Louis Begley : Schmidt

Schmidt
Originalausgabe: About Schmidt, Alfred A. Knopf, New York 1996 Schmidt Übersetzung: Christa Krüger Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 1997 ISBN 3-518-40918-2, 311 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Nach dem Tod seiner Frau gerät Albert Schmidt in eine Lebenskrise. Er fühlt sich einsam, aber das ist er nicht erst jetzt, sondern er war es auch schon als erfolgreicher Anwalt. Da täuschten nur die Hektik und das mondäne Leben darüber hinweg.
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Kritik

Louis Begley schildert die Gefühle und Gedanken des Protagonisten einfühlsam und nuanciert, leise, gelassen und unaufdringlich. "Schmidt" ist ein kluger und unsentimentaler Roman mit einem melancholischen Grundton.
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Albert Schmidt, ein erfolgreicher New Yorker Wirtschaftsanwalt, geht vorzeitig in den Ruhestand, als bei seiner Ehefrau Mary eine unheilbare Krebskrankheit diagnostiziert wird. Sie verkaufen ihr Apartment in der Fifth Avenue und ziehen sich in ihr Landhaus in Bridgehampton zurück. Durch den Tod seiner Frau und den Verlust der Arbeit bricht für Schmidt eine Welt zusammen, aber seine Mitmenschen erschüttert das nicht weiter. Von seinem Selbstmitleid wollen sie nichts wissen. Seine Tochter Charlotte – sein einziges Kind – rückt von ihm ab. Die Freunde lassen bis auf den Filmproduzenten Gilbert Blackman nichts mehr von sich hören. Schmidt fühlt sich einsam und verloren.

Charlotte kündigt ein halbes Jahr nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1991 an, sie werde einen Anwalt aus der früheren Kanzlei ihres Vaters heiraten: Jon Riker. Schmidt hatte ihn zwar beruflich protegiert, aber er mag den „ehrgeizigen Fachidioten“ und „bornierten Streber“ persönlich nicht. Ausgerechnet Jon Riker, der durch Schmidt zum Teilhaber in der Sozietät geworden war, setzt sich Ende 1991 / Anfang 1992 rücksichtslos für eine nachträgliche Kürzung der Pensionsansprüche seines Förderers ein. Als Schmidt versucht, seine Tochter von der beabsichtigten Heirat abzubringen, wirft sie ihm vor, ein Antisemit zu sein, denn Riker ist Jude. Am Ende wendet Charlotte sich nur noch mit finanziellen Forderungen an ihren Vater.

Das Plaudern mit der zwanzigjährigen puertoricanischen Studentin Caridad („Carrie“) Gorchuk, die als Kellnerin in seinem Stammrestaurant arbeitet, heitert Schmidt auf. Er macht sich nichts vor: Für die Affäre eines reichen Pensionärs mit einem mittellosen Mädchen, das jünger als seine Tochter ist, gibt es keine Zukunft. Carrie wird jedoch seine Geliebte und zieht bei ihm ein.

Es stellt sich heraus, dass es sich bei einem verwahrlosten Obdachlosen, der Schmidt bereits einige Male unangenehm auffiel, um Carries früheren Chemielehrer Mr Wilson handelt. Von ihm war sie im Alter von fünfzehn Jahren defloriert worden. Als Schmidt eines Nachts im dichten Nebel in seine Einfahrt einbiegt, gerät ihm der Penner vors Auto. Schmidt bricht sich bei den Aufprall die linke Schulter und einige Rippen. Mr Wilson erliegt seinen Verletzungen. Weil der Obdachlose stark betrunken war und die Bremsspuren beweisen, dass Schmidt richtig reagierte, wird keine Anklage gegen ihn erhoben.

Unerwartet erhält Schmidt eines Tages die Nachricht, seine Pflegemutter Bonnie sei gestorben und habe ihm ihr gesamtes Vermögen vermacht. Da fasst er neuen Lebensmut und nimmt sich vor, nach Florida zu ziehen.

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Nach dem Tod seiner Frau gerät Schmidt in eine Lebenskrise. Er fühlt sich einsam, aber das ist er nicht erst jetzt, sondern er war es auch schon als erfolgreicher Anwalt. Da täuschten nur die Hektik und das mondäne Leben darüber hinweg. Ließ Schmidt nicht seiner eigenen Tochter Nachrichten durch die Sekretärin übermitteln? Am Beispiel des karrieregeilen Anwalts, in den seine Tochter sich verliebt hat, beginnt Schmidt zu begreifen, was er selbst falsch machte. Er durchschaut seine Lebenslüge, beobachtet, was mit ihm geschieht und lehnt sich vergeblich dagegen auf.

Louis Begley schildert die Gefühle und Gedanken des Protagonisten einfühlsam und nuanciert, leise, gelassen und unaufdringlich. Er berichtet viel von scheinbar trivialen Dingen. „Schmidt“ ist ein kluger und unsentimentaler Roman mit einem melancholischen Grundton.

Genau, detailliert, aber nicht aufdringlich weiß Louis Begley die wachsende Verlorenheit seines Helden zu beschreiben. Immer schwerer fällt es Schmidt, Ordnung in seine Tage zu bringen. Immer unverständlicher werden ihm das Treiben und die Hetze der anderen. Immer länger bleibt er morgens im Bett liegen, immer früher fängt er abends an zu trinken, und immer enger werden die Kreise, in denen sich seine Gedanken um das angespannte Verhältnis zu seiner Tochter drehen.
Aber ebenso einfühlsam macht Begley auch Schmidts Ringen um einen Neuanfang anschaulich. Klug und ganz unsentimental zeigt er, dass es nicht die großen Vorhaben sind, die seinen Helden gelegenheitlich wieder Freude am Dasein empfinden lassen, sondern kleine, scheinbar unwichtige Ereignisse […]
Begley demonstriert mit leichthändiger Könnerschaft die Mechanismen einer ernsten menschlichen Krise. (Uwe Wittstock, Süddeutsche Zeitung 31. Oktober 1997)

Der Bestseller inspirierte Alexander Payne zu seinem Film „About Schmidt“.

Louis Begley knüpfte 2000 mit „Schmidt Delivered“ („Schmidts Bewährung“, 2001) an den Erfolg an und ließ ein Jahrzehnt später einen dritten Band folgen: „Schmidt Steps Back“ (2012; „Schmidts Einsicht“, 2011).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003 / 2011

Alexander Payne: About Schmidt

Louis Begley (kurze Biografie / Bibliografie)
Louis Begley: Lügen in Zeiten des Krieges
Louis Begley: Der Mann, der zu spät kam
Louis Begley: Wie Max es sah
Louis Begley: Schiffbruch
Louis Begley: Ehrensachen
Louis Begley: Schmidts Einsicht
Louis Begley: Erinnerungen an eine Ehe

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Im Shakespeare-Jahr 2016 ver­wan­delt Ian McEwan den Plot der Tra­gö­die "Hamlet" in einen grotesken Kri­mi­nal­roman, ein von originellen Ein­fäl­len, Komik, Ironie, Sarkasmus und Sprachwitz fun­keln­des Kammerspiel mit dem Titel "Nussschale".
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.