Women Without Men

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Women Without Men

Women Without Men – Originaltitel: Women Without Men / Zanan-e bedun-e mardan – Regie: Shirin Neshat – Drehbuch: Shirin Neshat, Shoja Azari, Steven Henry Madoff, nach dem Roman "Women Without Men" von Shahrnoush Parsipour – Kamera: Martin Gschlacht – Schnitt: George Cragg, Patrick Lambertz, Jay Rabinowitz, Christof Schertenleib, Julia Wiedwald – Musik: Ryûichi Sakamoto – Darsteller: Shabnam Tolouei, Pegah Ferydoni, Arita Shahrzad, Orsi Tóth, Mehdi Moinzadeh u.a. – 2009; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Während der politischen Unruhen 1953 in Teheran trennt Fakhri sich von ihrem Ehemann und zieht sich in eine Villa mit Garten zurück. Dort finden auch die kranke Prostituierte Zarin und eine soeben vergewaltigte junge Frau namens Faezeh Zuflucht. Munis, die vierte der Frauen, um die der Film kreist, schließt sich kommunistischen Untergrundaktivisten an. Überzeugt davon, sich nur durch den Tod befreien zu können, stürzt sie sich von einem Hausdach ...
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Kritik

"Women Without Men", die Verfilmung eines Romans von Shahrnush Parsipur, veranschaulicht die Unfreiheit von Frauen in einer repressiven Gesellschaft. Shirin Neshat kommt es jedoch weniger auf den Inhalt als auf die Komposition stilisierter Bilder an.
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Die iranische Regierung verstaatlichte ab 1951 die Anglo-Iranian Oil Company und zog sich damit den Zorn der Briten zu (Abadan-Krise). Im Verlauf der Auseinandersetzungen kam es in Teheran zu Demonstrationen gegen den Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh und zu Straßenschlachten. Die CIA betrieb im Zusammenspiel mit Schah Mohammad Reza Pahlavi, der sich am 11. August 1953 aus Teheran absetzte, den Sturz des Regierungschefs. Am 15. August erhielt Mossadegh seine vom Schah unterzeichnete Entlassungsurkunde. Er wollte zunächst nicht weichen, aber als sich am 19. August Polizei- und Militäreinheiten an den Demonstrationen gegen ihn beteiligten, musste er sich geschlagen geben. Am 22. August kehrte Schah Reza Pahlavi nach Teheran zurück. Zuvor schon hatte er Fazlollah Zahedi als neuen Regierungschef eingesetzt.

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Teheran 1953. Munis (Shabnam Tolouei) verfolgt aufmerksam die Nachrichten über die politische Entwicklung. Ihrem streng religiösen und konservativen Bruder Amir Khan (Essa Zahir) missfällt dies, denn seiner Ansicht nach geht Frauen die Politik nichts an. Er fordert sie auf, das Radio auszuschalten, und als sie sich weigert, tut er es. Sie sei fast 30 Jahre alt und noch immer nicht verheiratet, schimpft Amir Khan. Für den Abend hat er Gäste eingeladen, darunter auch einen Mann, mit dem er Munis verheiraten will. Bevor er zur Arbeit geht, droht er damit, ihr die Beine zu brechen, falls sie das Haus verlassen würde.

Faezeh (Pegah Ferydoni) besucht ihre Freundin Munis. Sie ist heimlich in deren Bruder verliebt und betrübt, denn er will demnächst eine andere Frau heiraten. Weil die Straßen wegen der Demonstranten unsicher sind, bietet Amir Khan ihr an, sie nach dem Gebet heimzubringen. Während der Muezzin zum Gebet ruft, steht Munis auf dem Hausdach. Sie lässt ihren Schleier zu Boden gleiten und stürzt sich in die Tiefe.

Statt um seine tote Schwester zu trauern, beklagt Amir Khan sich darüber, dass sie durch ihren Suizid Schande über ihn gebracht habe. Dann verscharrt er sie im Garten.

In einem Bordell in einem anderen Stadtteil von Teheran geht die junge magersüchtige Prostituierte Zarin (Orsolya Tóth) angewidert ihrer Tätigkeit nach. Nachdem ein Freier gegangen ist, kauert sie in einer Zimmerecke, bis die Betreiberin des Bordells (Shahrnoush Parsipour) eigens nach oben kommt und sie auffordert, sich endlich dem nächsten Freier zu widmen. Ohne ihn anzublicken, legt sie sich aufs Bett und spreizt die Beine. Er streichelt sie. Als sie ihre Augen nun doch auf ihn richtet, glaubt sie, er sei gesichtslos. Erschrocken springt sie auf, wirft einen Tschador über und rennt aus dem Bordell. Sie irrt durch die Straßen, verharrt einen Augenblick vor betenden Männern in einer Moschee und geht dann in ein Badehaus, wo sie sich die Haut schrubbt, bis Blut aus den Poren sickert.

Danach geht Zarin durch die Straßen und verlässt die Stadt. Sie folgt einem Bach, der durch ein Loch in einer Mauer fließt. Nachdem sie den Tschador abgelegt hat, klettert sie durch die Öffnung und findet sich in einem paradiesischen Garten wieder.

Dem Brigadegeneral Sinus Sadri (Tahmoures Tehrani) wird die Tapferkeitsmedaille verliehen. Seine Ehefrau Fakhri (Arita Shahrzad), eine gebildete und kultivierte Iranerin Ende 40, steht bei der Feier unter den Gästen. Dabei trifft sie nach langer Zeit erstmals wieder ihren Jugendfreund Abbas (Bijan Daneshmand), der gerade aus den USA nach Teheran zurückgekehrt ist. Als Sadri sich nähert, vergleicht Abbas Fakhri mit Ava Gardner. Der General behauptet, die Schauspielerin nicht zu kennen und erklärt, er habe Wichtigeres zu tun, als ins Kino zu gehen. Er versucht gar nicht erst zu verbergen, dass er Abbas mit seinen vom Leben im dekadenten Westen geprägten Anschauungen verabscheut.

Zu Hause eskaliert die Spannung zwischen den Ehepartnern zum Streit. Sadri deutet an, dass er sich nach einer Geliebten umsehen werde, weil Fakhri inzwischen zu alt für ihn sei.

Bald darauf verabredet Fakhri sich mit Abbas in einer Gaststätte, wo er sie einer Tischgesellschaft von Künstlern und Intellektuellen vorstellt. Unter vier Augen vertraut sie ihm an, dass sie sich von ihrem Mann trennen und in eine zum Verkauf stehende Villa außerhalb der Stadt ziehen werde.

Bei der Besichtigung des zur Villa gehörenden Gartens stößt Fakhri auf Zarin, die ohnmächtig am Bach liegt. Der alte Gärtner hilft ihr, die junge Frau ins Haus zu tragen. Dort pflegt Fakhri sie.

In der Hoffnung, Amir Khan doch noch für sich gewinnen zu können, lässt Faezeh sich von einer alten Zauberin einen Talisman anfertigen, den sie heimlich in seinem Garten vergraben will. Da hört sie ein Stöhnen. Mit bloßen Händen gräbt sie Munis aus. Die Totgeglaubte schlägt die Augen auf, erhebt sich und steigt ins Wasserbecken des Gartens. Dann verlässt sie mit ihrer Freundin das Anwesen des Bruders.

Munis betritt ein Café, in dem die Radio-Nachrichten zu hören sind. Faezeh wagt sich nicht hinein, denn Gaststätten sind Männerdomänen. Dort haben Frauen nichts zu suchen. Sie geht fort. Zwei Männer aus dem Café folgen ihr und vergewaltigen sie. Danach geht Faezeh weiter, bis sie den Gesang einer Frau hört. Davon angelockt, betritt sie Fakhris Villa. Die Besitzerin bricht ihren Gesang ab und gibt Faezeh ein Glas Wasser. Deren Blick fällt auf die bettlägerige Zarin. Faezeh bleibt ebenfalls bei Fakhri in der Villa.

Währenddessen schließt Munis sich einer Gruppe kommunistischer Untergrundaktivisten an, die für Ministerpräsident Mohammad Mossadegh demonstrieren. Sie verteilt mit ihnen Flugblätter, in denen vor einem Staatsstreich gegen den Regierungschef gewarnt wird. Endlich kann sie handeln.

Faezeh betrachtet ihre Brüste im Spiegel.

Zarin geht es besser; sie kann wieder aufstehen. Aus Freude darüber beabsichtigt Fakhri, in der Villa ein Fest zu veranstalten. Während sie mit Faezeh Kleider dafür aussucht, stürzt ohne erkennbare Ursache ein hoher Baum im Garten um. Bald darauf trägt der Gärtner Zarin ins Haus. Sie ist erneut ohnmächtig geworden und muss nun wieder liegen.

Amir Khan kommt in die Villa und fragt nach Faezeh. Er missbilligt es, dass sie keinen Schleier trägt und in diesem als dekadent verrufenen Haus lebt. Dennoch hält er um ihre Hand an. Seine Braut sei schwanger, erzählt er und verspricht, sie zu Faezehs Dienerin zu machen. Da durchschaut Faezeh, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis Amir ihrer überdrüssig werden und sie ebenfalls zur Dienerin degradieren würde. Nun ist sie froh, dass sie nicht seine Braut ist, und das soll auch so bleiben.

Das Fest beginnt. Abbas bringt seine amerikanische Verlobte Christine mit und stellt sie Fakhri vor. Plötzlich fahren Lastwagen vor, und Soldaten springen von den Ladeflächen. Ohne auf die Gäste Rücksicht zu nehmen, befiehlt ein Hauptmann (Farhad Payar) seinen Männern, die Villa nach politischen Gegnern des Schahs zu durchsuchen. Sie finden nichts Verdächtiges. Der Hauptmann lässt sich von Fakhri bewirten und flirtet mit der jungen Amerikanerin. Fakhri wird von Abbas gebeten, ein Lied zu singen. Als es zu Ende ist, steht Faezeh mit tränenfeuchten Augen in der Tür: Zarin ist soeben gestorben.

Zur gleichen Zeit stürmt eine Militäreinheit das Gebäude, in dem sich Munis mit ihren politischen Freunden versteckt hat. Einer der Kommunisten ersticht einen jungen Soldaten, der ihn festnehmen will, und flieht. Schluchzend beugt Munis sich über den Toten.

Am nächsten Morgen verlässt Faezeh die Villa und geht auf einer schnurgeraden Schotterstraße auf den Horizont zu.

Im Haus stehen noch die benutzten Gläser und das gebrauchte Geschirr. Fakhri tritt vor das Haus.

Munis steht wie zu Beginn auf dem Hausdach. Sie lässt ihren Schleier zu Boden gleiten und stürzt sich in die Tiefe.

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Der Film „Women Without Men“ von Shirin Neshat (* 1957) basiert auf dem gleichnamigen Roman von Shahrnush Parsipur (* 1946). Die iranische Schriftstellerin veröffentlichte das Buch (Originaltitel: „Zanan bedun-e mardan“) 1990, als sie noch in Teheran lebte. Es wurde verboten, und weil Shahrnush Parsipur danach als Autorin im Iran keine Zukunftsperspektive mehr sah, emigrierte sie in die USA, wo der Roman 1998 in englischer Sprache gedruckt wurde („Women Without Men“).

Die ebenfalls in den USA lebende iranische Fotografin und Installationskünstlerin Shirin Neshat ließ sich von den fünf Frauenfiguren des Romans „Women Without Men“ zunächst zu einem mehrteiligen Video-Projekt inspirieren: „Mahdokht“ (2004), „Zarin“ (2005), „Munis“ (2008), „Faezeh“ (2008), „Farokh“ (2008). Als sie dann daraus einen Kinofilm machte, beschränkte sie sich auf vier der Frauen. Die Geschichte der Mahdokht, die sich in einen Baum verwandelt, ließ sie weg. Shirin Neshat nahm auch die surrealistische Dimension etwas zurück, während sie die politische Komponente stärker betont.

„Women Without Men“ veranschaulicht am Beispiel des Iran die Unfreiheit von Frauen in einer repressiven Gesellschaft, in der sie von ihren Männern unterdrückt und vom politischen ebenso wie vom sozialen Leben ausgeschlossen werden. Munis sieht nur noch einen Ausweg, den des Selbstmords: „Vom Schmerz ist man nur befreit, wenn man sich von der Welt befreit.“ Shahrnush Parsipur und Shirin Neshat plädieren mit „Women Without Men“ für eine freie Gesellschaft ohne Repression. Im Abspann heißt es:

Dieser Film ist dem Andenken aller Menschen gewidmet, die im Kampf für Freiheit und Demokratie im Iran ihr Leben ließen – von der Konstitutionellen Revolution 1906 bis zur Grünen Bewegung von 2009.

Die politischen Vorgänge im Jahr 1953 dienen jedoch nur als Kulisse; Shirin Neshat geht nicht näher darauf ein. „Women Without Men“ ist weder ein Lehrstück noch eine von lebendigen Menschen handelnde Geschichte. Eine Handlung gibt es allenfalls rudimentär, und die Figuren bleiben blutleer. Bei den Männern handelt es sich um Typen, aber selbst den vier Frauen fehlt es an differenzierten Charakterzügen. Außerdem ist „Women Without Men“ alles andere als dialoglastig. Shirin Neshat interessiert sich offenbar nicht besonders für den Inhalt; ihr kommt es auf die Form an, und dabei vor allem auf die Komposition stilisierter Bilder, die, sobald Demonstrationen oder Straßenschlachten zu sehen sind, ins Schwarz-Weiße übergehen.

Die Grenzen zwischen Leben und Tod, Wirklichkeit und Illusion zerfließen in „Women Without Men“ wie im magischen Realismus. Symbole wie vor allem der entrückte Garten spielen eine bedeutende Rolle. Neben dem Gegensatz zwischen Freiheit und Unterdrückung tangiert „Women Without Men“ auch die Dichotomien Natur/Kultur und Land/Stadt.

Der Titel erinnert übrigens an eine Sammlung von 14 Kurzgeschichten, die Ernest Hemingway 1927 veröffenlichte: „Men Without Women“ („Männer ohne Frauen“, Übersetzung: Annemarie Horschitz-Horst, Rowohlt Verlag 1958).

Gedreht wurde „Women Without Men“ in Marokko.

Shahrnush Parsipur, die Autorin der literarischen Vorlage, ist im Film in der Rolle einer Bordellbetreiberin zu sehen.

Shirin Neshat erhielt für ihren Debütfilm „Women Without Men“ bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig einen „Silbernen Löwen“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

 

Darja Donzowa - Der unschuldige Mörder
Mit großer Fabulierlaune entwickelt Darja Donzowa in „Der unschuldige Mörder“ einen Plot, der von Kapitel zu Kapitel komplexer und undurchschaubarer wird, den sie jedoch auf den letzten Seiten entwirrt. Der Kriminalroman ist nicht so ernst gemeint und bietet eine unterhaltsame Lektüre, bei der man nebenbei einige Eindrücke vom Leben in Moskau um 2000 gewinnt.
Der unschuldige Mörder