Faisal Abdullah seinen Sohn an. Jamal behauptet, in einem Stau zu stecken, und Tommy Brue tut daraufhin so, als rufe er ein Taxi für seinen Besucher. Tatsächlich telefoniert er mit Günther.

Der setzt sich hinters Lenkrad eines bereitstehenden Taxis und fährt los. Er hat vor, Faisal Abdullah zu entführen, dann zu erpressen und umzudrehen. Auf diese Weise hofft er, an Drahtzieher des Terrors herankommen.

Faisal Abdullah kommt mit Issa Karpov, Tommy Brue und Annabel Richter aus der Bank und steigt in das Taxi. Günther fährt los. In diesem Augenblick blockieren mehrere Fahrzeuge die Straße. Vermummte zerren Faisal Abdullah aus dem Taxi, packen auch Issa Karpov, schieben die beiden in einen Wagen. Eine Minute später ist das SEK mit den beiden Festgenommenen verschwunden. Günther erblickt Dieter Mohr, der die Aktion von einem Balkon aus beobachtete, und auf der anderen Straßenseite steigt Martha Sullivan in eine Limousine mit Chauffeur. Sein raffinierter Plan wurde im letzten Augenblick von der CIA und ihren Gehilfen vom deutschen Verfassungsschutz vereitelt. Die sorgfältige Vorbereitung war umsonst. Faisal Abdullah und Issa Karpov werden vermutlich ohne Gerichtsverfahren in einem Gefangenenlager der Amerikaner eingesperrt. Wie bereits in Beirut, steht Günther Bachmann nun auch in Hamburg vor einem Scherbenhaufen. Jamal Abdullah und Annabel Richter, die ihm vertrauten und glaubten, im Interesse des Vaters bzw. des Flüchtlings zu handeln, werden sich schwere Vorwürfe machen.

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Der Film „A Most Wanted Man“ des niederländischen Regisseurs Anton Corbijn (* 1955) basiert auf dem 2008 von John le Carré veröffentlichten gleichnamigen Roman. Die deutsche Übersetzung des Buches trägt den Titel „Marionetten“ (Übersetzung: Sabine Roth, Regina Rawlinson, Ullstein Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-550-08756-1). Die Figur Issa Karpov geht auf einen 21-jährigen Tschetschenen zurück, den John le Carré 1992 kennengelernt hatte. Der war aus Hass gegen seinen Vater, einen Offizier der russischen Armee in Tschetschenien, zum Islam konvertiert und hatte den Namen Issa (Jesus) angenommen. Außerdem dachte John le Carré bei der Geschichte an Begegnungen mit Murat Kurnaz, den die Amerikaner von Januar 2002 bis August 2006 in Guantanamo ohne Gerichtsverfahren eingesperrt hatten.

Der Agententhriller „A Most Wanted Man“ veranschaulicht die Haltung der CIA und anderer westlicher Geheimdienste, die seit dem Terroranschlag am 11. September 2001 jeden Muslim aus geringstem Anlass als Terroristen verdächtigen und sich zu vorschnellen Aktionen hinreißen lassen. In diesem Fall durchkreuzen sie mit ihrem plumpen Vorgehen den raffinierten Plan des von Philip Seymour Hoffman gespielten Agenten Günther Bachmann, Drahtziehern des Terrors auf die Spur zu kommen. Jeder misstraut jedem. Und kluge Agenten wie Günther Bachmann stellen fest, dass sie von Geheimdiensten wie Marionettenfiguren bewegt werden.

Anton Corbijn und Andrew Bovell (Drehbuch) zeichnen ein düsteres Bild und evozieren eine dichte, melancholische Atmosphäre. „A Most Wanted Man“ ist alles andere als ein Action-Thriller. Die sorgfältige Inszenierung ist zurückhaltend und bewusst unspektakulär. Günther Bachmann ist das genaue Gegenteil des glamourösen Geheimagenten James Bond. Verkörpert wird er sehr überzeugend und ausdrucksstark von Philip Seymour Hoffman.

Mit Ausnahme kurzer Szenen in Berlin spielt die Handlung von „A Most Wanted Man“ ausschließlich in Hamburg. Anton Corbijn zeigt die Gegensätze der Hafenstadt, in der es vom Kiez zum Hotel Atlantic und vom Sex-Shop zur Privatbank nicht weit ist.

Wie durchdacht die Inszenierung ist, zeigen zwei Begegnungen Günther Bachmanns und der CIA-Residentin in Berlin. Als Martha Sullivan einen Treffpunkt vorschlägt, wählt sie eine Sky Bar hoch über der Stadt. Günther Bachmann nennt ihr dann für eine weitere Besprechung eine vom gemeinen Volk frequentierte Spelunke und erklärt: „Ich bin ein Höhlenbewohner.“

Die Premiere von „A Most Wanted Man“ fand am 22. Juli 2014 in New York statt. Zu diesem Zeitpunkt war der „Oscar“-Preisträger Philip Seymour Hoffman bereits tot. Der 46-Jährige war am 2. Februar in seinem Apartment in New York tot aufgefunden worden. Todesursache war wohl eine Mischung aus Heroin, Kokain, Amphetamin und Benzodiazepin.

Der Soundtrack des Films wurde übrigens von Herbert Grönemeyer komponiert.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015

John le Carré (kurze Biografie / Bibliografie)

Anton Corbijn: The American

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