Der Eindringling

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Der Eindringling

The Intruder. Der Eindringling – Originaltitel: De indringer – Regie: Frank van Mechelen – Drehbuch: Ward Hulselmans – Kamera: Lou Berghmans – Schnitt: Joris Brouwers – Musik: Steve Willaert – Darsteller: Koen De Bouw, Maaike Neuville, Filip Peeters, Els Dottermans, Steve Aernouts, Nathalie Laroche, Vic de Wachter, Lien Van Cant, Axel Daeseleire, Gauthier de Fauconval u.a. – 2005; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Brüssel. Eineinhalb Jahre nach dem Verschwinden seiner 14-jährigen Tochter Louise verliert der darüber alkoholkrank gewordene Notfallarzt Tom Vansant seine Stelle. Auf der Suche nach Hinweisen trifft er auf eine Ausreißerin und nimmt sie mit nach Hause. Dadurch gerät er in den Verdacht, eine Minderjährige missbraucht zu haben. Das Mädchen wird als Charlotte Florent identifiziert. Tom folgt ihr in das Ardennendorf, in dem die Familie Florent wohnt, denn er ist überzeugt, dass sie etwas über Louise weiß. Die Bewohner betrachten ihn als Eindringling ...
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Kritik

"The Intruder. Der Eindringling" ist eine Mischung aus düsterem Drama und spannendem Provinzkrimi. Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick erscheint. Manches lässt sich nur aus knappen Dialogen oder kurzen Szenen erschließen.

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Brüssel. Eineinhalb Jahre nachdem seine vierzehnjährige Tochter Louise (Lien Van Cant) am 10. Mai 200x von zu Hause fortgelaufen ist, wird der Notfallarzt Tom Vansant (Koen De Bouw) von seinem Chef (Koen van Impe) entlassen. Letzter Anlass dafür war, dass der durch den Verlust der Tochter alkoholkrank gewordene allein erziehende Vater in der Notaufnahme auf einen Junkie (Gunther Lesage) einprügelte, von dem er glaubte, dass er etwas über Louise wissen könnte.

Nun streift Tom mit Fotos seiner Tochter durch die Stadt und fragt überall, ob jemand das Mädchen gesehen habe. In einer Bar sieht er eine Ausreißerin (Maaike Neuville) im Alter seiner Tochter, die eines dieser Fotos bei sich hat und anschaut. Er setzt sich zu ihr und gibt sich als Vater von Louise zu erkennen. In der Hoffnung, dass die Obdachlose etwas über Louise wissen könnte, nimmt er sie mit nach Hause, schenkt ihr Wäsche und Kleidung seiner Tochter und lässt sie in deren Bett schlafen.

Er betrachtet sie und gibt sich der Illusion hin, es sei seine Tochter.

Am anderen Morgen klingeln ihn zwei Polizeibeamte (Katrien De Ruysscher, Bertrand Delaude) aus dem Schlaf. Offenbar gehen sie einem Hinweis nach. Als sie bei ihm die Minderjährige und auf dem Boden liegende Unterwäsche finden, verhaften sie ihn. Das Mädchen schweigt beharrlich, aber Tom wird verdächtigt, eine Minderjährige missbraucht zu haben.

Die Polizei stellt fest, dass die Unbekannte, die ihren Namen nicht sagen will, einer Vermissten gleichsieht, die am 10. Mai des Vorjahres aus einem Dorf in den Ardennen verschwand: Charlotte Florent, fünfzehneinhalb Jahre alt. Die Mutter Arlette (Nathalie Laroche), der Vater Paul (Stéphane De Groodt) und der siebzehnjährige Bruder Luc (Gauthier de Fauconval) kommen nach Brüssel und holen sie ab.

Wo sie sich während der eineinhalb Jahre aufhielt, will Charlotte nicht sagen.

Sie bleibt gegenüber Arlette auf Distanz und erlaubt ihr nur hin und wieder, sie zu umarmen. Aber sie nutzt Arlettes verzweifelte Versuche, ihr näher zu kommen, um ihre Wünsche und Launen durchzusetzen. So kauft sie sich beispielsweise mit Arlettes Kreditkarte in der nächsten Stadt ein aufreizendes Kleid und freut sich im Dorf über die begehrlichen Blicke der Männer.

Heimlich schneidet sie sich in den Arm und fängt das Blut in Fläschchen auf.

Nachdem Tom von dem mit ihm befreundeten Polizisten Wes Moons (Axel Daeseleire) erfahren hat, wohin Charlotte gebracht wurde, fährt er in das Ardennendorf und mietet einen Wohnwagen.

Er sieht Charlotte auf der Straße und fragt sie nach seiner Tochter. Sie habe Louise nie gesehen, behauptet Charlotte, und ihn nur in dem Glauben gelassen, sie wisse etwas, um einen Schlafplatz zu bekommen.

Der Förster Roland Dunewolt (Filip Peeters) findet heraus, dass Tom nicht als harmloser Tourist gekommen ist, sondern nach seiner Tochter sucht und unter dem Verdacht steht, in Brüssel eine Minderjährige missbraucht zu haben. Argwöhnisch beobachtet er den Arzt. Und er ermahnt ihn, wegen der Gefahr von Jagdunfällen im Wald nicht von den Wegen abzuweichen. Tom empfindet das als Drohung.

Auch andere Bewohner des Ortes lassen Tom spüren, dass sie ihn als Eindringling betrachten.

Nur zwei Menschen begegnen ihm ohne Vorbehalte: der sechzigjährige Henri Nivek (Vic de Wachter) und die neununddreißigjährige Erika Pauli (Els Dottermans).

Henri, ein frühpensionierter Nachtportier, lebt mit seiner Frau Elsie (Sien Eggers), die seit einem Gehirnschlag vor zwei Jahren nicht mehr sprechen kann, ebenfalls in dem Wohnwagenpark. Um seine Rente aufzubessern, sucht er mit Hilfe eines Metalldetektors von Touristen verlorene Armbanduhren, Schmuck und Münzen.

Erikas Mann verunglückte vor drei Jahren tödlich. Sie wohnt neben einer stillgelegten Bahntrasse und verleiht Draisinen. Außerdem fotografiert sie die Touristen, die damit fahren und bietet die Bilder zum Verkauf an.


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überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Tom und Erika kommen sich näher und schlafen miteinander. Erika hört ihm verständnisvoll zu und ahnt schließlich, dass seine Tochter tot ist. Tom bestätigt es: Einen Monat nach ihrem Weglaufen stürzte Louise sich aus einem Fenster. Ihm geht es darum, den Grund für den Selbstmord herauszufinden.

Auf einem Foto, das Erika am 10. Mai des Vorjahres von einer Schülergruppe machte, die im Rahmen einer Klassenfahrt ins Dorf gekommen war und eine Draisine gemietet hatte, entdeckt sie Louise.

Tom drängt Wes Moons zu kommen und der Spur nachzugehen. Wes hat sich inzwischen Gedanken über Charlotte gemacht. Für ein Mädchen, das eineinhalb Jahre lang auf der Straße gelebt hatte, sah sie viel zu gesund aus. Außerdem scheint sie zwölf Zentimeter kleiner geworden zu sein. Ist sie wirklich Charlotte Florent? Im Dorf scheint niemand daran zu zweifeln. Verbergen die Bewohner ein Geheimnis?

Tom findet heraus, dass es sich bei dem Dorftrottel Freddy (Steve Aernouts) um den Sohn des Försters handelt. Roland Dunewolts Schwester Gaby (Brigitte Boisacq), die den Supermarkt betreibt, zog den Jungen auf, dessen Psyche der eines Kindes entspricht.

Bei einem Grillabend entdeckt Tom an Elsie Niveks Hals eine Kette seiner Tochter. Henri sagt, er habe sie neben dem Bahngleis kurz vor dem Tunnel gefunden.

Als Tom sich dort umsieht, ertappt er Luc und Charlotte in einem Baucontainer. Sie haben gerade angefangen, sich auszuziehen. Inzest zwischen Bruder und Schwester? Das Mädchen gesteht, nicht Charlotte Florent zu sein. Sie heißt Julie, stammt aus Brüssel und lief von zu Hause fort, weil ihr Vater sie seit ihrer Pubertät missbrauchte. Als die Polizei ihre Ähnlichkeit mit Charlotte feststellte und die seit dem Verlust ihrer Tochter verstörte Arlette Florent sie als Tochter annahm, widersprach sie nicht, denn auf diese Weise bekam sie ein neues Zuhause.

In einem flachen Grab unter dem Baucontainer findet Tom tags darauf Hinweise auf eine verscharrte Leiche.

Jemand bestellt Julie zum Baucontainer. Angeblich will Tom sie sprechen. Der weiß von nichts. Aber er hat keine Zeit, darüber nachzudenken, denn Dunewolt und Freddy schießen mit Jagdgewehren auf ihn und das Mädchen. Tom und Julie fliehen in den Wald. Ein Schuss wirft Tom zu Boden. Freddy beugt sich über ihn. Da springt Tom auf. Freddy verliert das Gleichgewicht, taumelt zurück und stürzt in die Kiesgrube. Dunewolt schreit auf, rennt zu dem Toten und betet ein Vaterunser. Tom, der an der Schulter verletzt ist, hebt Freddys Gewehr auf, geht hinunter und richtet die Waffe auf den verzweifelten Förster. Julie folgt ihm.

Tom argwöhnt, dass Freddy seine Tochter sexuell belästigte, aber Dunewolt beteuert, sein Sohn habe Louise nicht angefasst. Dann gesteht er, was er weiß.

Am 10. Mai des Vorjahres war Louise unter den Teilnehmern einer Klassenfahrt. Während einer Draisinen-Fahrt riss ihr ein Mitschüler die Halskette ab und schleuderte sie fort. Louise stieg aus und suchte nach dem Schmuckstück. Da stieß sie auf Freddy und Charlotte. Das frühreife Mädchen war gerade dabei, den debilen jungen Mann zu verführen. Als sie das fremde Mädchen erblickte, rief sie: „Los, schnapp sie dir!“ Für Freddy war das alles ein lustiges Spiel. Er rannte Louise nach. Sie floh und rempelte versehentlich die am Rand der Kiesgrube stehende Charlotte, die daraufhin in die Tiefe stürzte. Als Dunewolt erfuhr, was geschehen war, verscharrte er die Leiche des Mädchens, um seinen Sohn zu schützen.

Louise muss sich schuldig gefühlt haben. Sie rannte davon, kehrte nicht zur Schulklasse zurück, und einen Monat später nahm sie sich das Leben.

Tom wirft Dunewolt vor, durch sein Schweigen Louise auf dem Gewissen zu haben. Hätte er sofort die Polizei eingeschaltet, wäre Louise vermutlich gefunden worden. Dann hätte Tom ihr helfen können, mit den Schuldgefühlen fertig zu werden.

Noch immer zielt Tom mit dem Gewehr auf Dunewolt. Aber er bringt es nicht fertig, ihn zu erschießen. Stattdessen wirft er die Waffe weg und geht schluchzend in die Knie.

Roland Dunewolt wird verhaftet.

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„The Intruder. Der Eindringling“ (DVD-Titel) bzw. „Der Eindringling“ (TV-Titel) beginnt als Drama über einen allein erziehenden Vater, der durch den Verlust seiner vierzehnjährigen Tochter aus der Bahn geworfen wird. Dann entwickelt sich „The Intruder. Der Eindringling“ zu einem düsteren Provinzkrimi.

Als Zuschauer muss man aufpassen, denn nichts ist so, wie es auf den ersten Blick erscheint und entscheidende Zusammenhänge lassen sich nur aus knappen Dialogen oder kurz gezeigten Szenen erschließen.

„The Intruder. Der Eindringling“ ist der erste Kinofilm des belgischen Regisseurs Frank van Mechelen, der bereits als Fernsehregisseur Erfahrungen sammeln konnte.

Dass der Protagonist Tom Vansant gleich zu Beginn verdächtigt wird, eine Minderjährige missbraucht zu haben und es auch so aussieht, als sei seine Tochter Opfer eines Sexualverbrechens, ist in einem belgischen Film kein Zufall. Der Schock über den mehrfachen Mörder Marc Dutroux sitzt tief.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011

Marina Perezagua - Hiroshima
Die in "Hiroshima" dargestellte Welt ist voller Leid und Ungerechtigkeit, Grausamkeit und Inhumanität. Komplexität, Tiefgang und Nach­denk­lich­keit von "Hiroshima" be­weisen Marina Perezaguas Klug­heit und Bildung, aber der aufwühlende Roman wirkt auch überfrachtet.
Hiroshima