Juls Freundin

Juls Freundin

Juls Freundin

Originaltitel: Juls Freundin - Regie: Kai Wessel - Drehbuch: Hannah Hollinger und Ellinor Gaaz - Kamera: Hagen Bodanksi - Schnitt: Tina Freitag - Musik: Moe Jaksch - Darsteller: Anneke Kim Sarnau, Jacob Matschenz, Andreas Patton, Barbara Nüsse, Esther Esche u.a. - 2002; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Die 26-jährige Analphabetin Phoebe schlägt sich mit Aushilfsarbeiten durch. Beim Putzen beobachtet sie einen zehn Jahre jüngeren Ladendieb und rettet ihn vor der Polizei. Jul, so heißt er, wirbt um ihre Freundschaft. Er kam gerade erst aus dem Erziehungsheim und lebt probeweise bei seinem Vater Daniel. Als er erste Erfolge bei Phoebe erzielt und sie mit nach Hause nimmt, verliebt sie sich in seinen Vater. Da zündet Jul frustriert eine Scheune an ...
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Kritik

"Juls Freundin" ist ein melancholisches Außenseiterdrama. Kai Wessel inszenierte die Geschichte ruhig und lakonisch. Sehenswert sind vor allem auch die beiden Schauspieler Jacob Matschenz und Anneke Kim Sarnau.
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Phoebe Panizzi (Anneke Kim Sarnau) ist sechsundzwanzig und schlägt sich in Hamburg mit Aushilfsarbeiten durch. Schreiben und lesen hat sie wegen der häufigen Umzüge ihrer Eltern nicht gelernt, aber das versucht sie geschickt vor anderen Menschen zu verbergen. Freunde hat sie keine; sie lebt allein in einer Mietwohnung und duldet nur Kaninchen in ihrer Privatsphäre.

Bei ihrer Nachbarin, Frau Peters (Barbara Nüsse), handelt es sich um eine pensionierte Lehrerin, die ebenso einsam ist wie Phoebe.

In dem Geschäft, in dem Phoebe putzt, beobachtet sie einen sechzehnjährigen Jungen beim Ladendiebstahl. Der Inhaber erwischt ihn und sperrt ihn in ein Hinterzimmer, während er die Polizei anruft. Phoebe lässt den Dieb entkommen. Vor seiner Flucht legt er allerdings noch Feuer. Das kann zwar rasch gelöscht werden, aber der aufgebrachte Händler entlässt Phoebe auf der Stelle.

Kurz darauf spricht der Junge Phoebe in einem Supermarkt an. Er heißt Jul Rosenberg (Jacob Matschenz) und wirbt unbeholfen um Phoebes Freundschaft. Statt in die Schule zu gehen, folgt er ihr auf Schritt und Tritt. Phoebe empfindet das als lästig, aber Jul lässt sich nicht entmutigen.

Ebenso wie Phoebe gehört Jul zu den Außenseitern. Als er drei Jahre alt war, verließ seine Mutter ihn und seinen damals zweiundzwanzigjährigen Vater. Inzwischen lebt sie mit einem anderen Mann in Südfrankreich. Jul kam damals in ein Heim. Weil er – nicht zuletzt wegen seiner pyromanischen Veranlagung – als schwer erziehbar eingestuft wurde, genehmigte das Jugendamt erst vor wenigen Wochen einen Antrag seines Vaters Daniel (Andreas Patton), ihn probeweise bei ihm wohnen zu lassen. Daniel Rosenberg ist Sportjournalist und mit seiner Kollegin Janine (Esther Esche) verlobt.

Mit seiner Hartnäckigkeit erreicht Jul, dass Phoebe ihn wenigstens in ihrer Nähe akzeptiert. Er nimmt sie mit nach Hause. Bevor er sie seinem Vater vorstellen kann, flirten die beiden bereits miteinander. Und als Jul kurz darauf zu Phoebe geht, um ihr eine Liebeserklärung zu machen, überrascht er seinen Vater in ihrer Wohnung. Enttäuscht rennt er fort und zündet einen Schuppen bei den Fischteichen an, in dem er sich einmal mit Phoebe umzog, nachdem sie sich gegenseitig ins Wasser geworfen hatten.

An ihrer Tür findet Phoebe einen Zettel von Daniel, der nach dem Vorfall ebenfalls weggegangen war. Sie klingelt bei ihrer Nachbarin, um sich die hingekritzelte Nachricht vorlesen zu lassen, aber Frau Peters spielt gerade mit Schlaftabletten, denkt an Selbstmord und öffnet nicht. Mit Hilfe eines bebilderten Wörterbuchs entziffert Phoebe das Wort Polizei. Daraufhin ruft sie die Polizeiwache an und teilt kurz mit, dass Jul Rosenberg bei den Fischteichen sein könnte.

Jul muss zurück ins Erziehungsheim, und Daniel wird das Sorgerecht erneut entzogen.

Frau Peters, die sich das Leben doch noch nicht genommen hat, liest Phoebe schließlich vor, was auf dem Zettel steht. Daniel befürchtete offenbar, dass Jul in seiner Frustration etwas anstellen könne und schrieb, Phoebe solle auf keinen Fall die Polizei einschalten, sondern ihn anrufen, falls Jul wieder bei ihr auftauchen würde.

Verärgert zieht Daniel sich von Phoebe zurück und beginnt mit Janine, seine Hochzeit vorzubereiten.

Phoebe besucht Jul regelmäßig im Heim und gesteht ihm, warum sie die Polizei anrief.

Durch seinen Sohn erfährt auch Daniel, dass Phoebe den Zettel nicht lesen konnte und Jul nicht schaden wollte. Daraufhin besinnt Daniel sich wieder auf seine Gefühle für Phoebe und begreift, dass seine geplante Eheschließung mit Janine nur eine Notlösung gewesen wäre, um Jul eine komplette Familie bieten zu können. Die geplante Hochzeit sagt er ab.

Phoebe arbeitet inzwischen als Leichenwäscherin in der Leichenhalle. Dabei steht sie eines Tages vor der Leiche ihrer Nachbarin. Frau Peters schluckte eine Überdosis Schlaftabletten und sprang zur Sicherheit auch noch vom Hausdach. Ihren alten Mercedes und ein Sparbuch hinterlässt sie Phoebe.

Nun will Phoebe endlich schreiben und lesen lernen. Zunächst bemüht sie sich allein in ihrer Wohnung, aber dann meldet sie sich für einen Erwachsenenkurs an.

Das Jugendamt erlaubt nach einiger Zeit, dass Jul erneut bei seinem Vater wohnt. Phoebe besucht Jul und Daniel bei den Fischteichen, wo sie ungeachtet des Verbots beim Angeln sind. Plötzlich werden sie ertappt. Lachend fliehen Phoebe, Jul und Daniel vor dem Wachhund.

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„Juls Freundin“ ist ein melancholisches Außenseiterdrama. Es beginnt mit einer zarten Annäherung zwischen einem sechzehnjährigen Pyromanen und einer zehn Jahre älteren Analphabetin und endet nach mehreren Malheurs mit der Aussicht auf ein Happy End.

Kai Wessel inszenierte die Geschichte ruhig und lakonisch. Sehenswert sind vor allem auch die beiden Schauspieler Jacob Matschenz und Anneke Kim Sarnau.

Anneke Kim Sarnau (*1972) wurde 2002 für ihre Rolle in „Ende der Saison“ (Regie: Stefan Krohmer, 2001) mit dem Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „beste Schauspielerin“ und dem Adolf Grimme Preis in Gold ausgezeichnet, im Jahr darauf für ihre Rolle in „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ (Regie: Marc Rothemund, 2002) mit dem Deutschen Fernsehpreis, dem Bayerischen Fernsehpreis und den Adolf Grimme Preis in Gold.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005

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