Antal Szerb : Reise im Mondlicht

Reise im Mondlicht
Originalausgabe: Utas és holdvilág Révai, Budapest 1937 Reise im Mondlicht Übersetzung: Christina Viragh Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2003 ISBN 3-423-24370-8, 259 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Ausschlaggebend für die Geschichte ist das Geschwisterpaar Ulpius. Um den ätherischen Tamás und die nicht weniger rätselhafte Éva sammeln sich ein paar Gleichaltrige, die von der Aura der beiden angezogen werden. Dazu gehört auch Mihály, der insbesondere von Tamás fasziniert ist, aber auch Éva außergewöhnlich findet. Als ihm auf seiner Hochzeitsreise seine Frau "abhanden kommt", gerät sein bisher geradlinig verlaufenes Leben aus den Fugen.
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Kritik

Der Roman "Reise im Mondlicht" ist zwar realistisch erzählt, aber eine latente Todessehnsucht und schmerzliche Nostalgie hängen wie ein Schleier über der melancholischen Geschichte. Die teilweise selbstironischen Einschübe tragen zum Lesevergnügen ebenso bei wie der ungekünstelte Stil des Autors.
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Hätte Mihály nicht geheiratet, wäre er jetzt nicht in Venedig. Er hatte schon in England und Frankreich gelebt, aber Italien gehörte zu den „Erwachsenendingen“, für die er sich noch nicht reif fühlte. Aber nun ist der Sechsunddreißigjährige mit seiner Frau Erzsi auf der Hochzeitsreise und Italien somit erlaubt. Erzsi war bereits einmal verheiratet, aber sie ließ sich von Zoltán Pataki scheiden. Der ausschlaggebende Grund dafür war nicht dessen Untreue; vielmehr gefiel ihr an Mihály, dass er ihr eine Ehe in Aussicht stellte, die auf Vernunft und nicht auf vergängliche Leidenschaft basieren sollte.

Die nächste Station auf ihrer Reise ist Ravenna. Die byzantinischen Mosaiken von San Vitale hatte Mihály sich als Schüler zusammen mit Freunden in einem Buch angesehen und sie waren damals alle zutiefst aufgewühlt gewesen. Daran muss er jetzt denken, als er sich mit seiner Frau nach der Besichtigung der Mosaiken in ein Café setzt. Es dauert nicht lange, da kommt ein Herr an ihren Tisch und begrüßt Mihály. János Szepetneki fand heraus, dass sein früherer Klassenkamerad Mihály sich in Italien aufhält. Er bemühte sich, ihn aufzuspüren, weil er ihm unbedingt sagen will, dass er zu wissen glaubt, wo ihr damaliger gemeinsamer Freund Ervin zu finden ist. Mihály freut sich nicht über das Wiedersehen mit János, denn er verdächtigt ihn, damals seine Uhr gestohlen zu haben. Außerdem schätzte er ihn immer als Draufgänger und Hochstapler ein. Erzsi ist auch ein wenig gekränkt, weil dieser unverschämte Mensch zu Mihály sagt, dass sie eine „höchst unsympathische Person“ sei.

Ausgelöst durch die direkte Konfrontation mit einem Freund aus seiner Schulzeit, möchte seine Frau mehr über Mihálys Vergangenheit wissen.

Mihálys Vater war der Inhaber eines angesehenen Budapester Unternehmens, der zusammen mit seiner Frau vier Söhne und eine Tochter hatte. Für den in dieser konservativen großbürgerlichen Familie aufgewachsenen Mihály stellte die Begegnung mit seinem Mitschüler Tamás Ulpius einen Wendepunkt dar. Die Lebensweise der Familie Ulpius und deren Weltanschauung waren konträr zu den ihm vertrauten Ansichten und standen auch im Gegensatz zu den sonst üblichen bürgerlichen Konventionen. Mihály war nicht nur von der burgähnlichen Villa beeindruckt, in der Tamás zusammen mit dessen Vater wohnte, welcher aber fast nie zu Hause und häufig betrunken war. Auch über Tamás‘ Großvater, der meistens im Schlafrock und mit einem Hut auf dem Kopf herumlief, wunderte er sich. (Die Mutter war schon gestorben.) Tamás‘ exzentrische Schwester Éva war mit ihrem Bruder ein Herz und eine Seele; sie schliefen sogar im selben Zimmer – was Mihály dann doch etwas befremdete. Die Geschwister scherten sich um keine Anweisungen, schwänzten die Schule, hielten keine Essenszeiten ein und taten, wozu sie gerade Lust hatten.

Sie standen überhaupt in jeglicher Hinsicht außerhalb der gewöhnlichen Ordnung des Lebens.
[…] Man konnte bei ihnen auftauchen, wann man wollte, man störte sie nie, sie machten weiter, woran sie gerade waren, als wäre man gar nicht da. Auch nachts war man willkommen […] (Seite 29)

Tamás las enorm viel; Mihály eiferte ihm nach, um mit ihm Schritt zu halten, und Éva entdeckte ihre Leidenschaft als Schauspielerin von dramatischen Theaterstücken, bei denen auch Mihály mitspielen musste. Er hatte kein Talent dafür, und er spielte immer die Rollen, in denen er „Opfer“ war. Aber er war gern „Opfer“, wohingegen Éva lieber Frauen spielte, die Männer betrogen und umbrachten.

Erzsi fragt Mihály, ob er in Éva verliebt war. Nein, zu diesem Zeitpunkt nicht. Wenn verliebt, dann schon eher in Tamás; es sei aber keine homoerotische Beziehung gewesen.

„[…] Er war mein bester Freund, im vollen, jugendzeitlichen Sinn des Wortes, und was an der Sache ungut war, gehörte […] in eine ganz andere, tiefer liegende Kategorie.“ (Seite 33)

Erzsi kann sich nicht vorstellen, dass Mihály nicht mit Éva flirtete, wo sie doch jahrelang zusammen waren, aber er leugnet es.

„Wahrscheinlich [war es] so, dass wir ein derart intimes Verhältnis hatten, dass wir nicht flirten und nicht ineinander verliebt sein konnten. Für Verliebtheit braucht es Distanz, über die hinweg sich die Verliebten einander nähern. Das Sich-Nähern ist natürlich nur illusorisch, da Liebe in Wirklichkeit Entfernung bedeutet. Liebe ist Polarität – die beiden Liebenden sind die zwei gegensätzlich geladenen Pole der Welt …“ (Seite 33)

Vermutlich sei Éva hässlich gewesen, meint Erzsi, denn nur so kann sie sich das erklären. Aber nein, protestiert Mihály:

„Sie war die schönste Frau, die ich meiner Lebtag gesehen habe. Nein, das stimmt auch nicht. Sie war die schöne Frau, an der ich noch heute alle Schönheit messe.“ (Seite 34)

Auch Éva gleiche ihr in gewisser Weise, und zwar, wenn sie von oben auf ihn herunter schaue und ihn anlächle. „So lächelte auch Éva, wenn ich das Opfer war.“ (Seite 34)

Die anderen Jungen aus der Schule fanden Éva zwar auch schön, konnten jedoch mit ihrem ausgefallenen Benehmen nichts anfangen. Ervin und János hingegen erkannten das Außergewöhnlich an ihr.

János machte ebenfalls in der Schauspielgruppe mit und tat sich besondere als Rezitator hervor. Schließlich schmachtete János Éva an, weil er dachte, Éva sei in Mihály verliebt.

Ervin war Jude, gehörte zu den begabtesten Gymnasiasten seines Alters und schrieb Gedichte. Der aparte Junge war als großer Frauenliebhaber bekannt, und wo die anderen aus seiner Klasse begannen, ins Bordell zu gehen, lehnte er das ab; er war sicher der Einzige, „der das körperliche Verlangen wirklich schon kannte“. Mit sechzehn trat Ervin zum Katholizismus über. Keiner wusste so recht, warum er sich dann fast von heute auf morgen von seinen Klassenkameraden zurückzog. Wahrscheinlich hatte das mit seinem Übertritt zum Katholizismus zu tun. Er vertiefte sich vollends in das neu angenommene Glaubensbekenntnis und blendete alles andere aus, was dem nicht entsprach. Zu der Zeit lernte er Éva kennen. Bestimmt war sie es, die mit ihm anbändelte. Die neue Konstellation irrierte Mihály, und er kam nicht mehr so oft ins Ulpius-Haus. Außerdem musste er fürs Abitur lernen.

Nach der Prüfung normalisierte sich die Situation und die Clique fing wieder mit ihren improvisierten Theateraufführungen an. Die Freunde vertrieben sich die Zeit mit Spaziergängen und heftigem Trinken. Insbesondere Ervin trank mit der gleichen Leidenschaft, mit der er auch schon immer heftig rauchte; diesen Lastern hing er genauso exzessiv an wie dem Katholizismus. Nur Tamás trank wenig und wurde immer schweigsamer.

Auch schon vorher war er eigenbrötlerisch gewesen. Ein beängstigender Vorfall ereignete sich am Anfang ihrer Freundschaft: Mihály kam ins Ulpius-Haus und traf nur Éva an, die ungewöhnlich still war. Plötzlich sprang sie auf und rannte kreischend auf den Dachboden. Dort fanden sie Tamás an einem Dachbalken hängend. Éva hatte ein Messer mitgenommen, um das Seil abzuschneiden, denn sie hatte offenbar über Tamás‘ Absicht Bescheid gewusst. Er kam bald wieder zu sich und war verärgert, weil Éva sich eingemischt hatte. Warum er das getan habe? „Ich wollte wissen, wie es ist“, sagte er, und die Erfahrung sei „sehr gut“ gewesen. Bei diesem Selbstmordversuch war er sechzehn.

Ein Jahr nach dem Abitur der beiden jungen Männer und dem anschließenden Müßiggang starb Großvater Vulpius nach wochenlangem Leiden, von Éva bis zum Schluss liebevoll gepflegt.“Es sei sehr interessant gewesen, jemanden beim Sterben zuzusehen“, und man bräuchte sie daher nicht zu bedauern, meinte sie. Der Sohn des Verstorbenen mochte die Situation nicht länger mit anschauen. Er schickte Éva zu einer Tante aufs Land, wo sie auf Bällen und mit anderen Lustbarkeiten abgelenkt werden sollte. Sie kam jedoch schon nach einer Woche wieder zurück. Tamás wurde in ein Büro gesteckt, wo er stupide Arbeiten zu verrichten hatte und sich todunglücklich fühlte.

Zu dem Zeitpunkt plante Tamás zum zweiten Mal einen Selbstmord und überredete Mihály, der auch eine Krise durchlitt, sich mit ihm zusammen umzubringen. Mihály hatte sich vom Katholizismus abgewandt, war unzufrieden mit sich, weil er zuviel trank und die „schreckliche Traurigkeit der Jugend“ machte ihm zu schaffen. Tamás hatte Morphium, angeblich von Éva, die es einem Arzt wegen ihrer Schlafstörungen abgebettelt haben wollte. Tamás und Mihály waren betrunken, als sie das Rauschgift einnahmen, aber weil Mihály sich plötzlich von Éva verabschieden wollte, rannten sie ins Ulpius-Haus, wo sie auf Ervin und János trafen, die mit ihnen in die Notfallstation fuhren. Dort wurde Tamás und Mihály der Magen ausgespült, was Mihálhy jegliche weitere Lust auf Selbstmorde nahm. Tamás war enttäuscht, dass es wieder nicht geklappt hatte und behandelte Mihály wie einen Verräter. Ihre Freundschaft bekam einen Bruch; Mihály gehörte nicht mehr zu Tamás‘ engen Vertrauten. Überhaupt begann die ganze Gruppe, sich aufzulösen.

Mihály studierte inzwischen Religionswissenschaften. Éva war in Ervin verliebt, János wahrscheinlich auch. Mit Éva geschah dann etwas für sie Untypisches: Sie wurde stiller, ging plötzlich zur Messe und verzehrte sich in ihrer Liebe zu Ervin. Dieser hielt bei Évas Vater um ihre Hand an, wurde jedoch von Ulpius hinausgeworfen. Éva stand trotzdem zu Ervin und wäre wohl gerne seine Geliebte geworden. Ervin beachtete jedoch eisern das sechste Gebot und kam immer seltener ins Ulpius-Haus.

Von Tamás erfuhr Mihály, dass Ervin Mönch geworden war. Ob Ervin in dem Abschiedsbrief an Tamás seinen Mönchsnamen und das Kloster erwähnt hatte, blieb ein Geheimnis, denn Tamás hatte den Brief vernichtet. Mihály war überzeugt, dass Ervin nicht Mönch geworden war, weil er Éva nicht heiraten hatte dürfen, sondern weil seine tiefe Religiosität und seine innere Berufung diesen Schritt zwingend nach sich gezogen hatten.

Dieses Ereignis musste in Éva eine große Veränderung hervorgerufen haben. Sie verkehrte nun in Kreisen von Schiebern, und im Umgang mit Offizieren entwickelte sie etwas Weltstädtisches.

„[…] Und so wurde sie von einem Tag auf den anderen vom kleinen Backfisch zu einer wunderschönen Frau. Und ihr Blick, bis dahin offen und kameradschaftlich, veränderte sich: Sie schaute immer drein, als horchte sie auf ferne, leise Stimmen.“ (Seite 49)

Jetzt spielte János Szepetneki wieder eine größere Rolle. Da Éva für ihre gesellschaftlichen Auftritte Geld für elegante Kleidung benötigte, nahm sie gerne János‘ Organisationstalent in Anspruch, wobei seine Methoden der Geldbeschaffung oft dubios waren. Selbst vor kleinen Erpressungen schrak er nicht zurück.

Das war auch die Zeit, in die der vorher schon erwähnte Uhrendiebstahl fiel. In einer Gartenwirtschaft trafen sich Tamás, János, Mihály und Éva, die mit vielen anderen Gästen verabredet war. Es wurde ausgelassen gefeiert und viel getrunken. Im Lauf der Abends fand ein Spiel mit Verkleidungen statt, bei dem Jacken und dergleichen getauscht wurden. Am Morgen danach stellte Mihály den Verlust seiner Uhr fest und verdächtigte sofort János. Zuerst war er sehr verärgert, aber dann kam ihm in den Sinn, dass János es getan hatte, um Geld für Éva zu beschaffen.

„[…] Als mir diese Möglichkeit einfiel, fand ich mich mit der Sache ab. Wenn sie um Évas willen geschehen war, dann war alles gut. Dann gehörte auch das zum Spiel, zu einem der alten Spiele des Ulpius-Hauses.
Von da an war ich verliebt in Éva.“ (Seite 52)

Das kann Erzsi nun überhaupt nicht verstehen. Hatte er bisher doch vehement bestritten, in Éva verliebt gewesen zu sein. Mihály erklärt ihr, dass er das, was er für Éva empfand, nur mangels eines besseren Wortes als Verliebtheit bezeichne. Dieses Gefühl sei nicht mit dem zu vergleichen, das er für Erzsi habe.

„[…] Es war irgendwie die genaue Verkehrung dieser Gefühle. Dich liebe ich, weil du zu mir gehörst, sie liebte ich, weil sie nicht zu mir gehörte – meine Liebe für dich gibt mir Kraft und Selbstvertrauen, meine Liebe zu ihr war eine Demütigung und Aufhebung meines Wesens […] das sind natürlich bloß rhetorische Antithesen. Damals hatte ich das Gefühl, dass das alte Spiel Wirklichkeit wurde und ich in der großen Erfüllung allmählich zugrunde ging. Ich ging für Éva und durch Éva zugrunde, so wie wir das früher gespielt hatten.“ (Seite 52)

Inzwischen glaubt er selber, dass er nur dem Phantom Évas verfallen war, das „für immer die krankhafte, dunkle Süße“ seiner Jugend in sich trug.

Im übrigen kümmerte sich Éva nicht viel um Mihály. Ein reicher, nicht mehr ganz junger Antiquitätenhändler machte ihr den Hof. Der alte Ulpius gab ihr deutlich zu verstehen, dass er sie aus dem Haus haben wollte und sie endlich heiraten sollte. Éva verlangte zwei Monate Bedenkzeit. Diese Frist wollte sie nutzen, um von Tamás Abschied nehmen zu können, und sie reisten miteinander nach Hallstatt.

Mihály erfuhr später, dass weder Tamás noch Éva von dort zurückgekommen waren. Tamás habe sich sich in Hallstatt vergiftet (diesmal mit Erfolg), hieß es, und Éva sei von einem hohen, ausländischen Offizier geholt worden. János bot seinem Freund an, eventuell ein Treffen mit Éva zu arrangieren (gegen Bezahlung, versteht sich), aber Mihály wollte nicht mehr. Der Verlust Tamás‘ machte ihn schier wahnsinnig.

Schließlich löste Mihály sich aus der Betäubung und wählte den Weg der Vernunft: Er verließ die Universität, verschaffte sich Wissen, das für die Arbeit in der Firma seines Vaters nötig war (wofür er sich aber eigentlich gar nicht interessierte) und ging zur Weiterbildung ins Ausland. Als er nach Hause zurück kam, bemühte er sich, „zu sein wie die anderen Menschen“.

Als Nächstes steht Florenz auf dem Plan der Hochzeitsreisenden. Leider regnet es die ganze Zeit. Was Mihály von dieser Stadt am meisten in Erinnerung bleiben wird, ist ein ihm nachgesandter Brief. Der Ex-Mann Erzsis schreibt ihm ausführlich. Nachdem dieser ihn wissen lässt, dass er Erzsi immer noch liebe, ermahnt er seinen Nachfolger auf mehreren Seiten, besondere Rücksicht auf Erzsis schwache Gesundheit und ihre Unbeholfenheit zu nehmen, sich auf ihre Gewohnheiten und Empfindlichkeiten einzustellen und sich vor Augen zu halten, dass sie ein verwöhntes Geschöpf sei. Sollte er finanziell nicht in der Lage sein, ihren gehobenen Ansprüchen zu entsprechen, sei er, Zoltán, gerne bereit, ihm mit Geld auszuhelfen. Die Vorhaltungen, über die Mihály sich maßlos ärgert, bringen ihn zum Grübeln über die Frage, ob er der richtige Mann für Erzsi ist. – Bevor sie am nächsten Morgen nach Rom weiterreisen, nimmt er in der Nacht aus Erzsis Handtasche heimlich einen Lira-Scheck für sich heraus.

Erzsi möchte so schnell wie möglich nach Capri; Mihály hätte noch gerne einen Halt in Siena gemacht, um sich auch in der Toskana umzusehen. Davon will seine Frau nichts wissen. Der Zug hält in einer kleinen Ortschaft, und Mihály beabsichtigt, im Bahnhof einen Kaffee zu trinken. Erzsi will ihn davon abhalten, denn sie befürchtet, dass er den Zug verpassen könnte. Er steigt trotzdem aus, und sie ruft ihm hinterher: „Servus, Quatschkopf. Schreib mir dann.“ Nachdem er den Kaffee getrunken hat, macht ihn ein Einheimischer darauf aufmerksam, dass der Zug schon fährt. Er kann gerade noch auf den letzten Wagen springen, doch es stellt sich heraus, dass der Zug nach Rom schon abgefahren war und er in Richtung Perugia unterwegs ist. Was wird Erzsi tun? In Rom auf ihn warten? Und sein Gepäck? Wäsche kann er sich kaufen. Zum Glück hat er den Scheck eingesteckt.

Ausführlich schaut er sich die Orte in Umbrien an. In Assisi hofft er, Ervin zu finden. Dieser war bestimmt Franziskaner geworden, und so wäre es vorstellbar, dass er hier im Kloster ist. Mihály spürt ihn aber nicht auf.

In Spoleto übernachtet er in einem billigen Albergo. Am nächsten Morgen läuft Mihály einem Uniformierten in die Arme. Der „kleine Faschist“ hält ihm ein Bild unter die Nase, auf dem Mihály sich erkennt. Das Foto werde in ganz Italien ausgehängt, denn seine Frau suche ihn, sagt der Polizist. Mihály gibt ihm eine Visitenkarte, auf die er schreibt: „Es geht mir gut, sucht mich nicht.“ Diesen Text soll der Beamte Erzsi als Telegramm schicken.

Mihálys Tour geht weiter nach Norcia, in die Berge. Von Unruhe getrieben, irrt er umher und verstrickt sich immer mehr in Selbstvorwürfe: Was hat er in den letzten fünfzehn Jahre seines Lebens erreicht? Gegen seine Interessen war er in die Firma seines Vaters eingetreten, nach ein paar Liebesaffären heiratete er seine schöne, kluge, reiche Frau, und vielleicht wird er demnächst als anerkanntes Mitglied des Familienverbandes aufgenommen. Verbittert kommt ihm zu Bewusstsein, dass er seinen eigenen Neigungen nie nachgehen konnte. Tagelang streunt er herum, wäscht sich nicht mehr, schläft im Freien und verwahrlost vollends. Bewusstlos wird er auf einem Grabhügel eines Friedhofs gefunden.

In einem Krankenhaus in Foligno wacht er auf. Der ihn betreuende Arzt, Richard Ellesley, erklärt dem Patienten, dass ein Nervenfieber den Zusammenbruch verursachte. Er wird gesund gepflegt. Dann muss Mihály die Klinik verlassen. Er hat aber keine Lust nach Budapest zu fahren. Mit der Flucht vor seiner Familie hat er sich doch unmöglich gemacht. Er möchte viel lieber noch andere Städte in Italien besichtigen.

Der einzige Mensch, mit dem er hier etwas gemeinsam hat, ist Dr. Ellesley. Mit ihm trifft er sich auch nach seiner Rekonvaleszenz. Der englische Arzt und sein genesener Patient kümmern sich um eine amerikanische Kunststudentin, die auf der Suche nach einem Gemälde nach Foligno gekommen war. Dr. Ellesley interessiert sich sehr für Millicent Ingram. Mihály aber ist es, der ihr Vertrauen erwirbt und sie nach Siena begleiten darf, wo sie sich zu Studienzwecken umsehen will. Sie schlafen miteinander, und Millicent hilft Mihály mit einem größeren Lira-Betrag aus.

Weil Mihály in Siena wieder Fieber bekommt, möchte er zurück nach Foligno. Dr. Ellesley schlägt vor, die Heilung diesmal mit unkonventionellen Mitteln herbeizuführen. Als er seinerzeit Stadtarzt in Gubbio war, versuchte er, einer Frau zu helfen, die sich einbildete, regelmäßig nachts von jemanden besucht zu werden, den sie sehr geliebt hatte und der vor langer Zeit gestorben war. Mit seiner herkömmlichen Behandlung kam er nicht weiter und so rief man einen Mönch, Pater Severinus vom Kloster Sant‘ Ubaldo. Als die Dame den Pater erblickte, sei sie zusammengebrochen, erzählt ihm der Arzt; auch der Pater habe geschwankt. Nach einem langen Gespräch in einer unbekannten Sprache habe sie sich beruhigt. Vermutlich habe der Pater sie exorziert. Die Dame reiste dann ab und kam nicht wieder. Dr. Ellesley rät Mihály, diesen Pater aufzusuchen. Die Überlegung, dass Ervin dieser Geistliche und die geheilte Dame die von der Erinnerung an Tamás heimgesuchte Éva gewesen sein könnte, motiviert Mihály, nach Gubbio zu fahren.

In diesem Städtchen findet gerade eine Beerdigung statt. Der Trauerzug wird von Pater Severinus angeführt. Mihály erkennt ihn sofort: Es ist Ervin. Auch der Pater weiß, mit wem er es zu tun hat. Ervin nimmt Mihály mit ins Kloster und berichtet über seinen Werdegang. Er bestätigt zudem Mihálys Vermutung, dass er Éva von ihrem Verfolgungswahn befreien konnte. „Sie hat eingesehen, dass der Platz der Lebenden unter den Lebenden ist“ (Seite 124). Mihály bittet seinen Freund, ihm dabei zu helfen,“die Erinnerung an Tamás und an Éva und an euch alle“ auch bei ihm zu „exorzieren“. Der Pater gibt Mihály zu bedenken, dass das wahrscheinlich gar nicht richtig wäre, „denn was bliebe dir dann?“ – In der Nacht hat Pater Severinus eine Eingebung:

„[…] Geh nach Rom, Mihály, und dort siehst du dann. Mehr kann ich jetzt nicht sagen.“ (Seite 127)

Erzsi ist inzwischen schon in Rom angekommen. Seit Mihálys Nachricht ist ihr klar, dass sie nicht dort bleiben wird. Nach Budapest will sie aber auch nicht, weil sie nicht weiß, wie sie die Angelegenheit zu Hause erklären soll. Da fällt ihr ein, dass sie in Paris eine Freundin aus Kindheitstagen hat. An diese unverheiratete, resolute Frau, die zur Zeit als Sekretärin für ein Filmunternehmen arbeitet, will sie sich wenden. Auf Sári Tolnai war noch immer Verlass. Als Erstes müsse Erzsi sich darum kümmern, das ihr zustehende Geld zu beschaffen, rät ihr die Freundin. Weil das aber zum großen Teil in Mihálys Firma steckt, müsse sie sich von ihrem Mann scheiden lassen. Davon will Erzsi aber eigentlich nichts hören.

„[…] Mihály ist nicht wie andere Menschen. Deshalb habe ich ihn geheiratet.“
„Ist dir auch wohl bekommen. Ich mag Menschen nicht, die nicht so sind wie andere Menschen. Schon die anderen Menschen sind widerlich genug. Und erst noch die, die nicht so sind.“ (Seite 129)

Um Geld zu sparen, zieht Erzsi zu Sári und schränkt sich in ihrer gesamten Lebensweise ein. Sári überredet ihre Freundin, sie zu einer Feier ihrer Firma zu begleiten, bei der auch ein „ungarischer Gentleman“ und ein schwerreicher, schöner Perser erwartet werden. Der Ungar ist János Szepetneki! Erzsi geht trotzdem mit. Von dem Perser, der Suratgar Lutphali heißt, sind die beiden Frauen überwältigt. Sie haben „die Empfindung, dass sie sich mit einem nur notdürftig gezähmten Tiger an den Tisch setz[t]en“ (Seite 134). Außer Rosenplantagen besitzt Herr Lutphali Eisenminen; seine Hauptbeschäftigung ist aber der Opiumanbau sowie der Export des Rauschgifts.

Nach dem Essen gehen alle noch zum Tanzen. Erzsi erzählt Szepetneki, dass Mihály sie sitzen ließ, was ihn übrigens nicht wundert, und er weicht nicht mehr von ihrer Seite. Auch János fängt zu plaudern an: Wenn er sich an die Jugendjahre erinnere, denke er natürlich auch an den zartbesaiteten Tamás, den alle großartig fanden. „Er war der todgeweihte Prinz“, der leider in seine Schwester verliebt war und ein Verhältnis mit ihr hatte. Als Éva dann schwanger wurde, brachte sich Tamás um. In Éva waren sowieso alle verliebt. Und Ervin ging wegen seiner hoffnungslosen Liebe ins Kloster. Mihály war natürlich auch in Éva vernarrt, die ihn ausnützte und ihm im Übrigen auch seine Uhr stahl. Éva habe aber nur ihn, János Szepetneki, geliebt. Erzsi wundert sich sehr über diese Darstellungsweise; bei Mihály hörte sich das anders an. Janós behauptet, noch immer mit Éva befreundet zu sein, die dank seiner Hilfe in den allerbesten Kreisen verkehre. Manchmal besuche er sie. Zur Zeit sei sie in Italien. Janós habe Mihály in Ravenna nicht verraten, wo Éva sich aufhält, weil er die Ehe seines Freundes nicht zerstören wollte.

Auf János‘ ziemlich plumpe Annäherungsversuche lässt Erzsi sich ein, weil sie dabei das Gefühl hat, „sie würde erst jetzt wirklich zu Mihálys Frau, jetzt betrete sie den magischen Kreis, den einstigen Ulpius-Kreis, der für Mihály die einzige Realität darstellte“ (Seite 141).

Seit Tagen schlendert Mihály durch Rom, ohne zu wissen, was er hier tut und was er eigentlich soll. „Rom war ihm widerfahren, wenn man das so sagen darf.“ In seinem schäbigen Hotelzimmer findet er einen Brief seines Bruders, in dem ihm dieser rücksichtsloses Verhalten vorwirft. Wegen der Aufregung musste der Vater schon in Kur geschickt werden. Und Mihály solle sofort zurückkommen. Aber immerhin ist auch ein Geldbetrag avisiert.

Bei seinen Streifzügen durch die Stadt sieht er eine Dame in ein Auto steigen. Es kommt ihm so vor, als sei es Éva und als würde sie ihn anlächeln. Bevor er ihren Blick erwidern kann, ist sie mit ihrem Begleiter im Auto weggefahren. Jetzt weiß Mihály, warum er in Rom ist, und er wird bleiben, bis er sie gefunden hat.

Per Zufall entdeckt Mihály in der Zeitung eine Anzeige, die einen Vortrag eines Rodolfo Waldheim ankündigt. Das kann nur der Altphilologe und Religionswissenschaftler Rudi Waldheim sein, den er aus seiner Studienzeit kennt. Er besucht ihn, um mit einem Vertrauten sprechen zu können. Waldheim lädt Mihály zu einem frugalen Abendessen bei sich ein, überschüttet ihn mit einem Redeschwall und bietet ihm an, in seine bis unter die Decke mit Büchern vollgestopfte Wohnung zu ziehen.

Waldheim nimmt seinen Freund zu einer Party des Amerikanisch Archäologischen Instituts mit. Gegen Ende des Festes kommt eine Frau auf Mihály zu. Sie habe ihm etwas von einer alten Bekannten auszurichten. Von Éva Ulpius? Ja, von Éva:

„Sie sollen sie nicht suchen, denn Sie würden sie sowieso nicht finden. Es sei zu spät.“ (Seite 177)

Die Gesellschaft ist im Begriff, sich aufzulösen. Er läuft der Überbringerin der Nachricht hinterher, um sie etwas zu fragen. Da steigt diese schon in einen Landauer ein, in dem bereits eine andere Frau sitzt. Der Wagen fährt rasch an. Mihály kann gerade noch erkennen, dass es Éva ist.

Zoltán Pataki fällt es doch nicht so leicht, seine Frau zu vergessen. Es ergibt sich, dass seine Bank Verhandlungen in Paris zu führen hat. Die Gelegenheit ergreift Pataki und fährt selbst hin. Die geschäftlichen Besprechungen sind schnell erledigt, sodass er zum eigentlichen Zweck seiner Reise kommen kann. Er ruft Erzsi an, und sie lässt sich zu einem Treffen überreden. Zoltán ist von ihr hingerissen und wundert sich selbst, dass er die Hälfte seines Vermögens für eine Nacht mit ihr zahlen würde. Als er sie fragt, ob sie die Scheidung schon eingereicht habe, meint sie, die Zeit sei dafür noch nicht gekommen. Sie habe einen Hinweis von einem gewissen Szepetneki, dass Mihály sich in Italien aufhält.

Für die Nacht nimmt sich Pataki eine kleine Pariserin mit aufs Zimmer, „wenn man schon einmal da ist“. Am nächsten Morgen klopft Janós Szepetneki an Patakis Hotelzimmertür. Er komme in einer „äußerst wichtigen Angelegenheit“, sagt er.

Mihály hat kaum noch Geld und ist verzweifelter denn je. Als er eines Abends durch die Gassen von Trastevere streunt, hat er den Eindruck, dass ihn jemand verfolgt. Dann stellt sich ihm ein Mann in den Weg. Mihálhy ahnte es: János Szepetneki. Er, Janós, habe etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen. Er habe sich mit Zoltán Pataki unterhalten und ihn so verstanden, dass er „die Gnädige immer noch heiß liebt“ und sie wieder zu heiraten gedenkt. Erzsi hingegen hoffe noch immer, dass Mihálhy zu ihr zurückkehrt. Pataki rät Mihály, die Scheidung einzureichen, auch wenn Erzsi das möglicherweise nicht will, denn dafür wäre Herr Pataki „zu einem bedeutenden finanziellen Opfer bereit“. Mihály wendet ein, dass er gar nicht berechtigt wäre, die Scheidung zu beantragen, nachdem er seine Frau verließ. Da solle er sich keine Sorgen machen, meint Janós: „Du reichst die Scheidung ein, den Rest erledigen wir.“ Und zwar wird Janós ihr „einen Ehebruch anhängen, dass man sich alle zehn Finger abschlecken kann“.

Als Mihály in Trastevere spazierengeht, kommt er an der Osteria vorbei, wo er am Tag zuvor auf Janós stieß. In der verrauchten Kneipe kann Mihály kaum etwas sehen, aber er hört Janós Stimme. Der lässt sich gerade von der Bedienung Vannina aus der Hand lesen. Sie überredet Mihály, sich auch die Zukunft prophezeien zu lassen.

„Sie werden bald eine sehr schlechte Nachricht erhalten. Hüten Sie sich vor den Frauen. Alles Schlechte kommt Ihnen von den Frauen. Ach, Signore, Sie sind eine sehr gute Seele, aber Sie taugen nicht für diese Welt. O dio mio, armer Signore […]“ (Seite 203)

Weil sie den ausländischen Herrn so sympathisch findet, trägt sie ihm an, Taufpate für das Baby zu werden, das ihre Cousine demnächst zur Welt bringen wird.

Janós kommt nun auf die geschäftlichen Dinge zu sprechen. Mihálhy soll Herrn Pataki schriftlich ermächtigen, in seinem Namen die Scheidung von Erzsi zu beantragen. Pataki wird in zwei Raten zwanzigtausend Dollar bezahlen. Die fünftausend Lire, die Janós ihm jetzt aushändigt, sind als Vorschuss anzusehen. Als Unterhändler sehe er seinen Auftrag hiermit als erfüllt an und er werde morgen abreisen.

Am nächsten Tag bekommt Mihály eine Nachricht von Erzsi. Sie ist in Rom und möchte mit ihm sprechen. Dass Mihály lebensuntüchtig sei, habe sie schon immer gewusst, wirft sie ihm vor, aber diese Stupidität hätte sie nicht bei ihm vermutet, während sie den Brief, den Mihály nach Szepetnekis Anweisung an Pataki schrieb, auf den Tisch legt. Wie kann er nur so infam sein? Mihály gibt freimütig zu, es des Geldes wegen getan zu haben. Aber wie sei sie überhaupt an den Brief gekommen? Erzsi erklärt es ihm: Zoltán wollte mit Mihálys schriftlicher Niederlegung dessen „Charakterlosigkeit“ dokumentieren. Weil Zoltán sie wieder zurückhaben will, wollte er ihr beweisen, was für eine minderwertige Person ihr Mann sei. Mit diesem Schriftstück könne er Mihály auch bei seiner Familie und in der ganzen Budapester Gesellschaft unmöglich machen. Außerdem werde er bestimmt versuchen, die Firma von Mihálys Vaters zu ruinieren. Mihálhy müsse auf der Hut sein, nicht in eine weitere Falle zu tappen, auch vor Janós solle er sich in Acht nehmen. Das sagt sie aber so eigenartig, dass Mihály Verdacht schöpft, ob die beiden etwas miteinander haben. Und auf noch etwas möchte sie Mihály hinweisen: Szepetneki habe einen Brief erhalten von der Person, deretwillen Mihály in Rom ist, in dem sie Janós schreibt, dass sie demnächst mit einem jungen Engländer nach Indien fahren werde.

Nach dem gemeinsamen Abendessen reden sie noch über Erzsis Pläne.

„Mein Leben ist auch jetzt ausgefüllt, und wer weiß, was für famose Dinge meiner noch harren. In Paris habe ich mich ein wenig gefunden, und nicht nur mich, sondern auch das, was ich vom Leben erwarte. Bloß schade, dass du darin fehlst.“ (Seite 215)

Mihály versucht Erzsi umzustimmen. Sie soll es sich noch einmal überlegen, ob es für sie beide eine gemeinsame Zukunft geben könnte. Erzsi fragt, wie er sich das mit Éva vorstelle. Er sehne sich einfach nach ihr. „Es ist eine seelische Krankheit. Ich werde genesen“ (Seite 218).

Sie schlafen miteinander. Als Erzsi am nächsten Morgen aufwacht, ist ihr klar: „Von Mihály bin ich geheilt.“

Beide wussten, dass ihre gemeinsame Sache hiermit zu Ende war. (Seite 218)

Es folgen sorgenvolle Tage für Mihálhy; er ist ganz allein und geht nicht aus dem Haus. Dr. Ellesley schreibt ihm, dass Pater Severinus an einer Lungenkrankheit gestorben sei, und als Nachsatz fügt er an, dass er sich mit Millicent verlobt habe.

Eines Nachts klingelt es. Éva steht vor der Tür. Nachdem sich seine Verwirrung gelegt hat, kommen sie anlässlich des Todes von Ervin auf Tamás zu sprechen. Mihály beschuldigt Éva, ihren Bruder umgebracht zu haben. Sie schwört, nicht daran schuld gewesen zu sein. Als sie damals in Hallstatt von einander Abschied nahmen, war Tamás todunglücklich. Er wollte sterben. Sie hätte es nicht verhindern können und wusste, dass es so besser für ihn war. Deshalb entschloss sie sich, dabei zu sein, als er das Gift nahm. Womöglich hätte er es sich noch einmal anders überlegt und „wäre halbherzig, sich seiner Schwäche schämend in den Tod gegangen“.

„Auf diese Art hingegen tötete er sich tapfer, ohne zu zögern, denn er spielte, spielte das Theaterstück, in welchem ich ihn umbringe, so wie wir es zu Hause immer wieder geprobt hatten.
Dann legte er sich ruhig hin, und ich setzte mich auf den Bettrand. Als die tödliche Schläfrigkeit über ihn zu kommen begann, zog er mich an sich und küsste mich. Und er küsste mich so lange, bis seine Arme von mir abfielen. Es waren keine geschwisterlichen Küsse, Mihály, zugegeben. Da waren wir keine Geschwister mehr, sondern jemand, der weiterlebt, und jemand, der stirbt … ich glaube, da war es erlaubt.“ (Seite 225)

Mihály fragt Éva, warum sie ihm ausrichten ließ, er solle sie nicht mehr suchen. Er müsste doch spüren, wendet sie ein, dass sie nicht zusammensein können; Tamás könne jeden Augenblick zwischen sie treten. Sie kündigt an, weit fort zu gehen und fragt, was Mihály machen werde.

„Für mich gibt es nur eins: meinen eigenen Tod sterben, wie … wie Tamás.“ (Seite 226)

Er bittet Éva, ihm noch einen Liebesdienst zu erweisen: Ob sie bei ihm sein wolle, wenn er stirbt – „so wie bei Tamás“. Sie verspricht es.

Erzsi ist wieder in Paris. Ein Abendessen mit Janós und dem Perser ist vereinbart. Aus Galanterie schenkt Suratgar Lutphali ihr eine wertvolle Tabatière. Sie findet immer mehr Gefallen an dessen exotischen Ausstrahlung; Janós wird ihr langsam über, überdies hat er nie Geld.

Zwei Tage später lädt der Perser Erzsi und Janós zu einem Ausflug ein. Auf der Rückfahrt im Dunklen verfahren sie sich, außerdem stimmt mit dem Motor etwas nicht. Als Janós eine Reparatur versucht, reißt der Keilriemen vollends. Mitten in der Nacht können sie nur zu Fuß weitergehen. Zum Glück sehen sie nicht zu weit entfernt ein Haus, in dem noch Licht brennt. Sie werden eingelassen, und die Besitzer laden sei ein, über Nacht zu bleiben. Da Lutphali aber dringend in Paris erwartet wird, will er sofort zurückfahren. Die Männer entscheiden durch ein Los, dass Janós zu einer Werkstatt laufen und dort ein Ersatzteil besorgen soll. Erzsi entgeht es nicht, das ihr der Perser zu verstehen gibt, dass sie ihm gefällt. Janós kommt nicht zurück. Stattdessen schickt er einen Burschen, der ausrichten lässt, Herr Szepetneki habe sich den Fuß verstaucht und müsse die Nacht bei einem Arzt bleiben. Erzsi und Lutphali sind also gezwungen, die Nacht in dem Haus zu verbringen.

Erzsi hat den Verdacht, dass alles eine abgekartete Inszenierung ist und schwankt in ihrer Entscheidung, ob sie sich auf eine Affäre mit dem Perser einlassen soll. Sie wäre schon neugierig auf „das Geheimnis des Orients“, aber dann verlässt sie doch der Mut, und sie stellt einen Stuhl gegen die Verbindungstür, an der ihr Verehrer rüttelt.

Das Geheimnis, das sie die ganze Zeit gesucht hatte, war zu ihr unterwegs gewesen, und sie hatte sich gedrückt. Einmal Spießbürgerin, immer Spießbürgerin. (Seite 236)

Gegen Morgen schleicht sie sich aus dem Haus. Der Bahnhof ist zum Glück ganz in der Nähe. Früh am Tag kommt sie in Paris an. Sie erzählt alles ihrer Freundin und überrascht diese mit der Mitteilung, dass sie zu Zoltán zurückgehen wird.

Bei Mihálhy „wuchs der Todeskeim zu voller Größe“. Er schreibt Éva den Zeitpunkt für sein Vorhaben: Samstagnacht. Ich werde dasein, antwortet sie. Die „kurze matter-of-fact-Anwort“ konsterniert ihn doch ein wenig. Pflichtbewusst macht er sich daran, einen Abschiedsbrief zu verfassen. Da klingelt es. Vannina und ihre Cousine wollen ihn zur Taufe des neugeborenen Babys abholen. Er müsse jetzt eigentlich Briefe schreiben, wendet er ein, aber das lassen sie nicht gelten.

Nach der Taufzeremonie besuchen sie die ihm bekannte Osteria zum Feiern. Er trinkt zu viel Wein und wird schrecklich müde. Es geht ihm durch den Kopf, dass er eigentlich nach Hause muss, denn er ist doch mit Éva verabredet. Plötzlich merkt er, wie er auf ein Bett gelegt wird. Es ist stockdunkel, als er mit Kopfschmerzen aufwacht. Sicher will man ihn umbringen oder zumindest berauben. Er hört Vannina hereinkommen, die einen Leuchter abstellt. Dann fällt er wieder in einen Halbschlaf, und plötzlich überkommt ihn unbeschreibbare Todesangst.

Wieso habe ich eigentlich Angst, durchzuckte es ihn plötzlich. Jetzt, jetzt, jetzt würde geschehen, was er gewollt, geplant hatte. Er würde sterben, aber das wollte er ja auch, und es würde eine schöne, seltsame, geheimnisvolle Frau dabei sein, würde ihm zu seinem Tod verhelfen, ein Todesdämon wie auf den etruskischen Gräbern. (Seite 248)

Am Morgen erzählt ihm Vannina, wie betrunken er war und dass sie ihn nicht nach Hause gehen lassen wollten. Wahrscheinlich ist Éva jetzt böse, denkt er und wirft sich vor, in dieser letzten Schreckensnacht kein einziges Mal an die Frau, deretwillen er sterben wollte, gedacht zu haben.

Als Nächstes nimmt er sich vor, Éva zu schreiben, warum er nicht zu Hause war. Dazu kommt er jedoch nicht, weil sein Vater vor der Tür steht. Damit hat er nicht gerechnet. Mihálys Vater berichtet ihm, dass Erzsi und Zoltán bei ihm in Budapest waren und sich mit der Firma finanziell alles regeln ließe. Nun solle Mihály unverzüglich seine Sachen packen und mit ihm nach Hause kommen. Über das eigenartige Verhalten seines Sohnes will er hinwegsehen und ihm keine Vorwürfe machen. Mihály überlegt, während er aufräumt:

Ob er wirklich noch zu sterben wünschte? Ob er sich noch nach Tamás‘ Tod sehnte? Er beschwor diese Sehnsucht herauf und suchte die mit ihr einhergehende Süße. Doch da war keine Süße, sondern im Gegenteil Ekel und Müdigkeit, wie nach dem Liebemachen.
Dann wurde ihm bewusst, warum er diesen Ekel empfand. Sein Wunsch war ja befriedigt. In der vergangenen Nacht, im italienischen Haus, hatte er in seiner Angst den Todeswunsch, der ihn seit der Jugend heimsuchte, zu Wirklichkeit werden lassen. Wenn auch nicht zu äußerer Wirklichkeit, so doch zu einer seelischen. Und damit war der Wunsch, vielleicht nicht für immer, aber für lange Zeit befriedigt, und er war ihn los, so wie er auch Tamás Geist losgeworden war.
Und Éva? (Seite 255)

Auf seinem Schreibtisch liegt ein Brief, der am Morgen noch nicht dort war. Évas Abschiedsworte:

„Mihály, wenn du das liest, bin ich schon unterwegs nach Bombay. Ich komme nicht zu dir. Du wirst nicht sterben. Du bist nicht Tamás. Sein Tod war nur für ihn bestimmt, jeder soll seinen eigenen suchen. Lebe wohl, Éva.“ (Seite 255)

Im Abendzug schläft Mihálys Vater ein, während er versucht, „im Mondlicht die Umrisse der toskanischen Hügel auszumachen“ (Seite 256).

Man musste am Leben bleiben. […] Und solange man lebt, weiß man nicht, was noch geschehen kann. (Seite 256)

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Es wird viel geliebt und viel gelitten in dem Roman „Reise im Mondlicht“; es geht um das Suchen und das Finden der eigenen Mitte. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist der ätherische, melancholische Tamás und seine zwar lebenstüchtigere, dennoch geheimnisumwobene Schwester Éva. Ein paar Gleichaltrige, die von der Aura des Geschwisterpaars angezogen werden, sammeln sich um die beiden. Besonders Tamás‘ Freund Mihály ist von dessen morbider Ausstrahlungskraft fasziniert und der rätselhaften Éva verfallen. Während der Hochzeitsreise Mihálys mit Erzsi gerät sein bisher geradlinig verlaufenes Leben aus den Fugen. Er wird von den Schatten der Vergangenheit eingeholt, und es kostet ihn viel Kraft, zu sich selbst zu finden.

Der Roman ist zwar realistisch erzählt, aber die latente Todessehnsucht und schmerzliche Nostalgie, die wie ein Schleier über dem Geschehen hängen, machen den besonderen Reiz der Geschichte aus. Die teilweise selbstironischen Einschübe tragen zum Lesevergnügen ebenso bei wie die Exkurse zum Beispiel über Religionswissenschaft oder Kunstgeschichte.

Wenn man bedenkt, dass Antal Szerb den Roman „Reise im Mondlicht“ 1937 veröffentlichte, staunt man über den ungekünstelten Stil des Literaturprofessors. Sein Hauptwerk widmet sich eigentlich der Literaturgeschichte. Die „Geschichte der ungarischen Literatur“ und die „Geschichte der Weltliteratur“ sind heute noch Fundgrube für alle ungarischen Abiturienten.

Antal Szerb wurde 1901 in Budapest geboren. 1945 kam er im Konzentrationslager Balf in West-Ungarn ums Leben.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Irene Wunderlich 2006
Textauszüge: © Deutscher Taschenbuch Verlag

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