About Schmidt

About Schmidt
About Schmidt - Originaltitel: About Schmidt - Regie: Alexander Payne - Drehbuch: Alexander Payne und Jim Taylor, nach dem Roman "Schmidt" von Louis Begley - Kamera: James Glennon - Schnitt: Kevin Tent - Musik: Rolfe Kent - Darsteller: Jack Nicholson, Kathy Bates, Hope Davis, Dermot Mulroney, June Squibb, Harry Groener, Connie Ray, Len Cariou, Howard Hesseman, Cheryl Hamada, Mark Venhuizen u.a. - 2002; 125 Minuten

Inhaltsangabe

Ein Spießer wird in den Ruhestand geschickt. Kurz darauf stirbt seine Frau. Und dann verliert er auch noch seine Tochter, weil diese sich von ihm abwendet. Schmidt ist zu schwach, um die Hochzeit seiner Tochter mit einem Loser zu verhindern. Nicht einmal sein Scheitern ist dramatisch; er versagt einfach nur kläglich.
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Kritik

Lose nach dem Roman "Schmidt" von Louis Begley erzählt Alexander Payne leise, bedächtig und ohne Effekthascherei eine traurige, melancholische, doch immer auch komische Geschichte. In der Rolle des spießigen Renters beweist Jack Nicholson, was für ein genialer Schauspieler er ist.
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Der sechsundsechzigjährige Versicherungsmathematiker Warren Schmidt (Jack Nicholson), der es zum stellvertretenden Vizepräsidenten der Versicherungsgesellschaft Woodmen in Omaha, Nebraska, gebracht hat, wartet in seinem bereits leer geräumten Büro und mit dem geschlossenen Aktenkoffer auf dem Schreibtisch, bis der Uhrzeiger auf 17 Uhr springt. Dann steht er schleppend auf, nimmt seinen Mantel, sieht sich noch einmal um und geht aus der Tür. Es war sein letzter Tag. Nun beginnt der Ruhestand. Bei der Abschiedsfeier am Abend wird er mit freundlichen Worten überhäuft, und sein junger, dynamischer Nachfolger Gary Nordin (Matt Winston) lädt ihn ausdrücklich ein, bald wieder mal vorbeizukommen: Er habe noch viele Fragen an seinen erfahrenen Vorgänger.

Am nächsten Morgen überrascht ihn seine Frau Helen (June Squibb) und deckt den Frühstückstisch in dem riesigen Wohnmobil, das sie sich für den Ruhestand angeschafft haben. Noch ist es neben ihrem biederen Häuschen geparkt. Und Schmidt hat auch gar keine Lust, damit herumzufahren; er ließ sich von seiner Frau überreden, das teure Fahrzeug zu kaufen.

Als er tatsächlich noch einmal bei seinem Nachfolger vorbeischaut, beteuert Gary Nordin, wie sehr er sich über den Besuch freue. Er habe alles im Griff. Keine Fragen. Und leider müsse er gleich zu einem Termin. Zufällig entdeckt Schmidt seine Akten im Müll. Aber seiner Frau schwindelt er vor, er habe seinem Nachfolger noch bei einigen schwierigen Dingen helfen können.

Nach außen hin tut Schmidt so, als freue er sich über den Ruhestand, tatsächlich aber hat ihn der Horror vacui gepackt. Gelangweilt zappt er durch die Fernsehprogramme, bis er zu einer Sendung über kranke Kinder in Afrika kommt. Da heißt es, für 22 Dollar im Monat könne man die Patenschaft für ein Kind übernehmen. Schmidt meldet sich an und erhält nach kurzer Zeit ein Schreiben mit einem Foto seines Patenkindes: Ndugu Umbo ist ein sechsjähriger Waisenjunge in Tansania. Die Wohltätigkeitsorganisation bittet darum, dem Scheck einen persönlichen Brief beizufügen.

Nach ein paar Floskeln schreibt Warren Schmidt von seiner Wut auf den jungen Nachfolger im Büro. Früher hatte er davon geträumt, sein Bild einmal auf dem Titelblatt einer Zeitschrift zu sehen, aber die große Karriere blieb aus. Mit seiner Frau ist er seit 42 Jahren verheiratet, aber seit einiger Zeit fragt er sich jede Nacht: Wer ist die alte Frau im Bett neben mir? Sie hat ihm verboten, im Stehen zu urinieren. Alles an ihr irritiert ihn, aber er schluckt seinen Ärger hinunter.

Schmidt will mit dem Brief an Ndugu zum Postamt fahren. Helen – die gerade Staub saugt – ermahnt ihn, nicht herumzutrödeln. Als er wieder nach Hause kommt, läuft der Staubsauger noch immer. Helen liegt tot am Boden. Ein Blutgerinnsel im Gehirn.

Zur Beerdigung kommt die Tochter Jeannie (Hope Davis), die bei einer Computerfirma in Denver, Colorado, beschäftigt ist, mit ihrem Verlobten Randall Hertzel (Dermot Mulroney), einem Verkäufer von Wasserbetten.

Als die Trauergäste wieder abgereist sind, behauptet Schmidt in einem Brief an Ndugu, den Haushalt voll unter Kontrolle zu haben. Tatsächlich steht auf dem Tisch lauter gebrauchtes Geschirr, leere Verpackungen liegen herum: Er verwahrlost.

Zuerst der Verlust der Arbeit, nun der Tod seiner Frau. Das setzt Warren Schmidt schwer zu. Verwundert stellt er fest, dass er Helen vermisst. Während er sich zu ihren Lebzeiten über ihren Körpergeruch ärgerte, schnuppert er jetzt an ihren Kleidern. Zufällig findet er ein Bündel Liebesbriefe von seinem besten Freund Ray Nichols (Len Cariou) an Helen. Sie sind zwar 25 Jahre alt, und Warren Schmidt war seiner Frau auch nicht immer treu, aber er reißt wütend Helens Kleider, Wäsche und Handtaschen aus den Schränken, fährt damit zum Altkleider-Container und lauert dann Ray auf, um ihn zu verprügeln. Der duckt sich bei dem ungelenken Angriff weg und beschwört Warren: Das sei doch vor so langer Zeit gewesen.

Nachts packt Schmidt plötzlich seine Koffer, steigt ins Wohnmobil und fährt Richtung Denver. Von einer Telefonzelle aus ruft er Jeannie im Büro an: Wenn er nicht in einen Stau gerate, sei er zum Abendessen da. Seine durch den Job und die Hochzeitsvorbereitungen überforderte Tochter besteht jedoch brüsk darauf, dass er – wie vereinbart – erst kurz vor der Hochzeit kommt.

Ndugu schreibt er, seine Tochter habe zwar darum gebeten, dass er ihr bei den Hochzeitsvorbereitungen helfe, aber er wolle jetzt erst einmal einige Zeit für sich selbst haben und reisen.

In Holdridge, Nebraska, fährt er zu der Adresse seines Geburtshauses. Es steht nicht mehr. Stattdessen gibt es jetzt dort ein Reifengeschäft. Auch seine Universität in Lawrence, Kansas, besucht er. Auf einem Campingplatz wird sein neues Wohnmobil bewundert: John Rusk (Harry Groener) lädt ihn zum Abendessen in sein ein paar Meter weiter abgestelltes Wohnmobil ein. Als das Bier ausgeht und John noch welches holt, meint seine Frau Vicki (Connie Ray), Warren wirke traurig, einsam und frustriert. Der wundert sich: „Wir kennen uns erst eine Stunde, und schon verstehst du mich besser als meine Frau nach 42 Jahren.“ Doch als er sie zu küssen versucht, kreischt sie hysterisch auf, flieht verängstigt in den anderen Teil des Wohnmobils und fordert ihn schreiend zum Gehen auf.

Unterwegs ruft er bei Ray an, um ihm zu sagen, dass er ihm verziehen hat, aber er kommt mit dem Anrufbeantworter nicht zurecht.

Schließlich parkt er vor dem Elternhaus seines zukünftigen Schwiegersohns. Es steht in einem Unterschichtviertel. Randalls Mutter Roberta Hertzel (Kathy Bates) empfängt ihn herzlich. Sie wirkt wie ein alt gewordenes Hippie-Mädchen. Unbekümmert erzählt sie Warren, sie habe Randall bis zum fünften Lebensjahr gestillt. Deshalb sei aus ihm so ein prächtiger Bursche geworden. Sie sei immer leicht erregbar gewesen und habe sehr viel Sex gebraucht, mehr als ihre zwei Ehemänner ihr bieten konnten. Trotz der Scheidung scheint Randalls Vater Larry (Howard Hesseman) nach wie vor bei ihr ein- und auszugehen. Zum Abendessen bringt er auch seine Geliebte mit: Saundra (Cheryl Hamada). Angewidert beobachtet Schmidt die schlechten Tischmanieren von Roberta und ihren Söhnen Randall und Duncan (Mark Venhuizen).

Warren Schmidt, der Randall Hertzel von Anfang an für einen Verlierertypen gehalten hat, sieht sich in seinem Urteil voll bestätigt und beschwört deshalb seine Tochter unter vier Augen, die Hochzeit abzusagen. Aber sie fragt nur bitter zurück, warum er sich plötzlich für sie interessiere und stellt ihn vor die Alternative, abzureisen oder an der Hochzeit teilzunehmen.

Nach der Übernachtung im Wasserbett erwacht Schmidt mit einer steifen Schulter. Roberta hat nicht nur Schmerzmittel, sondern auch einen warmen Whirlpool im Garten. Das tut gut. Doch als sie nackt zu ihm ins Wasser steigt, flüchtet er und zieht es vor, in seinem Wohnmobil zu schlafen.

Bei der Hochzeitsfeier wird der Brautvater plötzlich aufgefordert, eine Rede zu halten. Mühsam beginnt er. Nach einem nichtssagenden Gestammel setzt er an: „Was ich eigentlich sagen wollte …“ Jeannie blickt ihn entsetzt an. Aber er fährt nur mit ein paar heuchlerischen Phrasen fort und setzt sich dann wieder.

Während die Jungvermählten auf Kosten Schmidts nach Florida in die Flitterwochen fliegen, fährt er nach Omaha zurück. In einem weiteren Brief an Ndugu gesteht er sich ein, dass er in seinem Leben nichts bewirkt hat und damit zu rechnen ist, dass er nach seinem Tod rasch vergessen wird.

Unter der Post ist ein Brief aus Tansania. Eine Klosterschwester hat ihn geschrieben. Sie betreut Ndugu, und weil dieser noch nicht lesen und schreiben kann, hat er ein Bild gemalt: Ein großes und ein kleines Strichmännchen, Hand in Hand. Warren Schmidt weint.

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In „About Schmidt“ geht es einmal nicht um Yuppies und Dinks (double income, no kids), auch nicht um aktive ältere Menschen, die voller Tatkraft ein neues Leben beginnen, sondern um einen spießigen Rentner, der in den Ruhestand geschickt wird, dessen Frau stirbt und der zu schwach ist, um die Hochzeit seiner Tochter mit einem Loser zu verhindern. Als Schmidt auf der Hochzeitsfeier seine verlogene Rede hält, die Fassade aufrecht erhält und sich den Erwartungen anpasst, um einen Skandal zu vermeiden, resigniert er endgültig. Nicht einmal das Scheitern dieses Menschen ist dramatisch; er versagt einfach nur kläglich. Dabei bewegt er sich ständig unter freundlich lächelnden Menschen.

Alexander Payne erzählt die bewegende Geschichte eher leise, bedächtig und ohne Effekthascherei. „About Schmidt“ ist traurig, melancholisch, doch immer auch komisch.

Inspirieren ließen sich Alexander Payne und Jim Taylor von Motiven aus dem Roman „Schmidt“ von Louis Begley, aber sie folgten nicht der literarischen Vorlage.

Gelingen konnte der Film nur mit einem Hauptdarsteller wie Jack Nicholson. Der für seine dämonischen Rollen berühmte exzentrische Schauspieler muss einfache ältere Menschen – ihre Mimik, die unruhigen Handbewegungen, den ungelenken Gang – genau beobachtet haben, denn er verkörpert den spießigen Rentner außergewöhnlich glaubwürdig. „Jack Nicholson ist auf wunderbare Weise nicht er selbst“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ (26. Februar 2003).

Jack Nicholson und Kathy Bates wurden für einen „Oscar“ nominiert.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003

Louis Begley: Schmidt

Alexander Payne: Election
Alexander Payne: Sideways
Alexander Payne: The Descendants. Familie und andere Angelegenheiten
Alexander Payne: Nebraska

Arnold Stadler - Komm, gehen wir
Die Komposition des wehmütigen Romans "Komm, gehen wir" wirkt unproportioniert. Arnold Stadler erzählt nicht linear, sondern assoziativ, das heißt, er springt vor und zurück, schweift ab, begibt sich in Sackgassen, wiederholt sich.
Komm, gehen wir