Das schwarze Buch
Das schwarze Buch
Inhaltsangabe
Kritik
Holland, September 1944. Die jüdische Sängerin Rachel Stein (Carice van Houten) versteckt sich vor den Nationalsozialisten auf dem Bauernhof der achtköpfigen Familie Tjepkema (Bert Luppes, Marisa Van Eyle, Heleen Mineur, Bas van der Horst, Foeke Kolff, Merel van Houts, Charlotte Rinnooy Kan, Maaike Kempeneers). Der Bauer nutzt die Zwangslage der jungen Frau aus, um sie zu missionieren. Erst wenn sie bei Tisch Bibel-Zitate fehlerfrei aufgesagt hat, wird ihr Teller gefüllt. Wenn die Juden nur auf Jesus Christus gehört hätten, statt ihn zu kreuzigen, stöhnt er.
Während Rachel am nahen See mit dem Segler Rob (Michiel Huisman) flirtet, wird der Bauernhof durch einen Luftangriff zerstört. Rob und Rachel verstecken sich daraufhin in einem leerstehenden Gewächshaus. Dort taucht wenig später ein Mann auf, der andeutet, dass er dem Widerstand angehört. Van Gein (Peter Blok) warnt Rachel vor den Deutschen, die in dem niedergebrannten Bauernhaus ihren Ausweis fanden und nach ihr suchen. Scheinbar zögernd verspricht er, ihr am nächsten Tag zur Flucht nach Belgien zu verhelfen.
Um sich Geld für die Flucht zu besorgen, sucht Rachel den Notar Wim Smaal (Dolf de Vries) auf, der das Vermögen ihrer ebenfalls untergetauchten Eltern verwaltet.
Unerwartet sieht Rachel ihre Eltern (Jack Vecht, Jacqueline Blom) und ihren Bruder Max (Seth Kamphuijs) wieder, als Van Gein sie bei einbrechender Dunkelheit auf ein Schiff bringt, das sie mit anderen Juden zusammen nach Belgien bringen soll. Max bewegt sich vorsichtig, denn vor vier Tagen wurde ihm der Blinddarm entfernt. Smaal hatte ihm einen für den Widerstand tätigen Arzt besorgt – Hans Akkermans (Thom Hoffman) –, der die Notoperation auf einem Küchentisch durchführte.
Van Gein übergibt die Flüchtlinge dem Skipper (Herman Boerman) und bleibt am Ufer zurück. Plötzlich flammen Scheinwerfer auf. Ein deutsches Patrouillenschiff! Ohne Vorwarnung eröffnet die Besatzung das Feuer. Rachel springt ins Wasser und taucht zu einer Stelle, wo sie sich im Schilf verstecken kann. Von dort muss sie zusehen, wie die Deutschen ihre Angehörigen, alle anderen Flüchtlinge und den Skipper erschießen, bevor sie sich über die Wertsachen der getöteten Juden hermachen.
Rachel schlägt sich nach Den Haag durch und wird dort von dem Widerstandskämpfer Gerben Kuipers (Derek de Lint) aufgenommen. Damit sie nicht als Jüdin erkannt wird, färbt sie ihr schwarzes Haar blond und bekommt Papiere auf den Namen Ellis de Vries.
Fünf Monate später begleitet sie Hans Akkermans, der zu Kuipers Gruppe zählt, auf einer Kurierfahrt im Zug. Zur Tarnung spielen sie ein Liebespaar. Aber die SD-Offiziere (Ronald de Bruin, Menno Van Beekum) lassen sich nicht ablenken. Sie verlangen, dass alle Koffer geöffnet werden. Da ohrfeigt Ellis ihren Begleiter plötzlich, beschimpft ihn, packt die beiden Koffer und stürmt in den nächsten Waggon. Dort setzt sie sich zu einem SS-Hauptsturmführer ins Abteil, der sich gerade sein Briefmarken-Album anschaut. Die attraktive junge Frau gefällt Ludwig Müntze (Sebastian Koch); er hebt ihre Koffer ins Gepäcknetz und unterhält sich mit ihr. Auf diese Weise entgeht sie der Kontrolle.
Als Gerben Kuipers erfährt, dass Rachel alias Ellis während der Zugfahrt mit dem Chef des SD in Den Haag flirtete, setzt er sie auf ihn an. Nachdem Ellis sich auch die Schamhaare blond gefärbt und von Notar Smaal Briefe mit seltenen Postwertzeichen besorgt hat, besucht sie Müntze im SD-Hauptquartier unter dem Vorwand, ihm Briefmarken bringen zu wollen. Er freut sich über das Wiedersehen und nimmt sie zu einer Feier mit. In dem SS-Offizier Günther Franken (Waldemar Kobus), dem sie dort begegnet, erkennt sie den Kommandanten des Patrouillenschiffes wieder, der ihre Eltern und die anderen jüdischen Flüchtlinge ermorden und ausrauben ließ. Sie stürzt ins Bad und übergibt sich. Müntze klopft besorgt an die Tür, aber sie versichert ihm, sie habe nur den kalten Champagner nicht vertragen. Da sie Müntze während der Zugfahrt erzählte, sie sei früher Sängerin gewesen, bittet er sie nun, das Lied „Ich bin die fesche Lola“ zu singen. Franken begleitet sie am Flügel, und seine holländische Geliebte Ronnie (Halina Reijn) tanzt ausgelassen.
In Müntzes Wohnung beginnt Ellis sich auszuziehen. Müntze erkennt, dass ihr Haar gefärbt ist und durchschaut, dass sie eine Jüdin ist. Dennoch lässt er sich auf eine Affäre mit ihr ein, denn er hat sich in sie verliebt. Sie entdeckt ein Familienfoto und nimmt an, der Deutsche sei verheiratet. Aber er verlor seine Frau und seine Kinder bei einem britischen Luftangriff auf Hamburg.
Ronnie, die als Sekretärin für ihren Liebhaber arbeitet, freundet sich mit Ellis an und sorgt dafür, dass Franken sie ebenfalls in seinem Büro beschäftigt. Zu ihrem Entsetzen wird Ellis dabei mit Protokollen konfrontiert, die von Maarten (Xander Straat), Kuipers Sohn Tim (Ronald Armbrust) und einem weiteren Widerstandskämpfer aus der Gruppe nach der Folter unterschrieben wurden. Mit sadistischem Vergnügen befahl Franken zwei Männern, Maartens Kopf ins mit Wasser gefüllte Waschbecken zu tauchen und als dieser die Luft anhielt, trat Franken ihm von hinten mit dem Stiefel in die Hoden.
Im Aufzug des SD-Hauptquartiers trifft Rachel alias Ellias auf Wim Smaal. Der Notar, der ebenfalls mit der Widerstandsgruppe von Gerben Kuipers zusammenarbeitet, gibt ihr ein Abhörgerät. Das versteckt sie hinter einem riesigen Ölgemälde, einem Porträt Heinrich Himmlers, in Frankens Büro.
Franken will die drei inhaftierten Widerstandskämpfer erschießen lassen, aber Müntze weigert sich, den Befehl abzuzeichnen. Er verhandelt nämlich heimlich mit Smaal über ein Stillhalteabkommen zwischen dem SD und dem holländischen Widerstand.
Durch die Abhöraktion findet die Widerstandsgruppe heraus, dass es sich bei Van Gein um einen Kollaborateur der Nationalsozialisten handelt, der reiche Juden zur Flucht überredet und dann Franken verrät, wo sie ermordet und ausgeraubt werden können.
Hans wird wütend, als er das erfährt. Obwohl Kuipers ausdrücklich anordnet, erst einmal nichts zu unternehmen, will er Van Gein töten, und weil er nicht weiß, wie der Verräter aussieht, verlangt er von Rachel, dass sie ihm den Mann auf der Straße zeigt. Mit zwei anderen Widerstandskämpfern zusammen überfällt Hans den Kollaborateur und presst ihm einen mit Chloroform getränkten Lappen auf Nase und Mund. Aber Van Gein kann sich befreien, weil die vier Jahre alte Flüssigkeit ihre Wirkung verloren hat. Es kommt zu einer wilden Schießerei, bei der Van Gein von Theo (Johnny de Mol) getötet wird.
Wie von Kuipers befürchtet, reagieren die Deutschen auf den Anschlag, indem sie die Erschießung von vierzig Geiseln vorbereiten.
Die Widerstandsgruppe will sie rechtzeitig aus den Kerkern im SD-Hauptquartier befreien.
Als Ellis an diesem Abend verspätet zu ihrem Liebhaber kommt, empfängt dieser sie mit einer Pistole in der Hand. Er hat durchschaut, dass sie mit dem Widerstand zusammenarbeitet und an der Ermordung von Frankens V-Mann beteiligt war. Rachel alias Ellis vertraut ihm daraufhin ihre wahre Geschichte an und klärt ihn über Frankens Rolle auf.
Am nächsten Morgen stürmt General Käutner (Christian Berkel) in Frankens Büro und beschuldigt den Offizier, sich an jüdischem Vermögen bereichert zu haben. Franken muss seinen Tresor öffnen. Darin liegen jedoch nur unverfängliche Akten und eine Flasche Champagner. Als Franken merkt, dass er ungeschoren davonkommt, lässt er den General wissen, dass Müntze heimlich mit dem holländischen Widerstand verhandelt. Das sei Defätismus und Hochverrat, schreit Käutner und lässt den Hauptsturmführer auf der Stelle festnehmen. Er soll zusammen mit den vierzig Geiseln erschossen werden.
Rachel besteht nun darauf, dass die Widerstandskämpfer nicht nur die drei inhaftierten Kameraden und die Geiseln befreien, sondern auch Müntze. Sie hat sich in den Deutschen verliebt und erklärt Kuipers, er habe sich bemüht, Gräueltaten der Nationalsozialisten zu verhindern.
Durch ein von Rachel alias Ellis geöffnetes Fenster im Kohlenkeller dringen die Männer in das SD-Gebäude ein und holen die Gefangenen aus ihren Zellen, während Ellis im Saal mit Franken zusammen singt. Doch die Aktion wurde offenbar verraten, denn plötzlich tauchen Deutsche auf und richten mit ihren automatischen Waffen ein Blutbad an, dem nur Hans und Theo entkommen.
Ellis wird kurz danach in Frankens Büro gerufen. Die Widerstandskämpfer, die am Empfänger der Abhöranlage sitzen, erkennen ihre Stimme, als sie das Büro betritt. Nach dem Austausch von ein paar Floskeln bedankt Franken sich bei ihr für den Hinweis auf die geplante Befreiungsaktion, und zwei Soldaten halten Ellis den Mund zu. Dann reißt Franken das Mikrofon ab und zerstört es. Ellis wird eingesperrt.
Gerben Kuipers, dessen Sohn unter den Toten ist, muss aufgrund des abgehörten Gesprächs annehmen, dass Rachel die Gruppe verraten hat. Er schwört Rache.
Während Ronnie eine Gruppe von SS-Männern ablenkt, befreit ein Freund Müntzes den Hauptsturmführer und Rachel.
Nach der Kapitulation flieht Günther Franken mit einem Boot. Doch im Maschinenraum hat sich Hans versteckt. Nachdem er Frankens Begleiter (Boris Saran) erschossen hat, richtet er seine Pistole auf den SS-Offizier und fragt: „Glaubst du, wir lassen dich und deine Beute entkommen?“
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Auf dem Weg zu Wim Smaal geraten Rachel und Ludwig Müntze in eine spontane Siegerparade. Sie entdecken Ronnie, die neben einem kanadischen Offizier auf einem Fahrzeug sitzt, während einige Holländerinnen als Nazi-Huren beschimpft und kahlgeschoren werden.
Der Notar und seine Frau (Diana Dobbelman) haben bereits die Koffer gepackt. Sie warten darauf, von Kanadiern abgeholt und ins Ausland gebracht zu werden. Stattdessen kommen jedoch zwei andere Männer und erschießen das Ehepaar. Müntze und Rachel werden von ehemaligen Widerstandskämpfern festgenommen und kanadischen Militärs übergeben. General Käutner, der inzwischen mit den Kanadiern bei der Suche nach holländischen Kollaborateuren zusammenarbeitet, erreicht, dass er ein Erschießungskommando aufstellen und Müntze unter seinem persönlichen Befehl exekutieren lassen darf.
Rachel und ihre Mitgefangenen werden in einer ehemaligen Fabrikhalle aufgefordert, sich zum Spaß der Sieger auszuziehen. Als Rachel sich weigert, reißt ihr jemand den Kittel vom Leib. Andere kippen den Kübel über ihr aus, in den am Morgen die Eimer mit den Fäkalien aus den Zellen ausgeleert wurden. Unter dem Jubel der Aufseher beginnt ein Mann, die Gedemütigte mit einem Feuerwehrschlauch abzuspritzen. Da taucht plötzlich Hans Akkermans auf und gebietet ihm Einhalt. Er holt Rachel aus dem Gefängnis.
In Hans‘ Wohnung entdeckt sie Wertsachen, die ihren Eltern gehörten. Als sie von Müntzes Tod erfährt, bricht sie schluchzend zusammen und lässt es zu, dass Hans ihr eine Spritze gibt. Sie nimmt an, es handele sich um ein Beruhigungsmittel, begreift dann aber, dass er ihr Insulin injiziert hat, um sie umzubringen. Während er abgelenkt ist, verschlingt sie eine Tafel Schokolade und rettet sich dann durch einen Sprung vom Balkon.
Nach dem Krieg lässt Rachel sich zu einem geöffneten Massengrab fahren, wo Gerben Kuipers gerade nach den sterblichen Überresten seines Sohnes sucht. Er will sich auf sie stürzen, aber ein kanadischer Offizier hält ihn zurück und fordert ihn auf, sich anzuhören, was Rachel zu sagen hat. Sie klärt ihn über Hans Akkermans Rolle auf. Der Widerständler war von den Deutschen festgenommen worden. Günther Franken hatte ihn freigelassen, nachdem er sich zur Kollaboration verpflichtet hatte. Dazu gehörte, dass Hans wie Van Gein reiche Juden zur Flucht überredete und Franken entsprechende Tipps gab. Als er von Wim Smaal gebeten wurde, Max Stein zu operieren, kam er mit Rachels Familie in Kontakt.
Hans taucht unter und will sich in einem Sarg in Sicherheit bringen lassen. Rachel und Kuipers spüren ihn auf und halten den Leichenwagen an. Rachel zieht die Schrauben des Deckels an, bis er erstickt.
1956 nimmt Ronnie mit ihrem kanadischen Ehemann (Skip Goeree) an einer Israel-Reise teil. In einem Kibbuz fotografiert sie durchs Fenster eine Schulklasse. Die Lehrerin verwahrt sich dagegen. Ronnie fragt sie, ob sie nicht Ellis de Vries sei. Da erkennt auch Rachel ihre damalige Kollegin wieder. Nach einem kurzen Aufenthalt ermahnt die Reiseleiterin (Gabriela Lewis) die Touristen, wieder in den Bus einzusteigen. Die Gruppe fährt weiter.
Rachel Rosenthal-Stein bleibt nachdenklich zurück. Erinnerungen an die Ereignisse in den Jahren 1944/45 gehen ihr durch den Kopf. Als sie mit ihrem israelischen Mann (Oded Menashe) und ihren beiden Kindern (Roni Yedid, Tomer Agami) spazierengeht, geraten sie in eine Schießerei zwischen israelischen Militärs und Aufständischen.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Der Titel des Films lautet „Black Book“ (Kino, DVD) bzw. „Das schwarze Buch“ (TV).
Im Vorspann wird behauptet, es handele sich um eine authentische Geschichte. Damit sind wohl nicht die Einzelheiten gemeint. Wahr ist, dass einige SS-Offiziere Gräueltaten verhindern wollten, dass es unter den Mitgliedern der Widerstandsgruppen Kollaborateure gab und dass sich Personen auf beiden Seiten an jüdischem Besitz bereicherten.
Paul Verhoeven und Gerard Soeteman veranschaulichen in „Das schwarze Buch“ die Verrohung von Menschen im Krieg. Anders als in dem einen oder anderen Nazi-Drama aus Hollywood lassen sich in „Das schwarze Buch“ keine scharfen Grenzen zwischen Gut und Böse ziehen. Hier handeln auch Widerstandskämpfer unmoralisch, und die naive, lebenslustige Ronnie repräsentiert die opportunistischen Mitläufer der Nationalsozialisten.
Wohl nicht zufällig bedient sich die SS in „Das schwarze Buch“ einer Foltermethode, die dem unter George W. Bush praktizierten Water Boarding ähnelt. Ebenso wie Bush weigern sich die deutschen Besatzer in Holland, mit „Terroristen“ zu verhandeln. Und durch eine kurze Szene am Ende werden wir an den Nahost-Konflikt erinnert.
Der sadistische, sexistische und zugleich musisch begabte SS-Offizier ist ein Klischee. (Es hätte nur noch gefehlt, dass er kleine Kinder liebt.) Andere Figuren in „Das schwarze Buch“ sind überzeugender charakterisiert. Unglaubwürdig sind allerdings einige Entwicklungen in der Geschichte. Dass sich der Leiter des SD in Den Haag auf eine Affäre einlässt, obwohl er weiß, dass es sich bei der Geliebten um eine Jüdin handelt, ist fragwürdig. Noch weniger nachvollziehbar ist es, dass Rachel in ausgelassener Gesellschaft den Schlager „Ich bin die fesche Lola“ singt und sich dabei von dem Mann am Flügel begleiten lässt, in dem sie wenige Minuten zuvor den Mörder ihrer Familienangehörigen erkannt hat.
Abgesehen von ein paar Unstimmigkeiten haben sich Paul Verhoeven und Gerard Soeteman eine komplexe, dramatische Geschichte ausgedacht. Die erzählen sie schnörkellos und so spannend, dass während der fast zweieinhalb Stunden keine Langeweile aufkommt. Der packende Film – eine gelungene Mischung aus Politthriller und Nazi-Drama – beginnt und endet 1956, also mit einer Rahmenhandlung. Die eigentliche Geschichte wird chronologisch entwickelt.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
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