Maria voll der Gnade

Maria voll der Gnade

Maria voll der Gnade

Maria voll der Gnade - Originaltitel: Maria llena eres de gracia - Regie: Joshua Marston - Drehbuch: Joshua Marston - Kamera: Jim Danult - Schnitt: Anne McCabe und Lee Percy - Musik: Jacobo Lieberman und Leo Heiblum - Darsteller: Catalina Sandino Moreno, Yenny Paola Vega, Guilied Lopez, Virgina Ariza, Jhon Alex Toro u.a. - 2004; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Die 17-jährige Kolumbianerin Maria Alvarez wird sowohl von ihrer Familie als auch von ihrem Arbeitgeber ausgebeutet. Als ihr Freund sie schwängert, will sie ihn trotz der drohenden gesellschaftlichen Ächtung nicht heiraten. Durch Zufall gerät sie an einen Drogenhändler in Bogotá, der ihr 5000 $ dafür bietet, dass sie mit Heroin gefüllten Kondomen im Leib nach New York fliegt. Obwohl Flug und Ankunft ein Albtraum sind, will Maria in den USA bleiben und ihr Kind austragen.
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Kritik

Joshua Marston setzt in "Maria voll der Gnade" auf realistische, authentisch wirkende Bilder. Dazu tragen sowohl die Kameraführung als auch die Besetzung der Rollen mit kolumbianischen Laiendarstellern bei. Catalina Sandino Moreno erweist sich dabei als Entdeckung.
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Maria Alvarez (Catalina Sandino Moreno), eine aufgeweckte siebzehnjährige Kolumbianerin, lebt mit Großmutter, Mutter, Schwester und deren Kind zusammen. Den kargen Lohn, den sie auf der Packstation einer Rosenplantage verdient, muss sie zu Hause abgeben. Das Geld wird nicht nur für den Lebensunterhalt der vier Frauen und des Kindes benötigt, sondern auch, um Medikamente für Marias kleinen Neffen kaufen zu können, dessen Vater ihre Schwester sitzen ließ, nachdem er sie geschwängert hatte. Als Maria die Ausbeutung und Demütigung durch ihren Vorgesetzten nicht mehr erträgt, wirft sie ihren Job hin. Ihr Freund Juan (Wilson Guerrero) ist keine Stütze, sondern ein interesseloser Versager, und Maria bildet sich auch nicht ein, ihn zu lieben. Obwohl sie schwanger von ihm ist, will sie ihn auf keinen Fall heiraten. Aber als ledige Mutter wird die Gesellschaft sie ächten.

Da lernt Maria auf einem Dorffest Franklin (John Álex Toro) kennen. Der nimmt sie auf seinem Motorrad mit nach Bogotá und stellt sie dem Drogenhändler Javier (Jaime Osorio Gómez) vor, einem älteren Herrn, der sich höflich und charmant, großzügig und fürsorglich gibt. Geblendet von der Aussicht, ihrem Elend entfliehen zu können und in der Hoffnung, ihrem ungeborenen Kind eine bessere Zukunft zu sichern, lässt Maria sich darauf ein, für Javier Drogen nach New York zu schmuggeln. 5000 Dollar bietet er dafür. Das ist mehr als die meisten Menschen in Kolumbien in einem Jahr verdienen.

Mit Hilfe von Lucy (Guilied Lopez), die bereits zweimal Drogen nach New York brachte, bereitet Maria sich auf ihren ersten Flug vor und übt das Schlucken der daumengroßen Gummipäckchen mit unzerkauten Weintrauben. Dann nimmt sie Tabletten, um die Verdauung zu verzögern und würgt zweiundsechzig mit Heroin gefüllte Kondome hinunter. Dabei macht ihr nicht nur der Würgreflex zu schaffen, sondern auch die Furcht vor dem Aufreißen eines der Päckchen, denn die Heroinmenge, die dadurch in ihren Körper gelangen würde, wäre tödlich.

An Bord der Maschine sind außer Maria noch drei weitere Drogenkurierinnen – man nennt sie auch „Maultiere“ –, die für Javier arbeiten, darunter Lucy und Marias naive Freundin Blanca (Yenny Paola Vega). Während die meisten anderen Passagiere schlafen, werden die Mädchen von ihrer Angst wach gehalten. Maria muss zur Toilette. Die beiden ausgeschiedenen Kapseln fischt sie aus dem Klosett, spült sie ab, reibt sie mit Gleitcreme ein und würgt sie trotz des Ekels erneut hinunter. Lucy geht es immer schlechter. Ist eines der Heroinpäckchen in ihrem Körper aufgeplatzt? Auch als Maria beim Zoll eingehend durchsucht und befragt wird, behält sie die Nerven. Eine Röntgenkontrolle bleibt ihr wegen der Schwangerschaft erspart.

Eines der vier Mädchen wird festgenommen. Maria, Lucy und Blanca lassen sich von zwei Drogenhändlern in ein Hotel am Flughafen bringen. Dort scheiden sie nach und nach die Drogenpäckchen aus, waschen sie ab und reiben sie gegen den Geruch mit Zahncreme ein. Lucy geht es immer schlechter, aber die beiden Männer rufen keinen Arzt. Stattdessen zerren sie das todkranke Mädchen fort. Maria nutzt die Gelegenheit, um mit Blanca und den Drogenpäckchen zu fliehen.

Fürs Erste kommt Maria bei Lucys Schwester Carla Aristizábal (Patricia Rae) unter, die in Queens mit einem Mann namens Pablo verheiratet ist und gerade ihr zweites Kind erwartet. Maria wagt allerdings nicht, ihr die Wahrheit über Lucy zu sagen, sondern sie belügt Carla und behauptet, Lucy arbeite als Sekretärin in Bogotá, sei ihre Freundin und habe ihr die Adresse Carlas gegeben. Als dann auch noch Blanca in der viel zu kleinen Wohnung auftaucht, bringt Carla die beiden jungen Frauen zu dem ebenfalls aus Kolumbien stammenden Reiseunternehmer Don Fernando (Orlando Tobon), damit dieser ihnen ein Quartier besorgt. Don Fernando durchschaut rasch, dass es sich bei Maria und Blanca um „Maultiere“ handelt. Als sie sich ihm anvertrauen, rät er ihnen, die gestohlenen Drogen zurückzugeben, um ihre Angehörigen in Kolumbien nicht zu gefährden. Durch seine Kontakte erfährt er, dass man Lucys Leiche mit aufgeschnittenem Bauch fand: Die Drogenhändler hatten sich die Ware im Leib der Sterbenden nicht entgehen lassen.

Weil Maria nicht den Mut aufbringt, Carla die Wahrheit zu sagen, unterrichtet Don Fernando sie über den Tod ihrer Schwester.

Maria ruft die Drogenhändler an, vereinbart ein Treffen mit den beiden Männern und übergibt ihnen die Drogenpäckchen. Sie erreicht sogar, dass sie und Blanca die versprochene Bezahlung bekommen. Lucys Anteil verlangt sie jedoch vergeblich.

Von ihrem Geld gibt Maria Don Fernando etwas ab, damit Carla mit seiner Hilfe die Leiche ihrer Schwester nach Kolumbien überführen lassen kann.

Statt mit Blanca nach Bogotá zurückzufliegen, bleibt Maria in New York. Im Interesse ihres ungeborenen Kindes will sie hier ein neues Leben anfangen.

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Durch die Bekanntschaft mit einer früheren Drogenkurierin wurde Joshua Marston auf das Problem der Drogenschmuggler aufmerksam und führte dann auch lange Gespräche mit Orlando Tobon, der im Jackson Heights Shopping Center in der Nähe des New Yorker Flughafens La Guardia ein kleines Reisebüro betreibt, aus dem in den letzten fünfundzwanzig Jahren eine Anlaufstelle für „Maultiere“ geworden ist. „Maultiere“ nennt man die Drogenkuriere, die für 5000 bis 8000 Dollar – dem Drei- bis Fünffachen des durchschnittlichen Jahreseinkommens eines Kolumbianers – in Bogotá bis zu hundertzwanzig Heroin- oder Kokainpäckchen schlucken und damit nach New York fliegen. Bis zu fünfzehntausend solcher Drogenkuriere nehmen die Zollbehörden an den Flughäfen von New York im Jahr fest. Einige überleben den Flug nicht, denn wenn eines der Kondome im Magen-Darm-Trakt platzt, gelangt eine tödliche Dosis Rauschgift in den Körper. Drogenkuriere, die nicht festgenommen werden oder umkommen, werden von den Kontaktleuten der kolumbianischen Drogenkartelle in New York vom Flughafen abgeholt und in ein Motel gebracht, wo sie Abführmittel einnehmen, damit sie die Drogenpäckchen so rasch wie möglich ausscheiden. Orlando Tobon hat auch die Leichen von Schmugglern gesehen, denen der wertvolle Magen- bzw. Darminhalt aus dem Leib geschnitten worden war. Eine seiner selbst gestellten Aufgaben besteht darin, Geld zu sammeln, um die Leichen umgekommener Drogenkuriere nach Kolumbien überführen zu können. „Totengräber der Maultiere“ nennt man ihn deshalb. In dem Film „Maria voll der Gnade“ spielt Orlando Tobon in der Rolle des Don Fernando sich gewissermaßen selbst.

In seinem Debütfilm verzichtet Joshua Marston darauf, die Drogenbosse mit erhobenem Zeigefinger anzuprangern und versucht auch nicht, sich mit der Problematik der Drogenkartelle generell auseinanderzusetzen, sondern er greift eines der Schicksale der zahlreichen Drogenkurierinnen heraus und veranschaulicht an diesem Beispiel die soziale Realität in Lateinamerika.

Der Film „Maria voll der Gnade“ ist zwar so inszeniert, dass er ein breites Publikum anspricht, aber Joshua Marston vermeidet theatralische Szenen und setzt stattdessen auf realistische, authentisch wirkende Bilder. Dazu tragen sowohl die Kameraführung als auch die Besetzung der Rollen mit kolumbianischen Laiendarstellern bei – auch wenn davon in der Synchronisation einiges verloren geht.

Die Glaubwürdigkeit von „Maria voll der Gnade“ beruht besonders auf der bei den Dreharbeiten einundzwanzigjährigen kolumbianischen Debütantin Catalina Sandino Moreno. Trotz ihrer fehlenden Schauspielerfahrung gelingt es ihr, mit unmanierierten Gesten und unaufdringlicher Mimik starke Gefühle auszudrücken. Catalina Sandino Moreno wurde auf der „Berlinale“ mit einem „Silbernen Bären“ ausgezeichnet und in der Kategorie „beste Hauptdarstellerin“ für einen „Oscar“ nominiert.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005/2007

Drogenmissbrauch, Drogensucht

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