Zoë Beck : Brixton Hill

Brixton Hill
Brixton Hill Originalausgabe: Wilhelm Heyne Verlag, München 2014 ISBN: 978-3-453-41042-8, 382 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Jemand hackt sich in die Systeme des Limeharbour Tower in London und schaltet den Strom ab. Rauch quillt aus der Klimaanlage. Eine in Panik geratene Büroangestellte springt vor den Augen der Eventmanagerin Emma Vine in den Tod. Emma wohnt bei ihrem Zwillingsbruder Eric. Der stirbt bei einem Brand in seinem Apartment. Emma vermutet, dass die Anschläge ihr galten und verdächtigt einen Stalker, der sich auch als Hacker betätigt. Aber ein paar Tage später wird seine Leiche aus der Themse gezogen ...
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Kritik

Statt einen neuen Kommissar zu erfinden, stellt Zoë Beck in ihrem Thriller "Brixton Hill" eine Event­managerin in den Mittelpunkt. Die vor dem Hintergrund der Gentrifizierung im Londoner Stadtteil Brixton spielende Geschichte entfaltet sich linear.
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Emma („Em“) Vine organisiert Liveshows und andere Veranstaltungen. Am 29. März 2013 hat die 33-Jährige einen Termin mit Kimmy Rasmussen im Limeharbour Tower, der zum Gebäudekomplex Canary Wharf auf der Isle of Dogs im Londoner Osten gehört. Der Lift ist gestört, Kimmys Bildschirm fällt aus, Rauch quillt aus der Klimaanlage, Feueralarm wird ausgelöst. Kimmy fühlt sich plötzlich um zehn Jahre zurückversetzt. Damals brach bei einem Konzert eine Massenpanik aus, nachdem jemand Reizgas versprüht hatte, und Kimmy wurde niedergetrampelt. Drei Monate lang lag sie danach im Krankenhaus. Wenn sie rechtzeitig zu einem Fenster gekommen wäre, hätte sie sich ohne ernste Verletzungen retten können, denn das Konzert hatte ebenerdig stattgefunden. Den Fehler will sie nicht wiederholen: Sie packt einen Feuerlöscher, zertrümmert damit eine Fensterscheibe in ihrem Büro und klettert hinaus. Dass sie sich diesmal nicht im Parterre befindet, sondern in der 15. Etage, wird ihr erst während des tödlichen Sturzes bewusst.

Emma, die sich zunächst um den in Ohnmacht gefallenen Praktikanten Jonathan („Jono“) Baker kümmerte, sieht Kimmy noch am Fenster, kommt jedoch zu spät, um sie zurückzuhalten.

Detective Chief Inspector Palmer und ihr Kollege Detective Constable Cox halten einen Terroranschlag für möglich. Aber es stellt sich rasch heraus, dass Theaterrauch über die Klimaanlage verteilt wurde, nachdem jemand das Telefonsystem und die Stromversorgung im gesamten Limeharbour Tower abgeschaltet hatte. Weil das WLAN-Netz des Gebäudes zu diesem Zeitpunkt von Emmas Handy angewählt worden war, nimmt DCI Palmer sie als Tatverdächtigte fest und lässt sie in Handschellen abführen.

Nach ein paar Stunden kommt Emmas Zwillingsbruder Eric Vine zur Polizeiwache. Er arbeitet zwar als Rechtsanwalt, ist jedoch nicht mit dem Strafrecht vertraut und bringt deshalb den Kollegen Alex Hanford mit. Die beiden Juristen sind ebenso befreundet, wie Alex‘ Vater Robert und Erics Onkel Frank Everett. Sie erreichen, dass Emma frei kommt.

Sie geht davon aus, dass Alan Collins die Technik des Limeharbour Tower manipulierte. Sie hatte ihn bei einem von ihr veranstalteten Event kennengelernt. Er war einer der Tontechniker. Emma wollte den Rest der Nacht mit ihm verbringen, übernahm die Initiative und ging mit ihm nach Hause. Aber er war offenbar von der unerwarteten Situation überfordert, und Emma verließ ihn schließlich frustriert. Seither taucht er immer wieder wie zufällig in ihrer Nähe auf, und er schickt ihr fortwährend Mails, die sie allerdings ungelesen löscht. Ein Stalker!

Die wenigsten Stalker werden gewalttätig, sagen die Statistiken. Nur dass man nicht über Statistiken nachdenkt, wenn man gestalkt wird. Stalking beginnt schleichend und leise. Man bemerkt es erst, wenn es schon zu spät ist. Jemand schreibt Mails. Oder ruft an. Oder begegnet einem zufällig. Erkundigt sich bei Freunden. Weiß, wo man wohnt, und steht auch mal auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Eines Tages ist die Grenze dann überschritten. […]
Die Angst wird zum ständigen Begleiter. […]
Manche Leute sagen: Geh hin und rede mit ihm. Das lässt sich doch klären.
Nichts lässt sich klären.
Diese Leute hatten noch nie Angst. Sie wurden noch nie gestalkt. Sie bekommen keine Magenschmerzen, wenn auf einem Briefumschlag kein Absender steht. Sie haben kein Herzrasen, sobald das Telefon klingelt und auf dem Display eine unbekannte Nummer angezeigt wird. Ihnen bricht bei dem Gedanken, die Mails zu checken und auf eine dieser Nachrichten zu treffen, nicht der Schweiß aus.

Weil Emma weiß, dass Alan zur Hackerszene gehört, traut sie ihm die Fähigkeit zu, in die elektronischen Systeme des Limeharbour Tower einzudringen.

Um ihn zur Rede zu stellen, fährt Emma nach Brixton Hill, wo er wohnt. Anstelle von Alan öffnet ein Schwarzer: sein Mitbewohner Jay. Alan beteuert, er habe nichts mit den Vorfällen im Limeharbour Tower zu tun.

Emma kehrt nach Hause zurück. Sie wohnt seit einiger Zeit bei ihrem Zwillingsbruder in einem Apartment im Isle Tower auf der Isle of Dogs. Während sie um 2.30 Uhr nachts hinuntergeht, vor dem Eingang des Gebäudes eine Zigarette raucht und sich mit dem Portier unterhält, wird Feueralarm ausgelöst, und zwar im 21. Stockwerk, wo sich Eric Vines Wohnung befindet. Emma eilt hinauf. Es brennt. Sie reißt ihren Pullover herunter, tränkt ihn mit Sprinkler-Wasser, hält ihn vors Gesicht und kämpft sich zum Balkon durch. Durchs Fenster sieht sie Eric im Bett liegen. Sie hämmert gegen die Scheibe, aber er wacht nicht auf, auch nicht, als sich das Feuer durch die Schlafzimmertüre frisst. Die Rettungskräfte kommen zu spät.

Emma zieht nach dem Brand zu ihrer Großmutter Patricia Everett.

Ruth Vine, die Mutter der Zwillinge, war vor über 30 Jahren verschwunden. Weil Sebastian Vine, der Vater, als Architekt viel unterwegs sein musste, wuchsen die Kinder bei ihrer Großmutter Patricia Everett auf. Als Emma 13 Jahre alt war, litt sie unter schweren Depressionen und schnitt sich mit Rasierklingen die Haut auf. Die Schulpsychologin sorgte schließlich dafür, dass sie drei Monate lang in einer psychiatrischen Klinik behandelt wurde. Sebastian Vine starb vor drei Jahren. Patricia Everett ist inzwischen verwitwet und 90 Jahre alt, gibt aber in ihrer Privatbank noch immer den Ton an. Unterstützt wird sie dabei von ihrer jüngeren Tochter Katherine und deren Ehemann Frank, die beide bei ihr in ihrem Haus im West End wohnen.

Frank nahm erst 1975 bei der Eheschließung den Namen Everett an. Davor hatte er Binder geheißen. Er stammt aus München. Als Kind erlebte er im Juni 1962 die Schwabinger Krawalle mit. Fünf Jahre später fühlte er sich durch den Tod des Studenten Benno Ohnesorg in seiner kritischen Haltung gegenüber der Polizei bestärkt. Er studierte Möbeldesign an der Münchner Fachhochschule, zog aber dann nach London, begann im Januar 1973 eine Ausbildung bei der Everett Privatbank und lernte Katherine Everett kennen.

Aufgrund von Emmas Angaben überprüfen Detective Chief Inspector Palmer und ihre Mitarbeiter Alan Collins, aber sie finden nichts Verdächtiges. Emma bleibt dennoch bei ihrer Überzeugung, dass der Stalker hinter beiden Anschlägen steckt.

Am 8. April wird ein Paket für sie abgegeben. Statt eines Absenders stehen nur die Initialen A und C darauf: Alan Collins. Weil zu befürchten ist, dass es sich um ein Sprengstoffpaket handelt, überlässt Patricia Everett das weitere Vorgehen der Polizei. Nachdem das verdächtige Paket vorsichtshalber mit einer Wasserkanone zerschossen wurde, stellt sich heraus, dass es einen Laptop, externe Festplatten und einige USB-Sticks enthielt. Das meiste davon ist jetzt zerstört. Warum schickte Alan diese Sachen?

Um ihn das zu fragen, will Emma noch einmal zu ihm. Auf den Straßen in Brixton wird Margaret Thatchers Tod bejubelt ( „Ding Dong! The Witch is Dead“). Weil niemand öffnet, klettert Emma über den Zaun und probiert es an der Hintertüre des abbruchreifen Hauses. Die lässt sich leicht öffnen, weil jemand das Schloss herausgebrochen hat. Alans Zimmer wurde durchwühlt. Rechner sind keine mehr da, nur noch verwaiste Bildschirme. Emma findet Unmengen von Fotos von sich, aus der Zeitung ausgeschnittene ebenso wie von Alan aufgenommene. Auch beim Betreten des Limeharbour Tower hat er sie geknipst. Er war also dort!

Im Dunkeln wird Emma überfallen. Sie hält den Mann zunächst für Alan, aber es handelt sich um Jay. Alan habe vor zwei Tagen zu ihr gewollt, sagt er, und sei seither nicht wieder aufgetaucht.

Jay studierte Physik, war dann Rechercheassistent beim Guardian und verdient inzwischen seinen Lebensunterhalt als Datenjournalist. Er ist aber auch Hacker wie Alan und gehört ebenfalls der Occupy London-Bewegung an. Alan sei einer Riesensache auf der Spur gewesen, meint er.

Eine 15-Jährige, die mit ihrem sechs Monate alten Sohn unterwegs ist, entdeckt am 10. April im Yachthafen in Grays eine Leiche. Bei dem Toten, der vermutlich die Themse hinunter getriebenen war, handelt es sich um Alan Collins.

Innerhalb weniger Tage starben drei Menschen aus Emmas Umfeld. Sie befürchtet, dass jemand es auch auf sie abgesehen hat. Erst als sie darüber nachdenkt, wird ihr bewusst, dass sie ein Vermögen erben könnte. Ihre verwitwete Großmutter ist 90 Jahre alt. Patricias Töchter Ruth und Katherine würden sie beerben, aber Ruth ist verschwunden. Wenn man sie offiziell für tot erklären würde, fiele ihr Anteil an die Zwillinge. Eric lebt nicht mehr. Musste er wegen der zu erwartenden Erbschaft sterben? Soll nun Emma beseitigt werden?

Aber auch vor der Polizei muss sie sich in Acht nehmen, denn inzwischen wird nach ihr gefahndet. Man verdächtigt sie, die Anschläge auf den Limeharbour Tower und den Isle Tower verübt und Alan Collins ermordet zu haben.

Zuflucht sucht Emma am 11. April bei Jay in Brixton Hill. Das Haus, in dem er wohnt, ist zwar abbruchreif, aber es gehört ihm, und er will es nicht aufgeben:

„Ich bin zwar nicht in diesem Haus geboren, aber ich lebe hier schon sehr lange. Meine Eltern haben es gekauft, und nachdem sie gestorben sind, habe ich die Kredite und das alles übernommen. Sie waren wahnsinnig stolz darauf, ihr eigenes Haus in London zu haben. beide waren Auswandererkinder. Die Eltern von meiner Mutter waren Jamaikaner mit afrikanischen Wurzeln. Mein Großvater väterlicherseits war Kenianer, seine Frau auch Jamaikanerin. Sie leben alle nicht mehr. Meine Eltern sind gestorben, da waren sie noch nicht ganz sechzig. Sie haben mir nichts hinterlassen außer einem Haus mit einer Menge Schulden. Die Schulden hatten sie, weil sie ihr ganzes Geld in meine Ausbildung gesteckt haben, damit ich in eine gute Schule gehen und studieren kann. Dieses Haus ist alles, was ich von ihnen noch habe. Ihre Schulden sind in Wirklichkeit meine Schulden.“

Das Bauunternehmen Braidlux versucht seit einiger Zeit, Jay aus dem Haus zu vertreiben. Im Rahmen der Gentrifizierung von Brixton werden die alten Gebäude abgerissen und neue Wohnhäuser errichtet. Um unwillige Mieter zu vertreiben, lässt Braidlux ihnen mitunter Strom und Wasser abdrehen.

Im Zweiten Weltkrieg zerbombt, danach durch verstärkten sozialen Wohnungsbau weiter heruntergekommen. Afrikanisch-karibische Einwanderer wurden hier angesiedelt; Brixton galt als das schwärzeste Viertel Londons. Die Brixton Riots waren selbst noch in den Neunzigern durch das gewaltvolle Aufeinandertreffen weißer Polizisten und schwarzer Einwohner ausgebrochen. Es gab keine Hotels in Brixton und keine teuren Läden in der Brixton Road, der Einkaufsstraße. Die Gentrifizierung des Viertels hatte dennoch begonnen. […] Der Brixton Market war als Touristenattraktion in jedem Stadtführer aufgeführt. Das Brixton Village galt als Ort für weiße Künstler und Kleingewerbler, die sich anderswo die Mieten nicht leisten konnten.

Erst jetzt erfährt Emma, dass sowohl der Limeharbour Tower als auch der Isle Tower zum Immobilienvermögen des Unternehmens Braidlux gehören. Jay findet außerdem heraus, dass Robert Hanford Hauptgesellschafter von Braidlux ist. Ihm gehören 31 Prozent der Anteile. Weitere 20 Prozent befinden sich im Besitz seines Freundes Frank Everett. Zusammen haben die beiden das Sagen.

Jay nimmt Emma mit zu einer „Fette-Mieten-Party“ in einer Musterwohnung der Baugesellschaft. Dabei handelt es sich um eine Demonstration gegen die Gentrifizierung im Allgemeinen und die skrupellose Vorgehensweise von Braidlux im Besonderen. Normalerweise dauere es eine Stunde, bis die Polizei die Demonstranten vertreibe, erklärt Jay seiner Begleiterin. Aber diesmal rückt nach wenigen Minuten ein großes Polizeiaufgebot an. Emma sieht, wie einer der Polizisten mit dem Schlagstock auf einen bereits wehrlos am Boden Liegenden eindrischt. Sie springt den Beamten von hinten an und reißt ihn zu Boden. Der Junge blutet am Kopf. Bevor die Rettungskräfte eintreffen, verschwindet Emma.

Bei dem Verletzten handelt es sich um den Deutschen Tobias („Tobs“) Schneider. Er hatte in Marburg angefangen, Wirtschaftswissenschaften zu studieren, ging dann für ein Jahr nach London und schloss sich hier der Occupy-Bewegung an.

Nachdem Frank Everett mit Robert Hanford im Restaurant Samuel Pepys beim Essen war, passt Emma ihren Onkel auf der Straße ab und fragt ihn nach Braidlux. Das sei Roberts Idee gewesen, sagt Frank, er selbst sei nur so eine Art stiller Teilhaber.

Als Emma wieder allein unterwegs ist, wird sie von einem Unbekannten angegriffen und über die Mauer der Uferpromenade in die Themse geworfen. Sie wird gegen die Blackfriars Bridge getrieben und kann sich nur mit Mühe retten. Erschöpft, unterkühlt und durchnässt bleibt sie am Ufer liegen. Zwei junge Frauen, die sich ihr Studium als Escort-Damen verdienen, finden sie. Linda und Becca nehmen sie im Taxi mit in ihre gemeinsame Wohnung in Bethnal Green.

Sobald Emma sich erholt hat, kehrt sie zu Jay zurück.

Dass die „Fette-Mieten-Party“ so rasch von der Polizei aufgelöst wurde, kann Jay sich nur mit einem Verräter in den eigenen Reihen erklären. Er erzählt Emma, dass vor drei Monaten ein Rechtsanwalt bei einer der Demonstrationen aufgetaucht sei und seither der Hacker Miles Fielding nicht mehr teilgenommen habe. Eric Vine sei der Name des Juristen gewesen. Emma kann nicht glauben, dass ihr Bruder heimlich für Braidlux arbeitete.

Alan, so vermutet Jay, hatte brisante Informationen über Braidlux gefunden, war aber beim Hacken der Systeme entdeckt worden und musste deshalb sterben.

In einem elektronischen Ordner Alans, den Jay wiederherstellen kann, befinden sich Unterlagen, die beweisen, dass Braidlux Baugenehmigungen erhielt, die es dem Unternehmen ermöglichten, Luxuswohnanlagen auf mit gesundheitsgefährdenden Baustoffen, Lacken und Farben kontaminierten Böden zu errichten.

Braidlux vergiftete für überhöhte Mieten und Kaufpreise seine Klienten. Wer dort wohnte, lebte ungesünder als in jedem sozialen Wohnungsbau.

Jay schickt das Material der Daily Mail und der Polizei. Robert Hanford und Frank Everett werden daraufhin verhaftet.

Emma vermutet, dass ihr Onkel von seinem Freund erpresst wurde, bei dem schmutzigen Geschäft mitzumachen. Und sie hält nun Robert Hanford sowohl für den Anstifter der Anschläge auf die Hochhäuser als auch für den Auftraggeber des Mörders, der Alan umbrachte und sie in die Themse warf. Alan wusste zu viel. Aber warum trachtet Robert auch ihr nach dem Leben? Vielleicht, weil er annahm, dass Alan ihr seine Informationen zugespielt hatte.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Endlich kann Emma ins Haus ihrer Großmutter zurückkehren, ohne ihre Festnahme befürchten zu müssen. Sie weist die Polizei auf Miles Fielding hin. Möglicherweise wurde er von Eric Vine als Spitzel angeworben und in die Everett Privatbank eingeschleust, den die beschäftigte ihn seit einigen Wochen als Softwareentwickler. Miles wäre in der Lage gewesen, das Chaos im Limeharbour Tower auszulösen und Alans Hacker-Attacke zu entdecken. Auf Fotos von Miles Fielding erkennt Emma den Mann, der sie ermorden wollte.

Als Leser wissen wir, dass Miles Fielding sich inzwischen nach Thurso im Norden von Schottland abgesetzt hat.

Weil das Gros der von Alan gesammelten Daten nicht mehr verfügbar ist, provoziert Emma den oder die Täter mit einer Twitter-Meldung: „ich lebe noch“. Wenige Minuten später erhält sie Antwort von einem eigens angelegten Account: „zähl die stunden, die dir bleiben“.

Jay findet heraus, dass kein Frank Everett bzw. Binder an der Fachhochschule in München studierte. Über das Geburtsdatum stößt er allerdings auf einen Frank-Uwe Nesslinger. Um mehr über ihn zu erfahren, fliegt Jay mit Tobias nach München und blättert in der Bayerischen Staatsbibliothek in alten Zeitungen. Frank-Uwe Nesslinger war als Student mit der RAF in Berührung gekommen und hatte beim Bombenanschlag am 16. Mai 1972 auf dem Parkplatz des Landeskriminalamts in München mitgewirkt. Er wurde zwar festgenommen, kam jedoch bald wieder frei. Dafür sorgte sein Vater, der 1928 in Königsberg geborenen Bundesrichter Kurt Nesslinger. Der Terrorist tauchte ab und zog dann unter dem Namen Frank Binder nach London.

Nur seiner Ehefrau vertraute Frank später das Geheimnis an. Katherine erzählte es seinem Freund Robert Hanford, mit dem sie damals eine Affäre hatte. Der nutzte Jahre später dieses Wissen, um Frank zur Übernahme von 20 Prozent an Braidlux zu erpressen. Frank weiß bis heute nichts von der Affäre und glaubt, Robert habe durch Zufall die Wahrheit über seine Vergangenheit herausgefunden. Als er vor einiger Zeit Bedenken gegen die Machenschaften des Unternehmens Braidlux äußerte, brachte Robert ihn mit der Drohung, die Medien zu informieren, zum Schweigen.

Das wollte die stolze Bankiers-Tochter Katherine nicht hinnehmen. Um Robert zu demonstrieren, dass die Everetts sich nicht das Heft aus der Hand nehmen lassen, brachte sie den Bankangestellten Miles Fielding dazu, die Systeme des Limeharbour Tower zu hacken und ein Chaos auszulösen. Sie konnte ja nicht ahnen, dass da jemand mit einer posttraumatischen Belastungsstörung in den Tod springen würde. Miles war vor drei Monaten von Alex Hanford als Spitzel aus der Occupy-Bewegung angeworben und von Katherine Everett als Softwareentwickler eingestellt worden. Alex hatte sich gegenüber den Demonstranten als Eric Vine ausgegeben.

Miles Fielding ertappte dann Alan Collins bei dessen Hackerangriffen gegen Braidlux und informierte Katherine Everett darüber. Falls sich die Medien auf die illegalen Geschäftspraktiken des Bauunternehmens gestürzt hätten, wäre über Frank auch die Everett Bank in Misskredit geraten. Das wollte Katherine verhindern. Und weil aufgrund der von Miles abgefangenen E-Mails von Alan an Emma anzunehmen war, dass auch sie Bescheid wusste, beauftragte Katherine den jungen Softwareentwickler, an einem Abend, an dem Eric eigentlich nicht zu Hause sein sollte, für einen Brand in dessen Apartment zu sorgen. Aber auch ein zweiter Mordanschlag gegen Emma missglückte. Nur Alan fiel Miles Fielding zum Opfer.

Am 17. April legt Katherine wieder einen neuen Twitter-Account an und schickt Emma die Nachricht: „11.30 p. m. Wo alles begann“. Emma folgt der Aufforderung, in den Limeharbour Tower zu kommen. Der Eingang ist unverschlossen. Im ehemaligen Büro von Kimmy Rasmussen findet Emma nicht nur ihre Tante vor, sondern auch Jono. Dessen Handgelenk hat Katherine mit einem Kabelbinder ans Fenster gefesselt. Sie schneidet ihn schließlich los, drückt ihm das Messer aber dann gegen den Hals und fordert ihre Nichte auf, aus dem noch nicht wieder verglasten Fenster zu springen. Plötzlich rammt Jono ihr einen Ellbogen in den Magen. Nachdem Emma ihn eindringlich gebeten hat, den Raum zu verlassen, drängt sie Katherine gegen das Fenster und schiebt sie über das Fensterbrett, bis sie in die Tiefe stürzt.

Später sagen Emma und Jono übereinstimmend aus, Katherine Everett habe die Ausweglosigkeit ihrer Lage erkannt und sich deshalb das Leben genommen [Suizid].

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Der Plot des Thrillers „Brixton Hill“ von Zoë Beck (bürgerlich: Henrike Heiland, * 1975) spielt vor dem Hintergrund der Gentrifizierung, bei der Arbeiterstadtviertel durch die Ansiedlung von Studenten und Künstlern ungewollt so aufgewertet und umstrukturiert werden, dass Bessergestellte sie für attraktiv halten und Investoren Geschäfte wittern. Dieser Prozess führt dazu, dass sich die bisherigen Bewohner die gestiegenen Mieten nicht mehr leisten können und wegziehen müssen. Sobald Gebäude leerstehen, werden sie aufwendig restauriert oder abgerissen, damit Luxuswohnanlagen gebaut werden können – wodurch sich die Gentrifizierung verstärkt. Skrupellose Hausbesitzer und Bauunternehmer warten nicht, bis Mieter von sich aus wegziehen, sondern drängen sie mit Schikanen und Mieterhöhungen aus den Häusern.

Neben der Gentrifizierung gehört auch das Internet zu den Kulissen von „Brixton Hill“: Die Romanfiguren nutzen soziale Medien wie Facebook und Twitter, es gibt Hacker und einen Datenjournalisten. Auch die Bedeutung von WikiLeaks wird kurz angetippt. Darüber hinaus integriert Zoë Beck Ereignisse wie die Schwabinger Krawalle im Juni 1962, den Tod des Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967, den RAF-Anschlag auf das Landeskriminalamt in München am 16. Mai 1972 und die Trauerfeier für Margaret Thatcher am 17. April 2013 in das Panorama ihrer Handlung.

Zwar kommen in „Brixton Hill“ vier Menschen ums Leben und die Hauptfigur entgeht nur knapp zwei Mordanschlägen, aber die polizeilichen Ermittler spielen nur eine Nebenrolle. Im Mittelpunkt steht kein Kommissar wie in vielen anderen Kriminalromanen, sondern die 33-jährige Enkelin der Besitzerin einer Privatbank in London, die ihren Lebensunterhalt durch die Organisation von Liveshows und anderer Events verdient.

Die Geschichte beginnt am 29. März 2013 und endet am 1. Mai. Zoë Beck entwickelt sie chronologisch und linear. Zug um Zug werden die Zusammenhänge erkennbar.

Etwas Straffung hätte dem Buch vermutlich gut getan und die Spannung erhöht. Ein paar auch vom Lektorat übersehene Sprachschludrigkeiten dürften die meisten Leserinnen und Leser nicht weiter stören.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © Zoë Beck / Wilhelm Heyne Verlag

Sibylle Berg - RCE #RemoteCodeExecution
Zornig und zynisch wirft Sibylle Berg in der kulturpessimistischen, apokalyptischen Groteske grelle Schlaglichter auf Auswüchse des Turbokapitalismus und Fehlentwicklungen der westlichen Gesellschaften. Der temporeiche Anfang von "RCE. #RemoteCodeExecution" ist sprachlich virtuos und mitreißend, (wahn-)witzig und voller Esprit, aber der Roman ist viel zu lang.
RCE #RemoteCodeExecution